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BFH-Urteil vom 17.5.2006 (II R 46/04) BStBl. 2006 II S. 720

Bestellt eine Kirchengemeinde einer kirchlichen Einrichtung mit karitativer Zielsetzung ein Erbbaurecht an einem Grundstück mit aufstehendem Alten- und Pflegeheim und hat diese Einrichtung den vereinbarten Erbbauzins so lange nicht zu zahlen, wie sie den Heimbetrieb fortführt, liegt eine von der Grunderwerbsteuer befreite Schenkung unter Lebenden vor.

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 2 Abs. 2 Nr. 1, § 3 Nr. 2; ErbStG § 1 Abs. 1 Nr. 2, § 7 Abs. 1 Nr. 1, § 10 Abs. 9; GG Art. 20 Abs. 3, Art. 140; WRV Art. 137 Abs. 3 Satz 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 7. Juni 2004 7 K 4251/02 GE (EFG 2005, 135)

Sachverhalt

I.

Die katholische Kirchengemeinde K in ... bestellte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 29. Dezember 1998 dem Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger), einer Einrichtung der ... Kirche mit karitativer Zielsetzung in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins, auf 60 Jahre das Erbbaurecht an einem ihr gehörenden, mit einem Altenheim bebauten Grundstück für den Betrieb einer katholischen Einrichtung der Altenhilfe. In dem Vertrag wurde Folgendes vereinbart: Eine Änderung des Verwendungszwecks bedarf der vorherigen schriftlichen Zustimmung der K. Der Kläger verpflichtete sich, die noch nicht umgebauten Zimmer in dem Heim unter bestimmten Voraussetzungen an die heutigen Anforderungen der stationären Altenpflege anzupassen. Wenn er das Heim nicht selbst betreibt oder dessen Betrieb einstellt oder sonst gegen die von ihm übernommenen Verpflichtungen verstößt, steht K ein Heimfallanspruch zu.

K "verzichtete" auf die Entrichtung des vereinbarten Erbbauzinses, solange der Kläger in dem Haus soziale Aufgaben für bedürftige Menschen wahrnimmt, und verpflichtete sich unbeschadet dieser Regelung, den Erbbauzins zu erlassen, solange der Kläger Grundstück und Aufbauten dem bisherigen Zweck zuführt und keine Gewinne oder Überschüsse aus dem Betrieb des Heimes erzielt oder diese nicht für andere Zwecke oder für eine andere seiner Einrichtungen entnimmt.

Endet das Erbbaurecht durch Zeitablauf oder Heimfall, hat der Kläger das Grundstück samt den dann vorhandenen Aufbauten an K zurückzuübertragen. K seinerseits ist dann verpflichtet, bezüglich der vom Kläger von Grund auf sanierten Aufbauten die von diesem dafür neu aufgenommenen und noch vorhandenen Verbindlichkeiten zu übernehmen und von ihm für diese Aufbauten aufgewendete, nicht aus dem Betrieb des Heimes stammende Eigenmittel zu erstatten.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) setzte für den Erwerb des Erbbaurechts Grunderwerbsteuer in Höhe von 99.533,19 € (194.670 DM) fest. Er legte der Steuerfestsetzung den nach § 148 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. § 147 des Bewertungsgesetzes (BewG) gesondert festgestellten Wert des Erbbaurechts von 5.562.000 DM zugrunde und nahm dabei an, dass die Pflicht zur Zahlung des Erbbauzinses aufschiebend bedingt und daher gegenwärtig eine Gegenleistung nicht zu ermitteln sei (§ 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 Alternative 2 des Grunderwerbsteuergesetzes - GrEStG -). Eine Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 2 GrEStG scheide aus, weil der Kläger aufgrund der vereinbarten Verwendung des Grundstücks für soziale Aufgaben durch die Bestellung des Erbbaurechts nicht bereichert worden sei. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der auf Aufhebung des Grunderwerbsteuerbescheids gerichteten Klage durch das in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 135 veröffentlichte Urteil mit der Begründung statt, es sei Grunderwerbsteuerfreiheit nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG gegeben. Der Kläger habe das Erbbaurecht aufgrund freigebiger Zuwendung der K erworben und sei durch den Erwerb objektiv bereichert. Die vereinbarte Wahrnehmung sozialer Aufgaben für bedürftige Menschen stelle keine Gegenleistung i.S. von § 8 Abs. 1 und § 9 Abs. 1 GrEStG dar. Gleiches gelte für die aufschiebend bedingte Verpflichtung zur Zahlung des Erbbauzinses bis zum - noch nicht erfolgten - Eintritt der Bedingung.

Mit der Revision macht das FA geltend, der Erwerb des Erbbaurechts sei nicht nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Besteuerung ausgenommen. Der Kläger habe das Recht nicht durch Schenkung unter Lebenden erhalten, wie sich aus der Vereinbarung über die Wahrnehmung sozialer Aufgaben auf dem Grundstück durch den Kläger ergebe. Der Wert der vom Kläger eingegangenen Verpflichtungen lasse sich allerdings nicht ermitteln. Deshalb sei der Grundbesitzwert als Bemessungsgrundlage heranzuziehen.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Das FG hat zu Recht angenommen, die Bestellung des Erbbaurechts unterliege zwar nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 2 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG der Grunderwerbsteuer, sei aber als Grundstücksschenkung unter Lebenden im Sinne des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) zu beurteilen und deshalb nach § 3 Nr. 2 Satz 1 GrEStG von der Grunderwerbsteuer befreit.

a) Als Schenkungen unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) gelten nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG freigebige Zuwendungen unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird. Diese Voraussetzungen sind erfüllt.

aa) Eine freigebige Zuwendung scheidet nicht bereits nach den für Vermögensübertragungen durch Träger öffentlicher Verwaltung geltenden Grundsätzen aus. Unentgeltliche Vermögensübertragungen durch solche Träger fallen im Regelfall nicht unter § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; sie erfolgen regelmäßig nicht freigebig. Aufgrund der Bindung der vollziehenden Gewalt an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 des Grundgesetzes - GG -), darunter auch an die jeweils maßgebenden haushaltsrechtlichen Vorschriften, ist in der Regel anzunehmen, dass Träger öffentlicher Verwaltung in Wahrnehmung der ihnen obliegenden Aufgaben und somit nicht freigebig handeln. Unentgeltlichen Vermögensübertragungen durch solche Verwaltungsträger steht regelmäßig die Erfüllung der ihnen obliegenden Aufgaben gegenüber. Nur wenn die übertragende juristische Person des öffentlichen Rechts den Rahmen ihrer Aufgaben eindeutig überschreitet, kommt eine freigebige Zuwendung i.S. von § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG in Betracht (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 1. Dezember 2004 II R 46/02, BFHE 208, 426, BStBl II 2005, 311; vom 29. März 2006 II R 15/04, BFH/NV 2006, 1413, und vom 29. März 2006 II R 68/04, BFH/NV 2006, 1587).

Diese Grundsätze lassen sich nicht auf Vermögensübertragungen durch Kirchen bzw. deren Untergliederungen wie etwa katholische Kirchengemeinden übertragen. Diese unterliegen nicht dem staatlichen Haushaltsrecht, sondern ordnen und verwalten ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes (Art. 140 GG i.V.m. Art. 137 Abs. 3 Satz 1 der Weimarer Reichsverfassung), und sind im Gegensatz zu Trägern öffentlicher Verwaltung jedenfalls nicht durch staatliches Recht gehindert, freigebige Zuwendungen zu erbringen. Aus dem in Nordrhein-Westfalen geltenden Gesetz über die Verwaltung des katholischen Kirchenvermögens vom 24. Juli 1924 (Sammlung des fortlaufend bereinigten Gesetz- und Verordnungsblattes für das Land Nordrhein-Westfalen - GV NRW - 222, zuletzt geändert durch Gesetz vom 17. Juni 2003, GV NRW S. 313), ergibt sich nichts anderes.

bb) Der Bestellung des Erbbaurechts steht auch keine Gegenleistung des Klägers gegenüber, die seine aufgrund der Unentgeltlichkeit der Bestellung gegebene Bereicherung (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG) ausschließt.

Die Erbbauzinsen sind nach § 6 Abs. 1 BewG nicht als Gegenleistung zu berücksichtigen, solange der Kläger die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen dafür, dass die Erbbauzinsen nicht zu zahlen sind, erfüllt. Erst wenn dies nicht mehr der Fall sein sollte, bilden die Erbbauzinsen eine Gegenleistung.

Die Verpflichtung des Klägers zum Betrieb des Heimes ist keine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts. Der Heimbetrieb obliegt dem Kläger vielmehr als eigene, den Heimbewohnern gegenüber wahrzunehmende Aufgabe. Auch die vom Kläger übernommenen Umbauverpflichtungen stellen keine Gegenleistung dar. Die im Vertrag vorgesehenen Umbaumaßnahmen kommen dem Kläger selbst als Betreiber des Heimes zugute. Bezüglich der Aufwendungen des Klägers für die Baumaßnahmen hat K nach Maßgabe der getroffenen Vereinbarungen bei Beendigung des Erbbaurechts Ersatz zu leisten. Der Streitfall unterscheidet sich dadurch von dem Sachverhalt, der dem BFH-Urteil vom 6. Dezember 1995 II R 46/93 (BFH/NV 1996, 578) zu Grunde lag. Bei der in diesem Fall vereinbarten Restaurierungsverpflichtung des Erbbauberechtigten hatte es sich nicht um eine lediglich eigennützige Erwerberverpflichtung und somit um eine Gegenleistung für die Bestellung des Erbbaurechts gehandelt.

b) Die vom Kläger eingegangenen Verpflichtungen zum Betrieb des Heimes und zu den Umbaumaßnahmen sind auch nicht als nach § 10 Abs. 5 Nr. 2 ErbStG bei der Schenkungsteuer abziehbare Auflagen zu beurteilen, die insoweit nach § 3 Nr. 2 Satz 2 GrEStG zur Grunderwerbsteuerbarkeit der Schenkung führen. Die Erfüllung dieser Verpflichtungen liegt innerhalb der satzungsgemäßen Aufgaben des Klägers als einer Einrichtung der katholischen Kirche mit karitativer Zielsetzung; eine Abziehbarkeit bei der Schenkungsteuer scheidet deshalb nach § 10 Abs. 9 ErbStG aus (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 2002 II R 82/99, BFHE 197, 269, BStBl II 2002, 303).