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BFH-Urteil vom 9.5.2006 (VII R 15/05) BStBl. 2006 II S. 738

1. Es ist kein hinreichender Grund ersichtlich, den zwischen zusammenveranlagten Ehegatten unentgeltlich zugewendeten Vermögenswert nach § 278 Abs. 2 AO 1977 einem zeitlich unbeschränkten Zugriff durch das FA auszusetzen, während die Anfechtung einer solchen Vermögensverschiebung nach dem AnfG bei nicht zusammenveranlagten Eheleuten nur zeitlich eingeschränkt möglich ist.

2. Soweit § 278 Abs. 2 AO 1977 eine zeitlich unbeschränkte Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers vorsieht, während das AnfG für vergleichbare Sachverhalte zeitlich begrenzte Anfechtungsmöglichkeiten eröffnet, liegt eine Regelungslücke vor, die durch eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 1 AnfG zu schließen ist.

GG Art. 6 Abs. 1; AO 1977 § 278 Abs. 2; AnfG § 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1.

Vorinstanz: FG Köln vom 19. Januar 2005 4 K 5620/03 (EFG 2005, 752)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) wurde in den Veranlagungszeiträumen 1986 und 1987 zusammen mit ihrem Ehemann zur Einkommensteuer veranlagt. Der Ehemann betrieb als Einzelunternehmer ein Kurhotel mit Bad und war alleiniger Komplementär der X-Bad KG (KG) und alleiniger Gesellschafter der X-Bad GmbH (GmbH). Zur Besicherung eines für das Kurhotel und die KG benötigten Kredits bestellte die Klägerin 1985 an mehreren in ihrem Allein- und Miteigentum stehenden Immobilien Grundpfandrechte und leistete eine Bareinlage an die KG in Höhe von 100.000 DM. Im Laufe des Jahres 1987 schied der Ehemann der Klägerin aus der Unternehmensgruppe aus und veräußerte und übereignete den betrieblichen Grundbesitz nebst Anlagen und Quellrechten an die KG. Zugleich übertrug er seine gesamten Anteile an der GmbH und seinen Anteil an der KG auf eine in der Rechtsform der GmbH gegründete Holding. Als Gegenleistung für die Übertragung der Nutzungsrechte an der Thermalquelle räumte die GmbH den Eheleuten nach § 428 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) eine lebenslange, monatliche Rente von 5.000 DM, beginnend ab dem 1. Oktober 1987, ein.

Im Mai und Juli 1992 erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) zwei Aufteilungsbescheide, in denen die rückständige Einkommen- und Kirchensteuer für die Veranlagungszeiträume 1986 und 1987 nebst Säumniszuschlägen zum Zwecke der Vollstreckungsbeschränkung gegenüber den Eheleuten aufgeteilt wurde. Die der Klägerin in der Rentenvereinbarung eingeräumte Stellung als Gesamtgläubigerin nahm das FA zum Anlass, im September 2002 gegenüber der Klägerin einen Ergänzungsbescheid nach § 278 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO 1977) zu erlassen. Im Bescheid wies das FA darauf hin, dass die vollstreckungshindernde Wirkung des § 278 Abs. 1 AO 1977 gegenüber der Klägerin aufgrund der unentgeltlichen Zuwendung der Rentenmitberechtigung durch ihren Ehemann in Höhe des Vermögenswertes des anteiligen Rentenstammrechts nicht eintreten könne.

Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren erhobene Klage führte zur Aufhebung des angefochtenen Ergänzungsbescheids. Zwar wertete das Finanzgericht (FG) die Einräumung der Rentenmitberechtigung der Klägerin als Zuwendung nach § 278 Abs. 2 AO 1977, doch sah es das FA in analoger Anwendung von § 12 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes 1879 (AnfG a.F.) und § 3 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes 1999 (AnfG) nicht mehr als befugt an, gestützt auf § 278 Abs. 2 AO 1977, nach Ablauf von mehr als 10 Jahren nach Erlass des Aufteilungsbescheids einen die vollstreckungshindernde Wirkung beseitigenden Ergänzungsbescheid zu erlassen. Für eine derartige zeitliche Beschränkung spreche der Sinn und Zweck der Aufteilungsregelung sowie der auch im Steuerrecht nach Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) zu gewährleistende Schutz von Ehe und Familie. Im Vergleich zu den Regelungen des AnfG oder der Insolvenzordnung (InsO) dürften Eheleute bei der Anwendung von § 278 Abs. 2 AO 1977 nicht schlechter gestellt werden. Zu berücksichtigen sei ferner, dass die Inanspruchnahme durch einen Duldungsbescheid nach § 191 AO 1977 ebenfalls nicht zeitlich unbeschränkt erfolgen könne. Im Bereich der Vorsatzanfechtung habe der Gesetzgeber die Anfechtungsfrist von 30 auf nunmehr 10 Jahre verkürzt. Diese neue Rechtslage würde nach § 20 Abs. 1 AnfG auch in Altfällen zur Anwendung kommen, in denen das FA einen auf § 191 AO 1977 gestützten Duldungsbescheid erlassen hätte.

Mit seiner Revision rügt das FA die Verletzung von Bundesrecht. Entgegen der Auffassung des FG sei eine Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO 1977 zeitlich unbeschränkt möglich. Für eine analoge Anwendung der Vorschriften des AnfG sei kein Raum. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 18. Dezember 2001 VII R 56/99 (BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214, 220) entschieden habe, stelle § 278 Abs. 2 AO 1977 eine zeitlich unbeschränkte Duldungsnorm dar, bei der die Finanzbehörde keine "Anfechtungsfrist" zu beachten habe. Zudem bestehe keine Regelungslücke, die durch eine Analogie geschlossen werden müsste. Auch verstoße § 278 Abs. 2 AO 1977 nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Verfassungsrechtlich sei es sogar geboten, die durch die Aufteilung bewirkte Vollstreckungsbeschränkung in den Fällen zu durchbrechen, in denen durch eine unentgeltliche Übertragung von Vermögenswerten die Vollstreckung vereitelt oder erschwert werde. Eine Verletzung von Art. 6 Abs. 1 GG sei solange nicht zu befürchten, als das FA mit der Vollstreckung gegen den Zuwendungsempfänger deshalb zuwarte, weil nicht eindeutig feststehe, ob der vorrangig in Anspruch zu nehmende Zuwendungsgeber seiner Verpflichtung aus der Steuerfestsetzung nachkommen werde.

Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass ein Antrag auf Aufteilung der Steuerschulden ab Bekanntgabe des Leistungsgebots bis zur vollständigen Tilgung der Steuerschulden gestellt werden könne. Aus diesem Grund müsse es auch eine unbefristete Regelung zur Korrektur von Vermögensverschiebungen geben. Eine zeitliche Einschränkung erfolge durch die Vorschriften über die Zahlungsverjährung. Im Gegensatz zum Anfechtungstatbestand nach § 4 i.V.m. § 11 AnfG sei der Zugriff nach § 278 Abs. 2 AO 1977 nicht auf den zugewandten Gegenstand beschränkt, so dass der Zuwendungsempfänger seine Inanspruchnahme nicht mit dem Einwand der Entreicherung verhindern könne. Insofern werde der Vollstreckungsgläubiger, der nach § 278 AO 1977 vorgehe, gegenüber einem Vollstreckungsgläubiger, der nach § 191 AO 1977 einen Duldungsbescheid erlasse, bevorzugt. Dies komme auch dadurch zum Ausdruck, dass eine gerichtliche Geltendmachung bzw. der Erlass eines auf Duldung der Vollstreckung gerichteten Bescheids nicht erforderlich sei. Vielmehr trete die Aufhebung der Vollstreckungsbeschränkung nach § 278 Abs. 2 AO 1977 kraft Gesetzes ein. Aufgrund weiterer Unterschiede der Anfechtung nach dem AnfG und der Aufhebung der Vollstreckungsbeschränkung nach § 278 Abs. 2 AO 1977 sei eine Übertragung der Fristenregelungen des AnfG auf eine Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO 1977 nicht gerechtfertigt.

Die Klägerin schließt sich im Wesentlichen den Ausführungen des FG an. Im Schrifttum werde der Umstand, dass eine Befristung in § 278 Abs. 2 AO 1977 nicht ausdrücklich vorgesehen sei, als ein Versehen des Gesetzgebers gewertet, das durch eine Analogie zu § 3 Abs. 1 AnfG korrigiert werden müsse. Der von Art. 6 Abs. 1 GG geforderte Schutz von Ehe und Familie gebiete eine zeitliche Beschränkung der Zugriffsmöglichkeit damit zusammenveranlagte Ehegatten nicht gegenüber anderen Schuldnern unangemessen benachteiligt würden. Mit § 278 Abs. 2 AO 1977 sollten keine - gegenüber den Regelungen des AnfG - erweiterten Vollstreckungsmöglichkeiten geschaffen werden. Zwar treffe es zu, dass eine Aufteilung bis zur vollständigen Tilgung der Steuerschulden beantragt werden könne, doch könne das FA bis zur Herbeiführung einer Vollstreckungsbeschränkung auf das Vermögen beider Eheleute zugreifen. Im Rahmen der Reform des AnfG habe der Gesetzgeber die Anfechtungsfrist bei der sog. Absichtsanfechtung mit der Begründung auf 10 Jahre beschränkt, dass eine längere Frist nicht mehr als zeitgemäß angesehen werden könne. Im Falle einer zeitlich unbeschränkten Zugriffsmöglichkeit nach § 278 Abs. 2 AO 1977 werde das FA gegenüber dem Insolvenzverwalter und allen anderen Gläubigern einseitig bevorzugt. Dies habe der Gesetzgeber jedoch mit der Insolvenzrechtsreform gerade verhindern wollen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das angefochtene Urteil entspricht dem Bundesrecht (§ 118 Abs. 1 Satz 1 FGO). Das FA war nach Ablauf der in analoger Anwendung von § 12 Abs. 1 AnfG a.F. bzw. § 3 Abs. 1 AnfG zu beachtenden Zehn-Jahres-Frist nicht mehr berechtigt, den auf § 278 Abs. 2 AO 1977 gestützten Bescheid zu erlassen.

Der Senat kann offen lassen, ob die zu Gunsten der Klägerin durch die Rentenvereinbarung erfolgte Einräumung einer lebenslangen Rente eine unentgeltliche Zuwendung i.S. von § 278 Abs. 2 AO 1977 darstellt und ob dem FA der Einwand der Verwirkung entgegengehalten werden kann. Jedenfalls durfte das FA im Streitfall den angefochtenen und auf § 278 Abs. 2 AO 1977 gestützten Bescheid deshalb nicht erlassen, weil seit dem Abschluss der Rentenvereinbarung ein Zeitraum von über 10 Jahren vergangen war.

1. Nach erfolgter Aufteilung der Gesamtschuld zusammenveranlagter Ehegatten (§ 278 Abs. 1 AO 1977) führt die Anwendung von § 278 Abs. 2 AO 1977 in den Fällen zu einer Aufhebung der Vollstreckungsbeschränkung, in denen einem Steuerschuldner von einer mit ihm zusammenveranlagten Person in oder nach dem Veranlagungszeitraum, für den noch Steuerrückstände bestehen, unentgeltlich Vermögensgegenstände zugewendet wurden. Der Zuwendungsempfänger kann über den nach § 278 Abs. 1 AO 1977 geschuldeten Betrag hinaus bis zur Höhe des gemeinen Werts dieser Zuwendung für die Steuer in Anspruch genommen werden. Wie der Senat in seinem Urteil in BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214 entschieden hat, regelt § 278 Abs. 2 AO 1977 einen Sonderfall der Anfechtung einer Vermögensverschiebung zwischen Ehegatten. Der Regelung liegt die Vorstellung des Gesetzgebers zugrunde, zum Schutz des Gläubigers missbräuchlichen Vermögensverschiebungen des Schuldners entgegenzuwirken, die geeignet sind, die Vollstreckung wegen der Steuerforderung zu vereiteln (BTDrucks VI/1982 zu § 262, Abs. 2 S. 179). Damit soll dem Gläubiger der Zugriff auf die zugewendeten Vermögensgegenstände bzw. auf deren Wert erhalten bleiben.

a) Diesem Anliegen des Gesetzgebers entsprechen auch die Regelungen der §§ 3 und 4 AnfG. Außerhalb des Insolvenzverfahrens ist nach § 3 Abs. 1 AnfG eine Rechtshandlung anfechtbar, die der Schuldner in den letzten 10 Jahren vor der Anfechtung mit dem Vorsatz vorgenommen hat, seine Gläubiger zu benachteiligen, sofern der andere Teil zur Zeit der anfechtbaren Handlung den Vorsatz des Schuldners kannte (sog. Absichtsanfechtung). Unentgeltliche Leistungen des Schuldners unterliegen nach § 4 Abs. 1 AnfG der Anfechtung, wenn sie früher als 4 Jahre vor der Anfechtung vorgenommen worden sind. Für den Fall, dass ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Schuldners gestellt worden ist, sehen §§ 133 und 134 InsO identische Regelungen vor. Im Gegensatz zu § 278 Abs. 2 AO 1977 hat der Gesetzgeber die Anfechtung in den Vorschriften des AnfG und der InsO ausdrücklich einer zeitlichen Beschränkung unterworfen. Dabei wurde die Anfechtungsfrist bei der Absichtsanfechtung im Rahmen der Insolvenzrechtsreform von 30 Jahren auf 10 Jahre herabgesetzt. Ausweislich der Gesetzesbegründung wurde eine längere Frist als 10 Jahre nicht mehr als zeitgemäß angesehen (BRDrucks I/1992, S. 160).

b) Der Trend zur Verkürzung der Verjährungsfristen hat auch die Modernisierung des Schuldrechts geprägt (vgl. Leenen, Die Neugestaltung des Verjährungsrechts durch das Schuldrechtsmodernisierungsgesetz, Deutsches Steuerrecht 2002, 34). Im Rahmen der Schuldrechtsreform hat sich der Gesetzgeber für eine regelmäßige Verjährungsfrist von 3 Jahren entschieden (§ 195 BGB). Gewährt das BGB einen Anspruch ohne ausdrückliche Festlegung einer Verjährungsfrist, gilt eine von der Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis des Anspruchsberechtigten abhängige relative Frist von 3 Jahren und eine Maximalfrist von grundsätzlich 10 Jahren, die bei Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit 30 Jahre beträgt (§ 199 Abs. 2 BGB). Selbst bei Verletzung dieser vom Gesetzgeber als besonders schützenswert eingestuften Persönlichkeitsgüter lässt das Gesetz eine zeitlich unbeschränkte Geltendmachung von zivilrechtlichen Ansprüchen nicht zu.

2. Nach Auffassung des erkennenden Senats ist durch die Nichtanpassung von § 278 Abs. 2 AO 1977 an die Ergebnisse der Insolvenzrechtsreform eine Regelungslücke entstanden, die durch eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 1 AnfG zu schließen ist.

a) Dabei ist zu berücksichtigen, dass aus der Sicht des Steuergläubigers bei der Anfechtung nach § 4 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 AnfG und einer Inanspruchnahme des Empfängers einer unentgeltlichen Zuwendung nach § 278 Abs. 2 AO 1977 eine vergleichbare Interessenlage besteht. In beiden Fällen soll der Vereitelung der Vollstreckung durch eine für den Gläubiger nachteilige Vermögensverschiebung entgegengewirkt werden. Im Rahmen der Umsetzung der Insolvenzrechtsreform hat der Gesetzgeber bei der Absichtsanfechtung (§ 3 Abs. 1 AnfG, § 133 InsO) eine längere Anfechtungsfrist als 10 Jahre nicht mehr als zeitgemäß empfunden und die Gläubigerinteressen an einer nach der früheren Rechtslage zumindest 30-jährigen Anfechtbarkeit hinter rechtsstaatlichen Erwägungen zurücktreten lassen. Der Wandel der Rechtsauffassungen der am Gesetzgebungsverfahren Beteiligten und die dadurch veranlasste aktuelle Rechtsentwicklung konnten bei der erstmaligen Normierung der Durchgriffsregelung des § 278 Abs. 2 AO 1977 durch das Steuerreformgesetz vom 18. Juli 1958 (BGBl I 1958, 473) nicht vorhergesehen und berücksichtigt werden.

b) Dies trifft auch auf die Präzisierung des Schutzbereichs von Art. 6 Abs. 1 GG durch die Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu. So hat das BVerfG die durch die Zusammenveranlagung herbeigeführte Gesamtschuldnerschaft der Ehegatten nur unter der Voraussetzung gebilligt, dass ein Weg zur Aufteilung der Gesamtschuld eröffnet werde, so dass die Gesamthaftung gegen den Willen der Ehegatten nicht verwirklicht werden könne (BVerfG-Urteil vom 21. Februar 1961 1 BvL 29/57, 1 BvL 20/60, BVerfGE 12, 151, BStBl I 1961, 55). Nur unter dieser Voraussetzung sei eine Art. 6 Abs. 1 GG widersprechende Benachteiligung von Ehegatten gegenüber unverheirateten Steuerpflichtigen ausgeschlossen. In einer späteren Entscheidung hat sich das BVerfG auch mit der Anfechtungsfrist des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. befasst und ausgeführt, dass die gegenüber nicht verheirateten Zuwendungsempfängern um ein Jahr verlängerte Anfechtungsfrist mit Art. 3 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 6 Abs. 1 GG vereinbar sei (BVerfG-Beschluss vom 14. Mai 1991 1 BvR 502/91, Zeitschrift für Wirtschaftsrecht 1991, 736). Zur Wahrung der Interessen der Gläubiger sei der Gesetzgeber nicht daran gehindert, die aufgrund der auf Dauer angelegten Wirtschaftsgemeinschaft größere Übertragungsbereitschaft unter Ehegatten durch eine verlängerte Anfechtungsmöglichkeit auszugleichen. Auf diese Weise werde der Gläubiger eines Ehegatten vor solchen Erschwerungen der Zwangsvollstreckung geschützt, die typischerweise gerade aus der Ehe des Schuldners resultierten. Nach Auffassung des Senats kann dieser Entscheidung jedoch nicht entnommen werden, dass eine zeitlich unbefristete Anfechtungsmöglichkeit unter dem Gesichtspunkt der zu fordernden Diskriminierungsfreiheit einer Anfechtungsregelung keinen verfassungsrechtlichen Bedenken begegnen würde. Denn das BVerfG hat lediglich eine Verlängerung der Anfechtungsfrist um 1 Jahr legitimiert und keine Aussage über die verfassungsrechtliche Zulässigkeit einer zeitlich unbefristeten Anfechtungsmöglichkeit getroffen. Zudem hat das BVerfG darauf hingewiesen, dass die Ehe nur dann zum Anknüpfungspunkt wirtschaftlich nachteiliger Folgen genommen werden kann, wenn sich für eine Differenzierung zu Lasten Verheirateter aus der Natur des geregelten Lebensverhältnisses einleuchtende Sachgründe ergeben. Solche Gründe müssen nach Auffassung des erkennenden Senats auch geeignet sein, die vom Gesetzgeber getroffene Maßnahme im Hinblick auf ihre Intensität und zeitliche Ausdehnung zu rechtfertigen.

c) Unter Berücksichtigung dieser Erwägungen und der vom Gesetzgeber vorgenommenen Verkürzung der Anfechtungsfristen nach dem AnfG und der InsO gelangt der Senat zu dem Schluss, dass aus rechtsstaatlichen Erwägungen eine zeitliche Befristung der nach § 278 Abs. 2 AO 1977 eröffneten Möglichkeit der Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers geboten ist. Dabei ist aus der Natur des zu regelnden Lebenssachverhalts kein hinreichender Grund ersichtlich, einen verheirateten und mit seinem Ehegatten zusammenveranlagten Zuwendungsempfänger einem zeitlich uneingeschränkten und auf das gesamte Vermögen gerichteten Zugriff des FA auszusetzen, während die Anfechtung einer solchen Zuwendung unter Unverheirateten bzw. getrennt veranlagten Ehegatten nach § 3 Abs. 1 bzw. § 4 Abs. 1 AnfG nur Zuwendungen erfassen kann, die innerhalb von 10 bzw. 4 Jahren vor der Anfechtung vorgenommen worden, und zudem dem Einwand der Entreicherung ausgesetzt sind (§ 11 Abs. 2 AnfG). Ein sachlicher und einleuchtender Grund, der die unbefristete Möglichkeit der Inanspruchnahme des zusammenveranlagten Zuwendungsempfängers legitimieren könnte, ist für den Senat nicht ersichtlich. Denn die Steuererhebung unterscheidet sich im Falle des zusammenveranlagten Ehepartners nach Aufteilung der Steuerschuld (§ 278 Abs. 1 AO 1977) nicht von der bei getrennter Veranlagung. In beiden Fällen wird vom jeweiligen Steuerpflichtigen nur die Steuer erhoben, die auf den ihm zuzurechnenden Besteuerungsgrundlagen beruht. Ein Unterschied zwischen den zusammen oder getrennt veranlagten Ehegatten besteht nur hinsichtlich der Steuerfestsetzungen. Denn der Splittingvorteil bleibt bei zusammenveranlagten Ehegatten auch im Falle der Aufteilung der Steuerschuld erhalten. Dieser Unterschied bei der Steuerfestsetzung kann jedoch bei der Frage des zeitlich befristeten oder unbefristeten Zugriffs auf den Wert des übertragenen Vermögensgegenstandes nicht ausschlaggebend sein.

d) Obwohl § 278 Abs. 2 AO 1977 und § 4 Abs. 1 AnfG den gleichgelagerten Fall einer unentgeltlichen Zuwendung erfassen, erscheint dem Senat eine Befristung auf 4 Jahre nicht sachgerecht. Denn die Rechtslage, die nach Aufteilung einer Gesamtschuld besteht, unterscheidet sich von der rechtlichen Situation, die nach § 2 AnfG zur Anfechtung einer gläubigerbenachteiligenden Handlung berechtigt. Die Anfechtung setzt nämlich voraus, dass der Gläubiger bereits einen vollstreckbaren Schuldtitel erlangt hat und dass die Aussichtslosigkeit der Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen feststeht oder zumindest anzunehmen ist. In diesem Fall soll durch die Anfechtungsmöglichkeit - insbesondere im Interesse des Schuldners und des Zuwendungsempfängers - in einem überschaubaren Zeitraum Rechtsklarheit geschaffen werden. Wirken die an der Vermögensverschiebung Beteiligten jedoch in der Absicht zusammen, Gläubiger des Schuldners zu benachteiligen, müssen sie 10 Jahre mit einer Anfechtung der die Zuwendung bewirkenden Rechtshandlung rechnen (§ 3 Abs. 1 AnfG).

Im Gegensatz zur Anfechtung nach dem AnfG setzt eine Inanspruchnahme nach § 278 Abs. 2 AO 1977 nicht voraus, dass anzunehmen ist, dass die Vollstreckung gegen den Schuldner nicht zu einer Befriedigung führen wird. Andererseits wird die Durchführung der Vollstreckung bereits durch den Antrag des Schuldners auf Aufteilung wesentlich erschwert. Denn bereits der Antrag wirkt rechtsgestaltend. Um die Rechtswirkungen der Aufteilung nicht zu vereiteln, darf die Finanzbehörde bis zur Unanfechtbarkeit des Aufteilungsbescheids nur Sicherungsmaßnahmen treffen (§ 277 AO 1977). Da sich das Aufteilungsverfahren über einen längeren Zeitraum erstrecken kann, wäre eine auf 4 Jahre begrenzte Zugriffsmöglichkeit des FA - gerechnet ab dem Zeitpunkt der Zuwendung - zu kurz bemessen. Der Senat hält daher eine analoge Anwendung von § 3 Abs. 1 AnfG geboten, so dass sich eine zeitliche Beschränkung der Zugriffsmöglichkeit auf 10 Jahre ergibt (Müller-Eiselt in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 278 AO Rz. 17; Kruse in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 278 AO Tz. 4; Schwarz in Schwarz, AO, § 278 Rz. 10; Geist in Beermann/Gosch, AO § 278 Rz. 8; a.A. Pahlke/ Koenig/Zöllner, Abgabenordnung, § 278 Rz. 14).

3. Entgegen der Auffassung des FA schaffen die Vorschriften über die Zahlungsverjährung keinen hinreichenden Ausgleich für eine zeitlich unbeschränkte Inanspruchnahme des Zuwendungsempfängers. Zwar trifft es zu, dass festgesetzte Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nach § 228 AO 1977 einer Zahlungsverjährung unterliegen, wobei die Verjährungsfrist 5 Jahre beträgt. Jedoch steht der Finanzbehörde in § 231 AO 1977 ein umfangreicher Katalog von Maßnahmen (z.B. schriftliche Geltendmachung des Anspruchs, Durchführung von Vollstreckungsmaßnahmen, Anmeldung im Insolvenzverfahren etc.) zur Verfügung, mit denen der Lauf der Verjährungsfrist jederzeit unterbrochen werden kann. Im Schrifttum wird daher die Ansicht vertreten, dass dieses Instrumentarium die Zahlungsverjährung faktisch bedeutungslos werden lässt (Kögel in Beermann/Gosch, a.a.O., § 231 Rz. 2.1). Jedenfalls ist mit dem Institut der Zahlungsverjährung kein der Anfechtungsfrist vergleichbarer Schutz des zur Duldung der Vollstreckung verpflichteten Ehegatten gewährleistet.

4. Soweit der Senat in seinem Urteil in BFHE 197, 19, BStBl II 2002, 214 die Vorschrift des § 278 Abs. 2 AO 1977 als zeitlich unbeschränkte Duldungsnorm, bei der das FA keine "Anfechtungsfrist" zu beachten habe, bezeichnet und ausgeführt hat, das FA hätte nach Aufteilung der Gesamtschuld keine Veranlassung gehabt, auf die kurzen Anfechtungsfristen des § 3 Abs. 1 Nr. 4 AnfG a.F. Rücksicht zu nehmen, beruht die Entscheidung nicht auf den Aussagen zum zeitlichen Anwendungsbereich von § 278 Abs. 2 AO 1977. Denn die streitgegenständlichen unentgeltlichen Zuwendungen erfolgten innerhalb von 3 Jahren vor der auf § 278 Abs. 2 AO 1977 gestützten Inanspruchnahme der Zuwendungsempfängerin, so dass sich die Frage einer etwaigen Verfristung nicht stellte.