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BFH-Urteil vom 5.7.2006 (II R 7/05) BStBl. 2006 II S. 765

Die Tatbestandsverwirklichung nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG setzt ein rechtswirksames "Kaufangebot" voraus. Ein der Form des § 313 BGB (§ 311b BGB n.F.) nicht genügendes Vertragsangebot bzw. in die Rechtsform eines Vertrags gekleidetes "Kaufangebot" erfüllt nicht die tatbestandlichen Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG.

GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 6, Nr. 7.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2003 5 K 268/01

Sachverhalt

I.

Die Stadt S hatte der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ein - nicht notariell beurkundetes - Angebot zum Kauf eines Grundstücks unterbreitet. Die Klägerin bat S daraufhin, das Grundstück direkt an ihre Kunden zu verkaufen. In der Folgezeit entwarf die Klägerin Pläne für eine Reihenhausbebauung des Grundstücks; hierfür wurde ihr im September 2000 eine Baugenehmigung erteilt. Die Reihenhäuser wurden von der Klägerin mit Zeitungsanzeigen zum Kauf angeboten.

Mit notariell beurkundetem Kaufvertrag vom 19. Oktober 2000 verkaufte S Teilflächen des Grundstücks an die von der Klägerin als Grundstückserwerberin benannte Frau W sowie an weitere von der Klägerin benannte Erwerber; diese hatten vor Abschluss der Grundstückskaufverträge jeweils einen Bauvertrag mit der E-GmbH abgeschlossen. Die Klägerin hatte von der E-GmbH für die Vermittlung der Bauverträge jeweils eine "Entschädigung" erhalten.

Das damals zuständige Finanzamt beurteilte die Rechtsstellung der Klägerin als die einer Zwischenhändlerin i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG). Es setzte gegen die Klägerin durch Bescheid vom 16. Januar 2001 für die gegenüber S erfolgte Benennung von Frau W als Grundstückserwerberin Grunderwerbsteuer in Höhe von 4.445 DM fest. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage, mit der die Klägerin die Nichtsteuerbarkeit der Käuferbenennung unter Hinweis auf die fehlende notarielle Beurkundung des ihr von S unterbreiteten Angebots geltend machte, ab. Die Steuertatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG verlangten kein den Anforderungen des § 313 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB - (§ 311b BGB n.F.) genügendes Kaufangebot. Allein entscheidend sei, dass die Klägerin die Befugnis erlangt habe, über das Grundstück seiner Substanz nach zu verfügen und es in Verfolgung eigener Interessen zu verwerten.

Mit der Revision rügt die Klägerin Verletzung von § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG Baden-Württemberg vom 3. Dezember 2003 5 K 268/01, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 16. Januar 2001 sowie die Einspruchsentscheidung vom 28. August 2001 aufzuheben.

Der nunmehr zuständige Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und des angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheids in Gestalt der Einspruchsentscheidung.

Das FG hat die durch die Klägerin gegenüber S erfolgte Benennung der Frau W als Grundstückserwerberin zu Unrecht als nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder Nr. 7 GrEStG grunderwerbsteuerbar beurteilt.

1. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 GrEStG unterliegen der Grunderwerbsteuer ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Abtretung der Rechte aus einem Kaufangebot begründet, und nach Nr. 7 der genannten Vorschrift die Abtretung selbst, wenn kein solches Rechtsgeschäft vorausgegangen ist. Ziel dieser Vorschriften ist die Erfassung des Grundstückshandels, der der Grunderwerbsteuer für die Weiterveräußerung eines Grundstücks dadurch ausweicht, dass er nicht mit Grundstücken als solchen, sondern mit Angeboten zu deren Verkauf handelt (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Januar 1997 II R 97/94, BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411). Der in § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG verwendete Begriff "Kaufangebot" umfasst nach der Rechtsprechung (BFH-Urteile vom 31. Mai 1972 II R 162/66, BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828; vom 10. Juli 1974 II R 89/68, BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86) sowohl den einseitigen Vertragsantrag (Vertragsangebot) als auch das in die Rechtsform des Vertrags gekleidete Angebot (z.B. Ankaufs- bzw. Optionsvertrag).

a) § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG erfasst nur solche Zwischengeschäfte, die den Veräußerer binden (BFH-Urteile in BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828; in BFHE 113, 474, BStBl II 1975, 86 sowie vom 16. April 1980 II R 141/77, BFHE 130, 428, BStBl II 1980, 525). Die Tatbestandsverwirklichung des § 1 Abs. 1 Nr. 6 oder 7 GrEStG hat daher zur Voraussetzung, dass ein rechtswirksames Kaufangebot eingeräumt wird (vgl. z.B. BFH-Urteile in BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828; vom 6. September 1989 II R 135/86, BFHE 158, 135, BStBl II 1989, 984; vom 3. März 1993 II R 89/89, BFHE 170, 468, BStBl II 1993, 453, und in BFHE 182, 222, BStBl II 1997, 411). Die Rechtswirksamkeit eines den Veräußerer bindenden Kaufangebots und ebenso des in einen Vertrag gekleideten Ankaufs- oder Optionsrechts setzt voraus, dass es der Form des § 313 BGB (§ 311b BGB n.F.) genügt (z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 28. September 1962 V ZR 8/61, Lindenmaier-Möhring, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 433 BGB Nr. 16; MünchKommBGB/Kanzleiter, 4. Aufl., § 311b Rdnr. 33 f.; vgl. auch BFH in BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828). Ein dieser Form nicht genügendes (privatschriftliches oder gar nur mündliches) Vertragsangebot bzw. in die Rechtsform des Vertrags gekleidetes Angebot entfaltet keine Bindungswirkung gegenüber dem Veräußerer und erfüllt deshalb nicht die tatbestandlichen Anforderungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG.

b) Im Streitfall sind die Voraussetzungen des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG nicht erfüllt. Entgegen der Ansicht des FG hatte das der Klägerin von S unterbreitete Angebot mangels Einhaltung der Form des § 313 BGB (§ 311b BGB n.F.) keine für S bindende Wirkung. Der Klägerin fehlte damit die von § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG vorausgesetzte Rechtsmacht, mit dem Kaufangebot zu handeln. Die bloße Benennung der Grundstückserwerber gegenüber S durch die Klägerin erfüllt die Steuertatbestände des § 1 Abs. 1 Nr. 6, 7 GrEStG ebenfalls nicht (BFH-Urteile vom 6. Mai 1969 II 131/64, BFHE 96, 201, BStBl II 1969, 595, und in BFHE 106, 367, BStBl II 1972, 828). Daran ändert nichts, dass die der Klägerin von der E-GmbH gezahlten "Entschädigungen" ihrer Höhe nach den Bereich eines üblichen Maklerlohns erheblich überschritten.

Da die Vorentscheidung diesen Grundsätzen nicht entspricht, war sie aufzuheben.

2. Die Sache ist spruchreif. Die vom FG getroffenen Feststellungen, an die der BFH nach § 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) gebunden ist, ergeben die Rechtswidrigkeit der angefochtenen Steuerfestsetzung. Der Steuerbescheid vom 16. Januar 2001 und die Einspruchsentscheidung vom 28. August 2001 sind daher nach § 121 i.V.m. § 100 Abs. 1 Satz 1 FGO aufzuheben.

Die vom FG offen gelassene Frage, ob der der Besteuerung unterworfene Lebenssachverhalt den Tatbestand des § 1 Abs. 2 GrEStG erfüllt, ist zu verneinen. Die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 GrEStG liegen vor, wenn es einem Dritten ohne Begründung eines Anspruchs auf Eigentumsübertragung rechtlich ermöglicht wird, über ein bestimmtes Grundstück wie ein Eigentümer zu verfügen, d.h. wenn er es besitzen, verwalten, nutzen, belasten und schließlich veräußern kann, und sich diese Maßnahmen wirtschaftlich zu Gunsten oder zu Lasten des Dritten auswirken (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 3. Mai 1973 II R 37/68, BFHE 109, 476, BStBl II 1973, 709; vom 26. Juli 2000 II R 33/98, BFH/NV 2001, 206). Keine dieser Voraussetzungen ist im Streitfall erfüllt. Die Auffassung des FG, die Klägerin habe aufgrund des ihr von S unterbreiteten Angebots die Befugnis erlangt, über das Grundstück seiner Substanz nach zu verfügen, wird durch die vom FG getroffenen Feststellungen nicht getragen. Eine Bindung des Senats an diese Tatsachenwürdigung nach § 118 Abs. 2 FGO besteht daher nicht (vgl. Lange in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 118 FGO Rz. 142, m.w.N.).