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BFH-Urteil vom 12.7.2006 (IX R 62/04) BStBl. 2006 II S. 796

Miteigentumsanteile von Ehegatten an der von ihnen selbst genutzten Wohnung bilden auch dann ein Objekt i.S. von § 6 Abs. 2 Satz 2 EigZulG und können zudem zusammen Erstobjekt i.S. von § 6 Abs. 1 EigZulG sein, wenn ein Ehegatte Eigenheimzulage für seinen Miteigentumsanteil als Folgeobjekt in Anspruch nimmt.

EigZulG §§ 1, 2, 3, § 6 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 Satz 2, § 7, § 11 Abs. 5.

Vorinstanz: Schleswig-Holsteinisches FG vom 30. Juni 2004 2 K 58/04 (EFG 2004, 1766)

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob ein von Ehegatten gemeinsam erworbenes Objekt Zweitobjekt oder Folgeobjekt im Sinne des Eigenheimzulagengesetzes (EigZulG) ist.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind seit März 2000 miteinander verheiratet und haben eine im Januar 2001 geborene Tochter.

Der Kläger hatte in den Jahren 1992 bis 1995 die Steuervergünstigung nach § 10e des Einkommensteuergesetzes (EStG) für ein Objekt in Anspruch genommen (Objekt F). Im Jahre 1998 erwarben die Kläger als Miteigentümer zu je 50 v.H. eine Eigentumswohnung (Objekt S), die sie selbst bewohnten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) setzte gegenüber beiden Klägern in getrennten Bescheiden Eigenheimzulage fest, und zwar gegenüber der Klägerin für den vollen Förderzeitraum (1998 bis 2005), gegenüber dem Kläger im bestandskräftigen Bescheid vom 1. April 1999 begrenzt auf die Jahre 1998 bis 2001, weil er bereits für ein Objekt und für vier Jahre eine Steuervergünstigung in Anspruch genommen hatte. Mit der Geburt der Tochter gewährte das FA den Klägern im jeweiligen Umfang Kinderzulage (für den Kläger also nur für das Jahr 2001).

Im Dezember 2001 erwarben die Kläger je zur Hälfte ein Einfamilienhaus (Objekt L), das sie ab dem Jahr 2002 selbst nutzen. Die Kläger beantragten für dieses Objekt als Zweitobjekt Eigenheimzulage. Das FA hob zunächst die gegenüber der Klägerin festgesetzte Eigenheimzulage für das Objekt S für die Jahre ab 2003 auf und setzte Eigenheimzulage im Bescheid vom 8. August 2002 für das Objekt L für die Jahre 2003 bis 2005 zuzüglich Kinderzulage in Höhe von 2.045 € fest. In Folge des Einspruchs der Kläger gelangte das FA zu der Auffassung, dass das Objekt S zur Zweitobjektförderung der Eheleute (Erstobjekt: F) geworden sei. Dementsprechend setzte es für den Kläger hinsichtlich des Objekts S auch für das Jahr 2002 Eigenheimzulage fest (Bescheid vom 3. Februar 2004) und betrachtete das Objekt L als Folgeobjekt, das nur noch für die Jahre 2003 bis 2005 zu berücksichtigen sei. Im Übrigen (also für die Jahre 2006 bis 2010) wies es den Einspruch als unbegründet zurück.

Die hiergegen gerichtete Klage blieb erfolglos. In seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1766 veröffentlichten Urteil ging das Finanzgericht (FG) von einem Objektverbrauch im streitigen Zeitraum (2006 bis 2010) aus. Der mit der Inanspruchnahme der Steuervergünstigung für das Objekt F verbundene Objektverbrauch werde durch die Eheschließung der Kläger nicht aufgehoben, sondern suspendiert. Ab diesem Zeitpunkt würden die Miteigentumsanteile am Objekt S als ein Objekt angesehen, für das der Kläger für den gesamten Förderzeitraum Eigenheimzulage habe beanspruchen können. Ab der Eheschließung werde das Objekt S zum Zweitobjekt und das Objekt L sodann zum Folgeobjekt.

Hiergegen richtet sich die Revision der Kläger, die sie auf eine Verletzung der §§ 1, 3, 6 und 7 EigZulG stützen. Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG vorlägen, könnten Eigenheimzulage für insgesamt zwei Objekte beanspruchen. Treten die Voraussetzungen während des Förderzeitraums ein, würden die Anteile als ein Objekt gelten. Nur dann, wenn Anspruchsberechtigte nach eingetretenem Objektverbrauch heirateten, stehe ihnen kein weiteres Objekt zu.

Die Kläger beantragen, das angefochtene Urteil aufzuheben und das FA zu verurteilen, unter Abänderung des Bescheides vom 8. August 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 10. Februar 2004 Eigenheimzulage für die Jahre 2006 bis 2010 festzusetzen.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das angefochtene Urteil ist nach § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) aufzuheben und der Klage stattzugeben. Die Kläger haben Anspruch auf Eigenheimzulage in begehrter Höhe.

1. Die Kläger haben Anspruch auf Eigenheimzulage für ihr Objekt L nach §§ 1, 2, 3 EigZulG für den gesamten Förderzeitraum und damit auch im streitigen Zeitraum für die Jahre 2006 bis 2010. Denn sie können als Ehegatten nach § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG Eigenheimzulage für insgesamt zwei Objekte beanspruchen.

a) Das Objekt S war für die Kläger Erstobjekt.

aa) Zwar hatte der Kläger die Steuervergünstigung bereits für sein Objekt F in Anspruch genommen. Hierdurch ist aber entgegen der Auffassung des FA und der Vorinstanz kein Objektverbrauch eingetreten. Denn der Kläger hat Eigenheimzulage für das zusammen mit der Klägerin erworbene Objekt S als Folgeobjekt nach § 7 EigZulG erhalten. Das Folgeobjekt ist kein Zweitobjekt; § 7 EigZulG unterscheidet das Erstobjekt von dem weiteren Objekt und definiert dadurch das Folgeobjekt. Zwar ist das Folgeobjekt ein eigenständiges Objekt i.S. des § 2 EigZulG (vgl. dazu Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 29. Oktober 2003 X B 125/03, BFH/NV 2004, 195; BFH-Urteil vom 29. November 2000 X R 15/98, BFHE 194, 84, BStBl II 2001, 755), nicht aber i.S. von § 6 EigZulG als Zweitobjekt. Denn nach § 7 EigZulG soll ein einmal eingetretener Objektverbrauch in Ausnahme von § 6 Abs. 1 EigZulG gerade nicht endgültig sein (vgl. zur Gesetzesgeschichte Blümich/Erhard, § 7 EigZulG Rz. 2).

bb) Anspruchsberechtigte, die die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erfüllen, können allerdings frei entscheiden, ob sie das Objekt als Folgeobjekt oder als Zweitobjekt gefördert wissen wollen (BFH-Urteile vom 17. März 1992 IX R 305/87, BFH/NV 1992, 594; vom 13. Oktober 1992 IX R 152/88, BFH/NV 1993, 230). Der Kläger hat aufgrund der bestandskräftigen Festsetzung durch das FA die Förderung indes als Folgeobjekt erhalten. Diese Festsetzung entscheidet über den Anspruch für alle begünstigten Jahre. Sie bindet die Beteiligten (vgl. BFH–Urteil vom 7. Juli 2005 IX R 74/03, BFHE 210, 338, BStBl 2005, 807).

Zwar lagen die Voraussetzungen des § 26 Abs. 1 EStG erst mit der Heirat der Kläger und damit ab dem Jahre 2000 vor, so dass die Kläger ab diesem Zeitpunkt ihr Wahlrecht ausüben konnten. Sie haben aber nicht beantragt, das Objekt S solle nun als Zweitobjekt gefördert werden (vgl. dazu auch BFH-Beschluss vom 1. September 2005 IX B 196/04, BFH/NV 2006, 258). Sie haben aus Anlass der Geburt ihrer Tochter lediglich Kinderzulage begehrt und auch erhalten. Zu einer Festsetzung nach § 11 Abs. 6 Satz 4 EigZulG ist es nicht gekommen.

cc) Daran ändert auch die Festsetzung von Eigenheimzulage gegenüber dem Kläger für das Jahr 2002 wegen des Objekts S nichts. Zu dieser Änderung der Festsetzung gegenüber dem Kläger mit dem Bescheid vom 3. Februar 2004 kam es aufgrund einer Berichtigung nach § 11 Abs. 5 EigZulG. Infolge des Einspruchs der Kläger gewährte das FA dem Kläger auch Eigenheimzulage bezüglich des Objekts S als Zweitobjekt, und zwar ausgehend von der Grundauffassung des FA, das Objekt L sei Folgeobjekt des (Zweitobjekts) S. Diesem Bescheid liegt allerdings kein entsprechender Antrag der Kläger zugrunde, das Objekt S als Zweitobjekt zu behandeln. Denn die Kläger begehrten mit dem Einspruch gegen den Bescheid vom 8. August 2002 vorrangig die Behandlung des Objekts L als Zweitobjekt. Mit der diesem Begehren widersprechenden Festsetzung vom 3. Februar 2004 hat das FA das Rechtsbehelfsbegehren nicht erledigt.

dd) Das Objekt S ist für die Kläger mit dem Zeitpunkt, als die Voraussetzungen des § 26 EStG vorliegen, das Erstobjekt. Es ist von diesem Zeitpunkt nach § 6 Abs. 2 Satz 2 EigZulG als ein Objekt anzusehen, und zwar unabhängig davon, dass es das FA versäumt hat, die Eigenheimzulage nach § 11 Abs. 6 Satz 4 EigZulG neu festzusetzen. Dass dieses Objekt zugleich für den Kläger ein Folgeobjekt ist mit der Konsequenz des nur in seiner Person abgekürzten Förderzeitraums, ist ohne Belang für die Beurteilung eines weiteren Objekts als Erst- oder Zweitobjekt. Denn das Gesetz schließt es nicht aus, dass ein Miteigentumsanteil als weiteres Objekt (Folgeobjekt) zusammen mit dem Miteigentumsanteil als ein Objekt angesehen wird. Dies folgt bereits daraus, dass - obschon die Miteigentumsanteile an der selbst genutzten Wohnung nach § 6 Abs. 2 Satz 2 EigZulG nicht als selbständige Objekte gelten - jeder Ehegatte einen eigenen, auch eigenständig zu prüfenden Anspruch auf Eigenheimzulage hat (BFH-Urteil vom 6. April 2000 IX R 90/97, BFHE 191, 377, BStBl II 2000, 414).

b) Damit können die Kläger Eigenheimzulage für ein weiteres Objekt als Zweitobjekt i.S. von § 6 Abs. 1 Satz 2 EigZulG beanspruchen. Ein derartiges Objekt ist das Einfamilienhaus L, für das folglich im gesamten Förderzeitraum Eigenheimzulage festzusetzen ist.

2. Da das angefochtene Urteil diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Die Kläger haben Anspruch auf Eigenheimzulage plus Kinderzulage für das Objekt L als Zweitobjekt. Das FA ist entsprechend zur Festsetzung von Eigenheimzulage auch für die Jahre 2006 bis 2010 unter Abänderung des angefochtenen Bescheids verpflichtet.