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BFH-Urteil vom 14.3.2006 (I R 83/05) BStBl. 2006 II S. 799

1. Die Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass für das betreffende Wirtschaftsgut in früheren Jahren eine AfA in fallenden Jahresbeträgen vorgenommen wurde.

2. Eine Bilanz kann auch dann gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG berichtigt werden, wenn ein darin enthaltener Ansatz nicht gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung, sondern nur gegen steuerrechtliche Vorschriften verstößt.

3. Kann eine Bilanz auf verschiedenen Wegen berichtigt werden, so obliegt die Auswahl des Korrekturwegs dem Unternehmer.

EStG § 4 Abs. 2, § 7, § 7a Abs. 4, § 7g Abs. 1; FördG § 4.

Vorinstanz: FG des Landes Brandenburg vom 17. August 2005 2 K 2188/02 (EFG 2006, 28)

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) eine Sonderabschreibung gemäß § 4 des Fördergebietsgesetzes (FördG) geltend machen kann.

Die Klägerin, eine GmbH, erwarb im Jahr 1998 eine Glasvorspannanlage. Für diese Anlage nahm sie Absetzungen für Abnutzung (AfA) gemäß § 7 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 8 Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes vor, wobei sie von einer Nutzungsdauer von zehn Jahren ausging. In ihrer Steuererklärung für das Streitjahr (2000) nahm die Klägerin für die Anlage außerdem eine Sonderabschreibung nach § 4 FördG in Anspruch. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte dem zunächst in einem unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehenden Steuerbescheid.

Im Zuge einer Außenprüfung nahm der Prüfer indessen an, dass die Sonderabschreibung durch § 7a Abs. 4 EStG ausgeschlossen sei. Daraufhin legte die Klägerin eine Bilanz vor, in der die Sonderabschreibung sowie lineare AfA berücksichtigt sind. Das FA hielt die Klägerin jedoch nicht für berechtigt, nachträglich die AfA-Methode zu wechseln. Es erließ deshalb einen geänderten Steuerbescheid, in dem es die Sonderabschreibung nicht berücksichtigte.

In dem daraufhin eingeleiteten Klageverfahren begehrte die Klägerin eine Änderung des Steuerbescheids entsprechend der von ihr korrigierten Bilanz. Das Finanzgericht (FG) des Landes Brandenburg hat die Klage mit Urteil vom 17. August 2005 2 K 2188/02 abgewiesen; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 28 abgedruckt.

Mit ihrer vom FG zugelassenen Revision rügt die Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt sinngemäß, das Urteil des FG aufzuheben und den angefochtenen Bescheid dahin zu ändern, dass für die im Jahr 1998 angeschaffte Anlage lineare AfA sowie eine Sonderabschreibung in Höhe von 360.000 DM berücksichtigt werden.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des FG-Urteils und zur antragsgemäßen Änderung des angefochtenen Bescheids. Die Klägerin hat zulässigerweise die streitige Sonderabschreibung in Anspruch genommen. Dem steht nicht entgegen, dass sie in ihrer ursprünglichen Bilanz für das Streitjahr die Anlage nach Maßgabe einer degressiven AfA bewertet hat.

1. Die Klägerin durfte die Anlage in ihrer Bilanz des Streitjahres in der Weise bewerten, dass sie eine lineare AfA i.S. des § 7 Abs. 1 EStG und daneben eine Sonderabschreibung nach § 1 i.V.m. § 4 FördG berücksichtigte. Dass im Streitfall die gesetzlichen Voraussetzungen für die Sonderabschreibung vorliegen, zieht das FA nicht in Zweifel. Entgegen der von ihm vertretenen Auffassung steht der von der Klägerin vorgenommenen Bilanzierung § 7a Abs. 4 EStG nicht entgegen.

Nach dieser Vorschrift sind bei beweglichen Wirtschaftsgütern, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, die AfA nach § 7 Abs. 1 EStG vorzunehmen. Daraus folgt, dass - von bestimmten gesetzlich angeordneten Ausnahmen abgesehen - eine Sonderabschreibung nicht zusätzlich zu einer Absetzung in fallenden Jahresbeträgen (§ 7 Abs. 2 EStG) berücksichtigt werden kann. Das bedeutet aber nicht, dass eine Sonderabschreibung immer dann ausscheidet, wenn das betreffende Wirtschaftsgut in früheren Jahren nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 EStG (degressiv) abgeschrieben worden ist. Eine solche Auslegung ist weder dem Wortlaut des § 7a Abs. 4 EStG zu entnehmen noch aus dessen Zweck oder Entstehungsgeschichte abzuleiten.

a) § 7 Abs. 3 EStG lässt den Übergang von der degressiven zur linearen AfA ausdrücklich zu. Nach dieser Vorschrift kann mithin ein Wirtschaftsgut, das im Jahr der Anschaffung - und ggf. auch in Folgejahren - nach Maßgabe des § 7 Abs. 2 EStG abgeschrieben wurde, im weiteren Verlauf der AfA in gleichen Jahresbeträgen (§ 7 Abs. 1 EStG) unterworfen werden. Die Entscheidung darüber obliegt allein dem Steuerpflichtigen.

b) Nach einer verbreiteten Ansicht (vgl. die Nachweise im Senatsbeschluss vom 23. April 2003 I B 11/03, BFH/NV 2003, 1053) bleibt im Anschluss an einen Übergang von der degressiven zur linearen AfA die Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen für das betreffende Wirtschaftsgut weiterhin durch § 7a Abs. 4 EStG ausgeschlossen. Diese Rechtsfolge steht mit dem Wortlaut der Vorschrift jedoch nicht in Einklang.

aa) Dem Normtext nach bezieht sich § 7a Abs. 4 EStG nur auf die kumulative Inanspruchnahme von Sonderabschreibungen und degressiver AfA in ein und demselben Veranlagungszeitraum. Die Vorschrift verwendet ausschließlich die Gegenwartsform ("werden" und "sind") und enthält damit keinen Hinweis darauf, dass in der Vergangenheit vorgenommene degressive AfA eine Sonderabschreibung ebenfalls hindern. Dieser Umstand ist nicht nur deshalb gewichtig, weil der Gesetzgeber eine auf den gesamten Begünstigungszeitraum bezogene Betrachtung unschwer hätte eindeutig anordnen können. Vielmehr ist zudem zu beachten, dass § 7a EStG an anderer Stelle ausdrücklich bestimmt, dass dort angeordnete Rechtsfolgen für jedes Jahr (Abs. 3) bzw. jedes nachfolgende Jahr (Abs. 1) des AfA-Begünstigungszeitraums gelten sollen. Der Gesetzgeber hat also dort, wo er eine jahresübergreifende Bindung an eine bestimmte abschreibungsrechtliche Behandlung herstellen wollte, dies unmissverständlich formuliert. Dass eine vergleichbare Formulierung in § 7a Abs. 4 EStG fehlt, legt deshalb den Schluss nahe, dass im Rahmen dieser Norm nur eine auf den einzelnen Veranlagungszeitraum bezogene Betrachtung maßgeblich sein soll (ebenso schon Senatsbeschluss in BFH/NV 2003, 1053).

bb) Hinzu kommt, dass § 7a Abs. 4 EStG bei streng grammatischer Betrachtung die Zulässigkeit von Sonderabschreibungen gar nicht betrifft. Die Vorschrift spricht von der AfA "bei Wirtschaftsgütern, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden"; sie setzt mithin die (wirksame) Inanspruchnahme einer Sonderabschreibung voraus und regelt auf dieser Basis, in welchem Umfang das so begünstigte Wirtschaftsgut außerdem nach den allgemeinen Regeln abgeschrieben werden kann. Dem Normtext nach ist die Sonderabschreibung mithin lediglich Anknüpfungspunkt, nicht aber Regelungsgegenstand des § 7a Abs. 4 EStG. Eine Auslegung des Inhalts, dass die Vorschrift die Vornahme einer Sonderabschreibung von der Wahl der AfA-Methode abhängig macht, verkehrt das derart vorgegebene Verhältnis von Voraussetzung (Sonderabschreibung) und Rechtsfolge (AfA) in sein Gegenteil.

c) Das vom FA vertretene Regelungsverständnis des § 7a Abs. 4 EStG lässt sich auch nicht aus dem Zweck der Vorschrift ableiten. Dieser mag zwar darin liegen, eine Kumulation verschiedener AfA-Begünstigungen zu unterbinden (so zutreffend Lambrecht in Kirchhof, EStG, 5. Aufl., § 7a Rn. 28). Daraus folgt aber nicht unmittelbar, dass der Umfang des dort angeordneten Kumulationsausschlusses über den einzelnen Veranlagungszeitraum hinausreicht. Vielmehr hat die Vorschrift auch dann einen sinnvollen Gehalt, wenn man sie (nur) dahin versteht, dass degressive AfA und Sonderabschreibungen nicht zeitgleich nebeneinander in Anspruch genommen werden können. Angesichts dessen ist der Hinweis auf den Gesetzeszweck für sich genommen nicht geeignet, ein weiter gehendes Verständnis des § 7a Abs. 4 EStG zu tragen.

d) Die Gesetzesgeschichte stützt ein solches Verständnis ebenfalls nicht. Die in § 7a Abs. 4 EStG getroffene Regelung beruht inhaltlich auf dem Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Drittes Steuerreformgesetz (BTDrucks 7/1470). Danach sollte § 167 EStG bestimmen, dass "bei beweglichen Wirtschaftsgütern, bei denen Sonderabschreibungen in Anspruch genommen werden, ... die Abschreibungen nach § 33 linear vorzunehmen" sind. Der Finanzausschuss (7. Ausschuss) hat diese Formulierung sodann durch die nunmehr im Gesetz enthaltene Fassung ersetzt (Erster Bericht des Finanzausschusses, BTDrucks 7/2180). Weder der Begründung des Regierungsentwurfs noch den Ausführungen des Finanzausschusses kann indessen entnommen werden, dass die Gesetzgebungsorgane das Verhältnis des § 7a Abs. 4 EStG zum Wechsel der AfA-Methode gemäß § 7 Abs. 3 EStG in irgendeiner Weise regeln wollten. Auch die Erläuterungen von Angehörigen des Bundesfinanzministeriums, die im zeitlichen Umfeld der Gesetzgebung veröffentlicht worden sind (z.B. Pogge-Strandmann/ Kieschke, Deutsche Steuer-Zeitung (Ausgabe A) 1974, 331, 333), behandeln dieses Thema nicht. Daher lässt sich aus einer historischen Betrachtung nicht ableiten, dass § 7a Abs. 4 EStG im Anschluss an einen Wechsel von der degressiven zur linearen AfA weiterhin die Vornahme von Sonderabschreibungen hindere.

e) Schließlich geht auch die vom FA im finanzgerichtlichen Verfahren angestellte Überlegung fehl, dass die von der Klägerin vertretene Auslegung des § 7a EStG die in § 7g Abs. 1 EStG getroffene Regelung ihres Sinnes entkleide. Die Klägerin weist hierzu zutreffend darauf hin, dass nach § 7g Abs. 1 EStG die dort genannte Sonderabschreibung "neben den Absetzungen für Abnutzung" vorgenommen werden kann. Die Vorschrift enthält mithin im Verhältnis zu § 7a Abs. 4 EStG insoweit eine Ausnahmebestimmung, als danach eine kumulative Berücksichtigung von Sonderabschreibung und degressiver AfA in demselben Veranlagungszeitraum zulässig ist. Darin liegt auch dann ein eigenständiger Regelungsgehalt, wenn § 7a Abs. 4 EStG Sonderabschreibungen in denjenigen Fällen ermöglicht, in denen für frühere Veranlagungszeiträume degressive AfA in Anspruch genommen worden sind.

2. Das FG hat die Frage nach dem Inhalt des § 7a Abs. 4 EStG offen gelassen und sein Urteil auf die Erwägung gestützt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Bilanzänderung (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) im Streitfall nicht vorlägen. Die Klägerin habe in ihrer ursprünglichen Bilanz für das Streitjahr den Wert der Anlage in der Weise bemessen, dass sie neben der Sonderabschreibung degressive AfA berücksichtigt habe; sie sei nunmehr an den Ansatz der degressiven AfA gebunden und könne jedenfalls unter diesem Gesichtspunkt nicht zusätzlich die Sonderabschreibung ansetzen. Dem kann nicht beigepflichtet werden.

a) Nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG darf der Steuerpflichtige seine Bilanz auch nach der Einreichung beim Finanzamt ändern, soweit sie den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung unter Befolgung der Vorschriften des Einkommensteuergesetzes nicht entspricht. Die hierdurch eröffnete Möglichkeit der Bilanzkorrektur ("Bilanzberichtigung") knüpft ausschließlich an die materiell-rechtliche Fehlerhaftigkeit der ursprünglichen Bilanz an; weiterer Voraussetzungen bedarf es in diesem Zusammenhang nicht. Insbesondere ist § 4 Abs. 2 Satz 2 EStG, der die Korrektur einer nicht fehlerhaften Bilanz ("Bilanzänderung") in bestimmter Weise begrenzt, insoweit nicht anwendbar.

b) Im Streitfall liegen die Voraussetzungen für eine Bilanzberichtigung vor. Die ursprünglich von der Klägerin eingereichte Bilanz war i.S. des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG fehlerhaft. In ihr wurde die in Rede stehende Anlage in der Weise bewertet, dass für das Streitjahr sowohl degressive AfA als auch die Sonderabschreibung nach § 4 FördG berücksichtigt waren. Es mag dahingestellt bleiben, ob diese Bewertung gegen Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung verstieß. Jedenfalls verstieß sie gegen § 7a Abs. 4 EStG. Angesichts der klaren Gesetzeslage war dieser Verstoß zudem für die Klägerin erkennbar. Das reicht für das Vorliegen eines fehlerhaften Bilanzansatzes und damit für die Anwendung des § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG aus (Heinicke in Schmidt, EStG, 25. Aufl., § 4 Rz. 681; Crezelius in Kirchhof, a.a.O., 5. Aufl., § 4 Rn. 235; Wacker in Blümich, § 4 EStG Rz. 369, m.w.N.).

c) Vor diesem Hintergrund durfte die Klägerin ihre ursprüngliche Bilanz gemäß § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG dahin berichtigen, dass sie von der kumulativen Inanspruchnahme von degressiver AfA und Sonderabschreibung Abstand nahm. Das FA war nicht berechtigt, die Klägerin auf die Fortführung der degressiven AfA zu verweisen und ihr die Sonderabschreibung zu versagen. Denn selbst wenn man annimmt, dass eine dahin gehende Bilanzberichtigung ebenfalls rechtlich zulässig war, standen der Klägerin zwei Berichtigungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die Auswahl zwischen diesen beiden Möglichkeiten muss dann ihr überlassen bleiben (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 4. November 1999 IV R 70/98, BFHE 190, 404, BStBl II 2000, 129). Nachdem sich die Klägerin für die Sonderabschreibung und gegen eine Fortsetzung der degressiven AfA entschieden hat, besteht keine Rechtsgrundlage dafür, die Besteuerung an einer hiervon abweichenden Bilanzierung auszurichten.

3. Sonstige Gründe, die dem Begehren der Klägerin entgegenstehen könnten, sind weder vom FA geltend gemacht worden noch sonst erkennbar. Der angefochtene Bescheid ist daher antragsgemäß zu ändern. Die Berechnung der hiernach festzusetzenden Steuer wird gemäß § 100 Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.