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BFH-Urteil vom 24.8.2006 (IX R 52/04) BStBl. 2007 II S. 165

Die personelle Verflechtung einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit einer GmbH ist auch dann gegeben, wenn der Gesellschafter-Geschäftsführer der GbR, der zugleich alleiniger Geschäftsführer der GmbH ist, zwar von der GbR nicht vom Verbot des Selbstkontrahierens befreit ist, aufgrund seiner beherrschenden Stellung in der GmbH aber bewirken kann, dass auf Seiten der GmbH nicht er selbst als deren Vertreter auftritt.

EStG § 15 Abs. 1, § 16 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 und Abs. 3; GmbHG § 47 Abs. 1 und Abs. 4; BGB § 181; AO 1977 § 41.

Vorinstanz: FG Köln vom 14. Oktober 2004 10 K 6639/03 (EFG 2005, 121)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR); sie wurde mit Gesellschaftsvertrag vom November 1990 gegründet und beschäftigt sich mit der Vermietung und Verpachtung des privaten Grundbesitzes ihrer Gesellschafter. An der GbR sind seit ihrem Beginn die Eheleute G.B. und E.B. sowie deren drei Söhne (O., D., und I.B.) beteiligt. G.B.'s Beteiligung an der Klägerin betrug zunächst 35 v.H., später - u.a. im Streitjahr (1997) - 20 v.H. Nach § 5 Abs. 1 des Gesellschaftsvertrages (GV) ist G.B. alleine zur Geschäftsführung und Vertretung der Gesellschaft berechtigt und verpflichtet. Alle den Gesellschaftern durch Gesetz oder Vertrag zugewiesenen Entscheidungen werden nach § 5 Abs. 3 GV mit 2/3 Mehrheit getroffen.

Im September 1992 schloss die Klägerin mit der Autohaus B. GmbH (GmbH) einen Mietvertrag über gewerbliche Räume ab. Die GmbH betreibt einen Autohandel mit Werkstatt. G.B. ist an der GmbH zu 75 v.H. beteiligt und deren alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer. Die Klägerin hatte das Grundstück für Zwecke der GmbH bebaut. Es wird von der GmbH zu 63 v.H. genutzt; im Übrigen ist es fremdvermietet. Den Mietvertrag unterschrieben für die Klägerin als Vermieterin neben G.B. auch die anderen Gesellschafter, für die GmbH allein G.B.

Im Dezember des Streitjahres übertrug G.B. seine Anteile an der GmbH auf seine beiden Söhne (O. und D.B.), die danach zu jeweils 50 v.H. an der GmbH beteiligt sind.

Zusammenfassend ergeben sich folgende Beteiligungsverhältnisse:

An der Klägerin

 

1990 bis 1992

1992 bis 1995

1995 bis heute

G.B.

35 v.H.

20 v.H.

20 v.H.

E.B.

35 v.H.

39 v.H.

29 v.H.

O.B.

 12,5 v.H.

17 v.H.

17 v.H.

D.B.

 12,5 v.H.

17 v.H.

17 v.H.

I.B.

5 v.H.

 7 v.H.

17 v.H.

An der GmbH

 

Gründung bis 1988

1988 bis zum Streitjahr

G.B.

75 v.H.

75 v.H.

E.B.

25 v.H.

 

O.B.

 

 12,5 v.H.

D.B.

 

 12,5 v.H.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ging davon aus, durch die Anteilsübertragung sei die bis dahin bestehende Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der GmbH beendet worden und ermittelte einen Aufgabegewinn von 785.500 DM, den er im Bescheid über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften aus Gewerbebetrieb feststellte. Der Einspruch mit dem Begehren, mangels einer Betriebsaufspaltung keine Einkünfte aus Gewerbebetrieb und damit auch keinen Aufgabegewinn, sondern solche aus Vermietung und Verpachtung festzustellen, blieb erfolglos.

Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt und führte in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2005, 121 veröffentlichten Urteil aus, die Voraussetzungen einer Betriebsaufspaltung hätten zu keinem Zeitpunkt vorgelegen. Es fehle an einer personellen Verflechtung zwischen der Klägerin und der GmbH. Eine personelle Verflechtung liege nicht vor, wenn an der Betriebsgesellschaft nicht alle Gesellschafter der Besitzpersonengesellschaft beteiligt seien und zur Beschlussfassung in der Besitzpersonengesellschaft die Zustimmung auch sog. "Nur-Besitzgesellschafter" erforderlich seien. So verhalte es sich im Streitfall. An der Betriebsgesellschaft seien nie mehr als drei sog. Doppelgesellschafter beteiligt gewesen, Beschlüsse bei der Klägerin hätten jedoch der Zustimmung von mindestens vier Gesellschaftern bedurft. Auch die Stellung des G.B. als Geschäftsführer der Klägerin reiche nicht aus. Der Bundesfinanzhof (BFH) habe dies in seinem Urteil vom 1. Juli 2003 VIII R 24/01 (BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757) für den hier nicht vorliegenden Sonderfall erkannt, in dem Doppelgesellschaftern von den Nur-Besitzgesellschaftern Generalvollmacht zur Vertretung in allen privaten und behördlichen Angelegenheiten und - anders als im Streitfall - Befreiung von den Beschränkungen des § 181 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) erteilt worden seien.

Hiergegen richtet sich die Revision des FA, die es auf Verletzung materiellen Rechts stützt. Es seien keine Gründe erkennbar, die eine von der BFH-Entscheidung in BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757 abweichende Beurteilung erlaubten.

Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Die Vorentscheidung ist aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Unzutreffend hat das FG Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 21 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) festgestellt. Die Klägerin erzielte vielmehr Einkünfte aus Gewerbebetrieb aufgrund einer Betriebsaufspaltung zwischen der Klägerin und der GmbH (1.) und muss deshalb den Gewinn aus der durch personelle Entflechtung bedingten Betriebsaufgabe gemäß § 16 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG versteuern (2.).

1. Einkünfte aus Gewerbebetrieb nach § 15 Abs. 1 EStG statt solcher aus Vermietung und Verpachtung erzielt eine Personengesellschaft, die - obschon sie lediglich Grundbesitz vermietet (Besitzunternehmen) - mit einem Betriebsunternehmen sachlich und personell verflochten ist. Eine sachliche Verflechtung ist gegeben, wenn das vermietete Wirtschaftsgut wesentliche Betriebsgrundlage des Betriebsunternehmens ist. Die Unternehmen sind personell miteinander verflochten, wenn daran Personen beteiligt sind, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen und auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchsetzen können (ständige Rechtsprechung des BFH, vgl. Beschluss des Großen Senats vom 8. November 1971 GrS 2/71, BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63; BFH-Urteil in BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757).

Im Streitfall waren die Klägerin und die GmbH wegen des Vermietens des für die Zwecke der GmbH besonders gestalteten Grundstücks unstreitig sachlich, aber auch personell miteinander verflochten. Zwar erreichten diejenigen Gesellschafter der Klägerin, die zugleich an der Betriebsgesellschaft beteiligt waren und dort ihren Willen durchsetzen konnten (die Gesellschafter G.B., O. und D.B.), nach den Feststellungen des FG zu keinem Zeitpunkt die für Entscheidungen der Klägerin nach dem Gesellschaftsvertrag notwendige 2/3-Mehrheit. Das steht der personellen Verflechtung aber nicht entgegen, wenn Beherrschungsidentität jedenfalls in Bezug auf die laufenden Geschäfte besteht, wozu es aufgrund entsprechender Geschäftsführungsbefugnisse kommen kann (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile in BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757, und vom 30. November 2005 X R 56/04, BFHE 212, 100, BStBl II 2006, 415).

a) Im Streitfall beherrschte der Gesellschafter G.B. die Klägerin. Er war aufgrund des Gesellschaftsvertrags nach § 710 BGB zum Gesellschafter-Geschäftsführer berufen und konnte deshalb über die Überlassung des Grundstücks zur Nutzung eigenverantwortlich entscheiden (vgl. auch BFH-Urteil vom 21. August 1996 X R 25/93, BFHE 181, 284, BStBl II 1997, 44, unter 4.).

b) Ihm konnte diese einmal übertragene Geschäftsführungsbefugnis nur durch einen Beschluss mit 2/3-Mehrheit der Gesellschafter und damit nicht allein durch solche Gesellschafter wieder entzogen werden, die lediglich an der Klägerin, nicht aber an der GmbH beteiligt waren (zur Maßgeblichkeit der Personengruppe auch in diesem Fall vgl. BFH-Urteil in BFHE 202, 535, BStBl II 2003, 757, unter II. 2. b dd, m.w.N.). Nach den Feststellungen des FG erreichte diese aus E.B und I.B. bestehende Gruppe in keinem Fall die 2/3-Mehrheit.

c) Der Senat kann offen lassen, ob - wovon das FG ersichtlich ausgeht - dem Geschäftsführer G.B. Insichgeschäfte (§ 181 BGB) von der Klägerin nicht gestattet waren. Zwar gilt § 181 BGB auch für Geschäftsführer einer GbR, soweit sie namens der Gesellschaft mit sich als Vertreter Dritter rechtsgeschäftlich handeln (vgl. MünchKommBGB/Ulmer, 4. Aufl., § 714 Rdnr. 29). Indes kommt es - worauf der BFH schon in seiner Entscheidung vom 26. Januar 1989 IV R 151/86 (BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455) hingewiesen hat - nicht darauf an, auf welchem gesellschaftsrechtlichen Wege G.B. in beiden Gesellschaften seinen Willen durchsetzen konnte. So war er aufgrund seiner in der GmbH beherrschenden Stellung in der Lage, einen Gesellschafterbeschluss nach § 47 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) herbeizuführen, der es ermöglichte, dass auf Seiten der Betriebsgesellschaft jedenfalls nicht er selbst als Vertreter auftrat (vgl. zu den Zuständigkeiten Zöller in Baumbach/Hueck, GmbHG, 18. Aufl., § 46 Rn. 5 und Rn. 52; vgl. auch Palandt/ Heinrichs, Bürgerliches Gesetzbuch, 65. Aufl., § 181 Rn. 13). So verhält es sich, wenn die Gesellschafter nach § 46 Nr. 7 GmbHG einen Prokuristen oder Handlungsbevollmächtigten bestimmen oder selbst durch Beschluss ein Rechtsgeschäft mit der Klägerin vornehmen. Ob der Gesellschafter G.B. im letzten Fall vom Stimmrecht ausgeschlossen war, obschon es nach § 47 Abs. 4 Satz 2 GmbHG um die Vornahme eines Rechtsgeschäfts nicht gegenüber ihm, sondern gegenüber der Klägerin ging (vgl. zur Problematik Roth in Roth/Altmeppen, Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG), 5. Aufl., § 47 Rn. 82 ff.), kann unerörtert bleiben. Darauf kommt es nämlich nicht an (so BFH-Urteil in BFHE 156, 138, BStBl II 1989, 455, unter 3.), und zwar schon deshalb nicht, weil nach § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) auch zivilrechtlich unwirksame Rechtsgeschäfte für die Besteuerung erheblich sind, wenn die Beteiligten das wirtschaftliche Ergebnis eintreten und bestehen lassen.

2. Mit der Übertragung der Anteile des G.B. auf seine Söhne O. und D.B. kam es im Streitjahr zu einer personellen Entflechtung mit der Folge einer Betriebsaufgabe i.S. des § 16 Abs. 3 EStG (ständige Rechtsprechung, vgl. BFH-Urteile vom 25. August 1993 XI R 6/93, BFHE 172, 91, BStBl II 1994, 23, m.w.N.; Schmidt/ Wacker, EStG, 25. Aufl., § 15 Rz. 865). Die Klägerin muss den Betriebsaufgabegewinn nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. Abs. 2 EStG versteuern. Für die Annahme, die Betriebsaufspaltung habe nur eine Betriebsverpachtung mit der Folge eines Verpächterwahlrechts überlagert (BFH-Urteile vom 17. April 2002 X R 8/00, BFHE 199, 124, BStBl II 2002, 527, und vom 14. März 2006 VIII R 80/03, BFHE 212, 541, BStBl II 2006, 591), fehlen jegliche Anhaltspunkte.

3. Da das angefochtene Urteil diesen Maßstäben nicht entspricht, ist es aufzuheben. Die Sache ist nicht spruchreif. Das FG hatte von seinem Standpunkt aus folgerichtig keinerlei Feststellungen zur Höhe des Aufgabegewinns getroffen. Das wird es in einer neuen Verhandlung und Entscheidung nachzuholen haben.