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BFH-Urteil vom 6.9.2006 (XI R 64/05) BStBl. 2007 II S. 177

Die Tätigkeit eines Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene ist dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlich.

EStG § 18 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Münster vom 9. November 2005 7 K 4789/03 G,F (EFG 2006, 267)

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob die Gesellschafter der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) als Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene eine freiberufliche Tätigkeit ausüben.

Die Klägerin betreibt in der Rechtsform einer GbR ein Hygieneberatungsbüro. Die beiden Gesellschafter der Klägerin sind examinierte Krankenpfleger, welche eine Fachweiterbildung zum Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene mit staatlicher Abschlussprüfung absolviert haben. Die Gesellschaft erbringt Hygieneleistungen und -beratungen für Krankenhäuser und Altenheime.

Nach einer bei der Außenprüfung vorgelegten Tätigkeitsbeschreibung berät die Klägerin Krankenhäuser und Altenpflegeheime in allen Fragen der angewandten Krankenhaushygiene. Es werden individuelle Desinfektions- und Hygienepläne erstellt und deren Einhaltung stichprobenweise überwacht. Zu den Aufgaben gehören danach auch die Beratung und die Aufklärung von Mitarbeitern und Patienten im Falle des Auftretens ansteckender Krankheiten. Therapiedauer und Isolationsmaßnahmen werden, zum Teil auch in Abstimmung mit den behandelnden Ärzten, festgelegt.

Nach einem Vertragsvordruck, den die Klägerin ihren Vertragsverhältnissen zu Grunde legt, schuldet die Klägerin die Beratung und Betreuung des Krankenhauses durch eine Hygienefachkraft. Zu den Tätigkeiten der Hygienefachkraft gehört u.a. die beobachtende, beratende und analysierende Tätigkeit im Krankenhaus, die Mitwirkung bei der Einhaltung der Regeln der Krankenhaushygiene, Unterrichtung der Ärzte und des Pflegepersonals über Verdachtsfälle sowie die Schulung und Fortbildung des Personals. Der Betriebsprüfer kam zu dem Ergebnis, dass die Tätigkeit der Klägerin nicht freiberuflich sei.

Im Anschluss an die Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) entsprechend geänderte Feststellungsbescheide (7. August 2002) sowie erstmalige Gewerbesteuermessbescheide für die Streitjahre 1999 und 2000. Das Einspruchsverfahren blieb erfolglos (Einspruchsentscheidungen vom 20. Juni 2003).

Das FA stellte darauf ab, dass kein einem Katalogberuf des § 18 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ähnlicher Beruf vorliege. Es fehle an der Vergleichbarkeit der die Ausübung eines Heilberufs charakterisierenden Maßnahmen der Ausbildung und Berufsausübung. Nach der Tätigkeitsbeschreibung liege keine unmittelbare Arbeit am oder mit dem Patienten vor; vielmehr werde eine planerische, organisatorische und beratende Tätigkeit ausgeübt. Diese komme zwar letztlich auch dem Patienten zugute, stelle sich aber nur als untergeordnete und unterstützende Tätigkeit für den die Heilbehandlung durchführenden Arzt dar. Nur zu diesem stehe der Patient in einem "therapeutischen Verhältnis".

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab; seine Entscheidung ist veröffentlicht in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 267.

Mit der Revision macht die Klägerin geltend:

1. Der Beruf der Gesellschafter sei dem Beruf des Krankengymnasten ähnlich. Entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils sei es nicht erforderlich, dass das Berufsbild von der persönlichen Beziehung zu einem Patienten geprägt sei.

Bei dem Beruf des Krankenpflegers und namentlich des Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene handele es sich um einen arztähnlichen Beruf. Das ergebe sich aus der historischen Entwicklung der Vorschrift.

2. Im Umsatzsteuerrecht habe eine Angleichung stattgefunden; dort werde in § 4 Nr. 14 des Umsatzsteuergesetzes auf eine "ähnliche heilberufliche Tätigkeit" abgestellt. Der Verweis auf § 18 EStG sei mit dem Steueränderungsgesetz 2003 aufgehoben worden.

3. Den Begriff der Arztähnlichkeit finde man nicht nur in der früheren Rechtsprechung zu den Krankenpflegern; das Merkmal des arztähnlichen Berufs sei durch das Recht der Europäischen Gemeinschaft vorgegeben.

4. Für den arztähnlichen Beruf gebe es keine besonderen Zulassungsvoraussetzungen. Die arztähnlichen Berufe wie Krankengymnast, Krankenpfleger benötigten keine Approbation. Sie unterstünden - wie auch im Streitfall - der Aufsicht der Gesundheitsämter. Es sei anerkannt, dass der Krankenpfleger zu den "ähnlichen Berufen" gehöre. Durch die Zusatzqualifikation der Krankenhaushygiene werde der Bereich der Freiberuflichkeit nicht wieder verlassen. Die Hygiene gehöre zu den typischen Ausbildungsinhalten bei Krankenschwestern und bei Krankengymnasten.

Es komme nicht darauf an, ob der Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene in einem unmittelbaren Kontakt zum Patienten stehe. In vergleichbarer Weise habe der Bundesfinanzhof (BFH) die Tätigkeit von medizinisch-technischen Assistentinnen (MTA) beurteilt (BFH-Urteil vom 29. Januar 1998 V R 3/96, BFHE 185, 287, BStBl II 1998, 453). Selbständige MTA führten im Wesentlichen Teilbereiche der Aufgaben von Fachärzten für Labormedizin aus. Entsprechendes gelte für das Verhältnis von Fachkrankenpfleger für Krankenhaushygiene und Facharzt für Krankenhaushygiene.

Entgegen der Auffassung des angefochtenen Urteils sei eine sog. "Behandlungspflege" nicht notwendig. Die Entscheidung vom 22. Januar 2004 IV R 51/01 (BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509) habe zur Abgrenzung der Altenpflege auf die Behandlungspflege abgestellt. Damit sei aber nicht gesagt, dass die ambulante Pflege die einzige Ausprägung eines freien Berufs des Krankenpflegers sei.

5. Unter teleologischen Gesichtspunkten liege die Anerkennung des Fachkrankenpflegers für Krankenhaushygiene als freier Beruf nahe; sie trage der Dynamik der Entwicklung des Gesundheitswesens Rechnung. Nach der Entscheidung vom 28. August 2003 IV R 69/00 (BFHE 203, 429, BStBl II 2004, 954) müsse sich die Auslegung des Merkmals "ähnlicher Beruf" der Entwicklung der Heilhilfsberufe öffnen. Ein mittelbarer Bezug zum therapeutischen Erfolg (durch die Verhinderung von Infektionen) reiche aus.

6. Auch unter dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung und im Hinblick auf Art. 2 Abs. 1, Art. 3 und Art. 12 des Grundgesetzes könne die Klägerin verlangen, mit ihren marktstarken Konkurrenten (Institut für Hygiene und Umwelt e.V., Hamburg; gemeinnützige Krankenhäuser) gleichgestellt und nicht mit Gewerbesteuer belastet zu werden.

7. Der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften habe mit Urteil vom 8. Juni 2006 Rs. C-106/05 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2006, 831) entschieden, dass eine ärztliche Heilbehandlung einen therapeutischen Zweck haben müsse, aber dies nicht in einem besonders engen Sinne zu verstehen sei.

8. Vorsorglich gerügt werde die unzureichende Sachaufklärung. Die Gesellschafter der Klägerin hätten in der Tat persönliche Beziehungen zu einzelnen Patienten gehabt. Ein solcher direkter Bezug mache in Krankenhäusern etwa 1/3 der Tätigkeit aus.

Die Klägerin beantragt, das angefochtene Urteil sowie die Gewerbesteuermessbescheide 1999 und 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2003 aufzuheben und die Bescheide über die einheitliche und gesonderte Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Einkommensteuer 1999 und 2000 vom 7. August 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 20. Juni 2003 derart zu ändern, dass die festgestellten Einkünfte solche aus freiberuflicher Tätigkeit sind.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

1. Die Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin sei nicht mehr auf die unmittelbare Patientenversorgung gerichtet, sondern beratender und planerischer Tätigkeit. Aus der Entwicklung des § 18 EStG ergebe sich nichts Gegenteiliges.

2. Zu den Berufen Heilpraktiker und Krankengymnast bestehe keine Ähnlichkeit. Im Vergleich zum Arzt fehle eine vergleichbare Ausbildung. Für die Anerkennung eines ähnlichen Berufs sei maßgebend, ob die konkrete Tätigkeit eine unmittelbare medizinische Versorgung unter ärztlicher Aufsicht zum Gegenstand habe und sich daher als Heilhilfsberuf darstelle. Die Klägerin schulde - im Unterschied zu einer MTA - keine heilkundlichen Leistungen.

3. Die Gewerbesteuerfreiheit der Konkurrenten ergebe sich aus der jeweiligen rechtlichen Konstruktion und sei sachlich gerechtfertigt.

4. Dass die Gesellschafter der Klägerin unmittelbaren Kontakt zu einzelnen Patienten hätten, werde erstmals vorgetragen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet und führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Stattgabe der Klage. Entgegen der Auffassung des FG ist die Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin als freiberuflich zu qualifizieren; sie erzielte einkommensteuerrechtlich Einkünfte gemäß § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG; gewerbesteuerrechtlich unterhielt die Klägerin keinen Gewerbebetrieb i.S. des § 2 Abs. 1 des Gewerbesteuergesetzes. Die Tätigkeit der Gesellschafter der Klägerin war dem Katalogberuf des Krankengymnasten ähnlich.

1. Ein ähnlicher Beruf liegt nach der Rechtsprechung des BFH vor, wenn er in wesentlichen Punkten mit einem der in § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG genannten Katalogberufe verglichen werden kann. Dazu gehört die Vergleichbarkeit sowohl der Ausbildung als auch der ausgeübten beruflichen Tätigkeit (zu Vorstehendem BFH-Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509; Schmidt/Wacker, EStG, 25. Aufl., § 18 Rz 16, 126; Stuhrmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 18 Rdnr. B 151 f.). Die Ähnlichkeit mit einem Heilberuf bestimmt sich in der Regel nach dem Berufsbild des Heilpraktikers oder Krankengymnasten; § 18 Abs. 1 Nr. 1 EStG wurde u.a. bejaht für Krankenschwestern, Masseure und MTA (BFH-Urteile vom 30. September 1999 V R 56/97, BFHE 189, 569, und in BFHE 185, 287, BStBl II 1998, 453; Blümich/Hutter, § 18 EStG Rz. 115 f.).

2. Wer eine Ausbildung zum Krankenpfleger i.S. des § 1 Abs. 1 des Krankenpflegegesetzes vom 20. September 1965 (BGBl I 1965, 1443) i.V.m. der zugehörigen Ausbildungs- und Prüfungsordnung vom 2. August 1966 (BGBl I 1966, 462) abgeschlossen hat, verfügt über eine dem Krankengymnasten vergleichbare Ausbildung (BFH-Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509). In Deutschland ist die Ausbildung zum Physiotherapeuten seit 1994 durch das Masseur- und Physiotherapeutengesetz geregelt. Bis dahin war die Bezeichnung "Krankengymnast" üblich.

Zur Weiterbildung zum Fachkrankenpfleger für Hygiene kann zugelassen werden, wer eine staatliche Anerkennung als Krankenpfleger besitzt und mindestens zwei Jahre in diesem Beruf tätig war (vgl. z.B. Gesetz- und Verordnungsblatt für das Land Hessen - Nr. 16, Teil 1 vom 28. Juni 1996, Nr. 295, Anlage 6). Danach besitzt der Fachkrankenpfleger für Hygiene eine Ausbildung, die über die des "einfachen" Krankenpflegers hinausgeht und insoweit erst recht dem Ähnlichkeits-Vergleich standhält.

3. Nicht nur die Ausbildung, sondern auch die Tätigkeit des Krankengymnasten und die des Hygiene-Fachkrankenpflegers sind einander ähnlich i.S. des § 18 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 EStG.

a) Die Tätigkeit des Physiotherapeuten (Krankengymnasten) umfasst vor allem aktive und passive Therapien zur Wiederherstellung und Erhaltung der Gesundheit. Hygiene-Fachkrankenpfleger wirken daran mit, in Krankenhäusern die Hygiene durch Maßnahmen zur Erkennung, Verhütung und Bekämpfung von Krankenhausinfektionen zu verbessern. Auch in anderen Einrichtungen des Gesundheits- und Sozialwesens sind sie zur Verbesserung der Infektionsprävention tätig. Diese Tätigkeit ist darauf gerichtet, den Heilerfolg sicherzustellen und damit für die Patienten ebenso bedeutsam wie die Tätigkeit eines Krankenpflegers.

b) Anders hat der erkennende Senat die Tätigkeit eines selbständigen Krankenhausberaters beurteilt (BFH-Beschluss vom 16. September 1999 XI B 63/98, BFH/NV 2000, 424). In diesem Fall reichte nicht aus, dass ein Krankenhausberater seine Ausbildung im Katalogberuf Arzt nutzte, um die Tätigkeit als freiberuflich einzustufen, da er sich auf das Gebiet der Wirtschafts- und Organisationsberatung spezialisiert hatte.

Auch die Unterscheidung von Grund- und Behandlungspflege führt zu keiner anderen Beurteilung (BFH-Urteil in BFHE 205, 151, BStBl II 2004, 509; BFH-Beschluss vom 5. April 2005 IV B 89/03, BFH/NV 2005, 1865). Die Tätigkeit des Hygiene-Fachkrankenpflegers dient insoweit ausschließlich der Behandlungspflege, nämlich der Verhinderung und Beseitigung von Infektionen durch unzureichende Hygienemaßnahmen.