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BFH-Urteil vom 7.11.2007 (II R 28/06) BStBl. 2008 II S. 258

Zahlt eine GmbH auf Veranlassung eines Gesellschafters einer diesem nahestehenden Person überhöhte Vergütungen, liegt regelmäßig keine freigebige Zuwendung des Gesellschafters an die nahestehende Person gemäß § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG vor. Eine gemischte freigebige Zuwendung kann jedoch im Verhältnis der GmbH zur nahestehenden Person gegeben sein.

ErbStG § 7 Abs. 1 Nr. 1; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2; BGB § 362 Abs. 2, § 185.

Vorinstanz: FG Nürnberg vom 18. November 2004 IV 284/2003

Sachverhalt

I.

Der Ehemann (E) der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) war Mitgesellschafter und Geschäftsführer einer GmbH. Die Klägerin war aufgrund eines Vertrags vom 20. Oktober 1981 freie Mitarbeiterin der GmbH; sie bezog in den Jahren 1989 bis 1994 Vergütungen zwischen ... und ... DM. Teile dieser Vergütungen wurden nach einer Betriebsprüfung als verdeckte Gewinnausschüttungen (vGA) der GmbH an E behandelt, und zwar für die Jahre 1989 und 1990 in Höhe von jeweils ... DM und für die Jahre 1991 bis 1994 in Höhe von jeweils ... DM. Ähnliche Verträge waren auch mit den Ehepartnern der weiteren Gesellschafter-Geschäftsführer geschlossen worden.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erlangte 1998 Kenntnis von den Vorgängen. Das FA sah in Höhe der vGA freigebige Zuwendungen des E an die Klägerin und setzte durch Bescheide vom 30. Juli 1999 für die Jahre 1990 bis 1994 Schenkungsteuer gegen die Klägerin fest. E habe die Art und den Umfang der tatsächlich erbrachten Leistungen gekannt und daher beurteilen können, dass die Vergütungen zumindest in Höhe der vGA als Honorarzahlungen verschleierte Schenkungen seien, die eine Vermögensmehrung bei der Klägerin und eine Minderung bei ihm bewirkt hätten. Dies werde auch dadurch belegt, dass E allein die zugrundeliegenden Vereinbarungen als Geschäftsführer unterzeichnet habe.

Nach erfolglosem Einspruchsverfahren trug die Klägerin erstmals im Klageverfahren vor, die Eheleute hätten durch Ehevertrag vom 3. April 2003 den gesetzlichen Güterstand aufgehoben und mit privatschriftlicher Vereinbarung vom 4. Juni 2003 die Höhe ihrer Zugewinnausgleichsforderung auf ... € festgelegt.

Das Finanzgericht (FG) hat die Klage abgewiesen. E habe die nicht mit einer entsprechenden Gegenleistung in Zusammenhang zu bringenden Zahlungen der GmbH an die Klägerin veranlasst; diese Zuwendungen seien auf seine Kosten erfolgt, weil er wegen der vGA einem grundsätzlich nicht auszuschließenden Regressanspruch der GmbH ausgesetzt gewesen sei. Daher lägen freigebige Zuwendungen des E an die Klägerin vor. Im Übrigen sei zweifelhaft, ob eine Zugewinnausgleichsforderung für die Klägerin wirksam und ernsthaft vereinbart worden sei. Die Anwendung des § 29 Abs. 1 Nr. 3 des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) scheitere aber jedenfalls daran, dass der Vereinbarung vom 4. Juni 2003 nicht zu entnehmen sei, die früheren Zuwendungen seien in die Berechnung des Zugewinnausgleichsanspruchs eingegangen.

Die Klägerin rügt mit der Revision Verfahrensmängel und fehlerhafte Rechtsanwendung.

Sie beantragt, die Vorentscheidung und die Schenkungsteuerbescheide vom 30. Juli 1999 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Steuerbescheide vom 30. Juli 1999 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 7. August 2003 (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat zu Unrecht angenommen, dass die gezahlten Vergütungen in Höhe der vGA freigebige Zuwendungen des E an die Klägerin seien (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG).

1. Der Schenkungsteuer unterliegt als Schenkung unter Lebenden (§ 1 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG) jede freigebige Zuwendung, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG; vgl. auch § 516 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs - BGB -). Erforderlich hierfür ist eine Vermögensverschiebung, d.h. eine Vermögensminderung auf der Seite des Schenkers und eine Vermögensmehrung auf der Seite des Beschenkten (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 6. März 1985 II R 19/84, BFHE 143, 291, BStBl II 1985, 382). Wer Zuwendender ist, bestimmt sich nach der Ausgestaltung der geschlossenen Verträge unter Einbeziehung ihrer inhaltlichen Abstimmung untereinander sowie den mit der Vertragsgestaltung erkennbar angestrebten Zielen der Parteien (BFH-Urteil vom 10. März 2005 II R 54/03, BFHE 208, 447, BStBl II 2005, 412). Der Gegenstand, um den der Beschenkte bereichert wird, muss sich nicht vorher in derselben Gestalt im Vermögen des Schenkers befunden haben und wesensgleich übergehen. "Entreicherungsgegenstand" und "Bereicherungsgegenstand" brauchen nicht identisch zu sein (BFH-Urteil vom 10. November 2004 II R 44/02, BFHE 207, 360, BStBl II 2005, 188).

2. Eine Vermögensverschiebung zwischen dem Zuwendenden und dem Bedachten kann auch unter Einbeziehung eines Dritten bewirkt werden, und zwar dadurch, dass ein Schuldner des Zuwendenden auf dessen Aufforderung hin eine diesem zustehende Forderung durch unmittelbare Leistung an den Bedachten gemäß § 362 Abs. 2 i.V.m. § 185 BGB erfüllt (Abkürzung des Leistungswegs). Ob es sich bei dieser Vermögensverschiebung um eine freigebige Zuwendung des Zuwendenden an den Bedachten handelt, richtet sich nach dem zwischen ihnen bestehenden Innenverhältnis.

Ein derartiger abgekürzter Leistungsweg liegt nicht vor, wenn eine GmbH an eine Person, die einem ihrer Gesellschafter nahesteht, überhöhte Vergütungen für erbrachte Arbeitsleistungen zahlt und - wie im Streitfall - die unangemessenen Teile der Vergütungen ertragsteuerrechtlich als vGA zu beurteilen sind. In einem solchen Fall fehlt es an der für eine freigebige Zuwendung erforderlichen Vermögensverschiebung zwischen dem Gesellschafter und der diesem nahestehenden Person.

a) Eine vGA einer GmbH i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes ist dadurch gekennzeichnet, dass die GmbH ihrem Gesellschafter außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung einen Vermögensvorteil zuwendet und diese Zuwendung ihren Anlass oder zumindest ihre Mitveranlassung im Gesellschaftsverhältnis hat. Das ist der Fall, wenn ein ordentlicher und gewissenhafter Geschäftsführer diesen Vorteil einem Nichtgesellschafter nicht zugewendet hätte (BFH-Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 31/05, BFHE 216, 214, BStBl II 2007, 393, m.w.N.).

Eine vGA kann auch ohne tatsächlichen Zufluss beim Gesellschafter gegeben sein, wenn der Vorteil dem Gesellschafter mittelbar in der Weise zugewendet wird, dass eine ihm nahestehende Person aus der Vermögensverlagerung Nutzen zieht. Die Zuwendung eines Vermögensvorteils an eine nahestehende Person ist unabhängig davon als vGA zu beurteilen, ob auch der Gesellschafter selbst ein vermögenswertes Interesse an dieser Zuwendung hat, soweit andere Ursachen für die Zuwendung als das Nahestehen des Empfängers zu dem Gesellschafter auszuschließen sind (BFH-Urteil vom 19. Juni 2007 VIII R 54/05, BStBl II 2007, 830, m.w.N.).

Liegt danach eine vGA vor, so ist die Zuwendung zu Lasten der GmbH ertragsteuerrechtlich so zu beurteilen, als hätte der Gesellschafter den Vorteil erhalten und diesen an die nahestehende Person weitergegeben. Bei dem Gesellschafter handelt es sich um eine einkommensteuerrechtlich unbeachtliche Einkommensverwendung (BFH-Urteil in BStBl II 2007, 830, m.w.N.).

b) Diese auf einer wirtschaftlichen Betrachtungsweise in Form einer Fiktion beruhende ertragsteuerrechtliche Beurteilung kann auf die Schenkungsteuer nicht übertragen werden. Jeder gesetzliche Tatbestand ist aus sich selbst heraus - nach seiner eigenen, spezifischen Teleologie - auszulegen (vgl. BFH-Urteil vom 2. Februar 2005 II R 18/03, BFHE 208, 441, BStBl II 2005, 489). Die Erbschaft- und Schenkungsteuer ist Verkehrsteuer. Die wirtschaftliche Betrachtungsweise ist auf Steuerarten, welche an bürgerlich-rechtliche Vorgänge anknüpfen, nicht oder zumindest nur nach Sachlage des Einzelfalles anwendbar (BFH-Urteil vom 22. September 1982 II R 61/80, BFHE 137, 188, BStBl II 1983, 179, m.w.N.). Für eine freigebige Zuwendung i.S. des § 7 Abs. 1 Nr. 1 ErbStG kommt es ausschließlich auf die Zivilrechtslage und nicht darauf an, wem nach wirtschaftlicher Betrachtungsweise Vermögen oder Einkommen zuzurechnen ist (BFH-Urteil vom 29. November 2006 II R 42/05, BFHE 215, 529, BStBl II 2007, 319, m.w.N.).

c) Eine andere Beurteilung ergibt sich auch dann nicht, wenn die vGA zu einem Schadensersatzanspruch der GmbH gegen den Gesellschafter etwa wegen Treupflichtverletzung oder wegen eines Verstoßes gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz führt (zu den Voraussetzungen eines solchen Anspruchs vgl. Ulmer/Müller, GmbHG, Großkommentar, 2006, § 29 Rz 168, 169; Zacher, Verdeckte (Gewinn-)Ausschüttungen in der GmbH aus zivilrechtlicher Sicht, Deutsches Steuerrecht 1994, 138; Canaris, Die Rückgewähr von Gesellschaftseinlagen durch Zuwendungen an Dritte, Festschrift für Fischer, 1979, 31 ff., jeweils m.w.N.). Auch wenn im Einzelfall ein solcher Anspruch besteht, fehlt es an der erforderlichen zivilrechtlichen Übertragung von Vermögen vom Zuwendenden auf den Bedachten.

d) Eine Bereicherung der dem Gesellschafter nahestehenden Person, die den Vermögensvorteil (überhöhte Vergütungen) unmittelbar von der GmbH erhalten hat, auf Kosten des Gesellschafters kann auch nicht damit begründet werden, dass sich durch die Gewährung des Vermögensvorteils der Wert des Geschäftsanteils des Gesellschafters vermindert habe. Diese Wertminderung ist nämlich eine bloße Folge der Verringerung des Gesellschaftsvermögens und daher schenkungsteuerrechtlich unbeachtlich. Die GmbH erbringt die Leistung aus ihrem Gesellschaftsvermögen. Die rechtliche Eigenständigkeit des Gesellschaftsvermögens der GmbH als juristische Person ist insoweit ebenso entscheidend wie bei Einlagen eines Gesellschafters in das Gesellschaftsvermögen einer GmbH, die schenkungsteuerrechtlich nicht zu einer Bereicherung der anderen Gesellschafter führt, obwohl sich durch die Mehrung des Betriebsvermögens der Wert ihrer Geschäftsanteile erhöht (BFH-Urteile vom 25. Oktober 1995 II R 67/93, BFHE 179, 157, BStBl II 1996, 160, und vom 19. Juni 1996 II R 83/92, BFHE 181, 88, BStBl II 1996, 616).

3. Da das FG die Rechtslage anders beurteilt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Auch die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide sind aufzuheben. Freigebige Zuwendungen des E an die Klägerin liegen nicht vor, da es an der erforderlichen Vermögensverschiebung zwischen den Eheleuten fehlt. Die GmbH hat mit der Zahlung überhöhter Vergütungen an die Klägerin nicht zugleich gegenüber E bestehende Verbindlichkeiten etwa aus einem bereits gefassten Gewinnverteilungsbeschluss getilgt. Durch die Zahlung überhöhter Vergütungen an die Klägerin sollten vielmehr die der Besteuerung unterliegenden und für offene Ausschüttungen zur Verfügung stehende Gewinne der GmbH gemindert werden. Dies führte zur ertragsteuerrechtlichen Beurteilung der unangemessenen Teile der Vergütungen als vGA.

Eine Vermögensverschiebung zwischen E und der Klägerin kann entgegen der Ansicht des FG auch nicht mit dem (möglichen) Bestehen von Schadensersatzansprüchen der GmbH gegen E begründet werden (oben 2. c). Ob die Voraussetzungen für einen solchen Anspruch erfüllt waren, braucht deshalb nicht geprüft zu werden.

Da Schenkungsteuer nicht entstanden ist, kommt es auch nicht darauf an, ob die Steuer wegen der Beendigung des Güterstandes der Zugewinngemeinschaft nach § 29 Abs. 1 Nr. 3 ErbStG erloschen wäre.

4. Die Zahlungen überhöhter Vergütungen an die Klägerin können als gemischte freigebige Zuwendungen der GmbH an diese zu beurteilen sein. Schenkungsteuerrechtlich erfasst wird nicht nur die reine, sondern auch eine gemischte freigebige Zuwendung. Sie ist dann gegeben, wenn einer höherwertigen Leistung eine Leistung von geringerem Wert gegenübersteht und die höherwertige Zuwendung neben Elementen der Freigebigkeit auch Elemente eines Austauschvertrags enthält, ohne dass sich die höherwertige Leistung in zwei selbständige Leistungen aufteilen lässt (BFH-Urteil vom 29. Oktober 1997 II R 60/94, BFHE 183, 253, BStBl II 1997, 832). Hinsichtlich des subjektiven Tatbestands der freigebigen Zuwendung reicht bei Unausgewogenheit gegenseitiger Verträge regelmäßig das Bewusstsein des einseitig benachteiligten Vertragspartners über den Mehrwert seiner Leistung aus; auf die Kenntnis des genauen Ausmaßes des Wertunterschieds kommt es hingegen nicht an (BFH-Urteil vom 12. Juli 2005 II R 8/04, BFHE 210, 474, BStBl II 2005, 845).

Ob und ggf. inwieweit die materiell-rechtlichen und verfahrensrechtlichen Voraussetzungen für den Erlass von Schenkungsteuerbescheiden für gemischte freigebige Zuwendungen der GmbH an die Klägerin vorliegen, kann im vorliegenden Verfahren, das lediglich die angefochtenen Schenkungsteuerbescheide wegen freigebiger Zuwendungen des E an die Klägerin betrifft, nicht geprüft werden.