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BFH-Urteil vom 26.2.2008 (VIII R 82/05) BStBl. 2008 II S. 481

Ansparrücklagen nach § 7g Abs. 3 EStG können bei Gewinnermittlung durch Überschussrechnung ebenso wie bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich nur zum Ende, nicht aber während eines Wirtschaftsjahres aufgelöst werden (Anschluss an BFH-Urteil vom 6. März 2003 IV R 23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187).

EStG § 7g.

Vorinstanz: FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 31. August 2005 2 K 1530/04

Sachverhalt

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob bei unterjähriger Auflösung einer Ansparrücklage nach § 7g des Einkommensteuergesetzes (EStG) der Gewinnzuschlag gemäß § 7g Abs. 5 EStG für das Auflösungsjahr voll zu berechnen ist.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Arzt und ermittelt seinen Gewinn durch Einnahme-Überschuss-Rechnung (§ 4 Abs. 3 EStG). In der Gewinnermittlung für das Jahr 2002 berücksichtigte er die Auflösung einer im Jahr 2000 nach § 7g EStG gebildeten Ansparrücklage, die er in der laufenden Buchführung zum 31. Oktober 2002 erfasst hatte. Wegen der Auflösung erklärte er einen Gewinnzuschlag gemäß § 7g Abs. 5 EStG in Höhe von 6 % (= 1.053,78 €) des aufgelösten Betrages. Einen Gewinnzuschlag für das Jahr der Auflösung setzte er nicht an, da die Rücklage insoweit nicht ein volles Wirtschaftsjahr bestanden habe.

In dem Bescheid über die gesonderte Feststellung des Gewinns aus selbständiger Arbeit für das Streitjahr 2002 erhöhte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) den erklärten Gewinn um weitere 1.053,78 € und stellte den Gewinn in Höhe von 69.652 € mit der Begründung fest, die Ansparrücklage habe für zwei volle Wirtschaftsjahre bestanden. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.

Mit der Revision rügt der Kläger Verletzung materiellen Rechts.

Schon nach dem Wortlaut des § 7g Abs. 5 EStG könne der Gewinnzuschlag nur für ein Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden, in dem die Rücklage voll bestanden habe. Daran fehle es im Jahr der Auflösung der Rücklage, wenn - wie im Streitfall - der nach § 7g Abs. 6 2. Halbsatz EStG maßgebliche Zeitraum durch unterjährige Auflösung der Rücklage vor dem Abschluss des Wirtschaftsjahres ende.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung der Einkünfte aus selbständiger Arbeit im Jahr 2002 in Gestalt der Einspruchsentscheidung unter Ansatz von Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 68.568 € zu ändern.

Das FA beantragt im Wesentlichen unter Bezugnahme auf die Gründe des angefochtenen Urteils, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist unbegründet und nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.

Zu Recht hat das Finanzgericht (FG) den Gewinnzuschlag für die im Jahre 2000 gebildete und buchungstechnisch am 31. Oktober 2002 aufgelöste Rücklage nach § 7g EStG auch mit 6 % des Rücklagebetrages für das Streitjahr 2002 und damit insgesamt (für die beiden Jahre, in denen die Rücklage bestand) mit 12 % dieses Betrages bemessen.

1. a) Gemäß § 7g Abs. 3 EStG in der für das Streitjahr geltenden Fassung können Steuerpflichtige, die den Gewinn durch Bestandsvergleich ermitteln, für die künftige Anschaffung oder Herstellung eines neuen beweglichen Wirtschaftsguts des Anlagevermögens eine den Gewinn mindernde Rücklage bilden (§ 7g Abs. 3 Satz 1 EStG). Sie muss nach Maßgabe des § 7g Abs. 4 Satz 2 EStG gewinnerhöhend aufgelöst werden, wenn sie am Ende des zweiten auf ihre Bildung folgenden Wirtschaftsjahres noch vorhanden ist; dabei ist der Gewinn im Wirtschaftsjahr der Auflösung um 6 % des aufgelösten Rücklagebetrages für jedes volle Wirtschaftsjahr zu erhöhen, in dem die Rücklage bestanden hat.

Diese Regelungen gelten für Steuerpflichtige, die ihren Gewinn - wie der Kläger - durch Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG ermitteln, entsprechend mit der Maßgabe, dass die Bildung der Rücklage als Betriebsausgabe (Abzug) und ihre Auflösung als Betriebseinnahme (Zuschlag) zu behandeln ist; der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag gilt als Zeitraum, in dem die Rücklage bestanden hat (§ 7g Abs. 6 EStG).

b) § 7g Abs. 3 EStG (hier: für den Fall der Gewinnermittlung durch Überschussrechnung i.V.m. Abs. 6) eröffnet dem Steuerpflichtigen unter den dort festgelegten Voraussetzungen ein Wahlrecht zur Bildung einer Ansparrücklage und lässt darüber hinaus bei Aufgabe der begünstigten und nicht realisierten Investitionsplanung zu, die Ansparrücklage vorzeitig, d.h. bei Gewinnermittlung durch Bestandsvergleich, bereits zum Ende des ersten Wirtschaftsjahres nach ihrer Bildung, aufzulösen (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. September 2005 X R 32/03, BFHE 211, 221, BStBl II 2006, 66; Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 25. Februar 2004 IV A 6 -S 2183b- 1/04, BStBl I 2004, 337, 340 Tz. 28; Handzik in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 7g Rz 89; Blümich/Brandis, § 7g Rz 90). Der in diesem Zusammenhang anzusetzende Gewinnzuschlag von 6 % des Rücklagenbetrages nach § 7g Abs. 5 EStG "für jedes volle Wirtschaftsjahr, in dem die Rücklage bestanden hat", betrifft auch Rumpfwirtschaftsjahre, in denen es unterjährig zu einer Betriebsaufgabe oder –veräußerung kommt (BFH-Urteil vom 10. November 2004 XI R 56/03, BFH/NV 2005, 845). Denn auch ein solches (Rumpf-)Wirtschaftsjahr ist ein vollgültiges Wirtschaftsjahr (vgl. BFH-Urteil vom 23. August 1979 IV R 95/75, BFHE 128, 533, BStBl II 1980, 8).

c) Diese Grundsätze gelten nach der Rechtsprechung auch für Ansparrücklagen bei Gewinnermittlung durch Überschussrechnung. In diesem Fall müssen die Steuerpflichtigen den Abzug als Betriebsausgabe bei Aufgabe der Investitionsabsicht in der Gewinnermittlung für das zweite auf die Bildung der Rücklage folgende Wirtschaftsjahr durch einen entsprechenden Zuschlag als Betriebseinnahme kompensieren, soweit sie dies nicht schon vorher - z.B. im vorangegangenen Wirtschaftsjahr - getan haben (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 2005 IV R 30/04, BFHE 209, 496, BStBl II 2005, 704).

Streitig ist, ob dieser Zuschlag dadurch vermieden werden kann, dass die Rücklage unterjährig aufgelöst wird (so FG Bremen, Urteil vom 12. August 2002 1 K 245/01 nicht veröffentlicht; Pohl, Der Betrieb - DB - 2003, 960, 964; Lambrecht in Kirchhof, EStG, 7. Aufl., § 7g Rz 53; ders. in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 7g Rz G 13; Fuhrmann, Kölner Steuerdialog - KÖSDI - 2004, Nr. 6, 14222, 14229; Meyer in Herrmann/Heuer/Raupach, § 7g EStG Rz 127 "Gewinnzuschlag"; ablehnend - wie die Vorinstanz - FG Münster, Urteil vom 24. Juni 2003 2 K 4635/02 E, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2003, 1719; Hessisches FG, Urteil vom 6. Dezember 2004 1 K 1516/04, EFG 2005, 1603; BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 337 Tz. 39; Oberfinanzdirektion - OFD - Koblenz, Verfügung vom 27. März 2003 S 2183b A, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2003, 880; Pauls/Weller, Neue Wirtschafts-Briefe - NWB - Fach 3, 13849 (7/2006), m.umf.N.; Roland in Bordewin/Brandt, § 7g EStG a.F. Rz 77; Bröder, Finanz-Rundschau - FR - 2003, 1121, 1122; Rosarius, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer - INF - 2003, 775, 778).

d) Der Senat folgt der Auffassung, nach der der Zuschlag nicht aufgrund einer unterjährigen Auflösung der Rücklage vermieden werden kann. Schon im Zusammenhang mit der Frage, ob ein Steuerpflichtiger - mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG - eine Ansparrücklage wirksam gebildet hatte, hat der BFH darauf hingewiesen, dass eine solche Rücklage nicht während eines Wirtschaftsjahres aufgelöst werden kann (BFH-Urteil vom 6. März 2003 IV R 23/01, BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187). Er hat damit die Grundsätze seiner zu § 6b EStG ergangenen Rechtsprechung (vgl. BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 83/88, BFHE 159, 133, BStBl II 1990, 290) auf den Anwendungsbereich des § 7g Abs. 6 EStG übertragen.

aa) Für diese Auffassung spricht schon der Zweck der Rücklage. Sie soll die Wettbewerbssituation kleiner und mittlerer Betriebe dadurch verbessern, dass deren Liquidität und Eigenkapitalbildung unterstützt sowie deren Investitions- und Innovationskraft durch den von ihr bewirkten Steuerstundungseffekt gestärkt werden (BFH-Urteile vom 14. August 2001 XI R 18/01, BFHE 198, 415 , BStBl II 2004, 181; vom 27. Oktober 2004 VIII R 35/04, BFHE 207, 318; vgl. auch BTDrucks 10/336, S. 13, 25/26; BTDrucks 11/257, S. 8 f.). Während der Steuerstundung ermöglicht es die Rücklage, die liquiden Mittel produktiv zu verwenden oder zur Tilgung von Verbindlichkeiten einzusetzen (BFH-Urteil in BFHE 198, 415, BStBl II 2004, 181). Dieser Stundungseffekt kommt einer Rücklage auch bei der Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG für das volle Wirtschaftsjahr der Rücklagenauflösung zu, weil dieser Effekt erst mit der Gewinnermittlung durch die zum Ende des Wirtschaftsjahres zu erstellende Überschussrechnung endet (OFD Koblenz in DStR 2003, 880; Rosarius, INF 2003, 775, 778).

bb) Dem Wortlaut des § 7g Abs. 6 2. Halbsatz EStG ist eine entgegenstehende Regelungsabsicht des Gesetzgebers nicht zu entnehmen.

Soweit der Gesetzgeber nämlich für die Fälle der Überschussrechnung bestimmt hat, dass die Rücklage durch Ansatz einer Betriebsausgabe (Abzug) gebildet und durch Ansatz einer Betriebseinnahme (Zuschlag) aufgelöst wird, hat er ersichtlich nur die Technik der Rücklagenbildung regeln wollen, ohne insoweit eigene Tatbestandsmerkmale schaffen oder abweichende Rechtsfolgen gegenüber einer Rücklagenauflösung durch bilanzierende Steuerpflichtige auslösen zu wollen (Roland in Bordewin/Brandt, a.a.O., § 7g EStG Rz 77; Bröder, FR 2003, 1121, 1122; Rosarius, INF 2003, 775, 778).

Dies gilt auch für die im 2. Halbsatz der Regelung getroffene Anordnung, dass der Zeitraum zwischen Abzug und Zuschlag als Zeitraum gilt, in dem die Rücklage bestanden hat.

Diese Regelung ist nämlich nur deshalb erforderlich, weil die in § 7g Abs. 6 1. Halbsatz EStG angeordnete entsprechende Anwendung der Vorschriften für die § 7g-Rücklage bei bilanzierenden Steuerpflichtigen auf solche mit Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 3 EStG voraussetzt, dass der Zeitraum, für den die Rücklage bestanden hat, entsprechend § 7g Abs. 5 EStG definiert wird. Wann die Auflösung der Rücklage indessen im Verlauf eines Wirtschaftsjahres vorzunehmen ist, regelt die Vorschrift ausdrücklich nicht.

Der insoweit maßgebliche Zeitpunkt ergibt sich unmittelbar aus dem Umstand, dass die auf einem Ansatzwahlrecht beruhende Ansparrücklage erst zum Schluss des Wirtschaftsjahres bei der Aufstellung der Bilanz gebildet oder bei der Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung als Betriebsausgabe abgezogen werden kann (so BFH-Urteil in BFHE 202, 250, BStBl II 2004, 187). Folgerichtig kann auch ihre Auflösung bei Aufstellung der Bilanz des ersten oder zweiten auf die Bildung der Rücklage folgenden Wirtschaftsjahres oder bei Erstellung der Einnahmen-Überschussrechnung zum Ende dieser Wirtschaftsjahre erfolgen, weil frühestens zu diesen Zeitpunkten die steuerstundende Wirkung der gebildeten Rücklage durch den Steuerpflichtigen endet. Eine buchungstechnische Auflösung vor diesem Zeitpunkt hat danach ebenso wenig Auswirkung auf den Zeitpunkt der Wirksamkeit der Auflösung wie eine entsprechende buchungstechnische Auflösung steuerfreier Rücklagen nach § 6b EStG vor Ablauf des Wirtschaftsjahres (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 159, 133, BStBl II 1990, 290).

2. Nach diesen Maßstäben ist die angefochtene Entscheidung aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden.

Die vom Kläger geltend gemachte Auflösung der Rücklage nach § 7g EStG im Oktober des Streitjahres hat deren steuerstundende Wirkung erst durch ihre Erfassung im Rahmen der Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG zum Ende des Wirtschaftsjahres 2002 beendet, so dass auch für dieses Wirtschaftsjahr nach Maßgabe des § 7g Abs. 5 i.V.m. Abs. 6 EStG ein Zuschlag zum Gewinn in Höhe von 6 % der Rücklage anzusetzen ist.