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BFH-Urteil vom 28.11.2007 (IX R 9/06) BStBl. 2008 II S. 515

1. Die § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG zugrunde liegende typisierende Annahme, dass bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit der Steuerpflichtige beabsichtigt, letztlich einen Einnahmeüberschuss zu erwirtschaften, gilt nicht für die dauerhafte Verpachtung unbebauten Grundbesitzes (Bestätigung des BFH-Beschlusses vom 25. März 2003 IX B 2/03, BFHE 202, 262, BStBl II 2003, 479).

2. Der Prognosezeitraum beträgt auch bei einer Verpachtung unbebauten Grundbesitzes 30 Jahre.

EStG § 2 Abs. 1 Nr. 6, § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 17. März 2005 11 K 2075/02 F (EFG 2006, 1161)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) hatte zusammen mit der Beteiligten, die bis zum 31. Dezember 1999 an der Grundstücksgemeinschaft beteiligt war, im Jahr 1993 mehrere Grundstücke (zusammen ca. 97.000 qm) in ... zu einem Kaufpreis von 150.000 DM erworben.

Eine Fläche von insgesamt 78.909 qm war zur Zeit des Kaufes bis zum 31. Dezember 2003 an eine landwirtschaftliche Produktions-GmbH (im Folgenden: GmbH) für 1.197 DM pro Jahr zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachtet. Die GmbH übersandte der Grundstücksgemeinschaft im Jahr 1997 einen Vertragsentwurf, um die Verpachtung für weitere 12 Jahre nach Ablauf der ersten Verpachtungsperiode, also bis zum Jahr 2016 zu verlängern.

Der Grund und Boden war überwiegend weder Bau- noch Bauerwartungsland. Lediglich ein kleiner Teil, der mit einem nicht im Eigentum der Grundstücksgemeinschaft stehenden Kulturhaus bebaut war, konnte bebaut werden.

Die Anschaffung des Grundbesitzes war fremd finanziert; die Darlehen der Sparkasse sollten zum Teil durch Lebensversicherungen getilgt und mittels Bauspardarlehen umfinanziert werden.

Die Grundstücksgemeinschaft begehrte in den Verfahren zur einheitlichen und gesonderten Feststellung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung der Streitjahre (1998 und 1999) die Feststellung von Werbungskostenüberschüssen (25.665 DM für 1998 und 24.885 DM für 1999), die überwiegend aus Schuldzinsen und Sonderwerbungskosten des Klägers (Fahrtkosten) herrührten. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) lehnte es letztlich ab, die geltend gemachten Besteuerungsgrundlagen entsprechend festzustellen, weil es der Grundstücksgemeinschaft an der Absicht fehle, mit der Verpachtung Einkünfte zu erzielen. Der Einspruch blieb erfolglos.

Mit der Klage verfolgte die Grundstücksgemeinschaft ihr Begehren weiter. Sie hätte zunächst keine Möglichkeit gehabt, die jährlichen Pachteinnahmen zu erhöhen, weil die Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaft (die GmbH ist Rechtsnachfolgerin) nach dem Einigungsvertrag berechtigt gewesen sei, die Ländereien 12 Jahre fest anzumieten. Im Übrigen habe man sich bemüht, die Flächen im Anschluss an die Bindungsfrist durch Aushandeln besserer Mietkonditionen rentierlicher zu verpachten oder aber Teile des nahe der geplanten ... Autobahn gelegenen Geländes zu bebauen und einer gewerblichen Nutzung zuzuführen.

Die Klage hatte keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) kam in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2006, 1161, veröffentlichtem Urteil zu dem Ergebnis, die Verpachtung zu einem höheren Entgelt sei in den Streitjahren ebenso wenig objektiv voraussehbar gewesen, wie die Möglichkeit der Bebauung einiger Geländeteile. Die auf 30 Jahren anzustellende Prognose führe zu einem Werbungskostenüberschuss von 43.948,51 €.

Hiergegen wendet sich die Revision des Klägers, die er auf die Verletzung von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 9 EStG stützt. Zunächst habe eine Prognose nicht angestellt werden dürfen. Auch hier gelte: Bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit sei ohne weitere Prüfung von der Einkünfteerzielungsabsicht auszugehen. Überdies dürfe bei unbebauten Grundstücken kein 30-jähriger Prognosezeitraum zugrunde gelegt werden.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Bescheide über die Feststellung von Besteuerungsgrundlagen für die Jahre 1998 und 1999 jeweils vom 12. Oktober 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 14. März 2002 in der Weise zu ändern, dass bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ein Verlust aus der Verpachtung der landwirtschaftlichen Flächen für das Jahr 1998 in Höhe von 25.665 DM und für das Jahr 1999 in Höhe von 24.885 DM berücksichtigt wird.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist nach § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen; denn sie ist unbegründet. Zutreffend hat das FG die Einkünfteerzielungsabsicht der Grundstücksgemeinschaft in Bezug auf die zur landwirtschaftlichen Nutzung verpachteten Flächen geprüft (1.) und aufgrund einer Prognose (2.) abgelehnt (3.).

1. Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG) erzielt (§ 2 Abs. 1 Nr. 6 EStG), wer sein Grundstück in der Absicht verpachtet, daraus auf Dauer ein positives Ergebnis zu erreichen.

Das subjektive Merkmal dieses Tatbestandes, die Einkünfteerzielungsabsicht, wird von § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG bei einer auf Dauer angelegten Vermietungstätigkeit typisiert und muss deshalb tatsächlich nicht überprüft werden (ständige Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs - BFH -, vgl. Urteile vom 30. September 1997 IX R 80/94, BFHE 184, 406, BStBl II 1998, 771; vom 19. April 2005 IX R 15/04, BFHE 210, 24, BStBl II 2005, 754, und vom 10. Mai 2007 IX R 7/07, BStBl II 2007, 873; gleicher Ansicht das Bundesministerium der Finanzen, Schreiben vom 8. Oktober 2004, BStBl I 2004, 933).

Diese Typisierung gilt aber nicht für die dauerhafte Verpachtung von unbebautem Grundbesitz, wie der BFH bereits in seinem Beschluss vom 25. März 2003 IX B 2/03 (BFHE 202, 262, BStBl II 2003, 479) dargelegt hat (vgl. zur Entwicklung der Rechtsprechung Pezzer in Gedächtnisschrift für Christoph Trzaskalik, 2005, S. 239, 245 ff., m.w.N.). Die Verpachtung unbebauten Grundbesitzes ist unbeschadet der Art und Weise seiner Erwerbsfinanzierung nicht schon strukturell defizitär und bildet keine Grundlage für die typisierende Annahme der Einkünfteerzielungsabsicht; denn es kommt anders als bei dem abnutzbaren Wirtschaftsgut Gebäude grundsätzlich zu keiner durch eine spätere Veräußerung nicht kompensierbaren Inanspruchnahme von Absetzungen für Abnutzung.

2. Muss das Merkmal der Einkünfteerzielungsabsicht tatsächlich vorliegen, ist eine Prognose anhand der Grundsätze durchzuführen, wie sie der BFH in seinem Urteil vom 6. November 2001 IX R 97/00 (BFHE 197, 151, BStBl II 2002, 726) aufgestellt hat.

Entgegen der Revision gilt der dort zugrunde gelegte Prognosezeitraum von dreißig Jahren auch, wenn die Einkünfteerzielungsabsicht bei unbebauten Grundstücken geprüft werden muss (hiervon ausgehend bereits BFH-Beschluss vom 27. Mai 2002 IX B 185/01, BFH/NV 2002, 1299).

Zwar hatte der BFH diesen Zeitraum für die Vermietung von Ferienwohnungen und damit für bebaute Grundstücke entwickelt. Allerdings kommt es bei der Vermietung von Gebäuden ebenso wenig wie bei der Verpachtung von unbebauten Grundstücken auf die Dauer der Nutzungsmöglichkeit der Immobilie an (so BFH-Urteil vom 5. September 2000 IX R 33/97, BFHE 192, 559, BStBl II 2000, 676, unter II. 2. a (1)), sondern auf die voraussichtliche Dauer der Nutzung, die der BFH typisierend mit 30 Jahren zugrunde legt. Denn für die Prüfung, ob der Steuerpflichtige durch seine Tätigkeit einen Einnahmeüberschuss erzielen wird, ist anders als bei den Gewinneinkunftsarten, bei denen der Unterschiedsbetrag aus einem Betriebsvermögensvergleich der Besteuerung unterworfen wird (§ 4 Abs. 1 EStG), das jeweilige Rechtsverhältnis (z.B. die Kapitalanlage, der Leibrenten- oder Mietvertrag) oder die auf eine bestimmte Immobilie bezogene Vermietertätigkeit maßgebend (BFH-Urteil vom 17. August 2005 IX R 23/03, BFHE 211, 143, BStBl II 2006, 248).

Das unterscheidet diese Tätigkeit zum Beispiel von der auf dem Grund und Boden betriebenen Land- und Forstwirtschaft. Dort ist der anzunehmende Prognosezeitraum zwar im Einzelnen umstritten (zum Teil wird auch ein 30-Jahres-Zeitraum erwogen, vgl. z.B. Schmidt/Seeger, EStG, 26. Aufl., § 13 Rz 4; Blümich/ Selder, EStG, § 13 Rz 139; Gmach in Herrmann/Heuer/Raupach, EStG § 13 Rz 67, jeweils m.w.N.). Aufgrund der durch diese Einkunftsart vorgegebenen Sachgesetzlichkeit hat der BFH z.B. bei der Forstwirtschaft wiederholt entschieden, dass für die Prüfung der Einkünfteerzielungsabsicht der gesamte Zeitraum von der Anpflanzung bis zur Holzernte zu betrachten ist, der häufig um 100 Jahre beträgt, und dass es der Einkünfteerzielungsabsicht eines Eigentümers nicht entgegensteht, wenn die Holzernte nicht schon während seiner Besitzzeit, sondern erst in späterer Zeit anfällt (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 18. März 1976 IV R 52/72, BFHE 118, 441, BStBl II 1976, 482; vom 26. Juni 1985 IV R 149/83, BFHE 144, 67, BStBl II 1985, 549; vom 13. April 1989 IV R 30/87, BFHE 157, 98, BStBl II 1989, 718, und vom 24. August 2000 IV R 46/99, BFHE 192, 542, BStBl II 2000, 674, m.w.N.). Maßgebend ist hier ein objektbezogener Beurteilungszeitraum, der sich nach der Art des Betriebs und den Besonderheiten der auf dem Grundstück erwirtschafteten Erträge richtet. Demgegenüber erzielt der Verpächter eines unbebauten Grundstücks seine Einnahmen unabhängig von der Art der Bewirtschaftung des Grund und Bodens als Gegenleistung dafür, dass er sein Grundstück dem Pächter zur Nutzung überlässt. Darin unterscheidet er sich nicht von dem Vermieter eines bebauten Grundstücks. Mithin gilt hier der nämliche Prognosezeitraum.

3. Nach diesen Maßstäben hat das FG eine zutreffende Prognose durchgeführt. Da nach seinen Feststellungen, die den BFH gemäß § 118 Abs. 2 FGO binden, weder eine Erhöhung des Pachtzinses absehbar war noch eine rentierlichere Nutzung der Grundstücke nach ihrer Bebauung, hat es die Einnahmen der Grundstücksgemeinschaft aufgrund der jährlichen Pacht ermittelt und als Werbungskosten die Schuldzinsen auf der Basis des vom Kläger vorgelegten Finanzierungskonzepts angesetzt. Diese Vorgehensweise ist jedenfalls möglich und bindet den Senat. Die vom Kläger im Revisionsverfahren eingereichte Prognoserechnung kann als neues tatsächliches Vorbringen nicht berücksichtigt werden, abgesehen davon, dass sie auf einen Zeitraum von 81 Jahren hin angelegt und deshalb ohnehin nicht zu verwenden ist.