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BFH-Urteil vom 4.12.2007 (VIII R 53/05) BStBl. 2008 II S. 563

1. Der Überschuss aus der Veräußerung von Indexzertifikaten mit einer garantierten Mindestrückzahlung ist nur hinsichtlich des Teils steuerbar, der der garantierten Mindestrückzahlung zuzuordnen ist.

2. Soweit der Steuerpflichtige das der Höhe nach eindeutig bestimmbare Risiko eines Kapitalausfalls eingegangen ist, entfällt der bei Veräußerung der Zertifikate erzielte Überschuss im Rahmen des § 20 EStG auf den nicht steuerbaren Bereich.

3. Die Höhe des steuerpflichtigen Teils des insgesamt erzielten Überschusses bestimmt sich nach der Relation zwischen der Mindestrückzahlung und der Differenz zwischen Nominalbetrag der Anlage und Mindestrückzahlung (Risikobereich).

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4.

Vorinstanz: FG München vom 4. Mai 2004 2 K 2385/03 (EFG 2005, 1868)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) erwarb am 28. Mai 1998 100 Euro-Zertifikate im Nominalwert von 1.000 US-Dollar für 975 US-Dollar je Stück. Verfallstag war der 17. Juni 2002. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Inhaber einen unbesicherten, nicht bevorrechtigten Anspruch gegen die Emittentin auf den Rückzahlungsbetrag. Dieser errechnete sich nach dem Verhältnis des Endniveaus des Referenzindexes zum Anfangsniveau des Referenzindexes. Als Mindestrückzahlungsbetrag waren 100 US-Dollar zugesichert. Die Index-Zertifikate wurden an der Börse notiert und konnten frei gehandelt werden. Am 13. November 2000 verkaufte die Klägerin die Zertifikate und erzielte einen Überschuss in Höhe von 101.401 DM. Sie wickelte Kauf und Verkauf über die H-Bank ab, die vom Überschuss Zinsabschlagsteuer und Solidaritätszuschlag einbehielt.

In der gemeinsamen Einkommensteuererklärung gaben die Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) den Erlös nicht als Einkünfte aus Kapitalvermögen an, legten den Sachverhalt aber gegenüber dem Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) offen. Das FA behandelte die Einkünfte als solche aus Kapitalvermögen i.S. des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.d.F. gemäß Art. 1 Nr. 13 Buchst. a des Steueränderungsgesetzes (StÄndG 2001) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3794, BStBl I 2002, 4) und setzte die Einkommensteuer für 2000 mit Bescheid vom 29. November 2002 auf 118.610 € fest.

Den Einspruch vom 4. März 2002 wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 13. Mai 2003 als unbegründet zurück.

Zur Begründung der hiergegen gerichteten Klage machte die Klägerin geltend, die Kapitalanlage falle nicht unter § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, da weder die Rückzahlung noch eine Verzinsung zugesagt gewesen sei. Die Garantie der Rückzahlung eines Betrages von 100 US-Dollar sei zu gering, um sie als Rückzahlung des Vermögens ansehen zu können. Da es sich um keine sonstige Forderung i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG handle, greife auch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG nicht ein. Die Regelungen des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. a bis d EStG seien auch jeweils für sich nicht einschlägig.

Die in § 52 Abs. 37b EStG i.d.F. des StÄndG 2001 bestimmte Anwendung des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001 auf alle noch nicht bestandskräftigen Veranlagungszeiträume stelle eine verfassungswidrige Rückwirkung dar.

Das FA berief sich im Klageverfahren darauf, dass die Zusicherung einer Rückzahlung von nur rd. 10 % für die Annahme von Einkünften aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG i.V.m. § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG genüge (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen - BMF - vom 16. März 1999 IV C 1 -S 2252- 87/99, BStBl I 1999, 433, und vom 27. November 2001 IV C 3 -S 2256- 265/01, BStBl I 2001, 986).

Mit dem - die Grundlagen des Streits nicht berührenden - Änderungsbescheid vom 1. Dezember 2003 (§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 der Abgabenordnung - AO -) für 2000 wurde die Einkommensteuer auf 117.850,22 € herabgesetzt.

Das Finanzgericht (FG) hat der Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2005, 1868 veröffentlichten Urteil vom 4. Mai 2004 2 K 2385/03 stattgegeben.

Mit der Revision rügt das FA die Verletzung materiellen Rechts (§ 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG).

Das FA beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.

Das BMF ist dem Verfahren beigetreten (§ 122 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet; sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur teilweisen Stattgabe der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).

Zu Unrecht hat das FG den bei der Veräußerung der streitigen Euro-Zertifikate erzielten Überschuss von 101.401 DM (51.845,50 €) in vollem Umfang als nicht steuerbar behandelt. Bei dem der Höhe nach unstreitigen Überschuss handelt es sich in Höhe eines Teilbetrages von 5.184,55 € um Einkünfte aus Kapitalvermögen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG 2001; der darüber hinausgehende Betrag in Höhe von 46.660,95 € unterliegt als Wertänderung des Kapitalvermögens nicht der Einkommensteuer.

1. Der Überschuss, den die Klägerin aus dem Verkauf der Euro-Zertifikate erzielt hat, ist gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG nur in Höhe eines Teilbetrages von 5.184,55 € steuerpflichtig.

a) Gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Alternative 2 EStG zählen zu den Einkünften aus Kapitalvermögen auch Einnahmen aus der Veräußerung oder Einlösung von sonstigen Kapitalforderungen i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, bei denen die Höhe der Erträge von einem ungewissen Ereignis abhängt, soweit sie der rechnerisch auf die Besitzzeit entfallenden Emissionsrendite entsprechen. Haben die Kapitalforderungen keine Emissionsrendite (wie insbesondere die im Streitfall zu beurteilenden Index-Zertifikate) oder weist der Steuerpflichtige sie nicht nach, gilt gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb und den Einnahmen aus der Veräußerung, Abtretung oder Einlösung als Kapitalertrag; bei Kapitalforderungen in einer ausländischen Währung ist der Unterschied in dieser Währung zu ermitteln. Dies gilt gemäß Satz 4 entsprechend für die Einlösung bei Endfälligkeit von Kapitalforderungen. Diese durch das StÄndG 2001 eingeführte Fassung von § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ist gemäß § 52 Abs. 37b EStG für alle Veranlagungszeiträume anzuwenden, soweit Steuerbescheide noch nicht bestandskräftig sind. Sie kommt daher auch im Streitfall zur Anwendung.

b) § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG regelt die Besteuerung von Kapitalerträgen aus der Veräußerung oder Abtretung von sonstigen Kapitalforderungen, die hinsichtlich ihrer Einlösung durch den Ersterwerber, den sog. Durchhalter, bereits von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfasst werden (Harenberg in Herrmann/Heuer/ Raupach - HHR -, § 20 EStG Rz 1080, 1082; Harenberg/Irmer, Die Besteuerung privater Kapitaleinkünfte, 3. Aufl., Rz 978; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 342 f.). Für die Besteuerung der Unterschiedsbeträge aus der Abtretung oder Veräußerung sonstiger Kapitalforderungen bedarf es des Rückgriffs auf § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG, da Gewinne aus der Veräußerung einer Kapitalforderung keine Erträge i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG sind (HHR/Harenberg, § 20 EStG Rz 1082, m.w.N.). § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG ergänzt insoweit die Regelung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, setzt andererseits jedoch das Vorliegen einer Kapitalforderung i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG voraus (allgemeine Ansicht, vgl. z.B. Schmidt/Weber-Grellet, EStG, 26. Aufl., § 20 Rz 182; Geurts in Bordewin/Brandt, § 20 EStG Rz 336, 458; Schlotter in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar, § 20 Rz 598; Oho/Remmel, Betriebs-Berater - BB - 2002, 1449, 1453 f.; Bödecker/Geitzenauer, Finanz-Rundschau - FR - 2003, 1209 f.; zur Rechtslage vor der Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG durch das Gesetz zur Bekämpfung des Missbrauchs und zur Bereinigung des Steuerrechts - StMBG - vom 21. Dezember 1993, BGBl I 1993, 2310, BStBl I 1994, 50, vgl. Schumacher, Erträge aus privaten Kapitalforderungen im Einkommensteuerrecht, 1996, S. 131). Denn § 20 Abs. 1 EStG regelt zwar abschließend die Quellen der steuerpflichtigen Kapitalerträge, bestimmt aber nicht abschließend deren Inhalt und Umfang. Die Steuerbarkeit der Unterschiedsbeträge aus der Veräußerung oder Abtretung sonstiger Kapitalforderungen ergibt sich somit aus der Verbindung von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG und § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zu einem einheitlichen Steuertatbestand.

c) Die streitigen Euro-Zertifikate gehören zu den sonstigen Kapitalforderungen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 1 Buchst. c EStG. Kapitalforderungen sind auf Geldleistungen gerichtete Forderungen ohne Rücksicht auf die Dauer der Kapitalüberlassung oder den Rechtsgrund des Anspruchs (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 26. Juni 1996 VIII R 67/95, BFH/NV 1997, 175). Der Anspruch auf Rückzahlung des überlassenen Kapitals ist nach geltendem Recht nicht mehr Voraussetzung für die Annahme einer Kapitalforderung (Bödecker/Geitzenauer, FR 2003, 1209, 1213, m.w.N.). Mit einem Euro-Zertifikat der hier vorliegenden Ausgestaltung erwirbt der Anleger eine auf eine Geldleistung gerichtete Forderung gegen den Emittenten auf (Rück-)Zahlung eines Geldbetrags, dessen Höhe vom Punktestand des Euro-Indexes am vereinbarten Abrechnungstag abhängt, mindestens jedoch auf Zahlung von 100 US-Dollar je Zertifikat.

d) Es handelt sich im Streitfall nicht um ein sog. reines Spekulationspapier, dessen Erträge insgesamt nicht steuerbar sind (vgl. dazu BTDrucks 12/6078, S. 122 und BTDrucks 12/6856, S. 25).

Nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG in der seit dem 1. Januar 1994 geltenden Fassung liegen auch dann steuerpflichtige Kapitalerträge vor, wenn

- die Kapitalrückzahlung zugesagt ist, aber die Zahlung eines Entgelts dem Grunde und der Höhe nach ungewiss ist (Alternative 1), oder

- die Kapitalrückzahlung nicht zugesagt ist, aber dem Gläubiger für die Kapitalüberlassung ein Entgelt zugesagt oder gewährt wird, wobei die Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis abhängen kann (Alternative 2).

Ist nicht zumindest eine der beiden Tatbestandsvarianten erfüllt, liegt eine nicht steuerbare Vermögensanlage spekulativen Charakters vor.

aa) Die Voraussetzungen der Alternative 2 sind im Streitfall nicht erfüllt. Dem Kläger ist für die Überlassung des Kapitals von der Emittentin kein Entgelt zugesagt worden. Zwar kann nach dem Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG die Zusage eines Entgelts auch dann vorliegen, wenn die Höhe des Entgelts - wie im Streitfall - von einer Bedingung abhängt, also bei einem ungünstigen Verlauf des Indexes ggf. null DM betragen oder sogar zu einem negativen Ergebnis führen kann. Gegen eine derart weitgehende Auslegung spricht jedoch der aus der Entstehungsgeschichte abzuleitende Zweck der Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, mit der der Gesetzgeber der zunehmenden Vermeidung der Besteuerung von Kapitalerträgen durch sog. Finanzinnovationen entgegentreten wollte. Er hat damit auf Gestaltungen des Kapitalmarkts reagiert, bei denen die Besteuerung vermieden werden soll, indem an sich steuerpflichtige Zinserträge als steuerfreier Wertzuwachs konstruiert werden (vgl. BTDrucks 12/5630, S. 59). Mit den Tatbestandsvarianten des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG hat der Gesetzgeber der Tatsache Rechnung getragen, dass Entgeltzahlung und Rückzahlung des Kapitals wirtschaftlich austauschbar sind. Eine Verlagerung des Unsicherheitselements vom Entgelt auf die Rückzahlung soll deshalb für die Besteuerung des Kapitalertrags irrelevant sein. Eine Vermeidung der an sich gebotenen Steuerpflicht kann jedoch in einer rein spekulativen Anlage mit völlig unsicherem Rückfluss von Geldmitteln nicht gesehen werden. In der Gesetzesbegründung heißt es in diesem Zusammenhang ausdrücklich, dass Kapitalforderungen dann nicht zu einem Ertrag i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG führen, wenn sowohl die Rückzahlung des Kapitals als auch der Ertrag unsicher sind (BTDrucks 12/6078, S. 122 und 12/6856, S. 25). Der Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 Alternative 2 EStG ist deshalb teleologisch dahingehend zu reduzieren, dass Erträge aus sonstigen Kapitalforderungen nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur dann vorliegen, wenn entweder die Kapitalrückzahlung oder die Höhe eines (Mindest-)Entgelts im vorhinein sicher feststehen (ebenso die herrschende Meinung in der Literatur, vgl. z.B. Scheurle, Der Betrieb - DB - 1994, 445, 446; Haisch, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2005, 2108, 2111, m.w.N.; Hamacher in Korn, § 20 EStG Rz 165; Schlotter in Littmann/ Bitz/Pust, a.a.O., § 20 Rz 601; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 293a; Schumacher, a.a.O., S. 135 ff.).

Auch die Tatbestandsvariante der Alternative 2 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, nach der Erträge aus einer Kapitalforderung auch dann gegeben sind, wenn ein Entgelt zwar nicht zugesagt, aber tatsächlich gewährt worden ist, ist im Streitfall nicht erfüllt. Mit diesem Tatbestandsmerkmal werden lediglich solche Fälle erfasst, in denen ohne eine ausdrückliche Zusage die Leistung des Entgelts aufgrund der vertraglichen Ausgestaltung der Kapitalforderung von vornherein, d.h. im Zeitpunkt der Emission, sicher ist (von Beckerath in Kirchhof, EStG, 6. Aufl., § 20 Rz 302; Bödecker/Geitzenauer, FR 2003, 1209, 1212; Hamacher, DB 2000, 2396; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 293; Scheurle, DB 1994, 445, 446). Ein solcher Fall liegt bei dem hier zu beurteilenden Euro-Zertifikat nicht vor.

bb) Im Streitfall sind jedoch für einen Teil des erzielten Überschusses die Voraussetzungen der Alternative 1 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG erfüllt, da die Emittentin zwar nicht die volle Rückzahlung des überlassenen Kapitals, aber die eines Teilbetrags von 100 US-Dollar je Zertifikat verbindlich zugesagt hat.

(1) Hinsichtlich der Alternative 1 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG ist streitig, ob das zur Nutzung überlassene Kapital in vollem Umfang zurückgezahlt werden muss.

Die Literatur hierzu ist nicht einheitlich. Zum Teil wird die Auffassung vertreten, Kapitalerträge seien nach der ersten Tatbestandsvariante des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG nur dann zu bejahen, wenn die Rückzahlung des gesamten hingegebenen Geldbetrages zugesagt sei (Haisch, Deutsche Steuer-Zeitung - DStZ - 2005, 102, 103; Haisch/Danz, DStR 2005, 2108; Geurts in Bordewin/Brandt, § 20 EStG Rz 344; Lohr, DB 2000, 643; von Beckerath in Kirchhof, a.a.O., § 20 Rz 302; Delp, Die Information für Steuerberater und Wirtschaftsprüfer 1998, 577). Zur Begründung wird zum einen auf den Wortlaut des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, der die Rückzahlung "des" hingegebenen Kapitalvermögens fordere, zum anderen auf den Nachsatz dieser Regelung hingewiesen, aus dem sich ergebe, dass nur die Unsicherheit über die Höhe des Entgelts für die Tatbestandsverwirklichung irrelevant sei. Nach der Gegenmeinung reicht es für die Tatbestandsverwirklichung aus, dass die Rückzahlung eines Teils des hingegebenen Kapitals zugesagt ist (Bödecker/ Geitzenauer, FR 2003, 1209, 1212; Blümich/Stuhrmann, § 20 EStG Rz 293; Schumacher, a.a.O., S. 134; Schmidt/Weber-Grellet, a.a.O., § 20 Rz 160). Diese Ansicht wird auch von der Finanzverwaltung vertreten (vgl. BMF-Schreiben in BStBl I 1999, 433, und vom 21. August 2000 IV C 1 -S 2252- 205/00; Verfügung der Oberfinanzdirektion - OFD - Kiel vom 3. Juli 2003 S 2252 A - St 231, Steuererlasse in Karteiform - StEK -, Einkommensteuergesetz, § 20 Nr. 308; Verfügung der OFD München vom 23. Juli 2002 S 2252 - 82 St 41, ESt-Kartei der OFD München/Nürnberg, § 20 Karte 15.1). Soweit die Zusage einer teilweisen Rückzahlung für ausreichend erachtet wird, nehmen die Vertreter dieser Auffassung nicht zu der Frage Stellung, ob ein das überlassene Kapital übersteigender Rückzahlungsbetrag in vollem Umfang als Kapitalertrag zu beurteilen ist oder ob insoweit die Aufteilung des Überschusses in ein steuerpflichtiges Entgelt und einen nicht steuerbaren Ertrag geboten ist.

(2) Der Senat ist mit der zuletzt genannten Literaturmeinung der Ansicht, dass der Tatbestand der Alternative 1 des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG es nicht erfordert, dass die Rückzahlung des gesamten überlassenen Geldbetrags zugesagt oder gewährt wird. Der Gesetzgeber hat mit der Neufassung des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG den bisherigen Zinsbegriff erweitert. Nach § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG kann - abweichend vom früheren Recht - ein steuerpflichtiger Kapitalertrag auch dann vorliegen, wenn nur die Zahlung eines Entgelts, nicht aber die Rückzahlung des Kapitals verbindlich zugesagt worden ist. Die Vorschrift berücksichtigt, dass bei bestimmten Kapitalanlagen die Entgeltszahlung wirtschaftlich mit der Kapitalrückzahlung austauschbar ist und das Risiko vom Entgelt auf die Rückzahlung verlagert werden kann (vgl. Schumacher, a.a.O., S. 144).

Wenn aber ein Kapitalertrag bereits dann anzunehmen ist, wenn lediglich ein Entgelt, nicht aber die Rückzahlung des Kapitals zugesagt ist, der Anleger im wirtschaftlichen Ergebnis also das Risiko eines Teilverlusts des eingesetzten Geldbetrags trägt, kann nichts anderes gelten, wenn dem Anleger kein Entgelt, wohl aber die Rückzahlung nur eines Teils des eingesetzten Kapitals zugesagt worden ist. Denn auch in diesem Fall trägt er in vergleichbarer Weise das Risiko, den über die garantierte Rückzahlung hinausgehenden Geldbetrag zu verlieren. Dem wirtschaftlichen Gehalt entspricht es sogar, bei einem gesteigerten Verlustrisiko von entsprechend höheren Erträgen auszugehen.

(3) Gegen die Annahme steuerpflichtiger Kapitalerträge bei Zusage einer nur teilweisen Rückzahlung des Kapitals ist eingewandt worden, zumindest bei einer sehr geringen Rückzahlungsgarantie widerspreche die Erfassung der Erträge aus Kursdifferenzpapieren dem Zweck des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG, Erträge rein spekulativer Kapitalanlagen von der Besteuerung nach § 20 EStG auszunehmen (vgl. Haisch, DStZ 2005, 102, 103). Jedenfalls müsse eine Geringfügigkeitsgrenze gezogen werden, unterhalb derer eine Teilrückzahlungsgarantie nicht zu steuerpflichtigen Kapitalerträgen führe. Nach einer in der Literatur vertretenen Ansicht soll für die Annahme einer steuerschädlichen Rückzahlungsgarantie eine Zusage der Rückzahlung von mindestens 10 % des eingesetzten Kapitals erforderlich sein (Strobl-Haarmann/Krause in Festschrift für Welf Müller, S. 365, 394, Fn. 56). Für eine solche Geringfügigkeitsgrenze finden sich im Gesetz jedoch keine Anhaltspunkte.

Der BFH hat zwar verschiedentlich eine Geringfügigkeitsgrenze aus dem verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatz abgeleitet (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 29. November 2001 IV R 91/99, BFHE 197, 400, BStBl II 2002, 221; vom 14. Juni 2005 VIII R 3/03, BFHE 210, 38, BStBl II 2005, 778, und vom 11. August 1999 XI R 12/98, BFHE 189, 419, BStBl II 2000, 229, zur sog. Abfärbetheorie des § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG; vgl. aber das zu § 9 Nr. 1 Satz 2 des Gewerbesteuergesetzes ergangene Urteil des Senats vom 17. Mai 2006 VIII R 39/05, BFHE 213, 64, BStBl II 2006, 659). In anderen Entscheidungen hat der BFH eine Geringfügigkeitsgrenze auch in Anlehnung an steuerrechtliche Wertungen anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 9. Dezember 1999 III R 49/97, BFHE 190, 559, BStBl II 2000, 434, m.w.N.). Der Senat kann im Streitfall unentschieden lassen, unter welchen Voraussetzungen eine solche Geringfügigkeitsgrenze angenommen werden kann und wie sie im Einzelfall zu bestimmen ist. Jedenfalls besteht nur dann Veranlassung zu der Prüfung, ob die Einführung einer solchen Grenze verfassungsrechtlich geboten ist, wenn es ohne eine solche Grenze zu einer unverhältnismäßigen Anwendung einer belastenden Norm des Steuerrechts käme. Ein solcher Eingriff wäre im Streitfall allenfalls dann gegeben, wenn es trotz der verhältnismäßig geringfügigen Rückzahlungsgarantie von ca. 10 % des überlassenen Kapitals zur vollen steuerlichen Erfassung des erzielten Ertrags käme. Nach Auffassung des Senats ist jedoch bei der hier zu beurteilenden Ausgestaltung des Euro-Zertifikats eine Aufteilung des Ertrags in einen steuerpflichtigen und einen nicht steuerbaren Anteil geboten (vgl. dazu unten unter 2.d und e der Gründe).

Die Frage, ob eine Geringfügigkeitsgrenze im Rahmen des § 20 Abs. 1 Nr. 7 EStG verfassungsrechtlich geboten ist, stellt sich deshalb nicht.

2. Der erzielte Überschuss aus den streitigen Euro-Zertifikaten ist der Höhe nach gemäß § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 1. Halbsatz EStG nur insoweit steuerbar, als er der Mindestrückzahlung von 10 % des Nominalwerts der Zertifikate zugeordnet werden kann.

a) Die hier zu beurteilenden Euro-Zertifikate haben wegen der Abhängigkeit der Höhe des Entgelts von einem ungewissen Ereignis (Stand des Euro-Indexes im Zeitpunkt der Fälligkeit) keine Emissionsrendite. Emissionsrendite ist die von dem Emittenten von vornherein, d.h. bei der Begebung einer Anlage, zugesagte Rendite, die bis zur Einlösung des Papiers bzw. bei Endfälligkeit einer Forderung mit Sicherheit (mindestens) erzielt werden kann (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 2000 VIII R 28/99, BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, unter 2.a der Gründe, m.w.N.). Nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist deshalb als Kapitalertrag grundsätzlich der Unterschied zwischen dem Entgelt für den Erwerb der Zertifikate und den Einnahmen aus der Veräußerung der Papiere, d.h. der Kursgewinn, zu erfassen.

b) Wie der Senat bereits mit Urteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97 ausgeführt hat, beinhaltet die Besteuerung von Wertveränderungen, die lediglich den Vermögensstamm betreffen und auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht mehr als Entgelt für die Kapitalnutzung zu betrachten sind, eine Systemabweichung, die vom Gesetzgeber klar und eindeutig festzulegen ist und einer sachlichen Rechtfertigung bedarf. In seinem zur Besteuerung der Erträge aus DAX-Zertifikaten ergangenen Urteil vom 13. Dezember 2006 VIII R 79/03 (BFHE 216, 187, BStBl II 2007, 562) hat der Senat ausgeführt, dass die Maßgeblichkeit der Marktrendite nach § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG eine sachlich gerechtfertigte Anpassung des Binnensystems des § 20 EStG an geänderte wirtschaftliche Lebenssachverhalte darstellt, die der grundsätzlichen systematischen Unterscheidung des EStG zwischen sog. Quellenausnutzung und Quellenverwertung und deren unterschiedlicher - wenngleich z.T. angenäherter (vgl. §§ 17, 23 EStG) - Besteuerung Rechnung trägt. Denn die systematische Differenzierung zwischen steuerpflichtiger Ertrags- und einkommensteuerrechtlich neutraler Vermögensebene stößt auf Grenzen der Praktikabilität, soweit wirtschaftliche Lebenssachverhalte besteuert werden sollen, bei denen die an sich gebotene Abschöpfung des Kapitalnutzungsentgelts nicht gewährleistet werden kann, weil dieses nach der Ausgestaltung des Wertpapiers nicht im herkömmlichen Sinn von dessen Wertentwicklung abgrenzbar und der Höhe nach bestimmbar ist.

c) Bei den von der Klägerin erworbenen Euro-Zertifikaten sind Kapitalnutzungsentgelt im herkömmlichen Sinn und zu realisierende Wertentwicklung des Kapitals nicht eindeutig voneinander abgrenzbar und der Höhe nach bestimmbar. Die Erfassung des steuerpflichtigen Teils des Ertrages mit der Marktrendite stellt deshalb eine verfassungsrechtlich (Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes) gerechtfertigte Abweichung vom Binnensystem des § 20 EStG dar. Der Senat nimmt insoweit wegen der Begründung im Einzelnen auf die Ausführungen in seinem Urteil in BFHE 216, 187, BStBl II 2007, 562 Bezug. Im Streitfall besteht darüber hinaus die Besonderheit, dass angesichts des vereinbarten geringen Mindestrückzahlungsbetrags nicht eindeutig bestimmbar ist, welcher Betrag als Bestandteil des Veräußerungsentgelts Kapitalrückzahlung bzw. Wertsteigerung des Vermögens darstellt.

d) Der oben dargelegte Gesetzeszweck, der es rechtfertigt, auch Anlagen mit fehlender Emissionsrendite mit der Marktrendite zu besteuern, wenn Kapitalnutzungsentgelt und Wertentwicklung des Kapitals nicht voneinander abgrenzbar sind, zwingt andererseits dazu, Überschüsse nicht als Kapitalertrag zu behandeln, bei denen nach der jeweiligen vertraglichen Ausgestaltung eindeutig feststeht, dass es sich auch bei wirtschaftlicher Betrachtung nicht um ein Entgelt für die Überlassung von Kapitalvermögen zur Nutzung handeln kann. Hiervon ist u.a. dann auszugehen, wenn der Überschuss zwischen Erwerbspreis und Einlösungsbetrag bzw. Veräußerungsentgelt eines Papiers in ausländischer Währung allein auf einer Änderung des Wechselkurses und nicht auf einer Kurssteigerung des Papiers beruht (vgl. Senatsurteil in BFHE 193, 374, BStBl II 2001, 97, unter 3.a der Gründe; so jetzt auch § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 2. Halbsatz EStG). Über diesen im Gesetz ausdrücklich geregelten Fall hinaus sind positive und negative Erträge aus einer Wertentwicklung des hingegebenen Kapitals auch dann nicht als Marktrendite zu besteuern, wenn sie sich nach der Ausgestaltung der Kapitalanlage klar von einem vereinbarten Nutzungsentgelt abgrenzen lassen (vgl. Senatsurteil vom 20. November 2006 VIII R 97/02, BFHE 216, 79, BStBl II 2007, 555 betreffend Reverse Floater).

e) Die Anwendung dieser Grundsätze auf den Streitfall führt nicht zur Steuerpflicht des gesamten Gewinns aus der Veräußerung der Euro-Zertifikate. Vielmehr ist lediglich der Teil des erzielten Ertrages steuerbar, der der garantierten Mindestrückzahlung zugeordnet werden kann. Soweit die Klägerin das der Höhe nach eindeutig bestimmbare Risiko eines Kapitalausfalls eingegangen ist, ist der bei der Veräußerung der Zertifikate erzielte Überschuss im Rahmen des § 20 EStG dem nicht steuerbaren Bereich zuzuordnen.

Damit wird der Wortlaut des § 20 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG lediglich insoweit eingeschränkt als dies angesichts der fehlenden Abgrenzbarkeit von Nutzungsentgelt und realisierter Wertänderung bei den hier zu beurteilenden Indexzertifikaten geboten ist. Allein der klar abgrenzbare Bereich des Risikos eines Vermögensverlusts wird von der Steuerbarkeit ausgenommen.

Die Höhe des steuerpflichtigen Teils des insgesamt erzielten Ertrages bestimmt sich nach der Relation zwischen der Mindestrückzahlung (hier: 10.000 US-Dollar) und der Differenz zwischen Nominalbetrag der Anlage (hier: 100.000 US-Dollar) und Mindestrückzahlung (Risikobereich). Für die Bestimmung des Risikobereichs ist dagegen nicht auf die Differenz zwischen dem vom Steuerpflichtigen im Einzelfall aufgewendeten Erwerbspreis für die Zertifikate und der Mindestrückzahlung abzustellen. Ebenso wie sich die Emissionsrendite nach dem im Zeitpunkt der Begebung der Anlage zugesagten Entgelt bestimmt, muss auch für die Ermittlung des Risikobereichs der Finanzinnovation der Preis der Kapitalanlage im Zeitpunkt der Emission, d.h. der Nominalbetrag, maßgeblich sein.

Steuerpflichtig sind somit 10 v.H. des erzielten Überschusses von 101.401 DM, also 10.140,10 DM (= 5.184,55 €).

3. Die Erfassung des steuerpflichtigen Teils des Überschusses durch § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 EStG gemäß § 52 Abs. 37b EStG i.d.F. des StÄndG 2001 bedeutet keine unzulässige Rückwirkung. Der Senat nimmt insoweit wegen der Begründung in vollem Umfang Bezug auf die Ausführungen in seinem Urteil in BFHE 216, 187, BStBl II 2007, 562.