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BFH-Urteil vom 5.3.2008 (X R 60/04) BStBl. 2008 II S. 787

Das FA kann die Einkommensteuer einer Mitunternehmerin nicht gegenüber dem Konkursverwalter der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft als Massekosten geltend machen.

EStG § 15 Abs. 1 Nr. 2; KO §§ 57, 58 Nr. 2, 59 Abs. 1 Nr. 1; AO § 69.

Vorinstanz: FG München vom 6. Juli 2004 12 K 2518/03 (EFG 2004, 1851)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) ist Konkursverwalter über das Vermögen der R OHG (Gemeinschuldnerin). Das Konkursverfahren war am 1. Februar 1980 eröffnet und ist am 19. Juli 1995 unter dem Vorbehalt einer Nachtragsverteilung von Vermögen, das wegen Abgabenforderungen gegen die persönlich haftenden Gesellschafter zurückbehalten worden ist, wieder aufgehoben worden.

Für die Zeit nach Konkurseröffnung reichte der Kläger für bei der Gemeinschuldnerin erwirtschaftete Erträge Feststellungserklärungen ein. Für das Streitjahr 1989 entfiel laut Feststellungsbescheid des Finanzamts R vom 27. Juli 1994 ein Gewinnanteil in Höhe von 129.376 DM auf die Gesellschafterin E (Beigeladene zu 1.). Diese befindet sich ebenso wie die beiden anderen persönlich haftenden Gesellschafter der Gemeinschuldnerin auch im persönlichen Konkurs; Konkursverwalter ist hier Rechtsanwalt G (Beigeladener zu 3.). Die Beigeladene zu 1. wird mit ihrem Ehemann B (Beigeladener zu 2.) zur Einkommensteuer zusammenveranlagt; dieser hat im Streitjahr eigene positive Einkünfte erzielt.

Aufgrund einer Feststellungsmitteilung des Finanzamts R über die für den Veranlagungszeitraum 1989 auf die Beigeladene zu 1. entfallenden Beteiligungseinkünfte machte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Wohnsitzfinanzamt M der Eheleute B/E - FA -) mit Schreiben vom 6. Juli 1995 gegenüber dem Kläger die auf die Beteiligungseinkünfte der Beigeladenen zu 1. entfallende Einkommensteuer 1989 zuzüglich Zinsen als Massekosten i.S. von § 58 der Konkursordnung (KO) geltend. Der Einspruch des Klägers führte zu einer Ermäßigung der Forderung (Einspruchsentscheidung vom 14. Mai 2003).

Das Finanzgericht (FG) wies die hiergegen erhobene Klage im Wesentlichen ab; die Entscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2004, 1851, veröffentlicht. Soweit Handlungen des Konkursverwalters zu Einkünften der Gemeinschuldnerin im steuerrechtlichen Sinn geführt hätten, habe dieser die darauf entfallende Einkommensteuer als Massekosten vorweg aus der Konkursmasse zu begleichen. Das gelte nicht nur für den Konkurs einer Einzelperson, sondern gleichermaßen auch für den Konkurs über das Vermögen einer Personenhandelsgesellschaft. Danach habe der Kläger die Einkommensteuer als Massekosten zu begleichen, die auf den Anteilsgewinn der Beigeladenen zu 1. entfalle, wobei unerheblich sei, dass sich diese auch im persönlichen Konkurs befinde.

Mit der Revision rügt der Kläger rechtsfehlerhafte Anwendung des "§ 155 Abs. 1 AO i.V.m. § 157 Abs. 1 AO i.V.m. § 218 Abs. 1 AO und des § 57 KO i.V.m. § 58 Nr. 2 KO sowie des § 218 Abs. 1 AO i.V.m. §§ 169 ff. AO i.S. § 47 AO" und Verstoß gegen die Denkgesetze. Seiner Ansicht nach ist das Schreiben des FA vom 6. Juli 1995 zwar ein Leistungsgebot, jedoch kein Leistungsbescheid. Ferner bestreitet der Kläger, dass das FA die Einkommensteuerschuld einer Gesellschafterin der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft gegenüber als Massekosten geltend machen könne. Die vom FG für seine Auffassung zitierte Rechtsprechung sei lediglich zu Fällen ergangen, die natürliche Personen beträfen, nicht jedoch eine Personengesellschaft.

Der Kläger beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und der Klage stattzugeben.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

Es ist der Auffassung, sein Schreiben vom 6. Juli 1995 sei für den Kläger eindeutig als Bescheid über die Festsetzung von Einkommensteuer als Massekosten gegenüber ihm als Konkursverwalter zu erkennen gewesen. Der Steuertatbestand entstehe nach dem Einkommensteuergesetz unabhängig davon, ob der Steuertatbestand durch den Gemeinschuldner selbst oder im Falle des Konkurses - wie im Streitfall - durch den Konkursverwalter verwirklicht werde. Im Übrigen schließt sich das FA der Auffassung des FG an.

Der Beigeladene zu 3. beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Er schließt sich der Auffassung der Vorinstanz an.

Die übrigen Beteiligten haben keine Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) begründet. Der Bescheid vom 6. Juli 1995 ist, soweit er das Streitjahr 1989 betrifft, rechtswidrig; für die Heranziehung des Klägers zur Einkommensteuer bestand keine Rechtsgrundlage.

1. Im Zeitpunkt der Konkurseröffnung bereits begründete Steueransprüche sind zur Konkurstabelle anzumelden. Nach Konkurseröffnung begründete Steueransprüche, die als Massekosten oder Masseschulden zu qualifizieren sind, sind gegen den Konkursverwalter festzusetzen und von diesem vorweg aus der Konkursmasse zu befriedigen. Alle sonstigen Steueransprüche sind konkursfrei (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 14. Februar 1978 VIII R 28/73, BFHE 124, 411, BStBl II 1978, 356). Die aus der Verwertung der Konkursmasse sich ergebende Einkommensteuerschuld ist in einem auf den Zeitraum nach Konkurseröffnung beschränkten Einkommensteuerbescheid gegenüber dem Konkursverwalter festzusetzen. Die einheitliche Einkommensteuerschuld ist gegebenenfalls in eine Konkursforderung, Masseforderung und konkursfreie Forderung aufzuteilen. Konkursforderungen sind zur Tabelle anzumelden; Steuern, die auf Einkünften der Konkursmasse beruhen und zu Massekosten führen, sind durch Steuerbescheid festzusetzen (zu Vorstehendem vgl. BFH-Urteile vom 11. November 1993 XI R 73/92, BFH/NV 1994, 477, und vom 25. Juli 1995 VIII R 61/94, BFH/NV 1996, 117, m.w.N.; Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 251 AO Rz 40, 71; Benne, Betriebs-Berater 2001, 1977, 1982; Oberfinanzdirektion Hannover, AO-Kartei ND Anhang D Karte 1, Nr. 8). Der gegen die Masse gerichtete Bescheid ist ein gegenständlich beschränkter Steuerbescheid, mit dem die Einkommensteuer festgesetzt wird; er ist Teil des Festsetzungsverfahrens.

Ist die Eröffnung des Konkursverfahrens bis zum 31. Dezember 1998 beantragt worden, ist weiterhin die KO anzuwenden (Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 251 AO Rz 7).

Soweit Handlungen des Konkursverwalters über das Vermögen eines Mitunternehmers (Gesellschafterkonkurs) zu Einkünften dieser Konkursmasse im steuerrechtlichen Sinne führen, hat der Konkursverwalter die darauf entfallende Einkommensteuer verursacht mit der Folge, dass sie als Massekosten und Masseschulden vorweg aus der Masse zu berichtigen sind (§§ 57, 58 Nr. 2, 59 Abs. 1 Nr. 1 KO).

Eine Belastung der Konkursmasse durch Steuern ergibt sich regelmäßig aus den nach Konkurseröffnung durch den Konkursverwalter getätigten Geschäften. Der BFH hat in ständiger Rechtsprechung entschieden, dass Einkommensteuerforderungen aus nach der Konkurseröffnung erzielten Gewinnen jedenfalls dann als Massekosten anzusehen sind, wenn die den Gewinnen entsprechenden Vermögensmehrungen zur Konkursmasse gelangt sind (BFH-Urteil vom 9. November 1994 I R 5/94, BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255). Erzielt der Konkursverwalter für den Gemeinschuldner Gewinne aus der Veräußerung von Wirtschaftsgütern der Konkursmasse und fließt der Erlös der Masse zu, so sind die daraus resultierenden und gegen den Gemeinschuldner festgesetzten Einkommensteuern Massekosten i.S. des § 58 Nr. 2 KO (BFH-Urteil in BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255).

2. Im Fall des Konkurses einer Mitunternehmerschaft (und eines Mitunternehmers) können diese Grundsätze nur mit den sich aus den Besonderheiten der Mitunternehmerbesteuerung ergebenden Unterschieden gelten. Der Kläger ist zu Recht der Auffassung, dass die Einkommensteuerschuld einer Mitunternehmerin nicht gegenüber der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft als Massekosten geltend gemacht werden kann.

a) Der Konkurs über das Vermögen einer Personengesellschaft ist konkursrechtlich ein Sonderkonkurs über das gesamthänderisch gebundene Vermögen der Mitunternehmer (BFH-Urteil in BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255; vgl. auch Frotscher, Besteuerung bei Insolvenz, 6. Aufl., 2005, S. 132). Die Gesellschafter der OHG sind Gemeinschuldner in dem durch die Zahlungsunfähigkeit der OHG ausgelösten Konkurs; die Konkursmasse ist nach § 1 KO auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt (Urteil des Bundesgerichtshofs vom 16. Februar 1961 III ZR 71/60, BGHZ 34, 293; Mohrbutter/Mohrbutter/Pape, Handbuch der Insolvenzverwaltung, 7. Aufl., 1997, XV.74 f.).

b) Im Fall des Mitunternehmerkonkurses ist der auf Einkünften aus der Konkursmasse der Mitunternehmerschaft beruhende Einkommensteuerbescheid gegen den Konkursverwalter über das Vermögen des Mitunternehmers zu richten.

c) Der im Streitfall erlassene Leistungsbescheid kann - ebenso wenig wie ein regulärer Einkommensteuerbescheid - nicht gegen die Masse der Mitunternehmerschaft selbst (der OHG) gerichtet werden. Insoweit ist der Systematik des Einkommensteuerrechts Rechnung zu tragen; die Personengesellschaft als Mitunternehmerschaft ist einkommensteuerrechtlich lediglich Gewinnerzielungssubjekt, nicht aber Steuersubjekt (vgl. statt vieler Schmidt/Wacker, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 164). Die steuerliche Zuordnung und Erfassung von Einkünften wird durch die Vorschriften der Konkursordnung und der Insolvenzordnung nicht verändert, weder bei einem Konkurs über das Vermögen der Mitunternehmerschaft noch bei einem Konkurs über das Vermögen eines Mitunternehmers noch in dem Fall, in dem - wie im Streitfall - sowohl über das Vermögen der Mitunternehmerschaft als auch über das des Mitunternehmers Konkurs eröffnet worden ist (Frotscher, a.a.O., S. 133).

Diese steuerrechtliche Zurechnung hat zur Folge, dass von der im Konkurs befindlichen Personengesellschaft erwirtschaftete Gewinne den Masse- und Konkursgläubigern zur Verfügung stehen, während steuerrechtlich diese Gewinne den Gesellschaftern zugerechnet werden. Diese Unabgestimmtheit von Insolvenzrecht und Steuerrecht (so Frotscher, a.a.O., S. 135 f.; Mohrbutter/ Mohrbutter/Vortmann, a.a.O., XIV.115) führt zu unbefriedigenden Ergebnissen. Das Problem ist auf der Grundlage steuerlicher Grundsätze zu lösen. Bei unbeschränkt haftenden Gesellschaftern - wie den gemäß § 128 des Handelsgesetzbuchs unbeschränkt haftenden Gesellschaftern einer OHG - kommen die auf der Ebene der im Konkurs befindlichen OHG erzielten Gewinne dem Gesellschafter haftungsmindernd zugute. Dies rechtfertigt es, dass der Gesellschafter die auf seinen Gewinnanteil entfallende Einkommensteuer selbst zu zahlen hat (Mohrbutter/ Mohrbutter/Vortmann, a.a.O., XIV.116, 117). Eine Inanspruchnahme des Konkursverwalters der insolventen OHG wegen der aus dem Gewinnanteil des Gesellschafters resultierenden Einkommensteuerschulden als Massekosten kommt daneben nicht mehr in Betracht.

3. Nach Maßgabe dieser Grundsätze durfte im Streitfall das FA gegen den Kläger als Konkursverwalter über das Vermögen der Mitunternehmerschaft keinen "Leistungsbescheid über Einkommensteuer" erlassen (zum Leistungsbescheid allgemein vgl. Kruse in Tipke/Kruse, a.a.O., § 254 AO Rz 4 ff.). Für einen derartigen Bescheid besteht keine Rechtsgrundlage. Die Konkursmasse einer Mitunternehmerschaft als solche ist einkommensteuerrechtlich kein selbständiges Steuerrechtssubjekt (BFH-Urteil vom 15. März 1995 I R 82/93, BFHE 177, 257, Deutsches Steuerrecht - DStR - 1995, 1303); gegen sie kann daher auch kein Leistungsbescheid über Einkommensteuer gerichtet werden. Entgegen der Auffassung des FA kann Einkommensteuer auf Gewinne aus der Bewirtschaftung der Konkursmasse einer Mitunternehmerschaft nicht gegen diese Konkursmasse bzw. deren Konkursverwalter geltend gemacht werden. Aus den vom FG herangezogenen BFH-Urteilen in BFHE 177, 257, DStR 1995, 1303 und in BFHE 176, 248, BStBl II 1995, 255 folgt nichts Gegenteiliges.

Der angefochtene Bescheid war daher, soweit er das Streitjahr 1989 betrifft, in vollem Umfang aufzuheben und der Klage stattzugeben. Die Berechtigung der weiteren Einwendungen kann dahinstehen.