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BFH-Urteil vom 4.6.2008 (I R 62/06) BStBl. 2008 II S. 793

Einkünfte aus typisch stillen Beteiligungen werden nach Abschn. 11 Satz 2 des Schlussprotokolls zu den Art. 5, 7 und 13 DBA-Luxemburg als Dividenden (Art. 13 DBA-Luxemburg) behandelt. Unbeschadet dessen werden die Einkünfte einer in Deutschland ansässigen GmbH aus der typisch stillen Beteiligung an einer Luxemburger Kapitalgesellschaft nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg von der Bemessungsgrundlage für die deutsche Steuer ausgenommen.

EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1; DBA-Luxemburg Art. 13, Art. 14, Art. 20 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3; Schlussprotokoll zu den Art. 5, 7 und 13 DBA-Luxemburg Abschn. 11 Satz 2.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg vom 24. Juli 2006 6 K 164/04 (EFG 2007, 167)

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, war im Streitjahr 2000 zu 48 v.H. der Anteile direkt und zusätzlich als stille Gesellschafterin mit einer Einlage von 100 Mio. DM an einer Kapitalgesellschaft luxemburgischen Rechts mit Sitz und Geschäftsleitung in Luxemburg, der I-S.A., beteiligt. Den für das Streitjahr aus der stillen Beteiligung vereinnahmten Gewinnanteil, auf den in Luxemburg eine Quellensteuer in Höhe von 10 v.H. einbehalten worden war, behandelte die Klägerin als gemäß Art. 20 Abs. 2 Satz 3 des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Großherzogtum Luxemburg zur Vermeidung der Doppelbesteuerung und über gegenseitige Amts- und Rechtshilfe auf dem Gebiet der Steuern vom Einkommen und vom Vermögen sowie der Gewerbesteuern und der Grundsteuern (DBA-Luxemburg) vom 23. August 1958 (BGBl II 1959, 1270) i.V.m. Abschn. 11 Satz 2 der zu den Art. 5, 7 und 13 dieses Abkommens abgegebenen Erklärungen der Vertragsstaaten in dem Schlussprotokoll i.d.F. des Ergänzungsprotokolls vom 15. Juni 1973 (BGBl II 1978, 111) steuerfrei. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat demgegenüber die Auffassung, der Gewinnanteil aus der Luxemburger stillen Gesellschaft sei nach Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg in Deutschland unter Anrechnung der ausländischen Steuer gemäß § 26 Abs. 6 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG) i.V.m. § 34c Abs. 6 Satz 2, Abs. 1 Satz 2 und 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) zu besteuern.

Die Klage gegen den hiernach ergangenen Körperschaftsteuerbescheid hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg gab ihr durch Urteil vom 24. Juli 2006 6 K 164/04 statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 167 veröffentlicht.

Mit seiner Revision rügt das FA Verletzung materiellen Rechts. Es beantragt, das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dem FA in der Sache angeschlossen, jedoch keine eigenen Anträge gestellt.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Die Vorinstanz hat das Besteuerungsrecht Deutschlands für den in Rede stehenden Gewinn aus der stillen Beteilung der Klägerin an der luxemburgischen I-S.A. im Ergebnis zu Unrecht verneint.

1. Die Klägerin ist in Deutschland ansässig und unterfällt hier mit ihrem Welteinkommen der unbeschränkten Steuerpflicht (§ 1 Abs. 1 KStG). Das betrifft auch ihre Gewinnanteile aus ihrer direkten wie stillen Beteiligung an der luxemburgischen I-S.A., in dem ersteren Fall als Dividenden gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG, in dem letzteren Fall gemäß § 8 Abs. 1 KStG i.V.m. § 20 Abs. 1 Nr. 1 und Nr. 4 EStG.

2. Das DBA-Luxemburg ändert daran prinzipiell nichts: Das Besteuerungsrecht für Dividenden richtet sich grundsätzlich nach Art. 13 DBA-Luxemburg. Gewinnanteile aus stillen Beteiligungen werden abkommensrechtlich als Zinsen angesehen (vgl. Gradel in Strunk/Kaminski/Köhler, AStG/DBA, Art. 10 OECD-MA Rz 75, und dort auch Geurts, Art. 11 OECD-MA Rz 71; Wassermeyer in Debatin/Wassermeyer, Doppelbesteuerung, Art. 11 MA Rz 10; Pöllath/Lohbeck in Vogel/Lehner, DBA, 5. Aufl., Art. 11 Rz 63a f., jeweils m.w.N.), für die Art. 14 DBA-Luxemburg einschlägig ist. Das Besteuerungsrecht sowohl für Dividenden als auch für Zinsen steht nach Art. 13 Abs. 1 und Art. 14 Abs. 1 DBA-Luxemburg grundsätzlich dem Wohnsitzstaat, im Streitfall also Deutschland zu. Es wird hinsichtlich der Dividenden lediglich durch das Recht des anderen Vertragsstaats, hier also Luxemburgs, zum Steuerabzug an der Quelle eingeschränkt (Art. 13 Abs. 2 DBA-Luxemburg); diese Quellensteuer ist in Deutschland auf die Körperschaftsteuer anzurechnen (Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg).

3. Allerdings macht Art. 20 Abs. 2 DBA-Luxemburg von den vorstehenden Besteuerungsgrundsätzen eine Ausnahme für Dividenden, die einer Kapitalgesellschaft von einer Kapitalgesellschaft mit Wohnsitz in dem anderen Vertragsstaat gezahlt werden, deren stimmberechtigte Anteile zu mindestens 25 v.H. der erstgenannten Gesellschaft gehören. Solche Dividenden sind von der Bemessungsgrundlage für die Steuer des Wohnsitzstaates ausgenommen (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 i.V.m. Satz 3 DBA-Luxemburg).

a) Dieses sog. Schachtelprivileg könnte im Streitfall - und darüber streiten die Beteiligten im Kern - auch für die Gewinnanteile aus der stillen Beteiligung der Klägerin an der I-S.A. einschlägig sein, und zwar aufgrund der von den Vertragsstaaten in dem Schlussprotokoll zu den Art. 5, 7 und 13 DBA-Luxemburg abgegebenen ergänzenden Erklärungen. Denn nach Abschn. 11 Satz 2 des Protokolls werden die Einkünfte aus der Beteiligung als stiller Gesellschafter als Dividenden (Art. 13 DBA-Luxemburg) behandelt. Dies betrifft zwar erklärtermaßen (nur) Art. 5, 7 und 13 des Abkommens, die das Besteuerungsrecht der jeweiligen Vertragsstaaten für Einkünfte aus gewerblichen Unternehmen und für Dividenden zuordnen und sich in erster Linie an den jeweiligen Quellenstaat richten. Die Sachzusammenhänge und die systematischen Verknüpfungen zwischen jenen Verteilungsartikeln und Art. 20 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 DBA-Luxemburg, dessen Adressat der Wohnsitzstaat ist, sprechen aber dafür, dass die begriffliche Fiktion im Grundsatz hier wie dort gleichermaßen einschlägig ist: Eine anderweitige Begriffsdefinition der Dividende enthält das Abkommen nicht; es ist auch nicht erkennbar, dass Art. 20 Abs. 2 Satz 3 und Abs. 3 DBA-Luxemburg aus sich heraus ein abweichendes Begriffsverständnis geböte. Nicht zuletzt wäre es bei einem anderweitigen Verständnis ausgeschlossen, die jeweilige Quellensteuer nach Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg auf die im Wohnsitzstaat erfassten Dividenden anzurechnen. Dafür kann es aber keine Rolle spielen, ob die Dividenden solche originärer oder aber nur fiktiver Art sind. Das entspricht denn auch der im Schrifttum überwiegend vertretenen Auffassung (vgl. z.B. Siegers in Debatin/Wassermeyer, a.a.O., Art. 20 Luxemburg Rz 125, dort ebenso - aus Luxemburger Sicht - Steichen, Rz 212; Wagner, Die steuerliche Betriebsprüfung - StBp - 2001, 349; derselbe, Die Steuerberatung - Stbg - 2007, 21; Suchanek/Herbst, Finanz-Rundschau - FR - 2003, 1108; dieselben, FR 2006, 1112; Rödder/Ritzer, Internationales Steuerrecht - IStR - 2006, 666; Grotherr in Gosch/Kroppen/Grotherr, DBA, Art. 20 Luxemburg Rz 18; Jacobs, Internationale Unternehmensbesteuerung, 5. Aufl., S. 962; Wassermeyer, IStR 2007, 413, 415; allgemein Vogel in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 23 Rz 108; anders Fries, IStR 2005, 805).

b) Im Einzelnen kommt es darauf jedoch nicht an. Denn der Regelungswortlaut ebenso wie der Systemzusammenhang, in den die Gewährung des beschriebenen Schachtelprivilegs gestellt ist, zeigen auf, dass Gewinnanteile des lediglich still an einer Kapitalgesellschaft Beteiligten von jener Begünstigung ohnehin auszunehmen sind. Es handelt sich, legt man jene Fiktion in Abschn. 11 des Schlussprotokolls zugrunde, zwar auch hierbei um Dividenden. Begreift man die Schachtelprivilegierung jedoch als eine solche, die - nur - für Dividenden einzuräumen ist, welche aus einer 25 %igen Kapitalbeteiligung herrühren, so wird deutlich, dass es sich insoweit nicht um fiktive, sondern um "echte" Dividenden aus einer entsprechenden Beteiligung handeln muss. Es bedarf der - -zusätzlichen - direkten Kapitalbeteiligung, um den tatbestandlichen Anforderungen des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg zu genügen; stille Beteiligungen und die daraus fließenden Einkünfte reichen unbeschadet dessen, dass Abschn. 11 Satz 2 des Schlussprotokolls diese Einkünfte fiktiv als Dividenden qualifiziert, hierfür nicht aus.

Der Regelungswortlaut des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg ist insoweit zwar nicht gänzlich eindeutig. Bei weiter Normauslegung ließe sich vertreten, dass jegliche Dividenden - originäre ebenso wie fiktive - begünstigt wären, sobald die erwähnten Beteiligungsanforderungen - wie auch im Streitfall infolge der zusätzlichen direkten Beteiligung der Klägerin an der I-S.A. - erfüllt sind (in diese Richtung - allerdings nur bezogen auf abkommensrechtlich abgesenkte Quellensteuersätze für Schachtelbeteiligungen - z.B. Tischbirek in Vogel/Lehner, a.a.O., Art. 10 Rz 166 ff., 168, und dem folgend Mössner in Mössner u.a., Steuerrecht international tätiger Unternehmen, 3. Aufl., Rz B 178). Zwingend ist ein derartiges Regelungsverständnis jedoch nicht. Vielmehr ermöglicht der Wortlaut ein entsprechend eingeschränktes Verständnis, das sich besser mit Ziel und Zweck der Freistellung und damit auch dem Willen der Vertragsschließenden in Einklang bringen lässt (vgl. Art. 31 Abs. 1 des Wiener Übereinkommens über das Recht der Verträge vom 23. Mai 1969, BGBl II 1985, 927, in innerstaatliches Recht transformiert seit Inkrafttreten des Zustimmungsgesetzes vom 3. August 1985, BGBl II 1985, 926, am 20. August 1987, BGBl II 1987, 757): Zum einen dehnt Abschn. 11 des Schlussprotokolls lediglich den für Art. 13 DBA-Luxemburg maßgebenden Dividendenbegriff auf die Gewinnanteile aus stillen Beteiligungen aus, ersetzt aber nicht zugleich fiktiv die qualifizierten (und auf die Beteiligungsgesellschaft bezogenen) Beteiligungsanforderungen des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg; an einer solchen - weitergehenden - Fiktion fehlt es. Zum anderen zöge eine Freistellung in beiden Vertragsstaaten im wirtschaftlichen Ergebnis unbesteuert bleibende Einkünfte nach sich, weil die Gewinnanteile aus der "hybriden", stillen Beteiligung in Luxemburg unbeschadet ihrer Behandlung als Dividenden und deren Belastung mit Quellensteuer im Ansässigkeitsstaat als Betriebsausgaben abzugsfähig sind (vgl. Wagner, StBp 2001, 349). Schließlich läuft die verbleibende Dividendenregelung infolge des einschränkenden Normverständnisses nicht leer: Sowohl originäre wie fiktive Dividenden sind gemäß Art. 20 Abs. 3 DBA-Luxemburg im Wohnsitzstaat unter Anrechnung ausländischer Quellensteuern zu besteuern. Dem Dividendenbegriff innerhalb des Art. 20 DBA-Luxemburg muss dazu nicht, wie teilweise befürchtet wird (z.B. Siegers in Debatin/ Wassermeyer, ebenda; Rödder/Ritzer, IStR 2006, 666, 667), ein unterschiedliches Verständnis beigelegt werden. Der Dividendenbegriff ist derselbe. Allerdings wird nur eine "Teilmenge" dieser Dividenden, eben jene aus direkten Kapitalbeteiligungen, durch die "Schachtelfreistellung" des Art. 20 Abs. 2 Satz 3 DBA-Luxemburg privilegiert.

Dass das Ergebnis dieser normativen und systematischen Auslegung sich mittlerweile ausdrücklich in einigen in jüngerer Zeit geschlossenen Abkommen zur Vermeidung der Doppelbesteuerung wiederfindet, so beispielsweise in den Abkommen mit Österreich (vom 24. August 2000, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 4), mit Rumänien (vom 12. November 2001, Art. 23 Abs. 2 Buchst. a Satz 3), Kroatien (vom 6. Februar 2006, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3), Slowenien (vom 3. Mai 2006, Art. 23 Abs. 1 Buchst. a Satz 3) und in dem mit den Vereinigten Staaten von Amerika geschlossenen Abkommen vom 29. August 1989 i.d.F. des Änderungsprotokolls vom 1. Juni 2006 (Art. 23 Abs. 3 Buchst. a Satz 4) widerspricht dem nicht. Die Verdeutlichung in jenen Abkommen schließt nicht aus, dass es sich nach Wortlaut und Regelungszusammenhängen jedenfalls in dem mit Luxemburg geschlossenen Abkommen ebenso verhält.

4. Die Vorinstanz hat eine hiervon abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aus diesem Grunde aufzuheben; die Klage war abzuweisen.