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BFH-Urteil vom 19.6.2008 (VI R 48/07) BStBl. 2008 II S. 870

Der persönliche Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG ist bei einem Arbeitnehmer nur eröffnet, wenn dieser selbst als bewirtende Person auftritt.

EStG § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2, § 9 Abs. 5.

Vorinstanz: FG Köln vom 2. Mai 2007 5 K 703/07 (EFG 2007, 1890)

Sachverhalt

I.

Das Verfahren befindet sich im zweiten Rechtsgang.

Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind zusammen zur Einkommensteuer veranlagte Ehegatten. Der Kläger war Berufssoldat im Rang eines Brigadegenerals. Im Streitjahr (2000) schied er wegen Pensionierung aus dem Dienst bei der Bundeswehr aus. Am ... wurden im Rahmen einer militärischen Veranstaltung gemäß einem Kommandostabsbefehl die "Dienstgeschäfte des ..." vom Kläger auf seinen Nachfolger übertragen. Dabei wurde der Kläger in den Ruhestand verabschiedet. Anschließend fand im Offizierheim ein Empfang statt, an dem Soldaten, Beamte und Arbeitnehmer des Dienstherrn des Klägers sowie geladene Gäste teilnahmen; insgesamt handelte es sich um rund 400 Personen. Dem Kläger wurden Kosten für Speisen und Getränke in Höhe von 1.996 DM in Rechnung gestellt. In der Rechnung waren Kosten für Speisen in Höhe von insgesamt 1.125 DM sowie für Getränke in Höhe von 871 DM abgerechnet. Die Rechnung enthielt das Veranstaltungsdatum, jedoch keinen Hinweis auf den Anlass der Bewirtung und die bewirteten Personen. Nach einer Erstattung durch den Dienstherrn in Höhe von 1.200 DM verblieben 796 DM, die der Kläger als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit geltend machte. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erkannte die Aufwendungen nicht als Werbungskosten an.

Das Finanzgericht (FG) wies im ersten Rechtsgang die Klage mit den in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2004, 90 veröffentlichten Gründen ab.

Mit Urteil vom 11. Januar 2007 VI R 52/03 (BFHE 216, 320, BStBl II 2007, 317) hob der Bundesfinanzhof (BFH) das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG mit der Begründung zurück, die Aufwendungen des Klägers für die fragliche Veranstaltung seien beruflich veranlasst gewesen. Die Sache sei allerdings nicht spruchreif. Das FG habe auf der Grundlage seiner Rechtsauffassung keine Feststellungen dazu getroffen, ob und in welchem Umfang § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG dem vom Kläger begehrten Werbungskostenabzug gegebenenfalls entgegenstehe.

Im zweiten Rechtsgang wies das FG die Klage mit den in EFG 2007, 1890 veröffentlichten Gründen erneut ab. Im Streitfall seien die Voraussetzungen des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG nicht erfüllt. Die streitigen Werbungskosten seien Bewirtungsaufwand i.S. von § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG. Allerdings genügten die Angaben des Klägers nicht den Nachweisanforderungen nach den Sätzen 2 und 3 der Vorschrift.

Mit der Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Sie beantragen, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils und Abänderung des Einkommensteuerbescheids 2000 in Gestalt der Einspruchsentscheidung weitere Werbungskosten bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von 796 DM zu berücksichtigen.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie hat jedenfalls mit der Sachrüge Erfolg. Das FG hat zu Unrecht den von den Klägern begehrten weiteren Werbungskostenabzug unter Hinweis auf die Vorschrift des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG verneint.

1. Im ersten Rechtsgang hat der erkennende Senat - für das FG bindend (§ 126 Abs. 5 der Finanzgerichtsordnung - FGO -) - entschieden, dass die streitigen Aufwendungen beruflich veranlasst und deshalb dem Grunde nach als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit anzuerkennen sind. Somit ist im zweiten Rechtsgang nur noch über die Höhe der als Werbungskosten abziehbaren Aufwendungen zu befinden.

2. Der Abzug beruflich veranlasster Bewirtungsaufwendungen eines Arbeitnehmers ist unter bestimmten Voraussetzungen der Höhe nach begrenzt. Gemäß § 9 Abs. 5 EStG gilt bei Werbungskosten § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG sinngemäß. In seiner im Streitjahr geltenden Fassung sah § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG für den Abzug von Betriebsausgaben (§ 4 Abs. 4 EStG) vor, dass Aufwendungen für die Bewirtung von Personen aus geschäftlichem Anlass den Gewinn nicht mindern dürfen, soweit sie 80 v.H. der Aufwendungen übersteigen, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung als angemessen anzusehen und deren Höhe und betriebliche Veranlassung nachgewiesen sind. Auf der Grundlage der im zweiten Rechtsgang getroffenen Feststellungen hat das FG jedoch zu Unrecht angenommen, dass hinsichtlich der streitigen Werbungskosten die Voraussetzungen für eine sinngemäße Anwendung des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG vorliegen.

a) Dabei kann offen bleiben, ob das FG zu Recht davon ausgegangen ist, dass im Streitfall eine Bewirtung i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG vorgelegen hat. Die in Rechtsprechung und Literatur kontrovers behandelte Frage, ob hierzu die Darbietung von Speisen und Getränken eindeutig im Vordergrund stehen muss (vgl. dazu z.B. Blümich/Wied, § 4 EStG Rz 719; Schmidt/Heinicke, EStG, 27. Aufl., § 4 Rz 544; Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 4 Rz H 46 f., jeweils m.w.N.), braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Auch die Frage, ob und mit welchem Ergebnis der Empfang im Offizierheim im Zusammenhang mit der militärischen Veranstaltung ("Übergabe der Dienstgeschäfte des ...") zu gewichten wäre, kann insoweit dahin stehen.

b) Das FG hat nämlich unzutreffend angenommen, dass im Streitfall der persönliche Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG eröffnet ist.

aa) Der persönliche Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (vgl. dazu Blümich/Wied, a.a.O., Rz 718; Schmidt/ Heinicke, a.a.O., Rz 541) umfasst auch bei sinngemäßer Anwendung der Vorschrift nach § 9 Abs. 5 EStG auf Werbungskosten von Arbeitnehmern nur denjenigen Steuerpflichtigen, der selbst als bewirtende Person anzusehen ist. Scheidet für den betrieblichen Bereich die Möglichkeit einer "mittelbaren" Bewirtung aus, weil Aufwendungen für die Bewirtung durch einen Dritten nur dann betrieblich veranlasst sind, wenn die Bewirtung im Auftrag des Steuerpflichtigen erfolgt, so kommt die Abzugsbegrenzung auch bei sinngemäßer Anwendung auf Arbeitnehmer nur dann zum Tragen, wenn diese "unmittelbar" Bewirtende sind. Das FG hat den persönlichen Anwendungsbereich der Vorschrift nicht näher geprüft; im Ergebnis ist es schon allein aufgrund des Umstandes, dass die vom Kläger getragenen Aufwendungen im Zusammenhang mit einer Bewirtung angefallen sind, davon ausgegangen, dass der Kläger auch als bewirtende Person anzusehen sei. Dies hält einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand. Zwar hat der erkennende Senat im ersten Rechtsgang hinsichtlich der Maßstäbe, die bei der Prüfung der beruflichen Veranlassung der vom Kläger geltend gemachten Aufwendungen anzuwenden sind, auf (auch) für Bewirtungskosten entwickelte Grundsätze abgestellt. Damit ist indes noch nicht die Aussage verbunden, dass der Kläger selbst als bewirtende Person aufgetreten sei. Vielmehr kann im Rahmen der Gesamtwürdigung, die zur Beurteilung der beruflichen oder privaten Veranlassung von Aufwendungen für die Ausrichtung von Veranstaltungen anzustellen ist, gerade dem Umstand besondere Bedeutung zukommen, dass nicht der Steuerpflichtige selbst, sondern sein Arbeitgeber als Gastgeber aufgetreten ist. So hat der erkennende Senat im ersten Rechtsgang seine Auffassung, die streitigen Aufwendungen seien dem Grunde nach beruflich veranlasst, u.a. auf die besondere Stellung des Arbeitgebers des Klägers im Rahmen der fraglichen Veranstaltung gestützt. Demgegenüber ist jedoch der persönliche Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG) gesondert zu prüfen.

bb) Der Senat kann auf der Grundlage der tatsächlichen Feststellungen des FG selbst entscheiden, dass im Streitfall der persönliche Anwendungsbereich des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG (i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG) nicht eröffnet ist. Nach den vom FG getroffenen Feststellungen trat der Arbeitgeber des Klägers als Gastgeber auf, er legte die Gästeliste fest, in seinen Räumlichkeiten fand die Veranstaltung statt und Organisation sowie Ablauf der Veranstaltung waren durch den Arbeitgeber im Einzelnen vorgegeben. Der Empfang im Offizierheim stand im unmittelbaren Zusammenhang mit einer vorangegangenen militärischen Veranstaltung des Dienstherrn. Auf dieser Tatsachengrundlage kann nicht der Kläger selbst, sondern nur sein Arbeitgeber als Bewirtender angesehen werden. Unter den besonderen Umständen des Streitfalles ist die Bewirtung lediglich als Annex einer dienstlichen Veranstaltung des Arbeitgebers des Klägers zu sehen.

cc) Ungeachtet der Frage, ob § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG für Bewirtungen des Dienstherrn des Klägers überhaupt steuerliche Bedeutung erlangen könnte, führt dieses Ergebnis nicht zu einer Umgehung der in dieser Vorschrift bestimmten Abzugsbeschränkung. Ist der Arbeitgeber als Bewirtender anzusehen und trägt ein Arbeitnehmer aus beruflichen Gründen die Kosten der Bewirtung des Arbeitgebers, so lösen aus der Sicht des Arbeitnehmers dessen der Erwerbssphäre zuzuordnende Motive für die Kostenübernahme regelmäßig den Zusammenhang der Aufwendungen mit der konkreten Bewirtung. Dies rechtfertigt es, die entsprechenden Aufwendungen beim Arbeitnehmer in voller Höhe als Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) zu berücksichtigen, soweit dieser damit endgültig wirtschaftlich belastet ist. Ob die Abzugsbeschränkung auch für in diesem Zusammenhang vom Arbeitgeber geleistete Kostenerstattungen entfällt oder ob es sich dabei aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Arbeitgebers weiterhin um Bewirtungsaufwendungen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG handelt, ist vorliegend nicht zu entscheiden.

3. Damit führt die beruflich veranlasste Übernahme der Kosten der streitbefangenen Bewirtung, soweit sie der Kläger nach Erstattung durch seinen Arbeitgeber wirtschaftlich getragen hat, nicht zu Aufwendungen des Klägers für die Bewirtung von Personen i.S. des § 4 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 EStG i.V.m. § 9 Abs. 5 EStG, deren Abzug der Höhe nach beschränkt und von bestimmten Nachweisanforderungen abhängig gemacht ist. Vielmehr zählen die streitigen Aufwendungen in voller Höhe zu den Werbungskosten (§ 9 Abs. 1 Satz 1 EStG) bei den Einkünften des Klägers aus nichtselbständiger Arbeit. Die Neuberechnung der Einkommensteuer wird dem FA übertragen (§ 100 Abs. 2 Satz 2, § 121 Satz 1 FGO).