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BFH-Urteil vom 22.7.2008 (VIII R 8/07) BStBl. 2008 II S. 941

1. Ein berechtigtes Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO besteht nicht, wenn der Kläger die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen die Behörde allein wegen der durch den Finanzrechtsstreit und das außergerichtliche Rechtsbehelfsverfahren verursachten Kosten beabsichtigt.

2. Die kostenrechtlichen Bestimmungen der FGO dürfen durch eine nachfolgende Schadensersatzklage vor den Zivilgerichten nicht unterlaufen werden.

FGO § 100 Abs. 1 Satz 4, § 128 Abs. 4 Satz 1, § 138 Abs. 1, § 139 Abs. 1 und 3, § 145; ZPO § 91.

Vorinstanz: FG München vom 21. Juli 2006 13 K 3079/03

Sachverhalt

I.

Streitig ist, ob ein berechtigtes Interesse für eine Fortsetzungsfeststellungsklage besteht.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) ordnete mit Verwaltungsakt vom 25. Juni 2003 den dinglichen Arrest in das Vermögen der Klägerin und Revisionsbeklagten (Klägerin) zur Sicherung von Einkommensteueransprüchen an. Hintergrund der Arrestverfügung war ein im Februar 2003 eingeleitetes Steuerstrafverfahren, das sich unter anderem gegen die Klägerin richtete.

Letztere wandte sich mit Klage vom 24. Juli 2003 mit dem Antrag an das Finanzgericht (FG), die Arrestanordnung aufzuheben und die Zuziehung eines Bevollmächtigten im Vorverfahren für notwendig zu erklären. Sie bestritt im Wesentlichen das Vorliegen eines Arrestgrundes.

Aufgrund eines Zwischenberichts der Steuerfahndung erließ das FA am 19. und 23. September 2003 Einkommensteueränderungsbescheide. Dadurch war die Arrestanordnung nach Meinung des FA gegenstandslos geworden, weshalb es am 27. April 2004 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärte. Die Klägerin schloss sich der Erledigungserklärung nicht an. Sie stellte ihren Klageantrag gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung (FGO) um und begehrte nunmehr, die Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung festzustellen. Ihr Interesse an der Feststellung begründete sie mit ihrer Absicht, einen Schadensersatzanspruch geltend machen zu wollen. Dieser Anspruch folge zunächst aus der analog anwendbaren Vorschrift des § 945 der Zivilprozessordnung (ZPO). Außerdem gedenke sie, das Land unter dem Gesichtspunkt der Amtshaftung gemäß § 839 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) in Anspruch zu nehmen. Da offensichtlich kein Arrestgrund bestanden habe, sei dem handelnden Beamten zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Ihr Schaden bestehe in Rechtsverfolgungskosten. Im Zusammenhang mit den notwendigen Rechtsbehelfen gegen die Arrestanordnung seien Verfahrenskosten von über 14.000 € entstanden.

Im weiteren Verlauf des finanzgerichtlichen Verfahrens teilte die Klägerin mit, zwischenzeitlich eine Amtshaftungsklage vor dem Landgericht eingereicht zu haben. In der beigefügten Kopie der Klageschrift vom 21. Juni 2006 war zur Frage des Schadens ausgeführt, dass allein die bislang entstandenen Rechtsverfolgungskosten im Rahmen des Einspruchsverfahrens und des anschließenden Klageverfahrens vor dem FG 33.855,13 € betrügen.

Das FG gab der Klage statt. Die Arrestanordnung sei durch den Erlass der vollstreckbaren Einkommensteueränderungsbescheide gegenstandslos geworden. Das berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Arrests sei gegeben, weil die Klägerin eine nicht offensichtlich aussichtslose Schadensersatzklage gegen den Freistaat Bayern erhoben habe, um ihre Rechtsanwaltskosten zu liquidieren. Die Klage sei auch begründet, da das Vorliegen eines Arrestgrundes nicht überwiegend wahrscheinlich gewesen sei.

Mit seiner - vom Bundesfinanzhof (BFH) zugelassenen - Revision rügt das FA die Verletzung des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO. Das FG habe den Begriff des berechtigten Feststellungsinteresses verkannt. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung sei zwar allgemein anerkannt, dass dieses Interesse gegeben sei, wenn ein nicht völlig aussichtsloser Schadensersatzprozess geführt werden solle oder bereits geführt werde. Doch gelte dies nicht für eine Schadensersatzklage, die nur auf den Ersatz der Prozesskosten ausgerichtet sei. Der BFH verlange daher, dass der Fortsetzungsfeststellungskläger bis zum Ende der mündlichen Verhandlung substantiiert darlege, welchen über die Verfahrenskosten hinausgehenden Schaden er erlitten habe.

Das FG habe überdies auch einen Verfahrensfehler begangen. Denn es habe das besondere Feststellungsinteresse und damit eine Sachentscheidungsvoraussetzung zu Unrecht bejaht. Anstatt das gebotene Prozessurteil zu fällen, habe es eine Entscheidung in der Sache getroffen.

Das FA beantragt, das Urteil des FG München vom 21. Juli 2006 13 K 3079/03 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Das FG-Urteil stehe nicht im Widerspruch zur höchstrichterlichen Rechtsprechung. Die vom FA zitierten BFH-Entscheidungen beträfen Sachverhalte, die mit dem vorliegenden nicht zu vergleichen seien. Der Bundesgerichtshof (BGH) habe im Übrigen wiederholt klargestellt, dass der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch als Gegenstand eines Schadensersatzprozesses nicht von vornherein durch die Vorschriften der §§ 91 ff. ZPO ausgeschlossen sei. Es gäbe auch keine Kongruenz zwischen dem prozessualen Kostenerstattungsanspruch der §§ 135 ff. FGO und dem materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch als Folge einer schadensersatzpflichtigen Handlung. Der materiell-rechtliche Anspruch des Geschädigten auf Ersatz der Rechtsverfolgungskosten sei anerkanntermaßen nicht auf den Umfang des prozessualen Kostenerstattungsanspruchs begrenzt. Ausschlaggebend sei, dass sie, die Klägerin, im Streitfall sehr wohl einen weiter gehenden Schaden geltend gemacht habe. Bei den im Schadensersatzprozess verlangten Kosten handele es sich nämlich um sämtliche Kosten, die ihr im Rahmen der Verteidigung gegen die rechtswidrige Arrestanordnung entstanden seien. Diese Kosten seien gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO nur dann Teil des prozessualen Erstattungsanspruchs, wenn das Gericht die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für notwendig erklärt habe. Eine solche Erklärung habe das FG im angegriffenen Urteil nicht ausgesprochen, sodass die prozessuale Ersatzpflicht des FA gemäß §§ 135 ff. FGO nicht gegeben sei. Sie sei daher zwingend darauf angewiesen, diese Kosten in einem Schadensersatzprozess geltend zu machen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage als unzulässig (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO). Das FG hat das Vorliegen eines berechtigten Interesses i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO zu Unrecht bejaht und dadurch verfahrensfehlerhaft durch Sachurteil entschieden.

1. Hat das FG eine Sachentscheidung getroffen, obgleich die Voraussetzungen hierfür nicht vorlagen, dann liegt darin ein Verfahrensfehler, der auch ohne Rüge zur Aufhebung des Urteils und zur Abweisung der Klage als unzulässig führt. Einer Zurückverweisung der Sache bedarf es nicht (BFH-Urteil vom 21. Januar 1999 IV R 40/98, BFHE 188, 523, BStBl II 1999, 563; Grüber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl., § 126 Rz 12).

Eine solche - besondere - Sachentscheidungsvoraussetzung stellt das berechtigte Interesse i.S. des § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO dar. Es muss vorliegen, damit das Gericht auf Antrag die Feststellung ausspricht, dass ein Verwaltungsakt, der sich vor Entscheidung über die Anfechtungsklage durch Zurücknahme oder anders erledigt hat, rechtswidrig gewesen ist.

Nach der Rechtsprechung des BFH genügt jedes konkrete, vernünftigerweise anzuerkennende schutzwürdige Interesse rechtlicher, wirtschaftlicher oder ideeller Art, um einen Antrag nach § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO stellen zu können. Die begehrte Feststellung muss geeignet sein, in einem der genannten Bereiche zu einer Positionsverbesserung des Klägers zu führen (BFH-Urteil vom 2. Juni 1992 VII R 35/90, BFH/NV 1993, 46).

Ein berechtigtes Feststellungsinteresse kann insbesondere dann anzuerkennen sein, wenn die Feststellung des FG dazu dienen soll, die Verfolgung von Schadensersatzansprüchen vor den Zivilgerichten zu erleichtern. Voraussetzung ist, dass die Schadensersatzklage anhängig oder mit hinreichender Sicherheit zu erwarten ist, dass die finanzgerichtliche Entscheidung für das zivilgerichtliche Urteil nicht unerheblich und die Rechtsverfolgung vor dem Zivilgericht nicht offensichtlich aussichtslos ist (BFH-Urteil vom 27. Juli 1994 II R 109/91, BFH/NV 1995, 322).

Hingegen fehlt das berechtigte Interesse an der Fortsetzungsfeststellungsklage, wenn die Erhebung einer Schadensersatzklage gegen die Behörde allein wegen der durch den Finanzrechtsstreit verursachten Kosten beabsichtigt ist. Denn die Frage, ob der Kläger im Falle der Erledigung des Rechtsstreits Ersatz seiner durch den Rechtsstreit verursachten Kosten vom Gegner verlangen kann, wird durch die Kostenentscheidung des zuständigen FG beantwortet und ist nicht Gegenstand eines anschließenden Schadensersatzprozesses.

Die Voraussetzungen für das besondere Feststellungsinteresse müssen bis zum Ende der mündlichen Verhandlung vor dem FG substantiiert dargelegt werden (BFH-Urteil in BFH/NV 1995, 322; BFH-Beschlüsse vom 17. Mai 2001 I S 2/01, BFH/NV 2001, 1426; vom 14. Januar 2003 V R 93/01, BFH/NV 2003, 643).

Dazu gehört auch, dass der Kläger den Schaden, den er durch das behauptete rechtswidrige Behördenverhalten erlitten haben will, schlüssig konkretisiert (vgl. BFH-Beschlüsse in BFH/NV 2001, 1426; vom 20. September 2000 VII B 33/00, BFH/NV 2001, 458). Hieran fehlt es, wenn der Kläger als Schaden lediglich die durch das finanzgerichtliche Verfahren verursachten Rechtsverfolgungskosten geltend macht. Es muss somit dargelegt werden, dass ein über die Verfahrenskosten hinausgehender Schaden entstanden ist (BFH-Beschlüsse vom 4. August 2004 VII B 240, 241/03, BFH/NV 2005, 218, und in BFH/NV 2001, 1426).

2. Danach besteht im Streitfall kein berechtigtes Interesse der Klägerin für die Fortsetzungsfeststellungsklage. Sie macht als Schaden ausschließlich die Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens und des Einspruchsverfahrens geltend.

a) Mit dem Erlass vollstreckbarer Einkommensteuerbescheide ist das Arrestverfahren in das normale Vollstreckungsverfahren übergeleitet worden. Der Anfechtungsrechtsstreit gegen die gegenstandslos gewordene Arrestanordnung hat damit in der Hauptsache seine Erledigung gefunden und das Rechtsschutzbedürfnis für den ursprünglichen Sachantrag ist entfallen. Die Klägerin konnte grundsätzlich zur Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 100 Abs. 1 Satz 4 FGO übergehen und den Antrag stellen, die Rechtswidrigkeit der Arrestanordnung festzustellen (vgl. BFH-Urteile vom 30. Juli 1975 I R 153/73, BFHE 116, 459, BStBl II 1975, 857; vom 7. Juli 1987 VII R 167/84, BFH/NV 1987, 702; BFH-Beschluss in BFH/NV 2001, 458).

b) Ein berechtigtes Feststellungsinteresse ist jedoch nicht erkennbar. Die Klägerin hat zwar substantiierte Angaben zu ihrem angeblich erlittenen Schaden gemacht. Ihre Darlegungen betreffen jedoch ausschließlich die Kosten des finanzgerichtlichen Klageverfahrens und des Einspruchsverfahrens. Den Ersatz eines über die Verfahrenskosten hinausgehenden Schadens begehrt die Klägerin nicht, was sich auch aus der bereits erhobenen Amtshaftungsklage ergibt.

3. Die Einwendungen der Klägerin gegen diese rechtliche Beurteilung greifen nicht durch. Der Senat hält die in der bisherigen Rechtsprechung des BFH entwickelten Rechtsgrundsätze für zutreffend. Allein das Interesse der Klägerin am Ersatz der durch den Finanzrechtsstreit ausgelösten Kosten kann die Fortsetzung eines an sich erledigten Anfechtungsprozesses nicht rechtfertigen. Denn weder darf die bei Eintritt erledigender Ereignisse vorgesehene Kostenentscheidung durch den Erlass eines Sachurteils unterlaufen werden (nachfolgend unter II.3.a der Gründe dieses Urteils) noch dürfen generell die Kostenregelungen der FGO durch eine nachfolgende Schadensersatzklage vor den Zivilgerichten in Frage gestellt werden (nachfolgend unter II.3.b der Gründe dieses Urteils).

a) Das Gesetz macht den Erlass eines Fortsetzungsfeststellungsurteils von der zusätzlichen Voraussetzung abhängig, dass ein berechtigtes Feststellungsinteresse vorliegt. Für eine gerichtliche Sachentscheidung besteht regelmäßig kein Bedürfnis, wenn sich der Verwaltungsakt bereits erledigt hat. Es ist dann nur noch über die Kosten des Verfahrens zu entscheiden. Diese Entscheidung ergeht, wenn die Beteiligten die gebotenen prozessualen Folgerungen aus dem Eintritt des erledigenden Ereignisses ziehen und Erledigungserklärungen abgeben, durch Beschluss gemäß § 138 Abs. 1 FGO. In Erledigungssituationen erkennt es die FGO demnach grundsätzlich nicht an, dass über die Verfahrenskosten durch anfechtbares Sachurteil entschieden wird, gegebenenfalls nach Durchführung einer umfangreichen Beweisaufnahme. Vielmehr ist die Kostenentscheidung, die allein noch aussteht, ohne Beweisaufnahme aufgrund summarischer Prüfung unter maßgeblicher Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes zu treffen (§ 138 Abs. 1 FGO; vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 138 Rz 26 und 27, m.w.N.). Eine Anfechtungsmöglichkeit besteht nicht (§ 128 Abs. 4 Satz 1 FGO, vgl. Gräber/Ruban, a.a.O., § 128 Rz 12, m.w.N.). Beurteilt das FG ohne Beweisaufnahme aufgrund der Aktenlage die Arrestanordnung als rechtswidrig, so wie im Streitfall - allerdings in Form eines Sachurteils - geschehen, so muss dies in der Regel dazu führen, dass dem Steuerpflichtigen die erforderlichen Rechtsverfolgungskosten sämtlich erstattet werden (vgl. Gräber/ Ruban, a.a.O., § 138 Rz 27, m.w.N.).

Um diese bei Erledigungssituationen geltenden kostenrechtlichen Bestimmungen nicht zu unterlaufen, muss es dem Kläger, wenn er nach eigenem Vorbringen keinen über die finanzgerichtlichen Verfahrenskosten hinausgehenden Schaden erlitten hat, verwehrt werden, eine Kostenentscheidung durch Sachurteil anzustreben. Er kann keine Fortsetzung des an sich erledigten Anfechtungsprozesses allein wegen der Erstattung der Verfahrenskosten verlangen. Ihm ist auch nicht schon deswegen das Recht auf eine Sachentscheidung zuzusprechen, um ihn vor der "summarisch" getroffenen Kostenentscheidung gemäß § 138 Abs. 1 FGO zu bewahren (vgl. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Oktober 1959 V C 165.57, V C 166.57, BVerwGE 9, 196; Urteil des Hessischen FG vom 24. Februar 1987 6 K 313/85, nicht veröffentlicht - n.v. -).

b) Der Verweis der Klägerin auf die Rechtsprechung des BGH zum Verhältnis des prozessualen und des materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruchs rechtfertigt keine andere Beurteilung des Streitfalles. Die vom BGH entwickelten Rechtsgrundsätze bestätigen vielmehr im Wesentlichen das hier gefundene Ergebnis.

aa) Die prozessuale Kostenerstattungspflicht und der Ersatz von Rechtsverfolgungskosten aufgrund materiell-rechtlicher Anspruchsgrundlagen bestehen nach der Rechtsprechung des BGH grundsätzlich nebeneinander (vgl. BGH-Urteile vom 18. Mai 1966 Ib ZR 73/64, BGHZ 45, 251; vom 11. Dezember 1986 III ZR 268/85, Wertpapier-Mitteilungen - WM - 1987, 247; vom 24. April 1990 VI ZR 110/89, BGHZ 111, 168; vom 12. Dezember 2006 VI ZR 224/05, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 2007, 1458; Stein/Jonas/Bork, ZPO, 22. Aufl., Vor § 91 Rz 16 ff.). Daher kann der durch rechtswidriges Behördenhandeln geschädigte Bürger Kosten, die nicht in Zusammenhang mit der Rechtsverfolgung stehen, über einen materiell-rechtlichen Schadensersatzanspruch liquidieren. Die beabsichtigte Geltendmachung solcher Aufwendungen durch eine Schadensersatzklage kann unstreitig ein berechtigtes Interesse für eine finanzgerichtliche Fortsetzungsfeststellungsklage begründen. Dass ihr derartige Kosten - etwa Gebühren für eine Bankbürgschaft zur Abwendung der Arrestvollziehung (vgl. Urteil des Hessischen FG vom 10. Januar 1996 6 K 1804/90, Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 414) - entstanden wären, hat die Klägerin aber nicht vorgetragen. Ihr Schaden besteht nur aus Rechtsverfolgungskosten.

bb) Diesbezüglich ist aber der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch gerade auch nach der Rechtsprechung des BGH in zweierlei Hinsicht beschränkt. Der Geschädigte kann nach materiellem Recht grundsätzlich nur solche Rechtsverfolgungskosten ersetzt verlangen, die i.S. des § 91 ZPO zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren (vgl. Stein/ Jonas/Bork, a.a.O., § 91 Rz 20, m.w.N.). Der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch kann zudem erst dann durch selbstständige Leistungsklage geltend gemacht werden, wenn das den Ersatz der Rechtsverfolgungskosten ermöglichende prozessuale Kostenfestsetzungsverfahren als das weniger aufwändige Verfahren zuvor ausgeschöpft wurde (BGH-Urteil in BGHZ 111, 168).

Deshalb ist für einen materiell-rechtlichen Kostenerstattungsanspruch grundsätzlich kein Raum, wenn es um Kosten geht, die durch Einleitung und Führung eines Prozesses ausgelöst werden (Kosten des gerichtlichen Verfahrens). Deren Erstattung richtet sich ausschließlich nach prozessrechtlichen Grundsätzen. Maßgeblich sind die Kostenentscheidungen des zuständigen Gerichts (Kostengrundentscheidung und Kostenfestsetzungsentscheidung), also im Streitfall des FG. Die Kosten des finanzgerichtlichen Klageverfahrens, deren Erstattung die Klägerin im Streitfall begehrt, können demnach nicht Gegenstand eines anschließenden Schadensersatzprozesses sein (vgl. BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 218 mit Verweis auf das Urteil des BGH in BGHZ 45, 251, 257; BGH-Urteil in WM 1987, 247).

cc) Dagegen können vorgerichtliche (Rechtsanwalts-)Kosten nach der BGH-Rechtsprechung grundsätzlich durch selbstständige Leistungsklage geltend gemacht werden (vgl. BGH-Urteil in WM 1987, 247). Die Klägerin hat nach eigenem Vorbringen Rechtsanwaltskosten des Einspruchsverfahrens und damit vorgerichtliche Kosten zum Gegenstand der Amtshaftungsklage gemacht. Auch bei diesen Kosten handelt es sich allerdings entgegen der Meinung der Revision nicht um einen weiter gehenden Schaden, der das berechtigte Interesse an einer Fortsetzungsfeststellungsklage begründen könnte. Die Klägerin ist diesbezüglich nicht auf eine Schadensersatzklage angewiesen, um die Erstattung der vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten erlangen zu können. Aus der BGH-Rechtsprechung kann die Klägerin insoweit keine für sie günstigen Rechtsfolgen ableiten. Denn im Hinblick auf die Erstattung der vorgerichtlichen Kosten gibt es zwischen den Regelungen der ZPO und der FGO gravierende Unterschiede, die es zu beachten gilt.

(1) Vorgerichtliche Kosten können zum Gegenstand des zivilprozessualen Kostenfestsetzungsverfahrens gemacht werden, soweit sie der Vorbereitung eines konkreten bevorstehenden Rechtsstreits gedient haben. Waren die Aufwendungen primär zur Abwendung des Rechtsstreits bestimmt, dann ist Raum für eine Leistungsklage (BGH-Urteil in WM 1987, 247, m.w.N.).

(2) Für derartige Differenzierungen bietet die FGO keinen Anlass. Nach dem klaren Wortlaut des § 139 Abs. 1 FGO ("einschließlich der Kosten des Vorverfahrens") gehören die Vorverfahrenskosten stets zu den erstattungsfähigen Kosten, über die durch finanzgerichtliche Entscheidungen (Kostengrundentscheidung und Entscheidung im Festsetzungsverfahren) befunden wird. Dies erklärt sich aus dem Umstand, dass das Vorverfahren dem Anfechtungsprozess zwingend vorgeschaltet ist. Dass die Klage gegen eine Arrestanordnung ausnahmsweise auch ohne Vorverfahren zulässig ist (§ 45 Abs. 4 FGO), ändert nichts daran, dass, wenn ein Vorverfahren tatsächlich durchgeführt wurde, die dort angefallenen Kosten Gegenstand der finanzgerichtlichen Kostenentscheidung sind. Auch über die Erstattungsfähigkeit der im Vorverfahren angefallenen Rechtsanwaltsgebühren entscheidet - allein - das FG gemäß § 139 Abs. 3 Satz 3 FGO. Der erforderliche Antrag kann ohne Rücksicht auf den Ablauf von Rechtsmittelfristen nachgeholt werden (vgl. Beschluss des Großen Senats des BFH vom 18. Juli 1967 GrS 5-7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).

(3) Vor diesem Hintergrund ist das Interesse des Fortsetzungsfeststellungsklägers, die Vorverfahrenskosten mit einer zivilrechtlichen Schadensersatzklage im Anschluss an den Finanzprozess geltend machen zu können, nicht schützenswert.

Führt die finanzgerichtliche Kostenentscheidung zum vollen Kostenersatz, weil das FG klägergünstige Kostengrund- und Kostenfestsetzungsentscheidungen trifft und hierbei auch die Erstattungsfähigkeit der vorprozessualen Rechtsanwaltskosten auf Antrag des Klägers hin anerkennt, dann stellt sich die Frage nach Sinn und Zweck eines nachfolgenden Schadensersatzprozesses. Der Kläger hat bereits alles erhalten, was er begehrt, wenn auch auf prozessrechtlicher Grundlage.

Fallen die finanzgerichtlichen Kostenentscheidungen dagegen negativ aus, etwa weil das FG die Hinzuziehung eines Anwalts für das Vorverfahren für nicht notwendig erklärt hat, dann läuft die zivilrechtliche Schadensersatzklage darauf hinaus, diese negative Entscheidung des zuständigen FG zu revidieren. Die aufgrund der kostenrechtlichen Bestimmungen der FGO vorgesehene Rechtsfolge der Nicht-Erstattung der Kosten soll durch eine Schadensersatzklage in ihr Gegenteil verkehrt werden. Ob eine derartige Klage Aussicht auf Erfolg hätte, erscheint dem Senat sehr zweifelhaft. Die Frage kann aber offenbleiben, weil sie allein die Zulässigkeit und Begründetheit dieser Klage betrifft, über die die ordentlichen Gerichte zu befinden haben. Die im Streitfall allein zur Entscheidung stehende Frage nach der Zulässigkeit der Fortsetzungsfeststellungsklage beantwortet der Senat jedenfalls dahin, dass das FG nicht berechtigt ist, ein an sich erledigtes Anfechtungsverfahren allein deswegen fortzusetzen, um dem Kläger die Führung eines Schadensersatzprozesses zu erleichtern, der entweder auf die bloße Wiederholung der klägergünstigen oder aber auf die von der FGO nicht vorgesehene isolierte Anfechtung der klägerungünstigen Kostenentscheidung des FG hinausläuft (vgl. § 128 Abs. 4 Satz 1, § 145 FGO).