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BFH-Urteil vom 29.5.2008 (VI R 25/07) BStBl. 2009 II S. 150

Das erhöhte Unfallruhegehalt nach § 37 BeamtVG wird "auf Grund der Dienstzeit" i.S. von § 3 Nr. 6 EStG gewährt und ist somit nicht nach dieser Vorschrift steuerbefreit.

EStG § 3 Nr. 6, § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a; BeamtVG §§ 36, 37.

Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 13. Februar 2007 3 K 1435/03 (EFG 2007, 992)

Sachverhalt

I.

Der im Jahre 1937 geborene Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde am 22. Januar 1962 als Polizeianwärter in ein Beamtenverhältnis auf Widerruf berufen. Ab dem 1. Februar 1963 führte er die Dienstbezeichnung Polizeiwachtmeister. Mit Urkunde vom 9. Juli 1963 wurde ihm die Eigenschaft eines Beamten auf Probe verliehen. Am 5. Januar 1965 wurde er zum Polizei-Oberwachtmeister und mit Ernennungsurkunde zum 25. Februar 1966 zum Polizeihauptwachtmeister ernannt. Infolge eines am 8. Mai 1966 erlittenen Dienstunfalls wurde er für dauernd dienstunfähig i.S. des § 210 des Landesbeamtengesetzes Rheinland-Pfalz (LBG) erklärt und zum 31. Juli 1969 in den Ruhestand versetzt. Mit Urkunde vom 7. September 1967 war er zum Polizeimeister (Besoldungsgruppe A 7) befördert worden und mit weiterer Urkunde vom 2. Oktober 1967 in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit berufen worden.

Mit Bescheid vom 14. November 1968 wurde die Minderung der Erwerbsfähigkeit des Klägers infolge des Dienstunfalls festgesetzt und dem Kläger ein Unfallausgleich nach § 148 LBG gewährt.

Am 5. September 1969 erließ die Oberfinanzdirektion (OFD) in Ergänzung bzw. Berichtigung einer Festsetzung der Bezirksregierung einen Bescheid über die Festsetzung der Versorgungsbezüge. Darin heißt es: "1. Das Unfallruhegehalt bemisst sich gem. § 151 LBG mit 75 % der ruhegehaltsfähigen Dienstbezüge der Besoldungsgruppe A 7 Stufe 13. Nachdem Ihre Beförderung zum Polizeimeister im Hinblick auf den Dienstunfall ausnahmsweise schon zum 1.9.1967 ausgesprochen wurde und Sie damit nach dem Dienstunfall das Amt erreichten, welches bei Anwendung der Vorschriften über die erhöhte und besondere Unfallfürsorge zugrunde zu legen wäre, wenn Sie unmittelbar nach dem Dienstunfall in den Ruhestand hätten treten müssen, ist bei Anwendung der Vorschrift des § 151 LBG von dem Amt auszugehen, das Sie im Zeitpunkt des Unfalls erreicht hatten ...".

Am 2. Oktober 1972 erließ die OFD einen weiteren Bescheid über die Festsetzung der Versorgungsbezüge des Klägers. Danach errechnete sich aufgrund von im Jahr 1972 in Kraft getretenen Änderungen des Bundesbeamtengesetzes die erhöhte Unfallfürsorge für Beamte der Laufbahngruppe des mittleren Dienstes seither mindestens nach der Besoldungsgruppe A 9. Seit Inkrafttreten des Beamtenversorgungsgesetzes (BeamtVG) zum 1. Januar 1977 bezieht der Kläger die Versorgungsbezüge als erhöhtes Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG. Daneben erhält er eine Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung wegen Erwerbsunfähigkeit.

Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) berücksichtigte im Streitjahr 2001 das erhöhte Unfallruhegehalt als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit; den Unfallausgleich beließ er steuerfrei. Der Kläger legte gegen den Einkommensteuerbescheid Einspruch ein und machte geltend: Er sei aufgrund eines Dienstunfalls für polizeiuntauglich befunden und in den Ruhestand versetzt worden. Die ihm versorgungshalber gezahlten Bezüge von 80 % der Dienstbezüge nach A 9 würden ihm nicht aufgrund der Dienstzeit gewährt, sondern aufgrund seines Dienstunfalls. Demgemäß finde auf die Versorgungsbezüge § 3 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit der Folge Anwendung, dass die Versorgungsbezüge steuerfrei seien. Der Einspruch und die Klage blieben erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 992 veröffentlicht.

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts.

Er beantragt sinngemäß, unter Aufhebung der Vorentscheidung den Einkommensteuerbescheid 2001 in der Weise zu ändern, dass das erhöhte Unfallruhegehalt als steuerfrei behandelt wird.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Das FG hat ohne Rechtsverstoß entschieden, dass das erhöhte Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG steuerpflichtiger Arbeitslohn i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG ist, der nicht der Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 EStG unterliegt.

1. Zwischen den Beteiligten besteht zu Recht kein Streit darüber, dass das erhöhte Unfallruhegehalt die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4, § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG erfüllt.

2. Das erhöhte Unfallruhegehalt ist auch steuerpflichtig. § 3 Nr. 6 EStG kommt nicht in Betracht.

Nach dieser Vorschrift sind Bezüge, die auf Grund gesetzlicher Vorschriften aus öffentlichen Mitteln versorgungshalber an Wehrdienstbeschädigte und Zivildienstbeschädigte oder ihre Hinterbliebenen, Kriegsbeschädigte, Kriegshinterbliebene und ihnen gleichgestellte Personen gezahlt werden, steuerfrei, soweit es sich nicht um Bezüge handelt, die auf Grund der Dienstzeit gewährt werden. Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall nicht vor.

a) Entgegen der vom FG und den Beteiligten vertretenen Auffassung gehört der Kläger bereits nicht zu dem in § 3 Nr. 6 EStG genannten Personenkreis.

Die Vorschrift begünstigt, wie dargestellt, Bezüge, die versorgungshalber u.a. an Wehrdienstbeschädigte, Zivildienstbeschädigte, Kriegsbeschädigte und ihnen gleichgestellte Personen gezahlt werden. Derartige Bezüge regeln für Wehrdienstbeschädigte das Soldatenversorgungsgesetz - SVG - (§§ 80 ff. SVG), für Zivildienstbeschädigte das Zivildienstgesetz - ZDG - (§§ 47 ff. ZDG) und für Kriegsbeschädigte das Bundesversorgungsgesetz (BVG). Voraussetzung des Versorgungsanspruchs und damit der Steuerbefreiung ist in diesen Fällen die Verrichtung eines militärischen oder - wegen der Gleichstellung von Ersatzdienstpflicht und Wehrpflicht - eines diesen ersetzenden Dienstes. Diesem Kreis gleichgestellt sind Personen, die in sonstiger Weise durch Krieg oder kriegsähnliche Umstände zu Schaden gekommen sind. Dazu zählt vor allem der in § 82 BVG genannte Personenkreis (vgl. v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 3 Nr. 6 Rz B 6/39; Bergkemper in Herrmann/Heuer/Raupach, § 3 Nr. 6 EStG Rz 3; zur Gleichstellung eines Angehörigen des Bundesgrenzschutzes mit einem Soldaten vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 15. Mai 1992 VI R 19/90, BFHE 168, 258, BStBl II 1992, 1035). Nicht gleichgestellt sind dagegen Personen, die im zivilen Bereich zu Schaden gekommen sind. Für Beamte, die, wie der Kläger, als Polizist einen gefährlichen Dienst ausüben, ist die Unfallfürsorge ausdrücklich in § 37 BeamtVG geregelt (vgl. dazu Plog/ Wiedow/Lemhöfer/Bayer, Kommentar zum Bundesbeamtengesetz, § 37 BeamtVG, Rz 2a).

b) Im Übrigen werden, wie das FG zu Recht ausgeführt hat, die streitigen Bezüge gemäß § 37 BeamtVG "auf Grund der Dienstzeit" i.S. des § 3 Nr. 6 EStG gewährt.

Zwar ist der Wortlaut des § 3 Nr. 6 EStG hinsichtlich des Merkmals "auf Grund der Dienstzeit gewährt" missverständlich und auslegungsbedürftig (vgl. BFH-Urteil vom 16. Januar 1998 VI R 5/96, BFHE 185, 257, BStBl II 1998, 303). Nach der Rechtsprechung des Senats ist jedoch für die Entscheidung der Frage, ob die Bezüge auf Grund der Dienstzeit gewährt werden, maßgeblich, wie diese berechnet werden. Sie werden danach auf Grund der Dienstzeit gewährt, wenn sich die Dienstzeit bei der Errechnung der Bezüge ausgewirkt hat, die Zahlungen also an die ruhegehaltsfähigen Bezüge anknüpfen. Dies hat der Senat für das Unfallruhegehalt (§ 140 Abs. 2 des Bundesbeamtengesetzes - BBG -; § 36 BeamtVG) bejaht, und zwar unabhängig davon, dass das Unfallruhegehalt ggf. auch unter Berücksichtigung einer höheren als der tatsächlich abgeleisteten Dienstzeit, also einer fiktiven Dienstzeit, berechnet werden kann (vgl. BFH-Urteile vom 8. März 1957 VI 28/55 U, BFHE 64, 467, BStBl III 1957, 174; vom 3. März 1961 VI 23/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1961, 98; in BFHE 185, 257, BStBl II 1998, 303; vgl. dazu v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., Rz B 6/53).

Der Senat hält an dieser Rechtsprechung fest. Entscheidend ist, dass das Unfallruhegehalt ebenso wie das Ruhegehalt die Versorgung des Beamten nach Eintritt in den Ruhestand bezweckt. § 36 BeamtVG regelt nämlich das Ruhegehalt des Beamten, der infolge eines Dienstunfalls dienstunfähig geworden und deshalb in den Ruhestand versetzt worden ist. Beim Unfallruhegehalt handelt es sich lediglich um ein nach Anlass und Höhe gegenüber §§ 4 ff. BeamtVG modifiziertes bzw. qualifiziertes Ruhegehalt (vgl. Plog/Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rz 1a, 8 ff.). Die steuerliche Behandlung folgt der sozialrechtlichen Bedeutung der Leistungen nach § 36 BeamtVG als Ruhegehaltsbezüge. Wie das normale Ruhegehalt ist auch das modifizierte Ruhegehalt eine steuerbare Leistung i.S. des § 19 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1a EStG. § 3 Nr. 6 EStG kommt nicht zur Anwendung. Die Vorschrift bezweckt lediglich die Steuerfreistellung geringfügiger, dem Unfallausgleich dienender Leistungen (Beater, Finanz-Rundschau 1990, 503; v. Beckerath, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., Rz B 6/23).

In entsprechender Weise ist auch für das erhöhte Unfallruhegehalt gemäß § 37 BeamtVG anzunehmen, dass es i.S. des § 3 Nr. 6 EStG "auf Grund der Dienstzeit" gewährt wird. Denn das erhöhte Unfallruhegehalt ist ein qualifiziertes Unfallruhegehalt; § 37 BeamtVG ist lex specialis zu § 36 BeamtVG (Plog/Wiedow/ Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rz 1, 11a; zur Bedeutung der Vorschrift vgl. auch Rz 1a ff.). Zwar weist die Höhe des erhöhten Unfallruhegehalts auch Elemente einer sozialen Entschädigung auf (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 185, 257, BStBl II 1998, 303). Denn der hohe Regelsatz, die abweichende Besoldungsgruppe und die Zugrundelegung der Endstufe der anzusetzenden Besoldungsgruppe können dazu führen, dass das Ruhegehalt deutlich über den zuletzt bezogenen Dienstbezügen liegt (Plog/ Wiedow/Lemhöfer/Bayer, a.a.O., Rz 1e, 11c). Daraus kann der Kläger jedoch nicht ableiten, dass für den Teil seiner Bezüge, der das übliche Ruhegehalt übersteigt, die Steuerbefreiung nach § 3 Nr. 6 EStG in Betracht kommt. Vielmehr stellen die unfallbedingt gewährten Erhöhungsbeträge die rechtliche Qualifikation der Leistung als einheitliches Ruhegehalt nicht in Frage.