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BFH-Urteil vom 18.9.2008 (V R 21/07) BStBl. 2009 II S. 254

Ist Gegenstand der Übertragung ein zu bebauendes Grundstück, das der Veräußerer unter der Bedingung der Fertigstellung des Bauvorhabens vermietet hat, liegt keine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG 1999 vor.

UStG 1999 § 1 Abs. 1a; Richtlinie 77/388/EWG Art. 5 Abs. 8.

Vorinstanz: Sächsisches FG vom 16. Dezember 2004 3 K 891/03

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, die aufgrund eines notariell beurkundeten Kaufvertrages vom 23. Dezember 1996 ein Grundstück von der Veräußerin, bei der es sich gleichfalls um eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts handelt, erwarb. Gesellschaftszweck der Klägerin ist die Vermietung und Verwaltung dieses Grundstücks.

Die Veräußerin hatte das Grundstück ihrerseits im Dezember 1995 in Bebauungsabsicht erworben und am 1. September 1996 vorbehaltlich der Fertigstellung des Bauvorhabens mit Frau W als Mieterin einen Mietvorvertrag über die Vermietung des Grundstücks abgeschlossen. Nach dem Vertrag beabsichtigte die Veräußerin, auf dem Grundstück eine gastronomische Einrichtung mit Bowlinganlage zu errichten. Als Mietzeit wurden zehn Jahre vereinbart, die Vermietung sollte zwei Wochen nach Fertigstellung und Übergabe an die Veräußerin beginnen.

Die Veräußerin hatte zunächst beabsichtigt, den Gastronomiekomplex nach Errichtung im eigenen Bestand zu halten. Im Laufe des Jahres 1996 fasste sie aus persönlichen und wirtschaftlichen Gründen, insbesondere weil die Finanzierung nicht gesichert war, den Entschluss, das Grundstück zu veräußern.

Nach dem notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 23. Dezember 1996 verpflichtete sich die Veräußerin gegenüber der Klägerin, das auf dem Grundstück befindliche Gebäude abzureißen und eine neue Gaststättenanlage mit 600 qm Nutzfläche, 100 Plätzen, 16 Stellplätzen und vier Bowlingbahnen schlüsselfertig und betriebsbereit zu errichten. Angestrebt wurde eine Fertigstellung und Eröffnung der Gaststätte zum 17. Mai 1997. Der Besitz sollte mit der Abnahme auf die Klägerin übergehen. Der im September 1996 abgeschlossene Mietvorvertrag war als Anlage Bestandteil des Kaufvertrages. Die Veräußerin hatte für die Rechtswirksamkeit des Mietvorvertrages und den zivilrechtlichen Übergang dieses Vertrages mit Eigentumsüberschreibung auf die Klägerin einzustehen.

Der Kaufpreis belief sich auf 2,4 Mio. DM zuzüglich Umsatzsteuer von 15 % in Höhe von 360.000 DM und somit auf insgesamt 2,76 Mio. DM.

Am 14. Juli 1997 schloss die Klägerin mit Frau W einen mit dem Vertrag vom 1. September 1996 inhaltlich weitgehend identischen Vertrag über die Vermietung des bebauten Grundstücks. Die Abnahme des Bauvorhabens sowie die Besitzübergabe an die Klägerin erfolgte am 5. August 1997. Die Gaststätte wurde im August 1997 durch die Mieterin W eröffnet. Die Eigentumseintragung der Klägerin in das Grundbuch erfolgte am 17. Dezember 1998.

Die Klägerin zahlte an die Veräußerin vertragsgemäß zunächst 96,5 % des Kaufpreises (2.316.000 DM). Im Rahmen von Nachverhandlungen im Jahr 1998 einigten sich die Veräußerin und die Klägerin auf einen Gesamtkaufpreis von 2.326.000 DM. Streitig war in der Folgezeit, ob es sich hierbei um einen Netto- oder um einen Bruttokaufpreis einschließlich Umsatzsteuer handelte.

Mit der Umsatzsteuererklärung für 1996 vom 5. Mai 1998 machte die Klägerin aufgrund des Erwerbs des Grundstücks einen Vergütungsanspruch in Höhe von zunächst 360.000 DM geltend. Nach einer berichtigten Erklärung beschränkte sich für 1996 der Vergütungsanspruch auf 348.960,84 DM, während sich für 1997 ein Vergütungsanspruch in Höhe von 12.656,61 DM ergab. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stimmte dem zu und zahlte die Vergütungsbeträge an die Klägerin aus.

Eine von der Veräußerin berichtigte Rechnung über einen Gesamtkaufpreis von 2.326.000 DM ohne Ausweis von Umsatzsteuer vom 15. März 2000 ging der Klägerin am 16. März 2000 (Streitjahr) zu. Im Umsatzsteuer-Vorauszahlungsbescheid März 2000 vom 15. Mai 2000 berücksichtigte das FA daher als abziehbare Vorsteuer- und Kürzungsbeträge aus Rechnungen von anderen Unternehmen "./. 360.000,00" DM. Hiergegen legte die Klägerin mit Schreiben vom 29. Mai 2000 Einspruch ein. Am 29. August 2001 reichte die Klägerin die Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr 2000 ohne Vorsteuerberichtigung ein und erklärte nach Abzug von Vorsteuerbeträgen (4.209,89 DM) Umsatzsteuer in Höhe von 25.146,97 DM. Gegenstand des Einspruchsverfahrens war der Jahresumsatzsteuerbescheid 2000 vom 13. November 2001, in dem das FA die Angaben der Klägerin und zusätzlich eine Vorsteuerberichtigung nach § 17 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) in Höhe von 360.000 DM erfasste.

Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das Finanzgericht (FG) stützte die Klageabweisung darauf, dass eine Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG 1999 vorliege. Insoweit sei unerheblich, dass das Bauträgerunternehmen der Veräußerin von der Klägerin als Vermietungsunternehmen fortgeführt worden sei. Weiter sei der ursprüngliche Steuerausweis unzutreffend, so dass die von der Veräußerin im Streitjahr 2000 vorgenommene Rechnungsberichtigung im Jahr der Rechnungsberichtigung zu einer Berichtigung des Vorsteuerabzugs nach § 14 Abs. 2 i.V.m. § 17 Abs. 1 UStG führe.

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin Verletzung materiellen und formellen Rechts und stützt sich auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 24. Februar 2005 V R 45/02 (BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61). Es handele sich nicht um eine Geschäftsveräußerung. Die Veräußerin habe von Anfang an keine finanziellen Mittel gehabt und auch die Bankfinanzierung sei der Veräußerin nur für den Fall eines rechtswirksam abgeschlossenen Bauträgervertrages zugesagt gewesen. Sie habe deshalb vor dem ersten Spatenstich verkaufen müssen. Es liege auch eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehörs vor, da das FG sein Urteil auf Unterlagen gestützt habe, die sie nicht gekannt habe.

Die Klägerin beantragt sinngemäß, unter Aufhebung des FG-Urteils vom 16. Dezember 2004 die Umsatzsteuer erklärungsgemäß ohne die Vorsteuerberichtigungen in Höhe von 360.000 DM festzusetzen, hilfsweise das FG-Urteil aufzuheben und die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Das FA beantragt, dem Hilfsantrag der Klägerin stattzugeben und unter Aufhebung des FG-Urteils die Sache an das FG zurückzuverweisen.

Nach Aktenlage könne nicht entschieden werden, ob die Veräußerin ein Bauträger- oder ein Vermietungsunternehmen geführt habe. Das FG-Urteil enthalte hierzu keine abschließenden Ausführungen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision der Klägerin ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung des FG und zur Änderung des Umsatzsteuerjahresbescheids 2000 vom 13. November 2001 im beantragten Umfang. Der erkennende Senat hat den Revisionsantrag der Klägerin in Übereinstimmung mit der Revisionsbegründung in dem Sinne ausgelegt, dass sie die Festsetzung der Umsatzsteuer ohne Berücksichtigung der Vorsteuerberichtigung in Höhe von 360.000 DM begehrt (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Urteil der Vorinstanz verletzt § 1 Abs. 1a UStG 1999; entgegen der Auffassung des FG liegt keine Geschäftsveräußerung vor, wenn ein noch zu bebauendes Grundstück übertragen wird, das der Veräußerer unter der Bedingung der Fertigstellung vermietet hat. Die Voraussetzungen für die Rechnungsberichtigung und die entsprechende Vorsteuerkorrektur lagen deshalb nicht vor.

1. Nach § 1 Abs. 1a UStG 1999 unterliegen Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der Umsatzsteuer. Die Vorschrift setzt voraus, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird.

a) § 1 Abs. 1a UStG 1999 dient der Umsetzung von Art. 5 Abs. 8 und Art. 6 Abs. 5 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) in nationales Recht und ist entsprechend dieser Bestimmung richtlinienkonform auszulegen (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 18. Januar 2005 V R 53/02, BFHE 208, 491, BStBl II 2007, 730). Nach Art. 5 Abs. 8 der Richtlinie 77/388/EWG können die Mitgliedstaaten die Übertragung eines Gesamt- oder Teilvermögens, die (wie hier) entgeltlich erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung vorliegt. Die Bestimmung bezweckt nach der Rechtsprechung des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften (EuGH), die Übertragung von Unternehmen oder Unternehmensteilen zu erleichtern und zu vereinfachen (EuGH-Urteil vom 27. November 2003 C-497/01, Zita Modes, Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 Randnr. 32) und erfasst dementsprechend die Übertragung von Geschäftsbetrieben und von selbständigen Unternehmensteilen, die als Zusammenfassung materieller und immaterieller Bestandteile ein Unternehmen oder einen Unternehmensteil bilden, mit dem eine selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortgeführt werden kann (EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 Randnrn. 39 f.). Der Erwerber muss dabei beabsichtigen, den übertragenen Geschäftsbetrieb oder Unternehmensteil zu betreiben. Nicht begünstigt ist die sofortige Abwicklung der übernommenen Geschäftstätigkeit (EuGH-Urteil Zita Modes in Slg. 2003, I-14393, BFH/NV Beilage 2004, 128 Randnr. 44).

b) Im Rahmen einer Gesamtwürdigung ist es für die Geschäftsveräußerung entscheidend, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht, und ob die vor und nach der Übertragung ausgeübten Tätigkeiten übereinstimmen oder sich hinreichend ähneln. Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist nicht erforderlich (BFH-Urteile vom 28. November 2002 V R 3/01, BFHE 200, 160, BStBl II 2004, 665, und vom 23. August 2007 V R 14/05, BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165). Der Fortsetzung der bisher durch den Veräußerer ausgeübten Tätigkeit steht es nicht entgegen, wenn der Erwerber den von ihm erworbenen Geschäftsbetrieb in seinem Zuschnitt ändert oder modernisiert (BFH-Urteil in BFHE 219, 229, BStBl II 2008, 165).

c) Bei Grundstücksgeschäften führt die Übertragung eines vermieteten oder verpachteten Grundstücks zu einer Geschäftsveräußerung nach § 1 Abs. 1a UStG 1999, da durch den mit Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in den Miet- oder Pachtvertrag ein Vermietungs- oder Verpachtungsunternehmen übernommen wird (BFH-Beschluss vom 1. April 2004 V B 112/03, BFHE 205, 511, BStBl II 2004, 802; BFH-Urteil vom 7. Juli 2005 V R 78/03, BFHE 211, 63, BStBl II 2005, 849). Dies gilt aber nur, wenn der Erwerber aufgrund der Übertragung des vermieteten oder verpachteten Grundstücks eine bereits vom Lieferer ausgeübte selbständige wirtschaftliche Tätigkeit fortführt. Hieran fehlt es, wenn die unternehmerische Tätigkeit des Veräußerers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter für die einzelnen Mieteinheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung gewinnbringend zu veräußern. Ein Vermietungsunternehmen, das der Erwerber fortführen könnte, liegt dann mangels nachhaltiger Vermietung nicht vor (BFH-Urteil in BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61). Ebenso führt die Veräußerung eines einzelnen Grundstücks ohne Übergang von Miet- oder Pachtverträgen nicht zu einer Geschäftsveräußerung, da es sich auch dann nicht um die Übertragung eines Unternehmens oder eines Unternehmensteils handelt, mit dem eine selbständige Tätigkeit fortgeführt werden kann (BFH-Urteile in BFHE 208, 491, BStBl II 2007, 730; vom 11. Oktober 2007 V R 57/06, BFHE 219, 284, BStBl II 2008, 447).

2. Das Urteil der Vorinstanz, dem die Auslegungsgrundsätze des zu dieser Vorschrift später ergangenen Senatsurteils in BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61 nicht bekannt waren, ist von anderen Grundsätzen ausgegangen und war daher aufzuheben. Der Senat kann aufgrund der Feststellungen des FG in der Sache selbst entscheiden (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).

Selbst wenn die Veräußerin im Streitfall zunächst beabsichtigt haben sollte, das Grundstück mit einem Gastronomiekomplex zu bebauen, zu vermieten und im eigenen Bestand zu halten, bestand bei der Veräußerin nach den Grundsätzen des Senatsurteils in BFHE 210, 146, BStBl II 2007, 61 im Zeitpunkt der Veräußerung kein hinreichend verfestigtes Vermietungsunternehmen, das durch die Klägerin fortgeführt werden konnte. Hiergegen spricht bereits, dass nach dem der Grundstücksübertragung zugrundeliegenden Rechtsverhältnis ein noch zu bebauendes Grundstück zu übertragen war und dass die Finanzierung der Gebäudeerrichtung nicht gesichert war. Im Übrigen wird auch die unternehmerische Tätigkeit der Veräußerin im Zeitraum zwischen dem Grundstückserwerb im Dezember 1995 und der Lieferung des bebauten Grundstücks durch Besitzeinweisung im August 1997 nicht durch ein Handeln in Vermietungs-, sondern durch ein Handeln in Veräußerungsabsicht geprägt. Denn die Veräußerin beauftragte den Makler zum Verkauf des zu bebauenden Grundstücks bereits im Oktober 1996 und damit unmittelbar nach Abschluss des Mietvorvertrages im September 1996.

Die Voraussetzungen für die Rechnungsberichtigung und die Berichtigung des Vorsteuerabzugs lagen danach nicht vor. Die im angefochtenen Umsatzsteuerbescheid 2000 vom 13. November 2001 festgesetzte Umsatzsteuer war deshalb von 385.146 DM um 360.000 DM auf 25.146 DM herabzusetzen.

3. Der Senat braucht nicht zu entscheiden, ob die im Streitjahr erfolgte Rechnungsberichtigung zu einer Rückgängigmachung des Verzichts auf die Steuerbefreiung gemäß § 9 UStG führt (vgl. hierzu BFH-Urteil vom 1. Februar 2001 V R 23/00, BFHE 194, 493, BStBl II 2003, 673). Denn selbst wenn eine wirksame und insbesondere rechtzeitige Rückgängigmachung des Verzichts vorläge, führt dies nach der Rechtsprechung des Senats zu einem Verlust des Vorsteuerabzugs für das Jahr der ursprünglichen Ausübung des Vorsteuerabzugsrechts, nicht aber zu einer Änderung im Jahr der Rückgängigmachung des Verzichts (BFH-Urteil vom 6. Oktober 2005 V R 8/04, BFH/NV 2006, 835), die erst im Streitjahr erfolgte.

4. Schließlich kam es auf den von der Klägerin gerügten Verfahrensfehler nicht mehr an, da dem Klageanspruch bereits aus anderen Gründen stattzugeben war.