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BFH-Urteil vom 30.10.2008 (III R 107/07) BStBl. 2009 II S. 352

Anträge einer Personengesellschaft auf Investitionszulage haben deren "besonders Beauftragte" zu unterschreiben. Als "besonders Beauftragter" einer GmbH & Co. KG kommt neben der Komplementär-GmbH - vertreten durch ihren Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter - auch ein Kommanditist in Betracht, dem die Wahrnehmung der steuerlichen Vertretung der KG wirksam übertragen wurde.

AO § 34, § 35, § 79 Abs. 1 Nr. 3; InvZulG 1996 § 6.

Vorinstanz: Hessisches FG vom 8. Juni 2006 9 K 3941/04

Sachverhalt

I.

Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt in der Rechtsform einer GmbH & Co. KG ein Hotel im Fördergebiet. Die von ihr für die Kalenderjahre 1994 und 1995 beantragte Investitionszulage setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) jeweils in der beantragten Höhe unter dem Vorbehalt der Nachprüfung fest.

Im Rahmen einer 1998 durchgeführten steuerlichen Außenprüfung ermittelte der Prüfer, dass die Anträge nicht von der einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH, sondern von deren Ehemann unterzeichnet worden waren. Dieser ist Wirtschaftsprüfer und Steuerberater, Kommanditist der Klägerin sowie Gesellschafter der Komplementär-GmbH. Die Komplementär-GmbH hatte ihm am 1. September 1995 eine später notariell beglaubigte Vollmacht eingeräumt, "wie sie gemäß § 49 HGB einem Prokuristen zusteht".

Der Prüfer ging davon aus, dass die Anträge nicht, wie durch § 6 Abs. 3 Satz 1 des Investitionszulagengesetzes (InvZulG) 1996 vorgeschrieben, von der Anspruchsberechtigten selbst beziehungsweise ihrer gesetzlichen Vertreterin eigenhändig unterschrieben worden waren. Das FA folgte der Auffassung des Prüfers. Es änderte die Investitionszulagenbescheide 1994 und 1995 und setzte die Investitionszulage jeweils auf 0 DM fest. Der Einspruch blieb ohne Erfolg.

Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Es führte aus, die erforderliche eigenhändige Unterschrift hätte die Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH leisten müssen. Eine Bevollmächtigung des Ehemannes genüge nicht, da selbst ein wirksam bestellter Prokurist den Antrag auf Investitionszulage nach dem Senatsurteil vom 16. Mai 2002 III R 27/01 (BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668) nicht hätte stellen können. Ob der Ehemann ein "besonders Beauftragter" i.S. des § 79 Abs. 1 Nr. 3 der Abgabenordnung (AO) gewesen sei, könne offen bleiben, da die Klägerin einen Geschäftsführer als gesetzlichen Vertreter gehabt habe (Senatsurteil vom 15. Oktober 1998 III R 58/95, BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237). Zwar spreche viel dafür, dass der auch als Verfügungsberechtigter aufgetretene Ehemann als faktischer Geschäftsführer der GmbH und damit auch der Klägerin fungiert habe. Das brauche aber nicht geklärt zu werden, weil auch ein faktischer Geschäftsführer die Investitionszulage nicht hätte beantragen können, da § 34 Abs. 2 AO ein wirksames Tätigwerden faktischer GmbH-Geschäftsführer nur erlaube, wenn kein förmlicher Geschäftsführer vorhanden sei. Der Ehemann habe den Antrag für 1994 auch nicht wegen Verhinderung der Geschäftsführerin unterzeichnen dürfen (§ 150 Abs. 3 AO).

Mit der Revision trägt die Klägerin vor, die Anträge auf Investitionszulage seien durch den Ehemann wirksam unterzeichnet worden. Er habe als faktischer Geschäftsführer im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs - BGH - (Urteile vom 27. Juni 2005 II ZR 113/03, Der Betrieb - DB - 2005, 1787, und vom 11. Juli 2005 II ZR 235/03, DB 2005, 1897) fungiert und sie - die Klägerin - in allen steuerlichen Angelegenheiten, bei Bankgesprächen und der Vergabe und Durchführung von Baumaßnahmen vertreten. Nach den Feststellungen des FG verfüge er über eine Spezialvollmacht (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 AO), sei als Gesellschafter beteiligt und außerdem als Verfügungsberechtigter aufgetreten (§§ 35, 34 Abs. 1 AO). Die Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH sei demgegenüber nur vorgeschoben. Nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) - z.B. dem Senatsurteil vom 13. Dezember 2001 III R 24/99 (BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159) - brauche der Antragsteller nicht eigenhändig zu unterzeichnen, wenn der Unterzeichnende die Verantwortung für die Richtigkeit der der Erklärung zu Grunde liegenden Tatsachen übernehme und kein Zweifel an der Urheberschaft des Antrages bestehe.

Die Unterzeichnung durch den Ehemann genüge zudem nach der Regelung des § 150 Abs. 3 AO. Das FG habe nicht beachtet, dass die Geschäftsführerin gerade am Ende der Frist, d.h. zwischen dem 27. und dem 30. September 1995, durch Abwesenheit an der Unterschrift gehindert gewesen sei. Es sei unzumutbar gewesen, die Geschäftsführerin zwischen dem 27. September 1995 - dem Zeitpunkt der Fertigstellung des Antrags mit 116 Seiten Anlagen - und dem 30. September 1995 in Hamburg zur Unterzeichnung aufzusuchen. Außerdem komme es nach dem Gesetzeswortlaut auf die Abwesenheit und nicht auf die Unerreichbarkeit an. Diese Rechtsauffassung werde durch das rechtskräftige Urteil des FG des Landes Sachsen-Anhalt vom 4. Mai 2006 1 K 378/02 (Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2007, 4) bestätigt.

Die Klägerin beantragt, das Urteil des FG sowie die Investitionszulagenbescheide 1994 und 1995 vom 12. Juni 1998 und die Einspruchsentscheidung vom 20. Oktober 2004 aufzuheben.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des erstinstanzlichen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG.

1. Der Antrag auf Gewährung einer Investitionszulage ist gemäß § 6 Abs. 1 i.V.m. Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1996, das grundsätzlich für alle nach dem 31. Dezember 1990 abgeschlossenen Investitionen gilt (§ 11 Abs. 1 InvZulG 1996), bis zum 30. September des Folgejahres nach der Investition eigenhändig zu unterschreiben (ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsbeschluss vom 31. Januar 2007 III B 168/05, BFH/NV 2007, 977). Die Regelung des § 126 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB), wonach die Unterzeichnung durch einen rechtsgeschäftlich Bevollmächtigten als eigenhändige Unterschrift gilt, ist im Steuerrecht nicht unmittelbar anwendbar; dem Erfordernis der Eigenhändigkeit der Unterschrift des Steuerpflichtigen wird vielmehr nur dann genügt, wenn dieser die Unterschrift tatsächlich höchstpersönlich leistet (Senatsurteile vom 16. Juni 1989 III R 119/85, BFHE 158, 270, BStBl II 1989, 1022, und in BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237).

Auf das Erfordernis der eigenhändigen Unterzeichnung wird auf dem durch § 6 Abs. 3 Satz 1 InvZulG 1996 vorgeschriebenen amtlichen Vordruck ausreichend hingewiesen (Senatsurteil in BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237; Senatsbeschluss vom 25. Februar 2005 III B 113/04, BFH/NV 2005, 1144).

2. Für Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH), die steuerrechtsfähig und nach § 1 Abs. 1 Satz 1 InvZulG 1996 anspruchsberechtigt, aber nicht verfahrensrechtlich handlungsfähig sind, handeln nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) in erster Linie ihre Geschäftsführer als gesetzliche Vertreter.

Neben den gesetzlichen Vertretern können nach § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO "besonders Beauftragte" für die dort genannten juristischen Personen, Vereinigungen oder Vermögensmassen handeln. Nach dem Senatsurteil in BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237 regelt § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO die Vertretung verfahrenshandlungsunfähiger Steuerrechtssubjekte im Verwaltungsverfahren in der Weise, dass juristische Personen, die über gesetzliche Vertreter verfügen, durch diese handeln, nichtrechtsfähige Vereinigungen und Vermögensmassen hingegen durch besonders Beauftragte. Einer Vertretung juristischer Personen mit gesetzlichen Vertretern durch besonders Beauftragte stehe entgegen, dass diese keinen eigenen steuerlichen Pflichten gemäß § 34 Abs. 1 AO unterlägen.

Der Antrag einer GmbH auf Gewährung einer Investitionszulage (nach dem InvZulG 1991 bis InvZulG 1996) ist daher grundsätzlich nur wirksam, wenn er von dem Geschäftsführer eigenhändig unterschrieben ist; die Unterschrift eines Prokuristen oder eines sonstigen Vertreters genügt nicht (Senatsurteile in BFHE 196, 464, BStBl II 2002, 159; in BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668; Senatsbeschluss vom 17. März 2008 III B 41/07, BFH/NV 2008, 1200). Die dem Ehemann von der GmbH erteilte Vollmacht, für diese wie ein Prokurist zu handeln, ist daher unerheblich.

3. Kommanditgesellschaften können am Rechtsverkehr teilnehmen und Rechte erwerben sowie Verpflichtungen eingehen (vgl. Loose in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 34 AO Rz 10). Sie sind - wie GmbH - nicht selbst handlungsfähig. Als nichtrechtsfähige Personenvereinigungen i.S. des § 34 Abs. 1 AO (vgl. Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 34 AO Rz 10) haben deren Geschäftsführer ihre steuerlichen Pflichten zu erfüllen. Der Begriff "Geschäftsführer" ist nicht im Sinne des BGB (§§ 709 ff. BGB) und des Handelsgesetzbuches - HGB - (§§ 114 ff., 163 f. HGB) zu verstehen, d.h. einer Unterscheidung zwischen Geschäftsführung im Innen- und Vertretung im Außenverhältnis. Gemeint sind vielmehr die Personen, welche die Geschäfte der Personenvereinigung tatsächlich führen (Loose in Tipke/Kruse, a.a.O., § 34 AO Rz 11).

Kommanditgesellschaften werden gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO von besonders Beauftragten vertreten (Senatsurteil in BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237). Bei diesen handelt es sich um Personen, die nicht zu den gesetzlichen Vertretern natürlicher oder juristischer Personen i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 AO gehören, die steuergesetzlichen Pflichten sonstiger verfahrenshandlungsunfähiger Steuerrechtssubjekte erfüllen müssen und deren Rechte wahrnehmen, d.h. die Geschäftsführer i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 AO sowie diejenigen, die nach § 34 Abs. 2 und 3 AO die entsprechenden Pflichten zu erfüllen haben (Senatsurteil in BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237; Söhn in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 79 AO Rz 84).

Im Sinne des § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO handeln somit für juristische Personen regelmäßig die gesetzlichen Vertreter, für Personenvereinigungen - wie Kommanditgesellschaften - dagegen regelmäßig deren Geschäftsführer als "besonders Beauftragte" (Senatsurteil in BFHE 187, 141, BStBl II 1999, 237; Drüen in Tipke/Kruse, a.a.O., § 79 AO Rz 22). Dies entspricht auch dem amtlichen Antragsvordruck, der die "eigenhändige Unterschrift des Anspruchsberechtigten" fordert und dazu ausführt: "Der Antrag ist bei Körperschaften vom gesetzlichen Vertreter, bei Personengesellschaften (Gemeinschaften) von einer zur Geschäftsführung oder Vertretung berechtigten Person zu unterschreiben."

4. Die Klägerin kann als Personengesellschaft im Steuerverfahren durch ihre handelsrechtlich zur Vertretung und Geschäftsführung befugte Komplementär-GmbH als besonders Beauftragte i.S. vom § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO vertreten werden. Für diese hätte ihre Geschäftsführerin als gesetzliche Vertreterin handeln (§ 79 Abs. 1 Nr. 3 AO i.V.m. § 35 Abs. 1 GmbHG) und den Antrag auf Investitionszulage unterschreiben können.

Eine GmbH & Co. KG wie die Klägerin, die nicht gesetzlich vertreten wird, kann darüber hinaus auch durch andere Personen als besonders Beauftragte vertreten werden, die ihre Geschäfte tatsächlich führen (vgl. auch BFH-Urteil vom 23. Mai 1996 IV R 87/93, BFHE 180, 396, BStBl II 1996, 523, sowie Schmidt/ Wacker, EStG, 27. Aufl., § 15 Rz 216 und Rz 222, und Stuhlfelner in HK-HGB, 7. Aufl., § 164 Rz 2 zur Übertragung der handelsrechtlichen Geschäftsführungsbefugnis auf einen Kommanditisten).

5. Mit dieser Entscheidung weicht der Senat nicht von seinem Urteil in BFHE 198, 283, BStBl II 2002, 668 ab. Der Prokurist der Komplementär-GmbH, der dort den Antrag der KG unterzeichnet hatte, kam als besonders Beauftragter der KG nicht in Betracht.

6. Das FG ist davon ausgegangen, dass der Ehemann die Klägerin nicht wirksam habe vertreten können, da diese durch die Geschäftsführerin der Komplementär-GmbH gesetzlich vertreten werde. Es hat daher nicht geprüft, ob der Ehemann - neben der Komplementär-GmbH - weiterer Geschäftsführer i.S. von § 34 Abs. 1 Satz 1 AO und "besonders Beauftragter" der Klägerin i.S. von § 79 Abs. 1 Nr. 3 AO war und die Anträge auf Investitionszulage für sie in dieser Eigenschaft wirksam unterzeichnen konnte. Das Urteil des FG war daher aufzuheben. Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, damit festgestellt werden kann, ob dem Ehemann - allein oder neben der Komplementär-GmbH - die Wahrnehmung der steuerlichen Vertretung der Klägerin wirksam übertragen wurde.