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BFH-Urteil vom 11.2.2009 (I R 40/08) BStBl. 2009 II S. 594

Im Veranlagungszeitraum 2001 findet auf den Hinzurechnungsbetrag i.S. des § 10 AStG das sog. Halbeinkünfteverfahren Anwendung.

AStG § 10 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1; AStG i.d.F. des UntStFG § 10 Abs. 2 Sätze 1 und 3, § 21; Abs. 7 Satz 2; EStG 1997 i.d.F. des InvZulÄndG 1999 § 3 Nr. 40 Buchst. d, § 20 Abs. 1 Nr. 1.

Vorinstanz: FG Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 26. März 2008 3 K 142/06 (EFG 2008, 1388)

Sachverhalt

I.

Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) wurde im Streitjahr 2001 zusammen mit seiner Ehefrau zur Einkommensteuer veranlagt. Er ist selbständiger Programmierer und betrieb im Streitjahr ein Einzelunternehmen. Er war außerdem zu 98 v.H. Gesellschafter sowie Geschäftsführer einer Schweizer Aktiengesellschaft, der N-AG, für die nach § 18 Abs. 1 des Gesetzes über die Besteuerung bei Auslandsbeziehungen (Außensteuergesetz - AStG -) für das Wirtschaftsjahr 2000 zum 1. Januar 2001 ein Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG festgestellt worden war. Dem Antrag des Klägers, diesen Hinzurechnungsbetrag im Streitjahr nach § 3 Nr. 40 Buchst. d des Einkommensteuergesetzes in der für das Streitjahr maßgeblichen Fassung des Gesetzes zur Änderung des Investitionszulagengesetzes 1999 (InvZulÄndG 1999) vom 20. Dezember 2000 (BGBl I 2000, 1850, BStBl I 2001, 28) - EStG 1997 n.F. - nur zur Hälfte bei der Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen, lehnte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ab.

Die Klage gegen den hiernach ergangenen Steuerbescheid blieb erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) Baden-Württemberg, Außensenate Freiburg, vom 26. März 2008 3 K 142/06 ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1388 abgedruckt.

Der Kläger stützt seine Revision auf Verletzung materiellen Rechts. Er beantragt sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und den angefochtenen Einkommensteuerbescheid dahingehend zu ändern, dass die Einkommensteuer auf den Betrag festgesetzt wird, der sich bei Anwendung des Halbeinkünfteverfahrens auf den im Feststellungsbescheid vom 25. April 2005 festgestellten Hinzurechnungsbetrag für die N-AG für das Feststellungsjahr 2001 (Wirtschaftsjahr: 2000) ergibt.

Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

II.

Die Revision ist begründet. Das FA hat den nach § 18 Abs. 1 AStG festgestellten Hinzurechnungsbetrag nach § 10 AStG im Rahmen der Einkommensteuerveranlagung des Klägers für das Streitjahr zu Unrecht in voller Höhe und nicht nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997 n.F. nur hälftig angesetzt.

1. Der Hinzurechnungsbetrag gemäß § 10 Abs. 1 Satz 1 AStG gehört gemäß § 10 Abs. 2 Satz 1 AStG "zu den Einkünften aus Kapitalvermögen im Sinne des § 20 Abs. 1 Ziff. (Nr.) 1 des Einkommensteuergesetzes". Er wird nach der Regelungskonzeption des Außensteuergesetzes insoweit als Quasi-Ausschüttung angesehen und fiktiv entsprechenden Rechtsfolgen unterworfen. "Einkünfte" i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) sind wiederum nach der dort gegebenen Regelungsdefinition "Bezüge", die ihrerseits nach § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997 n.F. zur Hälfte steuerfrei sind. Das ergibt sich zweifelsfrei aus dem Regelungswortlaut und den Regelungszusammenhängen. Dass der Hinzurechnungsbetrag aus "rechtstechnischer" Sicht nicht unmittelbar in die Ermittlung der Einkünfte aus Kapitalvermögen nach § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG eingeht, sondern die Einkünfte aus Kapitalvermögen außerhalb der Überschussrechnung i.S. des § 2 Abs. 2 Nr. 2 i.V.m. Abs. 1 Nr. 5 EStG als "Einkünfteerhöhungsbetrag eigener Art" (vgl. dazu Senatsurteil vom 7. September 2005 I R 118/04, BFHE 211, 164, BStBl II 2006, 537) erhöht, ändert daran nichts (ebenso z.B. Luckey in Strunk/Kaminski/Köhler, Außensteuergesetz/Doppelbesteuerungsabkommen, § 10 AStG Rz 41; Vogt in Blümich, EStG, KStG, GewStG, § 10 AStG Rz 36 f.). Gleiches gilt - unbeschadet der vom FG befürchteten "empfindlichen Störung der Binnensystematik der §§ 3 ff. EStG" und der vom Gesetzgeber insoweit womöglich beabsichtigten Korrespondenz - für den Umstand, dass infolge dieser "Regelungstechnik" zugleich die besonderen tatbestandlichen Voraussetzungen des § 3c Abs. 1 EStG 1997 n.F. und des sich hiernach ergebenden Abzugsausschlusses für Ausgaben, welche mit steuerfreien Einnahmen in unmittelbarem wirtschaftlichen Zusammenhang stehen, nicht erfüllt sind (vgl. Senatsurteil in BFHE 211, 164, BStBl II 2006, 537).

2. Diese Auslegung wird nicht zuletzt durch § 10 Abs. 2 Satz 3 AStG i.d.F. des Gesetzes zur Fortentwicklung des Unternehmenssteuerrechts (Unternehmenssteuerfortentwicklungsgesetz - UntStFG -) vom 20. Dezember 2001 (BGBl I 2001, 3858, BStBl I 2002, 35) bestätigt, wonach § 3 Nr. 40 (Satz 1) Buchst. d EStG 1997 i.d.F. des UntStFG auf den Hinzurechnungsbetrag nicht anzuwenden ist. Dieses Regelungsausschlusses bedürfte es - im Umkehrschluss - nicht, wenn der Hinzurechnungsbetrag nicht (kraft gesetzlicher Fiktion) ohnehin zu den Bezügen i.S. von § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG gehörte. Anders als § 3 Nr. 40 Buchst. d EStG 1997 n.F. (vgl. § 52 Abs. 4b EStG 1997 i.d.F. des UntStFG; dazu im Einzelnen Luckey in Strunk/Kaminski/ Köhler, a.a.O., § 10 AStG Rz 8) war § 10 Abs. 2 AStG in der vorgenannten Gesetzesfassung im Streitjahr allerdings (noch) nicht anzuwenden. Das ist nach § 21 Abs. 7 Satz 2 AStG i.d.F. des UntStFG erstmals für den Veranlagungszeitraum der Fall, für den Zwischeneinkünfte hinzuzurechnen sind, die in einem Wirtschaftsjahr der Zwischengesellschaft oder der Betriebsstätte entstanden sind, das nach dem 31. Dezember 2000 beginnt. Dies trifft auf die im Streitfall hinzuzurechnenden Einkünfte der N-AG nicht zu; denn diese stammen aus dem am 31. Dezember 2000 endenden Wirtschaftsjahr der N-AG. Ein nach der Regelungskonzeption des sog. Halbeinkünfteverfahrens möglicherweise entgegenstehender Wille des Gesetzgebers, den Hinzurechnungsbetrag auch im Jahre 2001 zunächst einer Vollbesteuerung zu unterwerfen und erst die anschließende Ausschüttung der Gewinne nach § 8b Abs. 1 des Körperschaftsteuergesetzes bzw. § 3 Nr. 41 Buchst. a EStG 1997 n.F. außer Ansatz zu lassen (zur prinzipiellen "Systemimmanenz" der Nichtanwendung des Halbeinkünfteverfahrens s. z.B. Wassermeyer/Schönfeld in Flick/Wassermeyer/Baumhoff, Außensteuerrecht, § 10 AStG Rz 202), hätte im Gesetzestext keinen hinreichenden Niederschlag gefunden. Dieser Text ist eindeutig und belässt keine Auslegungsmöglichkeiten zu Lasten des Steuerpflichtigen (ebenso z.B. Luckey in Strunk/Kaminski/Köhler, a.a.O., § 10 AStG Rz 8; Vogt in Blümich, a.a.O., § 10 AStG Rz 37).

3. Die Vorinstanz hat eine abweichende Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der angefochtene Einkommensteuerbescheid ist deshalb entsprechend zu ändern, wobei die Ermittlung und Berechnung des festzusetzenden Betrages dem FA nach Maßgabe der Gründe dieser Entscheidung überlassen wird (§ 100 Abs. 2 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).