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BFH-Urteil
vom 9.7.2009 (II R 55/08) BStBl. 2009 II S. 969 Die
"tatsächlich für die in die Zusammenrechnung einbezogenen früheren
Erwerbe zu entrichtende Steuer" i.S. des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG ist
die Steuer, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für
diese Erwerbe festzusetzen gewesen wäre, und nicht die dafür wirklich
festgesetzte Steuer. ErbStG
§ 14 Abs. 1. Vorinstanz:
FG Düsseldorf vom 30. April 2008 4 K 51/06 Erb (EFG 209, 676) Sachverhalt I. Die
Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin (Klägerin) erhielt im
Jahr 1997 von ihrer Mutter u.a. einen landwirtschaftlichen Betrieb mit einem
Steuerwert von 55.000 DM geschenkt (Vorerwerb). Der Wert des Erwerbs betrug
insgesamt 427.000 DM. Bei der bestandskräftig gewordenen Festsetzung der
Schenkungsteuer in Höhe von 1.890 DM (966,34 EUR) gewährte der Beklagte,
Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die Steuervergünstigungen
des § 13a des Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes (ErbStG) nicht.
Die Klägerin zahlte die festgesetzte Steuer. Im
Jahr 2002 wurde die Klägerin Miterbin nach ihrer Mutter (Letzterwerb). Das
FA setzte gegen die Klägerin für diesen Erwerb zuletzt mit Bescheid vom 7.
April 2005 Erbschaftsteuer in Höhe von 6.514 EUR fest. Im Rahmen der
Zusammenrechnung der Erwerbe nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG berücksichtigte
es die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG weiterhin nicht. Das FA zog
als tatsächlich zu entrichtende Steuer für den Vorerwerb nach § 14 Abs. 1
Satz 3 ErbStG die im Schenkungsteuerbescheid festgesetzte Steuer von 966 EUR
ab, da diese aufgrund der Steuerberechnung auf Euro-Basis (nicht exakte
Umrechnung des Freibetrags, Rundungsdifferenzen) höher war als die von ihm
errechnete fiktive anrechenbare Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG (931
EUR). Das FA ermittelte die Steuer für den Letzterwerb im Einzelnen wie
folgt:
Der
Einspruch blieb erfolglos. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage, mit der die
Klägerin die Aufhebung der ergangenen Erbschaftsteuerbescheide und der
Einspruchsentscheidung begehrte, nur insoweit statt, als es die
Erbschaftsteuer auf 5 271 EUR herabsetzte. Bei der Zusammenrechnung nach §
14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG berücksichtigte es zwar für den Vorerwerb den
Bewertungsabschlag nach § 13a Abs. 2 ErbStG in Höhe von 11.248 EUR, nicht
aber den Freibetrag nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG, da dieser nur
auf Antrag zu gewähren sei, der wegen der Bestandskraft des
Schenkungsteuerbescheids nicht mehr gestellt werden könne. Von der bei
einem steuerpflichtigen Erwerb von nunmehr 56.700 EUR ermittelten Steuer von
6.237 EUR sei gemäß § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht die unter Berücksichtigung
des Bewertungsabschlags berechnete Schenkungsteuer auf den Vorerwerb (179
EUR) abzuziehen, sondern die höhere im Steuerbescheid festgesetzte und
gezahlte Steuer (966 EUR). Dies ergebe sich aus Wortlaut, Sinn und Zweck
sowie Entstehungsgeschichte des § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG. Die
Vorentscheidung ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2009, 676 veröffentlicht. Mit
seiner Revision rügt das FA fehlerhafte Anwendung des § 14 Abs. 1 Satz 3
ErbStG, da die richtig berechnete Schenkungsteuer auf den Vorerwerb (179
EUR) abzuziehen sei und nicht die im Schenkungsteuerbescheid festgesetzte
(966 EUR). Bei der Berechnung der Steuer auf den steuerpflichtigen Erwerb
von 56.700 EUR sei zugunsten der Klägerin der Härteausgleich nach § 19
Abs. 3 ErbStG zu berücksichtigen. Das
FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und den Erbschaftsteuerbescheid
vom 7. April 2005 dahingehend abzuändern, dass die Steuer auf 5.811 EUR
festgesetzt wird. Die
Klägerin beantragt, die Revision des FA zurückzuweisen und die
Erbschaftsteuer auf 5.024 EUR herabzusetzen. Diese
Steuer ergebe sich bei Berücksichtigung des in § 19 Abs. 3 ErbStG
geregelten Härteausgleichs. Im Übrigen sei die Vorentscheidung nicht zu
beanstanden. Entscheidungsgründe II. Die
Revision des FA ist begründet. Sie führt gemäß § 126 Abs. 3 Satz 1 Nr.
1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Festsetzung der Erbschaftsteuer auf 5.811 EUR. 1.
Entgegen der Auffassung des FG ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG nicht die
zu hohe, aber bestandskräftig festgesetzte Steuer auf den Vorerwerb
abzuziehen, sondern die Steuer, die bei zutreffender Beurteilung der Sach-
und Rechtslage für den Vorerwerb festzusetzen gewesen wäre. a)
Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG werden mehrere innerhalb von zehn Jahren von
derselben Person anfallende Vermögensvorteile in der Weise
zusammengerechnet, dass dem letzten Erwerb die früheren Erwerbe nach ihrem
früheren Wert zugerechnet werden. Von der Steuer für den Gesamtbetrag wird
gemäß § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG die Steuer abgezogen, die für die früheren
Erwerbe nach den persönlichen Verhältnissen des Erwerbers und auf der
Grundlage der geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs zu erheben
gewesen wäre. Anstelle dieser fiktiven anrechenbaren Steuer ist nach dem
durch Gesetz vom 20. Dezember 1996 (BGBl I 1996, 2049) eingeführten § 14
Abs. 1 Satz 3 ErbStG die tatsächlich für die in die Zusammenrechnung
einbezogenen früheren Erwerbe zu entrichtende Steuer abzuziehen, wenn diese
höher ist als die fiktive anrechenbare Steuer nach Satz 2 der Vorschrift. §
14 ErbStG will verhindern, dass durch die Aufteilung einer beabsichtigten
Zuwendung in mehrere zeitlich folgende Teilübertragungen durch mehrfache
Gewährung der persönlichen Freibeträge und die Vermeidung der
Steuerprogression Steuervorteile erlangt werden. Die von der Vorschrift
angeordnete Zusammenrechnung gewährleistet, dass die Freibeträge innerhalb
des zehnjährigen Zusammenrechnungszeitraums nur einmal zur Anwendung
gelangen und sich für mehrere Erwerbe gegenüber einer einheitlichen
Zuwendung in gleicher Höhe kein Progressionsvorteil ergibt (vgl. BTDrucks
VI/3418, 69, zu § 14; Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 30. März
1977 II R 98/76, BFHE 122, 330, BStBl II 1977, 664; vom 17. April 1991 II R
121/88, BFHE 164, 107, BStBl II 1991, 522; vom 30. Januar 2002 II R 78/99,
BFHE 197, 280, BStBl II 2002, 316; vom 2. März 2005 II R 43/03, BFHE 209,
153, BStBl II 2005, 728; vom 14. Januar 2009 II R 48/07, BFH/NV 2009, 1204). Die
Vorschrift ändert nichts daran, dass die einzelnen Erwerbe als selbständige
steuerpflichtige Vorgänge jeweils für sich der Steuer unterliegen. Weder
werden die früheren Steuerfestsetzungen für den letzten Erwerb
zusammengefasst noch werden die einzelnen Erwerbe innerhalb eines
Zehnjahreszeitraums zu einem einheitlichen Erwerb verbunden. Die Vorschrift
enthält lediglich eine besondere Anordnung für die Berechnung der Steuer,
die für den letzten Erwerb innerhalb des Zehnjahreszeitraums festzusetzen
ist (BFH-Urteile in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728, und in BFH/NV 2009,
1204). b)
Aufgrund der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbe sind die
in die Zusammenrechnung nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG einzubeziehenden
Vorerwerbe dem letzten Erwerb nicht mit materiell-rechtlich unzutreffenden
Werten hinzuzurechnen, selbst wenn sie den vorangegangenen
Steuerfestsetzungen für diese Erwerbe zu Grunde gelegt worden waren,
sondern mit den ihnen (damals) zukommenden materiell-rechtlich zutreffenden
Werten. Dieser richtige Wertansatz ist auch für die Berechnung der nach §
14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG abziehbaren fiktiven Steuer maßgebend. Die für die
Vorerwerbe ergangenen Steuerbescheide entfalten keine Bindungswirkung etwa
im Sinn von Grundlagenbescheiden (BFH-Urteil in BFHE 164, 107, BStBl II
1991, 522). Nichts
anderes gilt auch für die Berechnung der nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG
abziehbaren Steuer. Zwar deutet der Wortlaut "tatsächlich ... zu
entrichtende Steuer" auf den ersten Blick darauf hin, dass es auf die
durch die Steuerbescheide für die Vorerwerbe begründeten, bereits erfüllten
oder noch offenen Zahlungspflichten ankomme. Diese Auslegung ist aber mit
der Selbständigkeit der Besteuerung der einzelnen Erwerbsvorgänge nicht
vereinbar. § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verfolgt nicht das Ziel, eine
Korrekturmöglichkeit für Fehler zu eröffnen, die bei der
Steuerfestsetzung für die Vorerwerbe zugunsten oder zulasten des
Steuerpflichtigen unterlaufen sind. Der Gesetzgeber wollte durch § 14 Abs.
1 Satz 3 ErbStG lediglich unbillige Folgen für Steuerpflichtige vermeiden,
die sich durch für sie günstige Rechtsänderungen wie höhere Freibeträge
oder niedrigere Steuersätze bei einem Übergang zu neuem Recht ergeben können
(BFH-Urteil in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728). Derartige Änderungen können
dazu führen, dass die nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG anzurechnende Steuer
niedriger ausfällt, als die für den Vorerwerb "tatsächlich" zu
entrichtende Steuer. Ist hingegen zwischen dem Vorerwerb und dem Letzterwerb
keine zugunsten des Steuerpflichtigen wirkende Änderung der Rechtslage oder
der persönlichen Verhältnisse eingetreten, muss die nach § 14 Abs. 1 Satz
3 ErbStG berechnete abzuziehende Steuer der nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG
abzuziehenden fiktiven Steuer entsprechen. Das
in § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG verwendete Wort "tatsächlich" ist
demnach im Sinn einer Abgrenzung gegenüber § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG zu
verstehen, nämlich dahingehend, dass es bei der Steuerberechnung nach § 14
Abs. 1 Satz 3 ErbStG anders als bei Satz 2 der Vorschrift nicht
"fiktiv" auf die persönlichen Verhältnisse des Erwerbers und die
geltenden Vorschriften zur Zeit des letzten Erwerbs ankommt, sondern die
Steuer anzurechnen ist, die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und
Rechtslage für den Vorerwerb festzusetzen war. Da
das FG von einer anderen Ansicht ausgegangen ist, war die Vorentscheidung
aufzuheben. 2.
Die Sache ist spruchreif. Die Klage ist teilweise begründet. Der
angefochtene Erbschaftsteuerbescheid vom 7. April 2005 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 9. Dezember 2005 ist rechtswidrig und verletzt
die Klägerin in ihren Rechten, soweit die Steuer höher als 5.811 EUR
festgesetzt wurde (§ 100 Abs. 1 Satz 1 FGO). Damit entspricht die
Entscheidung im Ergebnis dem vom FA im Revisionsverfahren gestellten Antrag. a)
Der Vorerwerb ist nach § 14 Abs. 1 Satz 1 ErbStG mit dem ihm (damals)
zukommenden richtigen Wert von 207.073 EUR unter Berücksichtigung des nicht
antragsabhängigen Bewertungsabschlags (§ 13a Abs. 2 ErbStG) anzusetzen und
nicht mit dem Wert von 218.321 EUR, der der Steuerfestsetzung für den
Vorerwerb zugrunde gelegt worden war. Nicht zu berücksichtigen ist der
Freibetrag nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 ErbStG; denn seine Gewährung
konnte nur bis zur Bestandskraft des Schenkungsteuerbescheids beantragt
werden (BFH-Beschluss vom 20. Januar 2005 II R 56/02, BFH/NV 2005, 1308).
Dies ist aber nicht geschehen. b)
Wegen des durchzuführenden Härteausgleichs (§ 19 Abs. 3 ErbStG) beträgt
die Steuer für den danach vom FG zutreffend ermittelten steuerpflichtigen
Erwerb von 56.700 EUR vor dem Abzug der anrechenbaren Steuer 5-990 EUR
(52.000 EUR x 7 v.H. + 4.700 x 50 v.H. = 5.990 EUR). c)
Hiervon ist nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG die Schenkungsteuer abzuziehen,
die bei zutreffender Beurteilung der Sach- und Rechtslage für den Vorerwerb
festzusetzen gewesen wäre und die höher ist als die fiktive Steuer nach §
14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG. Die nach § 14 Abs. 1 Satz 3 ErbStG abziehbare
Steuer berechnet sich wie folgt:
Die
fiktive Steuer nach § 14 Abs. 1 Satz 2 ErbStG berechnet sich unter Berücksichtigung
der in den BFH-Urteilen in BFHE 209, 153, BStBl II 2005, 728, und vom 31.
Mai 2006 II R 20/05 (BFH/NV 2006, 2260) dargelegten Grundsätze wie folgt:
d)
Die festzusetzende Erbschaftsteuer beträgt danach 5.990 EUR ./. 179 EUR,
also 5.811 EUR. III.
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