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BFH-Urteil
vom 10.6.2009 (I R 10/09) BStBl. 2009 II S. 974 Die
Verwendung des steuerlichen Einlagekontos wird nur dann gemäß § 27
Abs. 1 Satz 5 KStG 2002 festgeschrieben, wenn mindestens einem
Anteilseigner eine Bescheinigung i.S. von § 27 Abs. 3 KStG 2002
ausgehändigt wurde. Eine Festschreibung tritt nicht ein, wenn den
Anteilseignern solche Bescheinigungen nicht erteilt wurden, weil die
Kapitalgesellschaft irrtümlich davon ausging, es sei ausreichender ausschüttbarer
Gewinn vorhanden. AO
§ 168; KStG 2002 § 27 Abs. 1 Sätze 3 und 5, Abs. 3;
KStG 2002 i.d.F. des SEStEG § 27 Abs. 5 Satz 2. Vorinstanz:
FG Baden-Württemberg vom 15. Dezember 2008 10 K 169/06 (EFG
2009, 875) Sachverhalt I. Die
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine Aktiengesellschaft, die
ein abweichendes Wirtschaftsjahr vom 1. August bis 31. Juli hat.
Durch Beschluss der Hauptversammlung vom 6. November 2001 wurde das
Grundkapital von 10 Mio. DM auf 2,5 Mio. €
herabgesetzt. Der Differenzbetrag von 2.612.919 € wurde der Kapitalrücklage
zugeführt. Alleinige
Aktionäre der Klägerin sind vier natürliche Personen. Am 15. November
2002 beschloss die Hauptversammlung eine Gewinnausschüttung von 862.000 €,
die am 30. Dezember 2002 ausgezahlt wurde. Die dementsprechende
Anmeldung zur Kapitalertragsteuer ging am 27. Dezember 2002 beim
Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt - FA -) ein. Darin waren die
gesamten Kapitalerträge von 862.000 € als steuerpflichtige Erträge
angegeben und die hieraus resultierende Kapitalertragsteuer mit 172.400 €
errechnet. Die für die Aktionäre ausgestellten Steuerbescheinigungen
wiesen die entsprechenden Dividenden ausschließlich als Kapitalerträge
i.S. des § 20 Abs. 1 Nr. 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG
2002) aus; die Zeile für "Leistungen aus dem steuerlichen
Einlagekonto" blieb leer. Der
Bestand des Einlagekontos zum 31. Juli 2002 wurde mit 974.821 €
festgestellt. Das FA erließ zum 31. Juli 2003 einen unter dem
Vorbehalt der Nachprüfung (§ 164 Abs. 1 der Abgabenordnung - AO
-) stehenden Bescheid über die gesonderte Feststellung der
Besteuerungsgrundlagen, mit dem das steuerliche Einlagekonto nach § 27
Abs. 2 Satz 1 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG 2002) mit
einem Betrag von 255.864 € festgestellt wurde. Das FA hatte darin die
Ausschüttung in Höhe von 862.000 € um den ausschüttbaren Gewinn
zum Schluss des vorangegangenen Wirtschaftsjahres in Höhe von 143.043 €
gemindert und den Differenzbetrag von 718.957 € als Minderung des
steuerlichen Einlagekontos behandelt. Am 8. März 2006 erging ein Änderungsbescheid,
mit dem das Einlagekonto zum 31. Juli 2003 mit 974.821 €
festgestellt wurde. Die
Klägerin reichte am 14. September 2005 eine geänderte
Kapitalertragsteueranmeldung 2002 ein. Darin wurden nur noch 143.043 €
als steuerpflichtige Kapitalerträge mit einer hieraus folgenden
Kapitalertragsteuer von 28.608,60 € angemeldet. Zur Begründung wurde
ausgeführt, dass nach der Anlage zum Feststellungsbescheid zum 31. Juli
2003 die Dividende in Höhe von 718.957 € aus dem steuerlichen
Einlagekonto verwendet worden sei. Den
Empfängern der Kapitalerträge wurden berichtigte Steuerbescheinigungen
ausgestellt, die den Einkommensteuer-Finanzämtern der Anteilseigner
zugeleitet wurden. Das
FA lehnte die Änderung der Kapitalertragsteuerfestsetzung für Dezember
2002 ab. Es vertrat die Auffassung, dass der vorgenommenen Änderung
§ 27 Abs. 1 Satz 5 KStG 2002 entgegenstehe. Die in einer
Bescheinigung zugrunde gelegte Minderung des Einlagekontos werde danach
in dem bescheinigten Umfang festgeschrieben. Die
Klägerin erhob sowohl hiergegen als auch gegen die geänderte Feststellung
des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Juli 2003 Klage. Das
Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg trennte das Verfahren wegen
Feststellung des steuerlichen Einlagekontos zum 31. Juli 2003 ab und
gab der Klage hinsichtlich der beantragten Änderung der
Kapitalertragsteuerfestsetzung mit in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2009, 875 abgedrucktem Urteil vom 15. Dezember 2008 10 K 169/06
statt. Mit
seiner Revision rügt das FA eine Verletzung materiellen Rechts. Es
beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen. Die
Klägerin beantragt die Revision als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise
als unbegründet zurückzuweisen. Entscheidungsgründe II. A.
Die Revision ist zulässig. Der
Revisionskläger hat gemäß § 120 Abs. 2 und Abs. 3 Nr. 2
der Finanzgerichtsordnung (FGO) die Revisionsgründe anzugeben. Dazu bedarf
es zwar keiner eingehenden und umfassenden Erörterung der streitigen
Rechtsfrage; jedoch muss die Begründungsschrift eindeutig erkennen lassen,
dass der Revisionskläger sein bisheriges Vorbringen anhand der Gründe des
Urteils des FG überprüft hat (Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl.,
§ 120 Rz 59). Dies wiederum erfordert, dass er sich mit den
tragenden Gründen des FG-Urteils auseinandersetzt und darlegt, weshalb er
diese für unrichtig hält (Beschlüsse des Bundesfinanzhofs vom 31. Oktober
2002 VII R 4/02, BFH/NV 2003, 328; vom 15. Juni 2004 VIII R 91/03,
juris). Das FA hat die Revision ausreichend begründet. Es hat unter Hinweis
auf Stimmen in der Literatur zu den Voraussetzungen einer Festschreibung der
Verwendungsreihenfolge nach § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG 2002
vorgetragen und dargelegt, weshalb seiner Auffassung nach das Urteil
materielles Recht verletzt. B.
Die Revision ist jedoch unbegründet. Das FG hat zutreffend entschieden,
dass die Klägerin die Kapitalertragsteueranmeldung ändern konnte. 1.
Die Anmeldung der einbehaltenen Kapitalertragsteuer steht einer
Steuerfestsetzung unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gleich (§ 168
Satz 1 AO). Die ursprüngliche Kapitalertragsteueranmeldung kann
demnach geändert werden, wenn sie rechtswidrig war (§ 164 Abs. 2
Sätze 1 und 2 AO). In der zunächst eingereichten Anmeldung waren die
an die Anteilseigner ausgeschütteten Erträge in vollem Umfange als
kapitalertragsteuerpflichtig erklärt worden. Diese Behandlung war
fehlerhaft. a)
Gewinnanteile aus Aktien unterliegen als Kapitalerträge nach § 20
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002 dem Steuerabzug nach dem
Kapitalertrag (§ 43 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG 2002),
sofern dafür nicht das steuerliche Einlagekonto als verwendet gilt; solche
Bezüge gehören nicht zu den Einnahmen (§ 20 Abs. 1 Nr. 1
Satz 3 EStG 2002). Nach § 27 Abs. 1 Satz 3 KStG 2002
mindern Leistungen der Kapitalgesellschaft mit Ausnahme der Rückzahlung von
Nennkapital i.S. von § 28 Abs. 2 Satz 2 KStG 2002 das
steuerliche Einlagekonto nur, soweit die Summe der im Wirtschaftsjahr
erbrachten Leistungen den auf den Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahres ermittelten ausschüttbaren Gewinn übersteigt. Als ausschüttbarer
Gewinn gilt das um das gezeichnete Kapital geminderte, in der Steuerbilanz
ausgewiesene Eigenkapital abzüglich des Bestands des steuerlichen
Einlagekontos (§ 27 Abs. 1 Satz 4 KStG 2002). b)
Das steuerliche Einlagekonto der Klägerin war zum 31. Juli 2002 mit
974.821 € festgestellt worden. Das Eigenkapital laut Steuerbilanz zu
diesem Stichtag betrug 3.617.864 €, so dass abzüglich des
Nennkapitals von 2,5 Mio. € und dem Stand des Einlagekontos in Höhe
von 974.821 € ein ausschüttbarer Gewinn von 143.043 €
vorhanden war. Da die Klägerin 862.000 € an ihre Anteilseigner
ausgeschüttet hat, ergibt sich hieraus eine Verwendung des steuerlichen
Einlagekontos in Höhe von 718.957 €, so dass nur in Höhe von
143.043 € kapitalertragsteuerpflichtige Einnahmen i.S. von § 20
Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 EStG 2002 vorliegen. c)
Der dem entsprechenden Änderung der Kapitalertragsteueranmeldung steht
§ 27 Abs. 1 Satz 5 KStG 2002 nicht entgegen. aa)
Diese Vorschrift bestimmt, dass die der Bescheinigung zugrunde gelegte
Verwendung in Fällen unverändert bleibt, in denen für die Leistung der
Kapitalgesellschaft die Minderung des Einlagekontos bescheinigt worden ist.
Stellt sich nach Erteilung der Bescheinigung heraus, dass entweder noch
andere Eigenkapitalanteile vorhanden waren, aus denen die Ausschüttung hätte
finanziert werden können, oder dass eine höhere Einlagenrückgewähr
vorliegt als bescheinigt, wird die Verwendungsreihenfolge festgeschrieben.
Die Festschreibung tritt demnach ein, wenn die Verwendung des Einlagekontos
entweder zu hoch oder zu niedrig bescheinigt wurde, und zwar in dem
Zeitpunkt, in dem die Steuerbescheinigung erstellt und zumindest einem
Anteilseigner ausgehändigt worden ist (gl.A. Frotscher in Frotscher/Maas,
KStG/UmwStG, § 27 KStG Rz 76 f.; Antweiler in Ernst &
Young, KStG, § 27 Rz 79; Danelsing in Blümich, EStG, KStG,
GewStG, § 27 KStG Rz 41; zweifelnd Förster/van Lishaut,
Finanz-Rundschau - FR - 2002, 1205, 1212). bb)
Eine Festschreibung der Verwendungsreihenfolge tritt jedoch nicht ein, wenn
den Anteilseignern keine Bescheinigungen i.S. des § 27 Abs. 3
KStG 2002 ausgehändigt wurden. Eine
Kapitalgesellschaft muss ihren Anteilseignern Leistungen, die nach § 27
Abs. 1 Satz 3 KStG 2002 als Abgang auf dem steuerlichen
Einlagekonto zu berücksichtigen sind, nach amtlich vorgeschriebenem Muster
nach Maßgabe des § 27 Abs. 3 Satz 1 KStG 2002 bescheinigen.
Liegt eine beim Anteilseigner in vollem Umfang steuerpflichtige Ausschüttung
vor, ist die Kapitalgesellschaft hingegen nicht verpflichtet, eine
Bescheinigung i.S. des § 27 Abs. 3 KStG 2002 zu erstellen; es genügt
vielmehr eine "allgemeine" Kapitalertragsteuerbescheinigung i.S.
des § 45a Abs. 2 EStG 2002, die keine Angaben zur Verwendung des
Einlagekontos enthält. Auf eine solche Bescheinigung bezieht sich § 27
Abs. 1 Satz 5 KStG 2002 nicht. Eine Zusammenschau beider
Vorschriften ergibt vielmehr, dass die Rechtsfolge des § 27 Abs. 1
Satz 5 KStG 2002 nach dem Willen des Gesetzgebers nur eintreten soll,
wenn zumindest einem Anteilseigner die von § 27 Abs. 3 KStG 2002
geforderte Bescheinigung ausgehändigt wurde (gl.A. Förster/van Lishaut, FR
2002, 1205; Schumacher in Schaumburg/Rödder, Unternehmenssteuerreform 2001,
S. 594; Frotscher in Frotscher/Maas, a.a.O., § 27 KStG Rz 77;
Heger in Gosch, KStG, 2. Aufl., § 27 KStG Rz 46c, 48; a.A.
Antweiler in Ernst & Young, a.a.O., § 27 KStG Rz 80;
Lornsen/Veit/Odenbach in Erle/Sauter, Körperschaftsteuergesetz, 2. Aufl.
§ 27 Rz 71; Köster in Herrmann/Heuer/Raupach, Steuerreform II,
§ 27 KStG Rz R 13; differenzierend Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt,
Die Körperschaftsteuer, § 27 KStG Rz 192). Für
diese Sicht spricht auch, dass § 27 Abs. 5 Satz 2 KStG 2002
i.d.F. durch das Gesetz über steuerliche Begleitmaßnahmen zur Einführung
der Europäischen Gesellschaft und zur Änderung weiterer steuerrechtlicher
Vorschriften (SEStEG) vom 7. Dezember 2006 (BGBl 2006, 3310, BStBl I
2007, 4) ausdrücklich bestimmt, dass in Fällen, in denen den
Anteilseignern keine Bescheinigung erteilt wurde, der Betrag der Einlagenrückgewähr
als mit Null bescheinigt gilt. Hieraus kann im Umkehrschluss gefolgert
werden, dass vor der Gesetzesänderung mangels einer entsprechenden Regelung
eine Verwendungsfestschreibung nur eingetreten ist, wenn den Anteilseignern
tatsächlich Bescheinigungen erteilt wurden. cc)
Im Streitfall haben nach den Feststellungen des FG die ursprünglichen
Bescheinigungen keine Angaben zu einer Berührung des steuerlichen
Einlagekontos enthalten. Dies beruht ersichtlich auf der Annahme der Klägerin,
dass die Ausschüttung für die Anteilseigner insgesamt steuerpflichtig sei.
Vor diesem Hintergrund hätte eine Bescheinigung nach § 45a Abs. 2
EStG 2002 genügt. Die Feststellungen des FG legen zwar nahe, dass die Klägerin
ein Formular für die Bescheinigung nach § 27 Abs. 3 KStG 2002
verwendet hat (vgl. BStBl I 2001, 237); dies allein kann jedoch nicht die
Rechtsfolge des § 27 Abs. 1 Satz 5 KStG 2002 auslösen. Dazu
bedürfte es vielmehr zumindest irgendwelcher Angaben, die sich auf das
steuerliche Einlagekonto beziehen. Daran fehlt es jedoch im Streitfall, so
dass nicht von einer "Bescheinigung der Minderung des
Einlagekontos" gesprochen werden kann. Ob es anders wäre, wenn die
Bescheinigung ausdrücklich eine Minderung in Höhe von Null ausgewiesen hätte,
kann im Streitfall offenbleiben. 2.
Das FA hat danach die gemäß § 168 Satz 2 AO erforderliche
Zustimmung zur geänderten Steueranmeldung zu Unrecht verweigert. Da die
Zustimmung mit der Verpflichtungsklage (§ 40 Abs. 1 FGO) zu
verfolgen ist (vgl. Buciek in Beermann/Gosch, AO § 168 Rz 51),
kann die Klage nicht unmittelbar zur Änderung der
Kapitalertragsteuerfestsetzung führen, sondern nur zur Verpflichtung des
FA, die Zustimmung zu erteilen. Der Tenor des angefochtenen Urteils war
demnach entsprechend zu ändern.
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