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BFH-Urteil vom 11.11.2008 (IX R 44/07) BStBl. 2010 II S. 31
Ein
verbleibender Verlustvortrag für Einkünfte aus privaten
Veräußerungsgeschäften ist auch dann erstmals gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1,
§ 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007 gesondert festzustellen, wenn
im Einkommensteuerbescheid für das Verlustentstehungsjahr
Veräußerungsverluste in geringerer Höhe als tatsächlich erzielt ausgewiesen
sind.
EStG 2007 § 10d Abs. 4, § 23 Abs. 3 Satz 9.
Vorinstanz: FG Hamburg vom 30. Mai 2007
3 K 142/06 (EFG 2007, 1678)
Sachverhalt
I.
Die Kläger und
Revisionsbeklagten (Kläger) wurden als Eheleute im Streitjahr (2000)
zusammen zur Einkommensteuer veranlagt.
Der Kläger erzielte im
Streitjahr aus der Veräußerung von Wertpapieren Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften i.S. des § 23 Abs. 1 des Einkommensteuergesetzes in
der für das Streitjahr geltenden Fassung (EStG) in Höhe von 361.648,37 DM.
Der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr wies bei den Einkünften aus
privaten Veräußerungsgeschäften nur einen Verlust in Höhe von 12.064 DM aus,
da der Kläger seine Verluste erst im Klageverfahren in voller Höhe erklärte.
Mit Bescheid vom 3. Mai 2004
stellte das seinerzeit zuständige Finanzamt H den zum 31. Dezember 2000
verbleibenden Verlustvortrag zur Einkommensteuer für die Einkünfte aus
privaten Veräußerungsgeschäften mit 12.064 DM gesondert fest. Der hiergegen
gerichtete Einspruch wurde vom inzwischen zuständigen Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA -) zurückgewiesen.
Die Klage hatte aus den in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2007, 1678 veröffentlichten Gründen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) führte im Wesentlichen aus, die Bestandskraft
des Einkommensteuerbescheids für das Streitjahr stehe der gesonderten
Feststellung des tatsächlichen Verlusts in Höhe von 361.648,37 DM nicht
entgegen. Der Erlass eines Feststellungsbescheids für vor dem 1. Januar 2007
entstandene Verluste aus privaten Veräußerungsgeschäften setze nach § 52
Abs. 39 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes i.d.F. des Jahressteuergesetzes
2007 (JStG 2007) vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) nur voraus, dass
die Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen sei.
Mit seiner Revision rügt das
FA die Verletzung des § 52 Abs. 39 Satz 7 des Einkommensteuergesetzes i.d.F.
des JStG 2007 (EStG 2007).
Das FA beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kläger haben keinen
Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und nach § 126
Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen.
Nach im Ergebnis zutreffender Entscheidung
des FG ist der zum 31. Dezember 2000 verbleibende Verlustvortrag aus
privaten Veräußerungsgeschäften in Höhe von 361.648,37 DM gesondert
festzustellen.
1. Gemäß § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter
Halbsatz EStG 2007 gilt § 10d Abs. 4 EStG 2007 für Verluste aus privaten
Veräußerungsgeschäften entsprechend. Gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1, § 23 Abs. 3
Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007 ist der am Schluss eines
Veranlagungszeitraums verbleibende Verlustvortrag gesondert festzustellen.
Verbleibender Verlustvortrag sind die nicht ausgleichbaren
Veräußerungsverluste, vermindert um die nach § 10d Abs. 1, § 23 Abs. 3
Satz 9 EStG abgezogenen und die nach § 10d Abs. 2, § 23 Abs. 3 Satz 9 EStG
abziehbaren Beträge und vermehrt um den auf den Schluss des vorangegangenen
Veranlagungszeitraums festgestellten verbleibenden Verlustvortrag (§ 10d
Abs. 4 Satz 2, § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007). Nach § 10d
Abs. 4 Satz 4, § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007 sind
Feststellungsbescheide zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern, soweit sich
die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge ändern und deshalb der
entsprechende Steuerbescheid zu erlassen, aufzuheben oder zu ändern ist.
Ändern sich die nach Satz 2 zu berücksichtigenden Beträge aber nicht, ist
die Vorschrift von vornherein unanwendbar (Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 17. September 2008 IX R 70/06, zur amtlichen Veröffentlichung
bestimmt, BFH/NV 2009, 65).
2. Nach diesen Maßstäben ist der zum
31. Dezember 2000 verbleibende Verlustvortrag gemäß § 10d Abs. 4 Satz 1,
§ 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG 2007 gesondert festzustellen.
a) § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz
EStG 2007 gilt auch im Streitfall. Denn die Vorschrift ist nach § 52 Abs. 39
Satz 7 EStG 2007 in den Fällen anzuwenden, in denen am 1. Januar 2007 die
Feststellungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Feststellungsfrist war im
Streitfall am 1. Januar 2007 noch nicht abgelaufen, weil zu diesem Zeitpunkt
über den Rechtsbehelf noch nicht unanfechtbar entschieden worden war (vgl.
§ 171 Abs. 3a der Abgabenordnung - AO - i.V.m. § 181 Abs. 1 AO). Entgegen
der Auffassung des FG bestimmt § 52 Abs. 39 Satz 7 EStG 2007 nach seinem
klaren Wortlaut nur den zeitlichen Anwendungsbereich des § 23 Abs. 3 Satz 9
zweiter Halbsatz EStG 2007.
b) § 10d Abs. 4 Satz 4, § 23 Abs. 3 Satz 9
zweiter Halbsatz EStG 2007 ist mangels einer Änderung der nach Satz 2 zu
berücksichtigenden Beträge nicht anwendbar. Die nicht ausgleichbaren
Veräußerungsverluste können sich nicht geändert haben, weil der zum
31. Dezember 2000 verbleibende Verlustvortrag mit dem angefochtenen Bescheid
vom 3. Mai 2004 erstmals gesondert festgestellt wird.
Entgegen der Auffassung des FA ist es
unerheblich, dass der Einkommensteuerbescheid für das Streitjahr
Veräußerungsverluste in geringerer Höhe ausweist (gl.A. Blümich/Glenk, § 23
EStG Rz 235). Der Einkommensteuerbescheid kann im Verfahren der gesonderten
Feststellung nach § 10d Abs. 4, § 23 Abs. 3 Satz 9 zweiter Halbsatz EStG
2007 nicht der Bezugspunkt für eine Änderung der nicht ausgleichbaren
Veräußerungsverluste sein, da diese Beträge für die Festsetzung der
Einkommensteuer irrelevant sind. Veräußerungsverluste dürfen nach § 23
Abs. 3 Satz 8 erster Halbsatz EStG nur bis zur Höhe des Gewinns, den der
Steuerpflichtige im gleichen Kalenderjahr aus privaten
Veräußerungsgeschäften erzielt hat, ausgeglichen werden. § 23 Abs. 3 Satz 8
erster Halbsatz EStG schließt einen vertikalen Verlustausgleich zwischen
Veräußerungsverlusten und positiven Einkünften aus anderen Einkunftsarten
aus (vgl. BFH-Urteil vom 18. Oktober 2006 IX R 28/05, BFHE 215, 202, BStBl
II 2007, 259). Nicht ausgleichbare Veräußerungsverluste gehen daher nicht in
die Summe der Einkünfte nach § 2 Abs. 3 EStG ein und haben damit keinen
Einfluss auf die Höhe der Einkommensteuer.
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