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BFH-Urteil vom 16.12.2008 (VII R 17/08) BStBl. 2010 II S. 91
Wird die Dauerfristverlängerung für die Abgabe der
Umsatzsteuervoranmeldungen widerrufen und die Sondervorauszahlung auf die
Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum, für den die
Fristverlängerung gilt, angerechnet, ist der insoweit nicht verbrauchte
Betrag der Sondervorauszahlung nicht zu erstatten, sondern mit der
Jahressteuer zu verrechnen. Nur soweit die Sondervorauszahlung auch durch
diese Verrechnung nicht verbraucht ist, entsteht ein Erstattungsanspruch.
AO § 218; UStG § 16 Abs. 1; UStDV § 46,
§ 47 Abs. 1, § 48 Abs. 1, § 48 Abs. 4.
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom
29. Januar 2008 5 K 840/05 (EFG 2008, 1003)
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) ist Insolvenzverwalter in dem am 20. April 2004
über das Vermögen einer GmbH (Schuldnerin) eröffneten Insolvenzverfahren.
Im Februar 2004 beantragte
die Schuldnerin eine Dauerfristverlängerung für die Abgabe der
Umsatzsteuer-Voranmeldungen und meldete deshalb die hierfür gemäß § 47
Abs. 1 der Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung (UStDV) erforderliche
Sondervorauszahlung in Höhe von 3.530 € an, die in der Folgezeit in
Teilbeträgen beglichen wurde. Am 24. Februar 2004 beantragte die Schuldnerin
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Unter dem 25. März 2004 widerrief der
Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) die gewährte
Dauerfristverlängerung.
Mit einer "Steuerberechnung
der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2004" vom 15. Juni 2004
errechnete das FA einen Umsatzsteuer-Überschuss in Höhe von 3.530 €, welchen
es mit Umbuchungsmitteilung vom 25. Juni 2004 mit der
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsschuld der Schuldnerin für Januar 2004
verrechnete. Nachdem sich der Kläger gegen die Umbuchung gewandt hatte,
erließ das FA einen entsprechenden Abrechnungsbescheid; der Einspruch des
Klägers blieb ohne Erfolg.
Auf die hiergegen erhobene
Klage änderte das Finanzgericht (FG) den Abrechnungsbescheid dahin, dass er
ein Guthaben der Schuldnerin in Höhe von 3.530 € ausweist. Das Urteil ist in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1003 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht
das FA geltend, dass sich die Möglichkeit der Aufrechnung nicht durch eine
insolvenzrechtliche anfechtbare Rechtshandlung ergeben habe, sondern dass
der zur Aufrechnungsmöglichkeit führende Erstattungsanspruch die Folge der
Anrechnung der Sondervorauszahlung gemäß § 48 Abs. 4 UStDV gewesen sei.
Der Kläger meint, dass die
Herstellung der Aufrechnungslage auf mehreren Rechtshandlungen beruhe,
nämlich auf der Anmeldung, der Tilgung der Sondervorauszahlung sowie dem
Widerruf der Dauerfristverlängerung, die alle insolvenzrechtlich anfechtbar
seien.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision des FA hat nur zum Teil
Erfolg, weil die gegen den Abrechnungsbescheid gerichtete Klage teilweise
begründet ist. Der angefochtene Abrechnungsbescheid ist rechtswidrig und
verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 Satz 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -) und die Revision des FA ist somit unbegründet
(§ 126 Abs. 2 FGO), soweit der Bescheid den
Umsatzsteuer-Vorauszahlungsanspruch des FA für Januar 2004 als durch
Aufrechnung mit einem Guthaben aus dem Voranmeldungszeitraum März 2004 in
Höhe von 3.530 € erloschen ausweist. Das FG hat den Abrechnungsbescheid
allerdings zu Unrecht dahin geändert, dass ein Guthaben der Schuldnerin in
Höhe von 3.530 € besteht; insoweit führt die Revision zur Änderung der
Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
1. Nach § 218 Abs. 2 der Abgabenordnung
(AO) entscheidet die Finanzbehörde mit einem Abrechnungsbescheid über
Streitigkeiten, welche die Verwirklichung der Ansprüche i.S. des § 218
Abs. 1 AO betreffen. Nach dieser Vorschrift sind Steuerbescheide,
Steuervergütungsbescheide, Haftungsbescheide und Verwaltungsakte, durch die
steuerliche Nebenleistungen festgesetzt werden, die Grundlage für die
Verwirklichung von Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis. Der
Abrechnungsbescheid entscheidet also nur, inwieweit die mit vorgenannten
Bescheiden festgestellten Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis noch
bestehen oder inzwischen ganz oder teilweise erloschen sind (Klein/Rüsken,
AO, 9. Aufl., § 218 Rz 13).
Im Streitfall existiert indes kein
Bescheid, der einen Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung der
Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung 2004 begründet. Der Betrag von 3.530 € ist
lediglich das Ergebnis einer "Steuerberechnung der
Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den Monat März 2004" vom 15. Juni 2004, die
an ihrem Ende ausdrücklich darauf hinweist, dass es sich hierbei nicht um
eine Steuerfestsetzung handelt. Es gibt auch keinen Anspruch der Schuldnerin
auf Erstattung der Sondervorauszahlung, der jedenfalls - wenn auch noch
nicht durch Bescheid festgesetzt - im Zeitpunkt der Aufrechnung tatsächlich
bestand und erfüllbar war.
2. Die Ansicht des FG und des Klägers, dass
durch den Widerruf der Dauerfristverlängerung ein Anspruch der Schuldnerin
auf Erstattung der Sondervorauszahlung und damit die Aufrechnungsmöglichkeit
für das FA entstanden sei, ist unzutreffend.
Der Widerruf der Dauerfristverlängerung
hatte lediglich zur Folge, dass die Schuldnerin - bzw. mit Eröffnung des
Insolvenzverfahrens der Kläger - die gemäß § 46 UStDV eingeräumte
einmonatige Fristverlängerung für die Abgabe der Umsatzsteuer-Voranmeldungen
nicht mehr in Anspruch nehmen konnte. Ein Anspruch auf Erstattung der
Sondervorauszahlung ergab sich daraus jedoch nicht. Die Sondervorauszahlung
2004 war von der Schuldnerin gemäß § 48 Abs. 1 Satz 3 UStDV angemeldet und
damit wirksam festgesetzt worden (§ 168 Satz 1 AO). Ein im März 2004
bestehender Anspruch der Schuldnerin auf Erstattung der - nach den
Feststellungen des FG auch entrichteten - Sondervorauszahlung hätte daher
die Aufhebung der vorangegangenen Festsetzung vorausgesetzt; jedoch ist die
Festsetzung der Sondervorauszahlung zu keinem Zeitpunkt aufgehoben worden.
Auch wenn eine gewährte
Dauerfristverlängerung während des Besteuerungszeitraums endet, ist die
geleistete Umsatzsteuer-Sondervorauszahlung nicht zu erstatten, sondern sie
ist auch in diesem Fall - wie es § 48 Abs. 4 UStDV in der im Streitjahr 2004
geltenden Fassung vorschreibt - bei der Festsetzung der Vorauszahlung für
den letzten Voranmeldungszeitraum des Besteuerungszeitraums anzurechnen. Der
Besteuerungszeitraum ist nach § 16 Abs. 1 Satz 2 des Umsatzsteuergesetzes
(UStG) das Kalenderjahr. Auch durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens
über das Vermögen des Unternehmers wird der Besteuerungszeitraum nicht
unterbrochen (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Juli 2002
V R 56/01, BFHE 199, 71, BStBl II 2002, 705; vom 6. November 2002 V R 21/02,
BFHE 200, 156, BStBl II 2003, 39). Daher ist auch im Streitfall die von der
Schuldnerin geleistete Sondervorauszahlung auf die festgesetzte (oder ggf.
wegen der Insolvenz lediglich berechnete) Vorauszahlung für den letzten
Voranmeldungszeitraum des Jahres 2004 anzurechnen. Soweit sie durch diese
Anrechnung nicht verbraucht ist, ist sie - weil sie eine Vorauszahlung auf
die Jahressteuer ist (§ 47 Abs. 1 Satz 1 UStDV) - auf die restliche ggf.
noch offene Jahressteuer anzurechnen. Nur soweit die Sondervorauszahlung
auch durch diese Anrechnung noch nicht verbraucht ist, hat die Schuldnerin
einen Erstattungsanspruch, der in die Insolvenzmasse fällt (vgl. BFH-Urteile
in BFHE 199, 71, BStBl II 2002, 705, und in BFHE 200, 156, BStBl II 2003,
39).
Aus den seinerzeit geltenden
Umsatzsteuer-Richtlinien 2000 (UStR 2000) folgt - abgesehen davon, dass es
sich hierbei ohnehin nicht um das Gericht bindende Rechtsnormen handelt -
nichts anderes. Aus den Feststellungen des FG ergibt sich nicht, dass die
Schuldnerin ihre gewerbliche Tätigkeit im Laufe des Jahres 2004 eingestellt
(Abschn. 228 Abs. 6 Satz 4 UStR 2000) oder auf die gewährte
Dauerfristverlängerung verzichtet hat (Abschn. 228 Abs. 7 Satz 1 UStR 2000).
3. § 48 Abs. 4 UStDV ist erst durch das
Jahressteuergesetz 2007 vom 13. Dezember 2006 (BGBl I 2006, 2878) dahin
geändert worden, dass die festgesetzte Sondervorauszahlung bei der
Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum des
Besteuerungszeitraums anzurechnen ist, "für den die Fristverlängerung gilt".
Ob es sich hierbei lediglich um eine Klarstellung handelt (Bülow in
Vogel/Schwarz, UStG, § 18 Rz 85), also auch schon im Streitjahr 2004 die
Sondervorauszahlung in jedem Fall der vorzeitigen Beendigung der
Dauerfristverlängerung, somit auch im Fall ihres Widerrufs, auf die
berechnete Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum, für den die
Dauerfristverlängerung noch in Anspruch genommen werden konnte, anzurechnen
war (vgl. nunmehr Abschn. 228 Abs. 5 Satz 4 UStR 2008), kann offenbleiben.
Auch in diesem Fall ergäbe sich für den Voranmeldungszeitraum März 2004 kein
Erstattungsanspruch der Schuldnerin, denn die "Anrechnung" der
Sondervorauszahlung auf die Vorauszahlung für den letzten
Voranmeldungszeitraum bedeutet, dass die errechnete Vorauszahlung für diesen
Zeitraum um die Sondervorauszahlung zu kürzen ist (Bülow in Vogel/Schwarz,
a.a.O., § 18 Rz 85). Nach der Steuerberechnung des FA gab es aber im
Voranmeldungszeitraum März 2004 keine zu kürzende Vorauszahlung, weil sich
die errechnete Vorauszahlung mangels steuerpflichtiger Umsätze der
Schuldnerin auf 0 € belief. Wegen der deshalb nicht möglichen Anrechnung der
Sondervorauszahlung auf die für März 2004 errechnete Vorauszahlung musste
sie daher - wie der BFH mit Urteilen in BFHE 199, 71, BStBl II 2002, 705 und
in BFHE 200, 156, BStBl II 2003, 39 ausgeführt hat - in voller Höhe für die
Jahresabrechnung 2004 verbleiben und konnte nicht für März 2004 erstattet
werden, denn der Rechtsgrund für die Sondervorauszahlung, die eine
Vorauszahlung auf die Jahressteuer ist, fällt nicht bereits mit der
Festsetzung der Vorauszahlung für den letzten Voranmeldungszeitraum weg,
sondern erst, wenn und soweit die Sondervorauszahlung zur Tilgung der
Jahressteuer nicht benötigt wird (BFH-Urteil in BFHE 199, 71, BStBl II 2002,
705).
4. Die Frage, ob sich danach ein Anspruch
der Schuldnerin auf Erstattung der Sondervorauszahlung im Rahmen der
Jahresabrechnung 2004 ergibt, kann der Senat nicht beantworten, da das FG
die insoweit erforderlichen Feststellungen nicht getroffen hat. Es ist nicht
bekannt, ob und in welcher Höhe eine Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den
letzten Voranmeldungszeitraum des Jahres zu berechnen und in welcher Höhe
die berechnete Jahressteuer nach Anrechnung der Summe der Vorauszahlungen
(§ 18 Abs. 4 UStG) ggf. noch offen ist. Gleichwohl muss die Sache nicht an
das FG zurückverwiesen werden, weil die Umsatzsteuer-Jahresabrechnung 2004
nicht Gegenstand des vorliegenden Rechtsstreits ist. Streitig ist allein, ob
sich für den Voranmeldungszeitraum März 2004 ein Anspruch der Schuldnerin
auf Erstattung der geleisteten Sondervorauszahlung ergibt, der mit
vorinsolvenzlichen Steuerforderungen des FA verrechnet werden kann. Diese
Frage ist jedoch - wie sich aus vorstehenden Ausführungen ergibt - zu
verneinen. Die durch die Umbuchungsmitteilung des FA vom 25. Juni 2004
erklärte und durch den Abrechnungsbescheid bestätigte Aufrechnung mit dem
Anspruch auf Umsatzsteuer-Vorauszahlung Januar 2004 ging daher ins Leere.
Der Kläger kann nach alledem zwar
beanspruchen, dass das FA die Sondervorauszahlung nicht mit Steuerschulden
der Schuldnerin für Januar 2004 verrechnet; er hat jedoch keinen Anspruch
auf einen Abrechnungsbescheid, welcher für den Voranmeldungszeitraum März
2004 ein Guthaben in Höhe von 3.530 € ausweist.
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