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BFH-Urteil vom 27.5.2009 (I R 86/07) BStBl. 2010 II S. 120
Einnahmen eines ausländischen Sportvereins aus einer Transfervereinbarung
mit einem inländischen Verein in der Form der sog. Spielerleihe sind keine -
eine beschränkte Steuerpflicht auslösenden - Einnahmen aus Vermietung und
Verpachtung durch die zeitlich begrenzte Überlassung eines Rechts. Eine
Steuerabzugspflicht des inländischen Vereins nach § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3
i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 besteht nicht.
EStG 1990 § 49 Abs. 1 Nr. 6, § 50a Abs. 4
Satz 1 Nr. 3.
Vorinstanz: FG München vom 13. November
2007 2 K 2892/03
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob
Vergütungen, die ein inländischer Sportverein an ausländische Vereine für
das "Leihen" eines Sportlers gezahlt hat, als inländische Einkünfte der
Vergütungsgläubiger nach § 49 des Einkommensteuergesetzes (EStG 1990) dem
Steuerabzug gemäß § 50a Abs. 4 EStG 1990 unterliegen.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist ein eingetragener Verein, dessen
Lizenzspielermannschaft in der deutschen Fußball-Bundesliga spielt. Er
zahlte im Jahr 1995 als "Leihtransferzahlung" für den Spieler X einen
Gesamtbetrag von ... DM an zwei ausländische Vereine (den spanischen
Fußballclub A und den portugiesischen Fußballclub B). X war für den Kläger
während der "Leihzeit" auf der Grundlage eines eigenständigen
Arbeitsvertrages als Lizenzspieler tätig, nachdem er eine Spielberechtigung
nach dem Verbands-Reglement des Deutschen Fußball-Bundes erhalten hatte.
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) erließ (u.a.) zu diesem Zahlbetrag
einen (Sammel-)Haftungsbescheid gemäß § 50a Abs. 5 EStG 1990 i.V.m. § 73g
der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV 1990) über
Körperschaftsteuer und Solidaritätszuschläge. Darin war - auf der Grundlage
der bis dahin vorliegenden Erkenntnisse des FA - unter Hinweis auf "1995
(Leihgebühr [X])" A als Vergütungsgläubiger bezeichnet; der Haftungsbetrag
belief sich unter Anwendung eines Steuersatzes von 41,61 % zzgl.
Solidaritätszuschlag von 3,12 % insoweit auf ... DM (Gesamtbetrag der
Haftungssumme des Haftungsbescheids: ... DM). Ein für A als
Vergütungsgläubiger beim vormaligen Bundesamt für Finanzen (BfF) gestellter
Freistellungsantrag nach dem einschlägigen Doppelbesteuerungsabkommen gemäß
§ 50d Abs. 2 EStG 1990 ist wegen fehlender Vorlage einer Bestätigung durch
die ausländischen Steuerbehörden durch das BfF abgelehnt worden. Das FA half
dem Einspruchsbegehren des Klägers (nur) insoweit ab, als es den der
Berechnung der Haftungssumme zugrunde gelegten Steuersatz auf 15 % (der
Vergütung zzgl. Umsatzsteuer) minderte und insoweit die Haftungssumme auf
Körperschaftsteuer von ... DM zzgl. Solidaritätszuschlag von ... DM
berechnete (geänderter Haftungsbescheid vom 26. Juli 2001).
Im Klageverfahren teilte der
Kläger mit, die "Leihgebühr" sei zu einem Teil an B gezahlt worden. A habe X
seinerseits mit Vertrag vom 2. September 1994 bis zum 30. Juni 1995 von B
ausgeliehen (mit einer Kaufoption). Anschließend habe A mit Vertrag vom
6. Januar 1995 seine Rechte an X für ... US-$ bis zum 30. Juni 1995 an den
Kläger übertragen. Von einem ihm in diesem Vertrag eingeräumten
Optionsrecht, X endgültig zu verpflichten, habe der Kläger keinen Gebrauch
gemacht. Er habe X vielmehr auf Grund eines Vertrages vom 13. Juli 1995 für
die (Folge-)Zeit vom 1. Juli 1995 bis 30. Juni 1996 für ... US-$ von B
ausgeliehen. Weitere Zahlungen an A, insbesondere eine im Vertrag vom
6. Januar 1995 vorgesehene Zahlung von ... US-$ für den Fall, dass X in der
Saison 1995/1996 beim Kläger spielen sollte, ohne dass dieser von dem ihm
eingeräumten Optionsrecht auf Verpflichtung des X Gebrauch gemacht habe,
seien nicht mehr erfolgt. Ab 1. Juli 1996 sei X von einem anderen
ausländischen Verein verpflichtet worden. Der Kläger habe in diesem
Zusammenhang keine Transferentschädigung erhalten. Die Klage blieb erfolglos
(Finanzgericht - FG - München, Urteil vom 13. November 2007 2 K 2892/03).
Der Kläger rügt mit seiner
Revision die Verletzung formellen und materiellen Rechts und beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und den angefochtenen Haftungsbescheid dahin
abzuändern, dass die Haftungsschuld um ... DM Körperschaftsteuer und um
... DM Solidaritätszuschlag herabgesetzt wird.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Das dem Verfahren
beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat sich dem FA in der
Sache angeschlossen, aber keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der Vorentscheidung und zur antragsgemäßen Abänderung des
angefochtenen Bescheids (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung
- FGO -). Das FA hat den Kläger in dem streitgegenständlichen Umfang zu
Unrecht gemäß § 50a Abs. 5 EStG 1990, § 73g Abs. 1 EStDV 1990 in Haftung
genommen.
1. Nach § 50a Abs. 5 Satz 5 EStG 1990
haftet der Schuldner von Vergütungen i.S. des § 50a Abs. 4 EStG 1990 für die
Einbehaltung und Abführung einer im Wege des Steuerabzugs zu erhebenden
Steuer des beschränkt steuerpflichtigen Gläubigers dieser Vergütungen. Im
Streitfall haben die in Spanien bzw. Portugal ansässigen Fußballvereine als
Vergütungsgläubiger weder ihre Geschäftsleitung noch ihren Sitz im Inland;
sie sind daher mit ihren inländischen Einkünften i.S. des § 49 EStG 1990
beschränkt steuerpflichtig (§ 2 Nr. 1 des Körperschaftsteuergesetzes - KStG
-, §§ 10, 11 der Abgabenordnung). Die Inanspruchnahme des Klägers als
Vergütungsschuldner durch Haftungsbescheid (§ 73g Abs. 1 EStDV 1990) ist
aber rechtswidrig, da eine Steuerabzugspflicht des Klägers auf der Grundlage
des § 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 nicht
bestand. Die von A (vertragliche Vereinbarung vom 6. Januar 1995) und von B
(vertragliche Vereinbarung vom 13. Juli 1995) bezogenen Vergütungen
("Leihgebühr") begründen keine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 Abs. 1
Nr. 6 EStG 1990 i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG, da sie nicht für die zeitlich
begrenzte Überlassung von in einer inländischen Betriebsstätte verwerteten
Rechten i.S. des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 geleistet wurden.
a) Nach § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 sind
inländische Einkünfte im Sinne der beschränkten Steuerpflicht Einkünfte aus
Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG 1990), wenn der Gegenstand der
Einkünfteerzielung einen bestimmten (im Gesetz beschriebenen) Inlandsbezug
aufweist. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 erfasst Einkünfte aus zeitlich
begrenzter Überlassung von Rechten, insbesondere von schriftstellerischen,
künstlerischen und gewerblichen Urheberrechten, von gewerblichen Erfahrungen
und von Gerechtigkeiten und Gefällen. Dabei ist anerkannt, dass der Wortlaut
des § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 keine abschließende, sondern nur eine
beispielhafte Aufzählung der überlassenen Rechte enthält (ständige
Rechtsprechung, z.B. Senatsurteile vom 28. Januar 2004 I R 73/02, BFHE 205,
174, BStBl II 2005, 550; vom 19. Dezember 2007 I R 19/06, BFHE 220, 160).
Allerdings muss auch bei einer anderen - vergleichbaren - Berechtigung ein
Fortbestand dieser eigenständigen Rechtsposition (Hidien in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 49 Rz I 61) beim Überlassenden
gewährleistet sein, um den Tatbestand einer zeitlichen Nutzungsüberlassung
(s. insoweit Gosch in Kirchhof, EStG, 8. Aufl., § 49 Rz 140; M. Klein in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 49 EStG Rz 926) zu erfüllen.
b) Die vom Kläger an A und B gezahlten
Vergütungen beziehen sich nicht auf eine "Überlassung" von Rechten i.S. des
§ 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 EStG 1990.
aa) Das FG hat festgestellt, dass nach
nationalen und internationalen Verbandsregeln die "Leihe" eines Spielers
seinem Transfer gleichbehandelt wird (Art. 31 FIFA-Reglement). Damit erhält
der "entleihende" Verein die Möglichkeit, auf der Grundlage eines mit dem
Spieler abzuschließenden Arbeitsvertrages eine Spielerlaubnis für diesen
"entliehenen" Spieler beim Sportverband zu beantragen und - bei einer
zustimmenden Entscheidung - damit zugleich den Bestand einer Spielerlaubnis
für einen anderen (insbesondere dem "verleihenden", eine "Freigabe"
aussprechenden) Verein auszuschließen.
bb) Grundlage für ein Transfergeschäft ist
nach den Feststellungen des FG und dem übereinstimmenden Vortrag der
Beteiligten eine (arbeits-)rechtliche Bindung des Spielers an einen Verein
(s. auch Senatsurteil vom 26. August 1992 I R 24/91, BFHE 169, 163, BStBl II
1992, 977). Diese Bindung kann bei einem übereinstimmenden Interesse beider
Parteien in der Weise modifiziert werden, dass dem Spieler Gelegenheit
geboten wird, sich (gegebenenfalls nur vorübergehend) an einen anderen
Verein zu binden und dort - auf der Grundlage des von ihm dort
abgeschlossenen Arbeitsvertrages - eine Spielerlaubnis des Sportverbandes zu
erhalten. Der abgebende Verein verzichtet damit endgültig (Transfer i.e.S.)
oder für eine bestimmte Dauer ("Spielerleihe") darauf, unter Hinweis auf
eine (frühere) arbeitsvertragliche Bindung des Spielers eine Spielerlaubnis
für sich zu beanspruchen; die Möglichkeit, eine solche Erlaubnis zu
beantragen, ist nunmehr dem aufnehmenden Verein eröffnet.
Gegenstand der vertraglichen Vereinbarung
zwischen den Vereinen, die zivilrechtlich einen Vertrag eigener Art
darstellt, ist damit weder die Übertragung eines Rechts (bisherige
Spielerlaubnis) noch die Überlassung der eigenen Spielerlaubnis zur Nutzung
beim Vertragspartner, insbesondere auch nicht eine Arbeitnehmerüberlassung
(es kommt zum Abschluss eines Arbeitsvertrages beim aufnehmenden Verein)
oder eine besondere Dienstleistung (eine sportliche Darbietung durch den
Spieleinsatz des Sportlers). Das Entgelt des aufnehmenden Vereins bezieht
sich vielmehr auf die beschriebene Möglichkeit, mit dem Spieler einen auf
die "Leihzeit" befristeten Arbeitsvertrag abzuschließen und auf dieser
Grundlage - durch die Verbandsregeln abgesichert - eine (neue)
Spielerlaubnis zu beantragen (zu den zivil- und verbandsrechtlichen
Grundlagen ausführlich Bohnau, Der Vereinswechsel des Lizenzfußballspielers
in arbeitsrechtlicher Betrachtung, Dissertation Bielefeld 2003, S. 181 ff.).
cc) Der abgebende Verein überlässt sonach
nicht ein eigenständiges und fortbestehendes Recht (als Inhaber dieses
Rechts) zur Nutzung. Vielmehr erlischt die Möglichkeit des abgebenden
Vereins, auf der Grundlage eines mit dem Spieler abgeschlossenen
Arbeitsvertrages eine Spielerlaubnis bei seinem Sportverband zu beantragen,
durch den Vollzug der Vereinbarung, während der aufnehmende Verein durch den
Vertragsabschluss mit dem Spieler eine entsprechende Möglichkeit neu
erwirbt.
dd) Zu Transferentschädigungen, die nach
den Vorschriften des Lizenzspielerstatuts des Deutschen Fußball-Bundes bei
dem Wechsel eines Spielers von einem Verein der deutschen Fußball-Bundesliga
zu einem anderen Verein gezahlt werden, hat der erkennende Senat
entschieden, dass die Zahlung ihren wirtschaftlichen Grund in dem
Vereinswechsel und der damit verbundenen Möglichkeit, eine Spielerlaubnis zu
erhalten, hat (Senatsurteil in BFHE 169, 163, BStBl II 1992, 977; zustimmend
z.B. Oberfinanzdirektion Frankfurt, Verfügung vom 6. Mai 2008, ESt-Kartei HE
§ 5 EStG Fach 2 Karte 8). Die Zahlung trete wirtschaftlich an die Stelle
einer Gegenleistung für die Übertragung eines nach allgemeinen
Rechtsgrundsätzen nicht bestehenden "Rechts am Spieler". Letztlich entstehe
beim aufnehmenden Verein ein neues immaterielles Wirtschaftsgut
("Spielerlaubnis"), das zu aktivieren sei. Diese Entscheidung geht mithin
gerade nicht von der "Überlassung" eines Rechts, sondern vielmehr davon aus,
dass ein solches Recht beim aufnehmenden Verein neu entsteht; aus ihr kann
daher - entgegen der Ansicht des FG - eine Anwendbarkeit des § 21 Abs. 1
Satz 1 Nr. 3 EStG 1990 auf die streitgegenständlichen Vorgänge nicht
abgeleitet werden.
ee) Entgegen der Ansicht des FA kann aus
der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs zu Güterverkehrsgenehmigungen kein
anderes Ergebnis folgen. Auch wenn die in einem kontingentierten Markt
erteilte Genehmigung als eigenständiges und übertragbares immaterielles
Wirtschaftsgut anzusehen ist (z.B. Senatsurteil vom 4. Dezember 1991
I R 148/90, BFHE 166, 472, BStBl II 1992, 383), lässt sich daraus im
Streitfall nicht auf die (befristete) Überlassung eines Wirtschaftsguts
"Recht auf Erteilung einer Spielerlaubnis" schließen. Es kommt insbesondere
nicht in Betracht, auf der Grundlage einer wirtschaftlichen
Betrachtungsweise den durch die Verbandsstatuten vorgegebenen Ablauf der
Erteilung einer Spielerlaubnis auszublenden, um den Vorgang auf diese Weise
dem Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 6 EStG 1990 unter Hinweis auf den
wirtschaftlichen Gehalt der Vereinbarung zu unterstellen.
2. Das FG hat zutreffend erkannt, dass A
und B als abgebende Vereine nicht sportliche Darbietungen (des X) im Inland
verwertet haben. Damit bestand auch keine Abzugspflicht des Klägers nach
§ 50a Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i.V.m. § 49 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. d EStG 1990.
Schließlich ist mit der Spielerleihe entgegen der Ansicht des FA schon wegen
der Unbestimmtheit des sportlichen Einsatzerfolges auch nicht eine
Überlassung der Nutzung oder des Rechts auf Nutzung von gewerblichen,
technischen, wissenschaftlichen und ähnlichen Erfahrungen, Kenntnissen und
Fertigkeiten (z.B. Plänen, Mustern und Verfahren) i.S. des § 49 Abs. 1 Nr. 9
EStG 1990 verbunden. Auch ein - vom BMF angenommener - zeitlich befristeter
entgeltlicher Verzicht auf ein fortbestehendes Recht (aus dem ursprünglichen
Arbeitsvertrag oder den Statuten der nationalen Verbände zur Sicherung der
Spielerlizenz für den abgebenden Verein) erfüllt den gegenüber § 22 Nr. 3
EStG 1990 eingegrenzten Tatbestand des § 49 Abs. 1 Nr. 9 EStG 1990 nicht.
Infolgedessen war der (Sammel-)Haftungsbescheid in dem der Revision
unterliegenden Umfang (zur rechtlichen Selbständigkeit der einzelnen
Haftungsansprüche s. Senatsbeschluss vom 4. September 2002 I B 145/01, BFHE
199, 95, BStBl II 2003, 223) aus materiell-rechtlichen Gründen aufzuheben;
die Haftungsschuld ist antragsgemäß um die Körperschaftsteuer 1995 von
... DM und um den Solidaritätszuschlag 1995 von ... DM auf ... DM/... €
herabzusetzen. Da die Revision schon aus diesem Grund Erfolg hat, muss über
die ebenfalls erhobenen formell-rechtlichen Einwendungen des Klägers gegen
den Haftungsbescheid nicht mehr entschieden werden.
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