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BFH-Urteil vom 23.9.2009
(VII R 43/08) BStBl. 2010 II S. 215
Insolvenzanfechtung der
Zahlung der Organgesellschaft auf die Steuerschuld des Organträgers
1. Bezahlt in einer
umsatzsteuerlichen Organschaft die Organgesellschaft kurz vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über ihr Vermögen die Steuerschuld des Organträgers, so
ist die Zahlung nach § 134 InsO anfechtbar, wenn die Steuerforderung
gegenüber dem Organträger nicht werthaltig (uneinbringlich) war.
2. Hat die Organgesellschaft
die Steuerschuld des Organträgers vor Fälligkeit bezahlt, obwohl der
Organträger leistungsfähig war, ist diese Zahlung gegenüber dem FA nicht
gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO anfechtbar, weil das FA nicht
Insolvenzgläubiger ist.
3. Der Haftungsanspruch nach
§ 73 AO ist gegenüber dem Steueranspruch subsidiär, wenn feststeht, dass der
Steuerschuldner zur Zahlung in der Lage ist. Der Tatbestand des § 73 AO wird
ergänzt durch die Regelungen in § 191 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 AO. Danach
setzt der Haftungsanspruch voraus, dass die Haftungsinanspruchnahme bei der
gebotenen Ermessensausübung in Betracht kommt.
AO § 37 Abs. 2 Satz 1, § 73;
InsO § 130, § 131 Abs. 1 Nr. 1, § 134, § 143; UStG § 2 Abs. 2 Nr. 2.
Vorinstanz: FG
Berlin-Brandenburg vom 4. Dezember 2007 5 K 1605/04 (EFG 2008, 481)
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist Insolvenzverwalter über das Vermögen der
X-GmbH. Gesellschafter und Geschäftsführer der X-GmbH war der Beigeladene.
Zwischen der X-GmbH (Organgesellschaft) und dem Beigeladenen (Organträger)
bestand eine umsatzsteuerrechtliche Organschaft.
Am 27. Februar 2003 zahlte
die Organgesellschaft an den Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt -
FA -) einen Betrag in Höhe von rund 41.000 € zur Begleichung der
Umsatzsteuerschulden des Organträgers für den Monat Februar 2003. Am
28. Februar 2003 beantragte der Organträger beim Amtsgericht die Eröffnung
des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Organgesellschaft.
Mit Schreiben vom 16. Juni
2003 focht der Kläger gegenüber dem FA die am 27. Februar 2003 geleistete
Zahlung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 der Insolvenzordnung (InsO) an. Das FA sei
Insolvenzgläubiger, da die Forderung bereits vor Eröffnung des
Insolvenzverfahrens entstanden sei. Die Zahlung sei innerhalb des letzten
Monats vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens erfolgt. Das FA
habe durch die Zahlung eine Befriedigung erlangt, auf die es zum damaligen
Zeitpunkt noch keinen Anspruch gehabt habe.
Im Juli 2003 kam das FA der
Aufforderung des Klägers, den Betrag in Höhe von rund 41.000 € an ihn
auszukehren, zunächst nach.
Mit Bescheid vom 16. Juni
2004 forderte das FA den an den Kläger ausgezahlten Betrag jedoch zurück. Es
berief sich dabei auf § 37 Abs. 2 der Abgabenordnung (AO). Die
(Rück-)Zahlung sei ohne rechtlichen Grund geleistet worden. Die
Insolvenzanfechtung habe nicht zu einem Erstattungsanspruch des Klägers
geführt, sondern wäre vielmehr gegen den Organträger zu richten gewesen.
Einspruch und Klage gegen
den Rückforderungsbescheid blieben ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) hielt
den Bescheid für rechtmäßig, weil der Kläger Leistungsempfänger und damit
Erstattungsverpflichteter i.S. des § 37 Abs. 2 Satz 1 AO gewesen und die
Auszahlung an ihn im Juli 2003 ohne rechtlichen Grund erfolgt sei. Die
Organgesellschaft habe den Betrag zunächst zur Tilgung der
Umsatzsteuerschulden des Organträgers an das FA überwiesen. Der Kläger habe
keinen Anspruch auf Rückzahlung zur Insolvenzmasse gehabt, da die
Voraussetzungen der Insolvenzanfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht
vorgelegen hätten. Das FA sei nicht Insolvenzgläubiger gewesen, da es keinen
zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründeten Vermögensanspruch
gegen die Organgesellschaft, die Insolvenzschuldnerin, gehabt habe. Denn
diese habe keine eigene, sondern eine fremde Verbindlichkeit, nämlich die
des Organträgers, getilgt. Die Insolvenzgläubigerschaft des FA folge auch
nicht aus der Haftung der GmbH als Organgesellschaft für die Steuerschulden
des Organträgers, weil die Umsatzsteuerschuld des Organträgers, für die die
Organgesellschaft hätte haften können, durch deren Überweisung vom
27. Februar 2003 getilgt worden sei.
Eine Anfechtung nach § 132
oder § 133 InsO komme ebenfalls nicht in Betracht, weil das FA zur Zeit der
Zahlung weder die Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft noch eine
eventuelle Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Organträgers gekannt habe.
Der Kläger habe auch keinen Rückgewähranspruch nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO.
Denn erstattungsberechtigt sei danach der Steuerpflichtige, für dessen
Rechnung die Zahlung geleistet worden ist. Entscheidend sei insoweit, dass
die Organgesellschaft den Willen hatte, die Steuerschuld des Organträgers zu
tilgen.
Dem Kläger stehe schließlich
auch kein Bereicherungsanspruch nach § 812 des Bürgerlichen Gesetzbuchs
(BGB) zu, da § 37 Abs. 2 Satz 1 AO diesen bei Steuerzahlungen verdränge.
Die Entscheidung des FG ist
in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 481 veröffentlicht.
Mit seiner Revision macht
der Kläger die Verletzung von §§ 38, 131 InsO, §§ 37, 44, 73 AO geltend. Er
hält die Rechtsauffassung des FG für fehlerhaft, dass die Zahlung der
Umsatzsteuer durch den Insolvenzverwalter der Organgesellschaft nicht
angefochten werden könne, weil das FA vor Erlass eines Haftungsbescheids
noch keinen Vermögensanspruch gegen die Organgesellschaft gehabt habe und
nach Zahlung der Steuerschuld nicht mehr zu den Insolvenzgläubigern gehöre.
Eine Haftung der Organgesellschaft für Umsatzsteuern des Organträgers sei
nach § 38 AO bereits in dem Zeitpunkt entstanden, zu dem der Organträger den
Tatbestand verwirklicht habe, der seine Umsatzsteuerschuld habe entstehen
lassen. Lediglich zur Durchsetzung des Haftungsanspruchs bedürfe es des
Erlasses eines Haftungsbescheids. Der Umstand, dass der Haftungsanspruch nur
akzessorisch zur Steuerschuld des Organträgers sei, ändere nichts daran,
dass das FA mit diesem Anspruch auf die spätere Teilnahme am
Insolvenzverfahren verwiesen wäre, hätte es nicht eine Befriedigung vorab
erlangt. Das aber reiche aus, um das FA im Wege der Anfechtung auf
Rückzahlung des erhaltenen Betrags in Anspruch nehmen zu können, denn als
Anfechtungsgegner komme jeder in Betracht, der seinen Vermögensanspruch ohne
die anfechtbare Rechtshandlung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen
könne. Abgesehen davon sei die Insolvenzanfechtung ausnahmsweise auch
gegenüber einem Nicht-Insolvenzgläubiger zugelassen, wenn der
Insolvenzschuldner - wie im Falle der Gesamtschuld gemäß § 44 Abs. 1 AO -
für die Erfüllung der Forderung selbst einzustehen habe. Die Einschränkung,
dass die Anfechtung nur in Betracht komme, wenn der Leistende nicht zugleich
einen Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den eigentlichen Schuldner
erwerbe, greife im Falle der Organschaft nicht durch, weil sich nach der
Rechtsprechung aus der Natur der Organschaft ergebe, dass die
Organgesellschaft eine für den Organträger vorgenommene Steuerzahlung von
diesem nicht ersetzt verlangen könne. Die Insolvenzgläubigerschaft des FA
scheitere auch nicht daran, dass die Steuerforderung von der
Organgesellschaft, die selbst nicht Steuerschuldnerin gewesen sei, schon vor
ihrer Entstehung beglichen worden sei und dass mangels Entstehung einer
Steuerschuld im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung auch kein Haftungsanspruch
bestanden habe. Da sich das Recht der Insolvenzanfechtung in erster Linie an
wirtschaftlichen Gesichtspunkten orientiere, trete im Fall der Organschaft
die Unterscheidung zwischen Steuerschuldnerschaft und
Haftungsschuldnerschaft zurück. Die Organschaft sei im Rahmen der Anfechtung
als Gesamtheit zu betrachten mit der Folge, dass in der angefochtenen
Leistung die Befriedigung eines Insolvenzgläubigers zu sehen sei, nämlich
einer Person, die ihre Forderung ohne Vornahme der anzufechtenden
Rechtshandlung nur durch Teilnahme am Insolvenzverfahren hätte verfolgen
können.
Das FA entgegnet:
Die durch die
Insolvenzschuldnerin geleistete Zahlung unterliege nicht der
Insolvenzanfechtung. Eine Anfechtung nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO scheitere,
weil das FA aufgrund der bereits erfolgten Tilgung und der bestehenden
Akzessorietät zwischen der Steuerschuld und eventueller Haftungsschuld nicht
Insolvenzgläubiger im Verfahren der Organgesellschaft habe werden können.
Eine Umsatzsteuerschuld, für die die Organgesellschaft nach § 73 AO habe
haften können, sei im Streitfall nicht entstanden. Deshalb sei auch kein
Gesamtschuldverhältnis entstanden, aufgrund dessen das FA im
Insolvenzverfahren der Organgesellschaft von dieser Befriedigung hätte
verlangen können. Aber auch nach der Rechtsauffassung des Klägers, dass als
Anfechtungsgegner jeder in Betracht komme, der seinen Vermögensanspruch ohne
die anfechtbare Rechtshandlung nur als Insolvenzgläubiger hätte geltend
machen dürfen, sei die Anfechtung nicht berechtigt, denn ohne die auf fremde
Rechnung geleistete Zahlung wäre die Steuerschuld vom Organträger als
Steuerschuldner zu erfüllen gewesen und es spreche nichts dafür, dass dieser
den Anspruch des FA nicht hätte erfüllen können oder erfüllt hätte. Die
Steuerzahlung sei nur dem Organträger gegenüber anfechtbar, da es sich um
eine Leistung an diesen gehandelt habe, der dadurch Befreiung von seiner
Steuerschuld erlangt habe.
Der Beigeladene, der
Organträger, unterstützt die Auffassung des FA, dass wegen der Begleichung
der Steuerschuld vor Insolvenzeröffnung die Voraussetzungen für eine
gesamtschuldnerische Mithaftung der Organgesellschaft nicht vorgelegen
hätten und weist darauf hin, dass durch die Zahlung der Organgesellschaft
er, der Organträger, eine eigene Verbindlichkeit getilgt habe, wenn auch mit
fremden Mitteln.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet.
Das Urteil des FG ist mit dem Bundesrecht im Ergebnis vereinbar (§ 118
Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Das FA hat Anspruch auf
Rückzahlung der an den Kläger (zurück-)gezahlten rund 41.000 €. Nach § 37
Abs. 2 Satz 1 AO hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Steuer, eine
Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne
rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden ist, gegen den
Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder
zurückgezahlten Betrags. Die Rückzahlung in die Insolvenzmasse ist ohne
Rechtsgrund erfolgt.
Der Rechtsgrund für die
Rückzahlung des von der Organgesellschaft an das FA gezahlten Betrags ergibt
sich im Streitfall nicht aus § 143 Abs. 1 InsO. Danach muss zur
Insolvenzmasse zurückgewährt werden, was durch eine anfechtbare Handlung aus
dem Vermögen des Schuldners veräußert, weggegeben oder aufgegeben ist. Hier
hat das FA dem Kläger den Betrag zur Insolvenzmasse zurückgezahlt, den die
Organgesellschaft nach den Feststellungen des FG vor Insolvenzeröffnung auf
die Umsatzsteuer des Organträgers gezahlt hatte. In dieser Zahlung der
Organgesellschaft hat der Kläger zu Unrecht eine gegenüber dem FA
anfechtbare Handlung gesehen.
1. Eine sog.
Schenkungsanfechtung nach § 134 InsO kommt im Streitfall nicht in Betracht.
Nach dieser Vorschrift ist eine unentgeltliche Leistung, sofern sie
innerhalb von vier Jahren vor Insolvenzeröffnung vorgenommen worden ist,
anfechtbar. Eine unentgeltliche Leistung liegt nach der Rechtsprechung des
Bundesgerichtshofs (BGH), der sich der Senat anschließt, auch in der
Zuwendung an einen Dritten, wenn dessen Forderung gegen den Schuldner nicht
werthaltig war. War nämlich die Forderung nicht werthaltig, verliert der
Dritte mit dem Erlöschen dieser Forderung durch die Zahlung des späteren
Insolvenzschuldners (§ 47 AO i.V.m. § 267 BGB) wirtschaftlich nichts, was
als Gegenleistung für die Zuwendung angesehen werden kann (vgl. BGH-Urteile
vom 16. November 2007 IX ZR 194/04, BGHZ 174, 228; vom 5. Februar 2004
IX ZR 473/00, Zeitschrift für das gesamte Insolvenzrecht - ZInsO - 2004,
499, m.w.N.).
Im Streitfall bestand nach
den für den Senat bindenden Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) eine
Organschaft, d.h. die Organgesellschaft war finanziell, wirtschaftlich und
organisatorisch in das Unternehmen des Organträgers eingegliedert (§ 2
Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 des Umsatzsteuergesetzes - UStG -). Nach § 2 Abs. 2
Nr. 2 Satz 1 UStG ist der Organträger Schuldner der auf die Umsätze der
Organschaft entfallenden Umsatzsteuer. Eine Zahlung auf eine fremde Schuld
liegt damit vor. Sie war aber keine unentgeltliche Leistung. Zwar enthält
das FG-Urteil keine Feststellungen zur Leistungsfähigkeit des Organträgers.
Da das FA aber selbst keine Zweifel an der Zahlungsfähigkeit des
Organträgers hat und dessen Vorbringen im Revisionsverfahren zu entnehmen
ist, dass er nicht insolvent ist, kann der Senat hiervon ausgehen. Die
Tilgung der fremden Schuld ist deshalb als entgeltliche Leistung nicht nach
§ 134 InsO anfechtbar.
2. Eine Anfechtung nach § 132
oder § 133 InsO scheitert daran, dass das FA nach den für den Senat
bindenden Feststellungen des FG zur Zeit der Zahlung weder die
Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft noch eine eventuelle
Gläubigerbenachteiligungsabsicht des Organträgers gekannt hat.
3. Der Kläger ist zur
Anfechtung der Leistung der Organgesellschaft auf die Steuerschuld des
Organträgers auch nicht gemäß § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO berechtigt.
a) Nach dieser Vorschrift ist
eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem Insolvenzgläubiger eine
Befriedigung gewährt hat, die er nicht zu der Zeit zu beanspruchen hatte,
wenn die Handlung im letzten Monat vor dem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist. Diese Voraussetzungen sind im
Streitfall nicht erfüllt.
aa) Durch die Zahlung der
Organgesellschaft am 27. Februar 2003, einen Tag vor Eröffnung ihres
Insolvenzverfahrens, hat das FA die vom Organträger für den
Voranmeldungszeitraum Februar 2003 geschuldete Umsatzsteuer erhalten. Zu
diesem Zeitpunkt hatte das FA die Steuer noch nicht zu beanspruchen, sie
wurde gemäß § 18 Abs. 1 UStG erst am 10. des Folgemonats fällig. Dem FA ist
dadurch Befriedigung gewährt worden, denn durch die Zahlung ist die
Steuerschuld - vorbehaltlich einer wirksamen Anfechtung - erloschen, § 47
AO, § 267 BGB (vgl. Klein/Brockmeyer, AO, 9. Aufl., § 47 Rz 4, m.w.N.). Die
Zahlung ist als Rechtshandlung der Organgesellschaft gegenüber dem FA zu
qualifizieren, auch soweit die Leistung auf die Steuerschuld,
bereicherungsrechtlich also gegenüber dem Organträger, erbracht worden ist.
Wie der BGH zu dem § 131 InsO insoweit entsprechenden § 30 Nr. 2 der
Konkursordnung erkannt hat, ist der Begriff der Rechtshandlung im Sinne des
Anfechtungsrechts nicht identisch mit dem bereicherungsrechtlichen Begriff
der Leistung. Der anfechtungsrechtliche Begriff der Rechtshandlung ist im
weitesten Sinne zu verstehen. Er meint jedes Handeln, das eine rechtliche
Wirkung auslöst und das Vermögen des Schuldners zum Nachteil der
Insolvenzgläubiger verändern kann. Dazu zählen neben Willenserklärungen auch
rechtsgeschäftsähnliche Handlungen wie etwa die vorliegende Zahlung (vgl.
BGH-Urteil in ZInsO 2004, 499, m.w.N.).
bb) Das FA ist aber nicht
Insolvenzgläubiger i.S. des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO.
Die Zahlung der
Organgesellschaft ist Tilgung einer fremden Verbindlichkeit (s.o. unter 1.).
Eine solche ist aus insolvenzrechtlicher Sicht grundsätzlich nicht im Wege
der Anfechtung der Zahlung der Organgesellschaft an das FA rückgängig zu
machen, weil zur Masse ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch gegen den
Schuldner gehört, dessen Schuld der Insolvenzschuldner erfüllt hat, und weil
deshalb die Insolvenzgläubiger nicht benachteiligt sind (BGH-Urteil in ZInsO
2004, 499).
Der Senat teilt nicht die in
der obergerichtlichen Zivilrechtsprechung vertretene Auffassung, dass bei
einer umsatzsteuerlichen Organschaft zwischen der Insolvenzschuldnerin als
Organgesellschaft und einem Organträger im Fall der Zahlung der Umsatzsteuer
durch die Organgesellschaft das FA stets Insolvenzgläubiger i.S. des § 131
InsO ist (vgl. Oberlandesgericht - OLG - Köln, Beschluss vom 14. Dezember
2005 2 U 89/05, ZInsO 2006, 1329; bezugnehmend darauf OLG Nürnberg,
Beschluss vom 9. März 2009 4 U 2506/08, juris).
Zwar mag eine
Insolvenzanfechtung ausnahmsweise in Betracht kommen, auch wenn der
Insolvenzschuldner auf eine fremde Schuld gezahlt hat (vgl. Henckel in
Jaeger, Insolvenzordnung, § 130 Rz 19). Das soll nach zivilrechtlicher
Betrachtung dann der Fall sein, wenn ein Befreiungs- oder Rückgriffsanspruch
des Insolvenzschuldners, der Organgesellschaft, gegen den Organträger nicht
besteht und der Zahlungsempfänger einen Anspruch gegen die Organgesellschaft
auf die Sicherung oder Befriedigung hatte.
Ein solcher Ausnahmefall
liegt aber hier nicht vor. Das FA hatte im Zeitpunkt der Zahlung der
Organgesellschaft keinen Anspruch auf "die Sicherung oder Befriedigung" des
Umsatzsteueranspruchs. Zwar haftet die Organgesellschaft für die
Steuerschulden des Organträgers gemäß § 73 AO, der eine umfassende Sicherung
des Steueranspruchs gewährleisten soll (Senatsurteil vom 5. Oktober 2004
VII R 76/03, BFHE 207, 18, BStBl II 2006, 3). Unbeschadet dessen, ob das FA
einen Haftungsanspruch wegen Umsatzsteuern für einen Besteuerungszeitraum,
der im Zeitpunkt der Eröffnung des Insolvenzverfahrens noch nicht abgelaufen
war, im Insolvenzverfahren des Haftungsschuldners geltend machen kann,
scheitert der "Anspruch auf die Sicherung oder Befriedigung" hier schon
daran, dass die Haftungsvoraussetzungen nicht erfüllt sind. Zwar bestimmt
§ 73 AO, dass eine Organgesellschaft für solche Steuern des Organträgers
haftet, für welche die Organschaft zwischen ihnen steuerlich von Bedeutung
ist. Der Tatbestand des § 73 AO gibt aber die Voraussetzungen für eine
Inanspruchnahme des Haftungsschuldners nur unvollständig wieder. Er wird
ergänzt durch die Regelungen in § 191 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 5 AO. Danach
setzt der Haftungsanspruch voraus, dass die Haftungsinanspruchnahme bei der
gebotenen Ermessensausübung überhaupt in Betracht kommt. Nach § 219 Abs. 1
Satz 1 AO darf ein Haftungsschuldner auf Zahlung nur in Anspruch genommen
werden, soweit die Vollstreckung in das bewegliche Vermögen des
Steuerschuldners ohne Erfolg geblieben oder anzunehmen ist, dass die
Vollstreckung aussichtslos sein würde. Kann aber ein Haftungsanspruch bei
sachgerechter Ermessensausübung nur verfolgt werden, wenn die Steuerschuld
beim Steuerschuldner nicht realisiert werden kann, so ist notwendigerweise
auch der Haftungsanspruch selbst subsidiär, wenn feststeht, dass der
Steuerschuldner zur Zahlung in der Lage ist. Davon geht die Rechtsprechung,
ohne insoweit Begründungsbedarf zu sehen, seit jeher aus (z.B. Urteil des
Bundesfinanzhofs vom 2. Februar 1994 II R 7/91, BFHE 173, 306, BStBl II
1995, 300, am Ende; Beschlüsse vom 17. Juli 1984 VII S 9/84, BFH/NV 1986,
583; vom 2. August 1988 VII B 111/87, BFH/NV 1989, 152).
Da im Streitfall die Solvenz
des Organträgers im Zeitpunkt der Insolvenzanfechtung des Klägers gegenüber
dem FA unstreitig gegeben war, bestand kein Haftungsanspruch des FA gegen
die Organgesellschaft. Das FA hatte folglich nicht die Stellung eines
Insolvenzgläubigers.
b) Aber selbst wenn der von
den genannten Zivilgerichten vertretenen Auffassung zu folgen wäre, dass
insolvenzrechtlich die Organschaft als Einheit anzusehen und das FA deshalb
bei Begleichung der Steuerschuld durch die in Insolvenz geratene
Organgesellschaft stets Insolvenzgläubiger sei, wäre die Anfechtung des
Klägers gegenüber dem FA nicht gerechtfertigt.
aa) Der Kläger ist -
zumindest auch - berechtigt, die in der Zahlung der Organgesellschaft an das
FA liegende Leistung an den Organträger gemäß § 130 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 InsO
anzufechten. Danach ist eine Rechtshandlung anfechtbar, die einem
Insolvenzgläubiger eine Sicherung oder Befriedigung gewährt oder ermöglicht
hat, wenn sie in den letzten drei Monaten vor dem Antrag auf Eröffnung des
Insolvenzverfahrens vorgenommen worden ist, wenn zur Zeit der Handlung der
Schuldner zahlungsunfähig war und wenn der Gläubiger zu dieser Zeit die
Zahlungsunfähigkeit kannte. Dieser Tatbestand ist vorliegend erfüllt. Durch
die Zahlung der Organgesellschaft an das FA, mit der die Steuerschuld des
Organträgers beglichen worden ist, hat die Organgesellschaft den
Ausgleichsanspruch, den der Organträger im Innenverhältnis der Organschaft
gegen die Organgesellschaft hatte, erfüllt. Denn nach der maßgeblichen
höchstrichterlichen Zivilrechtsprechung - die Frage des Innenausgleichs
zwischen Steuerschuldner und Haftungsschuldner richtet sich ausschließlich
nach bürgerlichem Recht - steht dem Organträger gegen die Organgesellschaft
ein gesetzlicher Anspruch auf Ausgleich der für deren Gewerbebetrieb
entrichteten Steuer zu. Zu der in diesem Zusammenhang vergleichbaren
gewerbesteuerrechtlichen Organschaft hat der BGH erkannt, dass es keine
Rechtfertigung dafür gibt, die Organgesellschaft auch im Innenverhältnis von
jeder gewerbesteuerrechtlichen Belastung freizustellen. Für das Gegenteil
spreche vielmehr der Umstand, dass Ertrag und Kapital der Organgesellschaft
in gleicher Weise wie beim Organträger der Gewerbesteuerpflicht (hier
entsprechend die Umsätze der Organgesellschaft der Umsatzsteuerpflicht)
unterliegen, dass ein Teil der Steuerschuld, für den die Organgesellschaft
gemäß § 73 Satz 1, § 44 Abs. 1 Satz 1 AO mithaftet, also allein in ihrem
gewerblichen Bereich entstanden ist. Das rechtfertige es, auf die Verteilung
der Steuer im Innenverhältnis § 426 Abs. 1 Satz 1 BGB analog anzuwenden
(BGH-Urteil vom 22. Oktober 1992 IX ZR 244/91, BGHZ 120, 50). Da im
Streitfall die gezahlten Beträge ausschließlich aus Umsätzen der
Organgesellschaft herrühren, hat sie im Innenverhältnis der Organschaft die
Steuerlast zu tragen.
Hinsichtlich dieses Anspruchs
wäre der Organträger - die Zahlung hinweggedacht - Insolvenzgläubiger
gewesen. Dass er die Zahlungsunfähigkeit der Organgesellschaft kannte,
ergibt sich daraus, dass er selbst einen Tag nach der Zahlung
Insolvenzantrag für die Organgesellschaft gestellt hat.
bb) Dieses Anfechtungsrecht
machte es wegen der damit gegebenen Konkurrenz mehrerer
Anfechtungsmöglichkeiten allerdings erforderlich, eine Rangfolge der
Anfechtungsrechte festzulegen. Der Vorrang bestimmte sich in dieser
Konstellation nach der Realisierbarkeit des Anfechtungsanspruchs im
Leistungsverhältnis, also gegenüber dem Organträger. Wegen der im Streitfall
feststehenden Leistungsfähigkeit des Organträgers wäre der Kläger danach
verpflichtet gewesen, diesen vorrangig auf Rückgewähr des von der
Organgesellschaft an das FA gezahlten Betrags in Anspruch zu nehmen (s.o.).
Letztlich ergibt sich dies
auch aus der BGH-Rechtsprechung. Zwar sind die Entscheidungen, in denen sich
der BGH zu konkurrierenden Anfechtungsansprüchen in Fällen mittelbarer
Zuwendung geäußert hat, auf den Streitfall nicht direkt anwendbar, denn die
Konstellationen zwischen den im Dreiecksverhältnis Beteiligten unterscheiden
sich.
Im Urteil in BGHZ 174, 228
ging es um Anfechtungsrechte zugunsten der Insolvenzmassen des
Leistungsschuldners einerseits und des Leistungsmittlers andererseits
gegenüber dem Gläubiger des Schuldners. In einem solchen Fall geht die
Anfechtung durch den Insolvenzverwalter des Leistenden der Anfechtung durch
den Insolvenzverwalter des Leistungsmittlers vor. Im Urteil vom
16. September 1999 IX ZR 204/98 (BGHZ 142, 284) ging es um die
Anfechtungsmöglichkeiten, wenn der (spätere) Insolvenzschuldner einen
Drittschuldner angewiesen hat, an einen Gläubiger zu zahlen. Für diese
Konstellation hat der BGH erkannt, dass sich die Anfechtung allein gegen den
Dritten als Empfänger richtet, wenn der Gemeinschuldner eine Zwischenperson
eingeschaltet hat, die für ihn im Wege einer einheitlichen Handlung eine
Zuwendung an einen Dritten bewirkt und damit zugleich unmittelbar das den
Insolvenzgläubigern haftende Vermögen vermindert hat.
Beiden Erkenntnissen liegt
ersichtlich die Wertung zugrunde, vorrangig den Vorgang rückabzuwickeln, in
dem auf die eigene Schuld des Insolvenzschuldners geleistet worden ist.
Übertragen auf den Streitfall bedeutet dies, dass die Anfechtung der
Leistung der Organgesellschaft auf die Ausgleichsverpflichtung gegenüber dem
Organträger Vorrang hat vor der Anfechtung der Begleichung der Steuerschuld
für den Organträger. Diese Wertung korrespondiert mit dem Nachrang der
Haftung der Organgesellschaft nach § 73 AO bei bestehender
Leistungsfähigkeit des Organträgers (s.o.).
4. Da nach alledem die
Rückzahlung des von der Organgesellschaft gezahlten Betrags durch das FA
wegen der unberechtigten Insolvenzanfechtung des Klägers ohne Rechtsgrund
erfolgt ist, sind die Voraussetzungen der Erstattung dieses Betrags gemäß
§ 37 Abs. 2 AO erfüllt. Das FG hat die Klage im Ergebnis zu Recht
abgewiesen.
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