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BFH-Urteil vom 19.8.2009
(I R 1/09) BStBl. 2010 II S. 225
Die einkommenswirksame
Wertaufholung eines Beteiligungswerts gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m.
Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 (i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002) umfasst
auch eine frühere ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf den
Buchwert der Beteiligung, die gemäß § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 nicht
einkommenswirksam war.
EStG 1997 i.d.F. des StEntlG
1999/2000/2002 § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Satz 4; EStG 1990
§ 50c Abs. 1.
Vorinstanz: FG
Baden-Württemberg vom 10. November 2008 6 K 392/04
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob eine
frühere Teilwertabschreibung auf den Buchwert einer Beteiligung, die nicht
einkommenswirksam war (§ 50c Abs. 1 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes -
EStG - 1990), von einer späteren sog. Wertaufholung des Beteiligungswerts
gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 (i.d.F.
des Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999,
402, BStBl I 1999, 304 - EStG 1997 n.F. -) erfasst wird.
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH, ist Gesamtrechtsnachfolgerin einer
Kapitalgesellschaft, die in 1991 sämtliche Anteile an der T-GmbH erwarb. Im
Veranlagungszeitraum 1991 kam es zu einer Gewinnausschüttung der T-GmbH,
derzufolge die Klägerin eine ausschüttungsbedingte Teilwertabschreibung auf
den Beteiligungswert in Höhe von 3.036.292 DM vornahm; dabei blieb ein
Teilbetrag von 650.000 DM gemäß § 50c Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 4 Satz 1
EStG 1990 ohne Auswirkung auf das zu versteuernde Einkommen
(außerbilanzielle Hinzurechnung), da ein entsprechender Teil der
Geschäftsanteile von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner
erworben worden war. Im Veranlagungszeitraum 1993 erfolgte eine
wertänderungsbedingte Teilwertabschreibung auf die Beteiligung in Höhe von
1.729.404 DM.
In der
Körperschaftsteuererklärung des Streitjahres 1999 berücksichtigte die
Klägerin eine Wertaufholung nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Nr. 1
Satz 4 EStG 1997 n.F. beim Beteiligungswert in Höhe von 4.765.696 DM
(3.036.292 DM zzgl. 1.729.404 DM) einkommenserhöhend, wobei gemäß § 52
Abs. 16 Satz 3 EStG 1997 n.F. in Höhe von vier Fünfteln der Wertaufholung
eine den Gewinn mindernde Rücklage gebildet wurde, deren Auflösung in dem
weiteren Streitjahr 2000 und den Folgejahren (bis 2003) mit jeweils einem
Viertel erfolgen sollte. Den einkommenswirksamen Wertaufholungsbetrag
minderte die Klägerin allerdings um den Betrag der ausschüttungsbedingten
Teilwertabschreibung, der 1991 bei der Einkommensermittlung hinzugerechnet
worden war (650.000 DM); die Einkommen der Streitjahre seien insoweit -
unter Berücksichtigung von Rücklagenbildung und -auflösung - um jeweils
130.000 DM zu vermindern. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -
FA -) folgte diesem Begehren bei der Festsetzung der Körperschaftsteuer und
der daran anschließenden Feststellung des verwendbaren Eigenkapitals der
Streitjahre unter Hinweis auf das Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen (BMF) vom 25. Februar 2000 (BStBl I 2000, 372 Tz. 34, 36) nicht.
Das Finanzgericht (FG) Baden-Württemberg gab der Klage durch Urteil vom
10. November 2008 6 K 392/04 statt.
Das FA rügt die Verletzung
materiellen Rechts und beantragt, das Urteil aufzuheben und die Klage
abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet;
das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Klage abgewiesen (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Die Kürzung des
Betrages der einkommenswirksamen Wertaufholung um die gemäß § 50c Abs. 1
Satz 1 EStG 1990 nicht einkommenswirksame ausschüttungsbedingte
Teilwertabschreibung verletzt Bundesrecht.
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 2
Satz 1 EStG 1997 n.F. ist eine zum Betriebsvermögen gehörende Beteiligung
grundsätzlich mit den Anschaffungskosten anzusetzen. Entspricht der Ansatz
einer Beteiligung, die bereits am Schluss des vorangegangenen
Wirtschaftsjahrs zum Anlagevermögen gehört hat, dieser Maßgabe durch den
Ansatz eines niedrigeren Teilwerts nicht, ist die Bewertung dennoch mit den
Anschaffungskosten vorzunehmen, es sei denn, der Steuerpflichtige weist
nach, dass ein niedrigerer Teilwert angesetzt werden kann (§ 6 Abs. 1 Nr. 2
Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F.). Dieses sog. Wertaufholungsgebot
ist erstmals für das erste nach dem 31. Dezember 1998 endende
Wirtschaftsjahr (sog. Erstjahr) anzuwenden (§ 52 Abs. 16 Satz 2 EStG 1997
n.F.). In Höhe von vier Fünfteln des im Erstjahr durch die Anwendung des
Wertaufholungsgebots entstehenden Gewinns kann in diesem Jahr eine den
steuerlichen Gewinn mindernde Rücklage gebildet werden, die in den dem
Erstjahr folgenden vier Wirtschaftsjahren (sog. Auflösungszeitraum) jeweils
mit mindestens einem Viertel gewinnerhöhend aufzulösen ist (§ 52 Abs. 16
Satz 3 EStG 1997 n.F.).
2. Die Klägerin, bei deren
Einkommensermittlung diese Rechtsgrundsätze heranzuziehen sind (§ 8 Abs. 1
des Körperschaftsteuergesetzes 1999 - KStG 1999 -), hat einen Nachweis zum
Ansatz eines niedrigeren Teilwerts zum Wert der Beteiligung zum 31. Dezember
1999 nicht geführt. Daher hat sie zutreffend eine Wertaufholung - infolge
der gesetzlich zugelassenen Rücklagenbildung verteilt auf das Erstjahr und
den restlichen Auflösungszeitraum - einkommenserhöhend berücksichtigt. Der
Annahme des FG, die gemäß § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 außerbilanziell
hinzugerechnete Teilwertabschreibung sei bei der Bemessung der Wertaufholung
nicht zu berücksichtigen, ist nicht zu folgen.
a) Dem Wortlaut des § 6
Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F. ist nicht zu
entnehmen, dass die steuerpflichtige Wertaufholung eine "steuerwirksame"
Teilwertabschreibung voraussetzt (s. demgegenüber § 8b Abs. 2 Satz 2 KStG
2002). Er enthält gleichermaßen keinen ausdrücklichen Vorbehalt, dass der
einkommenserhöhende Ansatz unterbleibt, soweit eine Teilwertabschreibung
"nach § 50c des Einkommensteuergesetzes ... nicht anerkannt worden ist" (so
aber z.B. § 12 Abs. 2 Satz 3 des Umwandlungssteuergesetzes 1995). Aus dem
Gesetzeswortlaut ist für den Ansatz einer Beteiligung in einem Folgejahr bei
einem bisherigen Ansatz unterhalb der Anschaffungskosten nur auf eine
"Bewertungsobergrenze" (Anschaffungskosten) und eine "Bewertungsuntergrenze"
(niedrigerer Teilwert) zu schließen (s. insoweit auch BMF-Schreiben in BStBl
I 2000, 372 Tz. 34).
b) Die Revision zieht auf
dieser Grundlage die Schlussfolgerung, dass § 50c EStG 1990 als
steuerrechtliche Sonderregelung die Teilwertabschreibung als solche und
damit das Wertaufholungsgebot nicht berühre (so BMF-Schreiben in BStBl I
2000, 372 Tz. 36) und es nicht darauf ankomme, ob die vorherige
Teilwertabschreibung steuerlich nicht oder nicht vollständig wirksam
geworden sei (so BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372 Tz. 34 a.E.). Dem ist
beizupflichten (im Ergebnis ebenso - dem BMF-Schreiben in BStBl I 2000, 372
folgend - z.B. Köster/Patt/ Wendt/Wischmann in Herrmann/Heuer/Raupach, Band
Steuerreform I, § 6 EStG Rz R 47; Buciek, Jahrbuch der Fachanwälte für
Steuerrecht - JbFSt - 2007/2008, S. 666 f., 669; s. auch Günkel/Fenzl,
Deutsches Steuerrecht - DStR - 1999, 649, 653). Denn der sog. Sperrbetrag
einerseits und der spätere Anstieg des Teilwerts der Beteiligung
andererseits sind auseinanderzuhalten: Die außerbilanzielle, durch § 50c
Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 veranlasste Korrektur der innerbilanziellen
Teilwertabschreibung bezieht sich nicht auf den Wertverlust der Beteiligung
beim Erwerber. Sie soll vielmehr eine Einmalbesteuerung der im Inland
erwirtschafteten Vermögensmehrungen der Kapitalgesellschaft im Inland
sicherstellen (Senatsurteil vom 7. November 2007 I R 41/05, BFHE 219, 549,
BStBl II 2008, 604; Senatsbeschluss vom 23. Januar 2008 I R 21/06, BFHE 220,
280; Senatsurteil vom 12. November 2008 I R 77/07, BFHE 224, 32). Der
spätere (erneute) Anstieg des Teilwerts der Beteiligung ist davon
abzugrenzen. In ihm verwirklicht sich ein Ertrag, der unmittelbar dem
Erwerber zuzurechnen ist und von diesem losgelöst von den besonderen
Regelungszwecken des § 50c EStG 1990 nach Maßgabe des
Leistungsfähigkeitsprinzips für die Zeit seiner Besitzzeit zu versteuern
ist. Strenggenommen kommt es also nicht zur doppelten Besteuerung eines und
desselben Vorgangs, sondern zu der (zufälligen) Kollision unterschiedlicher
Besteuerungsgrundlagen, welche unabhängig voneinander legitimiert sind. Für
die als Korrektiv angemahnte teleologische Reduktion des § 6 Abs. 1 Nr. 1
Satz 4 EStG 1999 (vgl. Kroppen, JbFSt 2007/2008, S. 658, 660 ff.; Dietrich,
DStR 2000, 1629, 1634) besteht daher ebenso wenig Veranlassung wie für eine
außerbilanzielle Kürzung der bilanziell vorzunehmenden Wertaufholung (vgl.
dazu Prinz, DStR 2000, 661, 667; ähnlich Strahl, Kölner Steuerdialog - KÖSDI
- 2000, 12371, 12382).
Aus gleichem Grund scheidet
eine Minderung der steuerlichen Anschaffungskosten (z.B. Prinz, ebenda;
Hoffmann, GmbH-Rundschau - GmbHR - 1999, 380, 385; Weber-Grellet,
Betriebs-Berater - BB - 2000, 1024, 1028; derselbe, Der Betrieb - DB - 2000,
165, 168) aus. Denn Anschaffungskosten sind gemäß § 255 Abs. 1 Satz 1 des
Handelsgesetzbuchs (stets) die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen
Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu
versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden
können. Dieser handelsrechtliche Begriff ist der Bewertung in der
Steuerbilanz zugrunde zu legen, da eine abweichende Definition im
Einkommensteuergesetz fehlt (ständige Rechtsprechung, z.B. Senatsurteil vom
17. Oktober 2001 I R 32/00, BFHE 197, 58, BStBl II 2002, 349, m.w.N.). Auch
wenn der sog. Sperrbetrag (§ 50c Abs. 4 Satz 1 EStG 1990) wirtschaftlich den
vom Erwerber der Beteiligung als Teil des Kaufpreises bezahlten offenen
Rücklagen bzw. stillen Reserven der Kapitalgesellschaft entsprechen mag (s.
insbesondere Weber-Grellet, BB 2000, 1024, 1028; derselbe, DB 2000, 165,
168; Hoffmann, GmbHR 1999, 380, 385 f.; s. auch Rödder, DStR 1999, 1019,
1020), bleibt er bilanziell dennoch Bestandteil der Anschaffungskosten der
Beteiligung. Dann aber stellt der um die Teilwertabschreibung geminderte
Betrag der Anschaffungskosten nicht die "Bewertungsobergrenze" für den
Wertansatz nach § 6 Abs. 1 Nr. 2 Satz 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F.
dar (so im Ergebnis aber Kroppen, JbFSt 2007/2008, S. 658, 662; Werndl in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 6 Rz B 437; Glanegger in Schmidt, EStG,
28. Aufl., § 6 Rz 51, und Weber-Grellet, ebenda, § 50c Rz 1; Prinz, DStR
2000, 661, 667; Dietrich, DStR 2000, 1629, 1634; Strahl, KÖSDI 2000, 12371,
12381 f.).
Die Klägerin beruft sich
schließlich vergeblich auf einen allgemeinen Rechtsgrundsatz, wonach die
einkommenserhöhende Wertaufholung einen vorherigen einkommensmindernden
Wertabschlag voraussetze. Einen derartigen Rechtsgrundsatz gibt es nicht.
Dass der Gesetzgeber in anderen Sachzusammenhängen entsprechende Regelungen
getroffen hat (s. zu II.2.a der Gründe), lässt einen eindeutigen Rückschluss
auf ein übergreifendes Regelungskonzept des Gesetzgebers nicht zu (s.
insoweit auch Senatsurteil vom 23. September 2008 I R 19/08, BFHE 223, 258).
3. Schließlich bedarf es
keiner Erörterung der Rechtsfrage, ob § 50c EStG 1990 und mit ihm der
dadurch ausgelöste sog. Sperrbetrag gemeinschaftsrechtlichen Anforderungen
uneingeschränkt standhält (vgl. dazu Senatsbeschluss in BFHE 220, 280, und
nunmehr Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften, Urteil vom
17. September 2009 C-182/08 "Glaxo Wellcome", Internationales Steuerrecht
2009, 691). Denn diese Frage hätte sich nur in jenem Veranlagungszeitraum
stellen können, in dem der Sperrbetrag außerbilanziell hinzugerechnet worden
ist, nicht jedoch im Streitjahr, in welchem es allein um die Auslegung von
§ 6 Abs. 1 Nr. 1 Satz 4 EStG 1997 n.F. geht.
4. Die Vorinstanz hat einen
abweichenden Rechtsstandpunkt vertreten. Ihr Urteil war deshalb aufzuheben;
die Klage war abzuweisen.
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