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BFH-Urteil vom 10.11.2009 (VII R 6/09) BStBl. 2010 II S. 255
Rückforderung eines Erstattungsbetrags vom Kreditinstitut des
Überweisungsempfängers
Ein
Kreditinstitut ist auch dann nur Zahlstelle und nicht zur Rückzahlung des
vom FA auf ein vom Steuerpflichtigen angegebenen Girokonto überwiesenen
Betrags verpflichtet, wenn es den Betrag auf ein bereits gekündigtes, aber
noch nicht abgerechnetes Girokonto verbucht und nach Rechnungsabschluss an
den früheren Kontoinhaber bzw. dessen Insolvenzverwalter ausgezahlt hat
(Abgrenzung zu den Beschlüssen vom 28. Januar 2004 VII B 139/03, BFH/NV
2004, 762, und vom 6. Juni 2003 VII B 262/02, BFH/NV 2003, 1532).
AO § 37 Abs. 2; BGB § 812 Abs. 1, § 676f,
§ 667.
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom
4. Juni 2008 15 K 6215/05 B
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin), ein Kreditinstitut, führte für die X.-GmbH ein
Girokonto, das sie am 1. Oktober 2004 mit einer Frist von sechs Wochen
kündigte. Auf diesem Konto wurde am 16. November 2004 der Betrag
gutgeschrieben, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA
-) aufgrund eines Steueränderungsbescheids zu Gunsten der X.-GmbH - unter
Außerachtlassung einer diesbezüglichen Abtretungserklärung - überwiesen
hatte. Am 18. November löste die Klägerin das Konto auf und hinterlegte das
Guthaben auf einem internen Verrechnungskonto. Nach Eröffnung des
Insolvenzverfahrens über das Vermögen der X.-GmbH kehrte die Klägerin das
Guthaben an den Insolvenzverwalter aus. Das FA erließ gegen die Klägerin
einen Rückforderungsbescheid in Höhe des Überweisungsbetrags. Einspruch und
Klage blieben erfolglos.
2
Das Finanzgericht (FG)
urteilte, die Klägerin sei als Leistungsempfängerin i.S. des § 37 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) zur Rückzahlung verpflichtet. Zwar sei grundsätzlich ein
Kreditinstitut nicht Leistungsempfänger, weil das FA seine Leistung mit dem
Willen erbringe, eine Forderung gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu
erfüllen. Ein Rückzahlungsanspruch bestehe nach der Rechtsprechung aber
dann, wenn die Überweisung auf ein nicht mehr bestehendes Konto des
Erstattungsberechtigten erfolge und die Bank den Überweisungsbetrag wegen
bestehender Forderungen gegen den Erstattungsberechtigten einbehalte. Die
Weiterleitung des Betrags an den ehemaligen Kunden beruhe in diesem Fall
nicht auf der girovertraglichen Verpflichtung der Bank, sondern auf ihrem
eigenen Entschluss als Leistungsempfängerin. So liege es auch im Streitfall,
in dem die Gutschrift erst nach Beendigung des Girovertrags erfolgt sei und
die Weiterleitung des Betrags an den Insolvenzverwalter auf einem eigenen
Entschluss der Klägerin beruhe. Auf den Zeitpunkt der tatsächlichen
Auflösung des Girokontos komme es nicht an.
3
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin unter Berufung auf die Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und
insbesondere des Bundesgerichtshofs (BGH), das FG habe sie zu Unrecht als
Leistungsempfängerin und nicht als bloße Zahlstelle hinsichtlich der
Steuererstattung des FA auf das Konto der GmbH angesehen und deshalb
rechtsfehlerhaft den Rückzahlungsanspruch des FA bejaht.
4
Das FA hält die Entscheidung
des FG für zutreffend und die von der Klägerin in Bezug genommenen
Ausführungen des BGH nur im Innenverhältnis zwischen Bankinstitut und
Bankkunden, nicht aber im Rahmen des öffentlich-rechtlichen
Erstattungsanspruchs für maßgeblich.
Entscheidungsgründe
II.
5
Die Revision ist begründet und führt zur
Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils und des Rückforderungsbescheids in
der Fassung der Einspruchsentscheidung des FA (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das Urteil verletzt Bundesrecht (§ 118
Abs. 1 FGO).
6
Entgegen der Auffassung des FG besteht kein
Rückzahlungsanspruch des FA gegen die Klägerin gemäß § 37 Abs. 2 Satz 1 AO.
Nach dieser Vorschrift hat derjenige, auf dessen Rechnung eine Zahlung
bewirkt worden ist, gegen den Leistungsempfänger einen Anspruch auf
Erstattung des gezahlten Betrags, wenn die Zahlung ohne rechtlichen Grund
erfolgt ist.
7
1. Im Streitfall ist die Zahlung ohne
Rechtsgrund erfolgt. Von den Beteiligten unangefochten geht das FG davon
aus, dass bei der Überweisung des Erstattungsbetrags auf das vom
Steuerpflichtigen angegebene Konto bei der Klägerin eine vorrangige
Abtretungserklärung nicht beachtet worden ist.
8
2. Der Rückzahlungsanspruch des FA gegen
die Klägerin scheitert aber daran, dass entgegen der Auffassung des FG nicht
sie, sondern die GmbH als Inhaberin des Erstattungsanspruchs Empfängerin der
vom FA bewirkten Leistung ist.
9
a) Wie der Senat bereits ausgeführt hat
(ständige Rechtsprechung, vgl. Senatsurteil vom 30. August 2005 VII R 64/04,
BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353, m.w.N.), ist in den Fällen, in denen an
einem Erstattungsvorgang mehrere Personen beteiligt sind, derjenige
Schuldner des abgabenrechtlichen Rückzahlungsanspruchs, zu dessen Gunsten
erkennbar die Zahlung geleistet wurde, die zurückgefordert wird. Dies ist in
der Regel derjenige, demgegenüber die Finanzbehörde ihre - vermeintliche
oder tatsächlich bestehende - abgabenrechtliche Verpflichtung erfüllen will.
Ein Dritter ist folglich, obgleich tatsächlicher Empfänger einer Zahlung,
dann nicht Leistungsempfänger, wenn er lediglich als Zahlstelle benannt
worden ist bzw. das FA aufgrund einer Zahlungsanweisung des
Erstattungsberechtigten an ihn eine Erstattung gezahlt hat. Denn in einem
solchen Fall will das FA erkennbar nicht mit befreiender Wirkung zu dessen
Gunsten leisten, sondern es erbringt seine Leistung mit dem Willen, eine
Forderung gegenüber dem steuerlichen Rechtsinhaber zu erfüllen.
10
Ist in den Zahlungsvorgang bei einer
Steuererstattung ein vom Steuerpflichtigen angegebenes Kreditinstitut
eingeschaltet, so ist im Regelfall davon auszugehen, dass das FA mit der
Überweisung nicht zu dessen Gunsten, sondern mit befreiender Wirkung
gegenüber dem Anspruchsberechtigten, der das Konto angegeben hat, leisten
will. Das Kreditinstitut ist nicht Leistungsempfänger, sondern lediglich die
vom Steuerpflichtigen bezeichnete Zahlstelle.
11
b) So liegt es im Streitfall. Das FA wollte
mit der Überweisung auf das von der GmbH benannte Konto bei der Klägerin an
die GmbH leisten und die Klägerin hat sich - wie aus der Verbuchung des
Betrags auf das bei ihr noch geführte Konto der GmbH und der späteren
Herausgabe des Habensaldos an den Insolvenzverwalter ersichtlich - als
Zahlstelle der GmbH verstanden. Sie war nicht Leistungsempfängerin i.S. des
§ 37 Abs. 2 Satz 1 AO.
12
c) Etwas anderes ergibt sich im Streitfall
nicht daraus, dass die Klägerin das Girokonto der GmbH vor Eingang der
Überweisung des FA gekündigt hatte. Zwar hat der Senat in den Beschlüssen
vom 28. Januar 2004 VII B 139/03 (BFH/NV 2004, 762) und vom 6. Juni 2003
VII B 262/02 (BFH/NV 2003, 1532, m.w.N.) die Rückforderung von einem
Kreditinstitut für rechtmäßig erachtet, wenn das FA die Erstattung auf ein
nicht mehr bestehendes Konto überwiesen hat. Die diesen Entscheidungen
zugrunde liegenden Sachverhalte unterscheiden sich aber vom Streitfall
dadurch, dass dort das Kreditinstitut das Konto bereits einige Zeit vor der
Überweisung gekündigt und den Überweisungsbetrag mit Forderungen aus diesem
Konto verrechnet hatte. Dem lag die Erwägung zugrunde, dass das
Kreditinstitut, das wegen der nach Kündigung noch fortbestehenden
Nachwirkungen des Girovertrags berechtigt sei, noch eingehende
Überweisungsbeträge für seine ehemaligen Kunden entgegenzunehmen, mit der
Aufrechnung eine eigene Zweckbestimmung der Leistung gegenüber seinen Kunden
treffe und nicht lediglich als Zahlstelle fungiere; dadurch sei es selbst
Leistungsempfänger geworden.
13
Entgegen der Auffassung des FG lässt sich
mit diesen Entscheidungen nicht begründen, dass auch im Streitfall die
Klägerin, die das gekündigte Konto mit einem Habensaldo geschlossen und das
Geld an den Insolvenzverwalter über das Vermögen der GmbH weitergeleitet
hat, Leistungsempfängerin ist. Die Klägerin hat sich vielmehr so verhalten,
wie sie sich nach der zivilrechtlichen Rechtslage gegenüber ihrer früheren
Kundin verhalten musste, nämlich als bloße Zahlstelle.
14
(1) Der Senat teilt die Auffassung des BGH,
dass die Bank des Überweisungsempfängers im mehrgliedrigen
Überweisungsverkehr regelmäßig nur als Leistungsmittlerin, d.h. als
Zahlstelle des Überweisungsempfängers handelt und als solche in keinerlei
Leistungsverhältnis zu dem Überweisenden steht, so dass sie grundsätzlich
auch nicht in die bereicherungsrechtliche Rückabwicklung einer
Fehlüberweisung nach § 812 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB)
eingebunden ist. Dem Umstand, dass ein Girovertrag bei Eingang des
Überweisungsbetrags bereits durch Kündigung erloschen ist, hat der BGH
insoweit keine Bedeutung beigemessen. Mit dem Erlöschen des Girovertrags
verliere das laufende Konto allerdings seine Eigenschaft als
Zahlungsverkehrskonto. Die kontoführende Bank sei danach grundsätzlich nicht
verpflichtet, nachträglich eingehende Beträge auf dem Konto zu verbuchen.
Daraus folge jedoch nicht, dass die Bank des Begünstigten nach Erlöschen des
Girovertrags nicht mehr als dessen Zahlstelle fungieren könne. Vielmehr sei
sie auch bei einem erloschenen Girovertrag in dessen Nachwirkung noch
befugt, im Interesse ihres früheren Kunden eingehende Zahlungen weiterhin
für ihn entgegenzunehmen, müsse sie dann aber auf dem bisherigen Konto
entsprechend § 676f Satz 1 BGB verbuchen bzw. nach § 667 BGB herausgeben.
Handele die Bank dementsprechend, so sei dieses Vorgehen als bloße
Zahlstellentätigkeit zu werten: Es stehe außer Zweifel, dass sie bei der
Entgegennahme des Überweisungsbetrags und dessen Verbuchung auf dem internen
weitergeführten Konto für den früheren Kontoinhaber handele und die
Überweisung nicht etwa als Zahlungen an sich ansehe. Die von der Bank
zunächst vorgenommene Verrechnung des eingegangenen Überweisungsbetrags mit
dem Debet auf dem Konto der GmbH und die anschließende Herausgabe an den
Insolvenzverwalter könne nicht anders verstanden werden (BGH-Urteil vom
5. Dezember 2006 XI ZR 21/06, BGHZ 170, 121, Neue Juristische Wochenschrift
2007, 914).
15
(2) Entgegen der Auffassung des FA sind
diese Ausführungen des BGH nicht ausschließlich auf das Innenverhältnis
zwischen Bank und Bankkunden bezogen, da sie ausdrücklich den
Bereicherungsanspruch des Überweisenden betreffen und die Bank insoweit als
bloße Zahlstelle ausweisen. Sie sind auch auf den Rückzahlungsanspruch nach
§ 37 Abs. 2 AO übertragbar. Zwar können die §§ 812 ff. BGB auf den
öffentlich-rechtlichen Rückzahlungsanspruch aus § 37 Abs. 2 AO keine
unmittelbare Anwendung finden, da dieser Anspruch Ausdruck eines
übergeordneten und allgemein herrschenden Prinzips ist, dass derjenige, der
vom Staat ohne Rechtsgrund etwas erhalten hat, grundsätzlich verpflichtet
ist, das Erhaltene zurückzuzahlen. Jedoch ist der Rechtsgedanke des § 812
Abs. 1 BGB auch im Rahmen des § 37 Abs. 2 AO zu beachten (vgl. Senatsurteil
in BFHE 210, 219, BStBl II 2006, 353, m.w.N.)
16
(3) Ob im Hinblick auf die vorstehend
wiedergegebenen Ausführungen des BGH (in BGHZ 170, 121) für den - hier nicht
vorliegenden - Fall einer nach Auflösung des Kontos vorgenommenen
Verrechnung eines eingehenden Erstattungsbetrags mit eigenen Forderungen der
Bank an der in BFH/NV 2003, 1532 und 2004, 762 dargelegten Rechtsauffassung
noch festgehalten werden könnte, bedarf hier keiner Entscheidung.
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