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BFH-Urteil vom 6.10.2009 (VIII R 7/08) BStBl. 2010 II S. 294
Keine Steuerbarkeit von Zinsen aus Sparanteilen in Beiträgen zu
Lebensversicherungen, die weniger als drei Jahre lang der Sicherung von -
aus anderen Mitteln zurückgeführten - Policendarlehen dienten
Die
Steuerfreiheit nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 2 und 3 EStG i.V.m. § 10 Abs. 2
Satz 2 Buchst. c EStG i.d.F. des StÄndG 1992 von Zinsen aus den
Sparanteilen, die in den Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder
Todesfall enthalten sind, ist ungeachtet der Verwendung der Versicherungen
zur Sicherung von Policendarlehen gegeben, wenn diese Darlehen vor Ablauf
von drei Jahren aus anderen Mitteln des Steuerpflichtigen zurückgeführt
wurden und damit die vertraglich vereinbarten Voraussetzungen für einen
Einsatz der Versicherungen zur Tilgung nicht eingetreten sind.
AO § 179 Abs. 1, § 180 Abs. 2; EStG i.d.F.
des StÄndG 1992 § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c, § 20 Abs. 1 Nr. 6 Sätze 2 und
3.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 15. Januar
2008 13 K 2416/06 F (EFG 2008, 1457)
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist Versicherungsnehmer einer Lebensversicherung
mit einer Laufzeit des Versicherungsvertrages vom Kalenderjahr 1980 bis zum
Kalenderjahr 2012. Im November 2002 sowie im Februar 2003 gewährte ihm das
Versicherungsunternehmen jeweils ein - unbefristetes - Policendarlehen mit
folgender Vereinbarung unter Ziffer (3) der Darlehensverträge:
2
"Das Policendarlehen kann
jederzeit ganz oder in Teilbeträgen von mindestens 100,00 € zurückgezahlt
werden. Nach einer Rückzahlung werden die Zinsen nur noch von dem
verbleibenden Darlehen erhoben. Das Darlehen einschließlich nichtgezahlter
Zinsen wird bei Fälligkeit einer Kapitalleistung oder einer Leibrente aus
der Versicherung einbehalten. Bei Änderung der Versicherung bleibt das
Policendarlehen grundsätzlich bestehen. Sie wird aber verrechnet, wenn es
beantragt wird oder das Darlehen durch die geänderte Versicherung
voraussichtlich nicht mehr abgesichert ist."
3
Der Kläger zahlte die beiden
Policendarlehen innerhalb von drei Jahren nach Abschluss der
Darlehensverträge - im Oktober 2005 - zurück.
4
Auf Grund der Mitteilungen
des Versicherungsunternehmens gemäß § 29 Abs. 1 der
Einkommensteuer-Durchführungsverordnung über die Aufnahme der
Policendarlehen stellte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -
FA -) mit Bescheid vom 15. Juni 2005 die Steuerpflicht von Zinsen aus der
Kapitallebensversicherung mit der Begründung fest, durch die Aufnahme der
Darlehen seien die Zinsen aus der Kapitallebensversicherung in vollem
Umfange steuerpflichtig geworden. Die Rückzahlung innerhalb eines Zeitraums
von drei Jahren nach Valutierung sei hierfür unerheblich, da die
Lebensversicherung nicht nur zur Sicherung, sondern auch zur Tilgung der
Darlehen i.S. von § 10 Abs. 2 Satz 2 1. Halbsatz des Einkommensteuergesetzes
(EStG) gedient hätte. Der hiergegen gerichtete Einspruch blieb ohne Erfolg.
5
Die dagegen nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhobene Klage wies das Finanzgericht (FG) mit seinem in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 1457 veröffentlichten Urteil
als unbegründet zurück.
6
Mit der Revision rügt der
Kläger Verletzung materiellen Rechts.
7
Der Kläger beantragt, das
angefochtene Urteil sowie den angefochtenen Bescheid in Gestalt der
Einspruchsentscheidung aufzuheben.
8
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
9
Die vertraglich fixierte
Verrechnungsvereinbarung reiche für die Annahme der Steuerschädlichkeit
schon ab dem ersten Tag der Tilgungsvereinbarung aus, ohne dass es zu einer
Darlehenstilgung aus den Versicherungsleistungen kommen müsse.
10
Zu Unrecht gehe der Kläger
von einem Willen des Gesetzgebers aus, die Inanspruchnahme von
Policendarlehen bis zur Dauer von insgesamt drei Jahren zu ermöglichen. Dies
würde im Ergebnis nicht dem Sinn und Zweck des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG
entsprechen, der steuerlichen Mehrfachbegünstigung eines Kombinationsmodells
aus Fälligkeitsdarlehen mit vollumfänglichem Zinsabzug als Betriebsausgaben
oder Werbungskosten einerseits und gleichzeitigem Abzug der
Versicherungsbeiträge als Sonderausgaben und der Steuerfreiheit von
Versicherungsleistungen andererseits ebenso den Boden zu entziehen wie sog.
Zinsaufblähungsmodellen, bei denen Darlehen durch Aufnahme neuer Darlehen
finanziert werden.
Entscheidungsgründe
II.
11
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Stattgabe der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Der angefochtene
Bescheid über die gesonderte Feststellung der Steuerpflicht der
außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den in den Beiträgen
zur Lebensversicherung des Klägers enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1
Nr. 6 EStG) ist entgegen der Auffassung des FG rechtswidrig.
12
1. Nach §§ 179 Abs. 1 und 180 Abs. 2 der
Abgabenordnung i.V.m. § 9 der Verordnung über die gesonderte Feststellung
von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung i.d.F. der
Zweiten Verordnung zur Änderung der Verordnung über die gesonderte
Feststellung von Besteuerungsgrundlagen nach § 180 Abs. 2 der Abgabenordnung
vom 16. Dezember 1994 (BGBl I 1994, 3834, BStBl I 1995, 3) stellt das für
die Einkommensbesteuerung des Versicherungsnehmers zuständige Finanzamt die
Steuerpflicht der außerrechnungsmäßigen und rechnungsmäßigen Zinsen aus den
in den Beiträgen enthaltenen Sparanteilen (§ 20 Abs. 1 Nr. 6 EStG) gesondert
fest, wenn für die Beiträge zu Versicherungen auf den Erlebens- oder
Todesfall die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2
Satz 2 EStG nicht erfüllt sind.
13
2. Zinsen aus den Sparanteilen, die in den
Beiträgen zu Versicherungen auf den Erlebens- oder Todesfall enthalten sind,
sind nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 1 EStG steuerpflichtig. Nach Satz 2 der
Vorschrift gilt dies nicht für Zinsen aus Versicherungen i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG, die mit Beiträgen verrechnet oder im
Versicherungsfall oder im Fall des Rückkaufs des Vertrags nach Ablauf von
zwölf Jahren seit dem Vertragsabschluss ausgezahlt werden. Die Beiträge zu
den Versicherungen i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG können mit den
in Abs. 2 derselben Vorschrift aufgeführten Einschränkungen als
Sonderausgaben abgezogen werden.
14
Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 3 EStG i.d.F.
des Steueränderungsgesetzes 1992 (StÄndG 1992) - nachfolgend bis
Veranlagungszeitraum 31. Dezember 2004: § 20 Abs. 1 Nr. 6 Satz 4 EStG - gilt
die Steuerbefreiung nach Satz 2 in den Fällen des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG
nur, wenn die Voraussetzungen für den Sonderausgabenabzug nach § 10 Abs. 2
Satz 2 Buchst. a oder b EStG erfüllt sind oder soweit bei
Versicherungsverträgen Zinsen in Veranlagungszeiträumen gutgeschrieben
werden, in denen Beiträge nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG abgezogen
werden können.
15
Diese Regelung ist darauf zurückzuführen,
dass die Bundesregierung bestimmten steuersparenden Finanzierungsmodellen
den Boden entziehen wollte (vgl. dazu im Einzelnen BTDrucks 12/1108,
S. 55 ff.). Der ursprüngliche Gesetzentwurf des StÄndG 1992 sah deshalb vor,
den Sonderausgabenabzug für die Beiträge zu Versicherungen i.S. des § 10
Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG entfallen zu lassen, bei denen der Anspruch auf
die Versicherungssumme im Erlebensfall der Tilgung oder der Sicherung eines
Kredits dient, dessen Finanzierungskosten Betriebsausgaben oder
Werbungskosten sind (vgl. BTDrucks 12/1108, S. 6).
16
Da der Finanzausschuss eine solche Regelung
aus "wirtschaftspolitischen, wohnungsbaupolitischen und
mittelstandspolitischen Gründen" für zu restriktiv und nicht vertretbar
hielt, schlug er eine Lösung vor, bei der neben der bisher schon möglichen
steuerunschädlichen Verwendung von Lebensversicherungen bei der Finanzierung
selbst genutzten Wohneigentums drei weitere Fälle des steuerunschädlichen
Einsatzes von Lebensversicherungen zu Finanzierungszwecken zugelassen wurden
(BTDrucks 12/1506, S. 156). Dieser Vorschlag ist durch das StÄndG 1992 in
das EStG übernommen worden (vgl. § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. a bis c EStG).
Die Neufassung ist anwendbar, wenn die Ansprüche aus dem
Versicherungsvertrag nach dem 13. Februar 1992 zur Sicherung eines Darlehens
dienen (vgl. § 52 Abs. 13a Satz 4 und Abs. 20 Satz 2 EStG i.d.F. des StÄndG
1992).
17
3. Entgegen der Auffassung des FG sind die
Voraussetzungen des Sonderausgabenabzugs danach erfüllt:
18
a) Die im Streitfall abgeschlossene
Lebensversicherung des Klägers ist unstreitig eine Versicherung i.S. des
§ 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG.
19
b) Die auf diese Versicherung aufgenommenen
Policendarlehen stehen dem Abzug der Versicherungsaufwendungen als
Sonderausgaben nach Maßgabe des § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG nicht
entgegen, obwohl die Finanzierungskosten dieser Darlehen nach den für den
Senat bindenden tatsächlichen Feststellungen des FG (§ 118 Abs. 2 FGO) i.S.
des § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG Betriebsausgaben des Klägers waren.
20
aa) Denn nach Buchst. c dieser Regelung
wird die Abziehbarkeit der Aufwendungen als Sonderausgaben durch diesen
Umstand nicht berührt, wenn die Ansprüche aus Versicherungsverträgen - wie
im Streitfall - insgesamt nicht länger als drei Jahre der Sicherung
betrieblich veranlasster Darlehen dienen. In diesen Fällen können die
Versicherungsbeiträge in den Veranlagungszeiträumen (nur insoweit) nicht als
Sonderausgaben abgezogen werden, in denen die Ansprüche aus
Versicherungsverträgen der Sicherung des Darlehens dienen.
21
bb) Zu Unrecht ist das FG davon
ausgegangen, dass der streitige Lebensversicherungsvertrag innerhalb des
Dreijahreszeitraums nach § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG nicht nur der
Sicherung der Policendarlehen, sondern darüber hinaus auch - steuerschädlich
- der Tilgung dieser Darlehen gedient hat und damit die Steuerbegünstigung
für die Lebensversicherung nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b EStG
ausschließt.
22
Selbst wenn man mit dem FG aufgrund der
abgeschlossenen Tilgungsvereinbarung mit dem Versicherungsunternehmen für
den Erlebensfall - und nicht ausgeübter Option zur anderweitigen Tilgung
durch den Versicherungsnehmer - einen "der Tilgung oder Sicherung eines
Darlehens dienenden" Lebensversicherungsvertrag annimmt (vgl. dazu
Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 350; Schreiben des Bundesministeriums der
Finanzen vom 2. November 1993 IV B 2 -S 2134- 290/93, BStBl I 1993, 901),
ergibt sich daraus mit Blick auf § 10 Abs. 2 Satz 2 EStG nämlich nur dem
Grundsatz nach ein Hindernis für den Abzug der Versicherungsprämien als
Sonderausgaben. Er wird u.a. ausdrücklich durchbrochen, wenn das der Tilgung
oder Sicherung dienende Darlehen "nicht länger als drei Jahre zur Sicherung"
eingesetzt wird (§ 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG).
23
Diese Voraussetzung ist im Streitfall
gegeben. Im für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen
Zeitpunkt der Einspruchsentscheidung (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 24. April 2008 IV R 50/06, BFHE 220, 324, BStBl II 2009, 35; Lange in
Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 100 FGO Rz 39, m.w.N) war das Darlehen innerhalb
von drei Jahren aus anderweitigen Mitteln des Klägers zurückgezahlt worden,
so dass die Lebensversicherung in wortlautorientierter Auslegung des § 10
Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG ausschließlich zur Sicherung "eingesetzt" wurde
(vgl. dazu FG Münster, Urteil vom 27. Juni 2000 8 K 5705/96 F, EFG 2001, 23;
Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl., § 10 Rz 196).
24
Die Auffassung des FG, ungeachtet dieses
tatsächlichen Einsatzes zu Sicherungszwecken seien die Darlehen zugleich für
den - hier nicht verwirklichten - Fall des Eintritts besonderer
Voraussetzungen auch zur Tilgung bestimmt gewesen und würden
damit von der Rückausnahme in § 10 Abs. 2 Satz 2 Buchst. c EStG nicht
erfasst, ist mit dem besonderen Zweck dieser Rückausnahmeregelung
ersichtlich nicht vereinbar.
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Die Regelung soll nämlich Unternehmen die
Möglichkeit verschaffen, zur Überwindung kurzfristiger
Liquiditätsschwierigkeiten Policendarlehen auf Lebensversicherungen der
jeweiligen Unternehmer aufzunehmen (vgl. Blümich/Hutter, § 10 EStG Rz 357,
sowie BTDrucks 12/1506, S. 156). Diese Regelung liefe aber weithin leer,
wenn allein die Tatsache eines nur möglichen Einsatzes zur Tilgung die
Anwendbarkeit ausschließen würde; denn zwangsläufige Folge des tatsächlichen
Einsatzes "zur Sicherung" des Darlehens - auf den die Vorschrift
ausschließlich abstellt - ist bei Eintritt des Sicherungsfalls der Einsatz
der Lebensversicherung zur Tilgung der Darlehensverbindlichkeiten.
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Danach kann ein Einsatz der
Lebensversicherung "zur Sicherung eines Darlehens" i.S. des § 10 Abs. 2
Satz 2 Buchst. c EStG nur dann verneint und infolgedessen der
Sonderausgabenabzug hinsichtlich der Versicherungsprämien verneint werden,
wenn es - anders als im Streitfall - nicht bei einem tatsächlichen Einsatz
der Versicherung zu Sicherungszwecken bleibt, sondern es zu einem
tatsächlichen Einsatz zu Tilgungszwecken kommt (vgl. zu einem solchen Fall
FG München, Urteil vom 19. November 2004 8 K 1447/00, EFG 2005, 865, durch
BFH-Beschluss vom 3. Mai 2005 X B 2/05, BFH/NV 2005, 1601 bestätigt).
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