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BFH-Urteil vom 25.11.2009 (I R 9/09) BStBl. 2010 II S. 304
Erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen sind abzuzinsen
Durch § 21 Abs. 3 KStG 1999 werden nur erfolgsabhängige, nicht aber
erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen vom Abzinsungsgebot des § 6
Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
ausgeschlossen.
KStG 1999 § 21 Abs. 3; EStG 1997 i.d.F. des
StEntlG 1999/2000/2002 § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
12. November 2008 6 K 355/08 (EFG 2009, 507)
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionsbeklagte (Kläger) ist ein Versicherungsverein auf Gegenseitigkeit
(VVaG). Er betreibt eine sog. substitutive Krankenversicherung, also eine
Krankenversicherung, die an die Stelle der gesetzlichen Krankenversicherung
tritt (vgl. § 12 Abs. 1 des Gesetzes über die Beaufsichtigung der
Versicherungsunternehmen - Versicherungsaufsichtsgesetz - [VAG] in der für
das Streitjahr 2000 maßgebenden Fassung).
2
Im Streitjahr hat der Kläger
gemäß § 12a Abs. 1 VAG den dort definierten "Überzins" ermittelt und diesen
gemäß § 12a Abs. 1 bis 2a VAG seinen Versicherten gutgebracht. Den danach
verbliebenen Teil des "Überzinses" hat er gemäß § 12a Abs. 3 VAG einer
Rückstellung für Beitragsrückerstattung zugeführt, die innerhalb von drei
Jahren zur Vermeidung oder Begrenzung von Prämienerhöhungen oder zur
Prämienermäßigung zugunsten der Versicherten zu verwenden ist, die am
Bilanzstichtag das 55. bzw. 65. Lebensjahr vollendet haben. In der Bilanz
des Klägers auf den 31. Dezember 2000 betrug diese Rückstellung
4.558.531 DM.
3
Daneben war der Kläger
Gesellschafter einer GbR. Zweck dieser Gesellschaft ist die
Beitragskalkulation gemäß §§ 23, 110 und 111 des Sozialgesetzbuchs - Elftes
Buch - Soziale Pflegeversicherung - SGB XI - (in der für das Streitjahr
maßgebenden Fassung), die Durchführung des finanziellen Ausgleichs gemäß
§ 111 Abs. 1 SGB XI, die Führung einer Gemeinschaftsstatistik sowie die
Überprüfung der Risikoprüfung und der Schadensregulierung bei den einzelnen
Gesellschaftern für die private Pflegeversicherung. Nach § 8 des
Poolvertrages stellen die Gesellschafter für die private Pflegeversicherung
eine eigene Abrechnung auf. Sich dort ergebende Überschussmittel sind
unabhängig vom Gesamtergebnis des Versicherungsunternehmens der Rückstellung
für erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattung zuzuführen. Entsprechend
diesen Vorgaben hat der Kläger für das Streitjahr das
versicherungstechnische Ergebnis der Pflegepflichtversicherung unabhängig
vom übrigen Gesamtergebnis gesondert ermittelt und Überschussmittel aus der
Pflegepflichtversicherung in Höhe von zwei Dritteln des jährlichen
Rohüberschusses in eine Rückstellung für Beitragsrückerstattung eingestellt.
Gemäß § 8 Abs. 2 des Poolvertrages sind die Mittel aus der Rückstellung zur
Senkung von "Nettobedarfsbeiträgen" und damit zur Reduzierung der
Pool-Umlage als Mittel des Risikoausgleichs nach § 111 SGB XI zu verwenden
und insoweit dieser binnen zweier Jahre ab Rückstellungsbildung zu entnehmen
und zugunsten der Versicherten einzusetzen. Die von dem Kläger in seiner
Bilanz auf den 31. Dezember 2000 nach § 8 des Poolvertrages gebildete
Rückstellung betrug 6.518.736 DM.
4
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) vertrat die Auffassung, dass die nach
§ 12a Abs. 3 VAG und § 8 des Pflege-Poolvertrages passivierten
Rückstellungen gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e des Einkommensteuergesetzes
i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes (StEntlG) 1999/2000/2002 vom 24. März
1999 (BGBl I 1999, 402) - EStG 1997 n.F. - abzuzinsen seien und
dementsprechend der Gewinn um 43.384 DM zu erhöhen sei. § 21 Abs. 3 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG 1999) widerspreche dem nicht, weil der
darin bestimmte Ausschluss von dem Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3a
Buchst. e EStG 1997 n.F. ausschließlich erfolgsabhängige, nicht jedoch - wie
hier - erfolgsunabhängige Beitragsrückerstattungen erfasse (vgl. auch
Finanzministerium Schleswig-Holstein, Erlass vom 18. Februar 2008,
KSt-Kartei SH § 21 KStG Karte 3).
5
Die Klage gegen die hiernach
geänderten Steuerbescheide war erfolgreich. Das Niedersächsische
Finanzgericht (FG) gab ihr durch Urteil vom 12. November 2008 6 K 355/08
statt; das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 507
veröffentlicht.
6
Seine Revision stützt das FA
auf Verletzung materiellen Rechts.
7
Es beantragt (sinngemäß),
das FG-Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Der Kläger beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die Revision ist begründet. Sie führt zur
Aufhebung der angefochtenen Vorentscheidung und zur Klageabweisung. Das FG
hat zu Unrecht angenommen, der in § 21 Abs. 3 KStG 1999 angeordnete
Ausschluss vom Abzinsungsgebot gemäß § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e Satz 1
2. Halbsatz i.V.m. § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 n.F. erstrecke sich auf
jegliche und nicht nur auf erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen i.S.
von § 21 Abs. 1 und 2 KStG 1999.
10
1. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG
1997 n.F. (i.V.m. § 8 Abs. 1 KStG 1999, § 7 Satz 1 des Gewerbesteuergesetzes
1999) sind Rückstellungen für Verpflichtungen mit einem Zinssatz von
5,5 v.H. abzuzinsen, sofern nicht die Laufzeit der zugrunde liegenden
Verbindlichkeiten am Bilanzstichtag weniger als 12 Monate beträgt. Das
Abzinsungsgebot wird jedoch durch § 21 Abs. 3 KStG 1999 ausgeschlossen; § 6
Abs. 1 Nr. 3a EStG 1997 n.F. ist danach nicht anzuwenden.
11
2. Der angeordnete Anwendungsausschluss
bezieht sich allein auf erfolgsabhängige Beitragsrückerstattungen i.S von
§ 21 Abs. 1 und 2 KStG 1999 (im Ergebnis ebenso z.B. Groß in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 21 KStG Rz 11, 47; Roser in
Gosch, KStG, 2. Aufl., § 21 Rz 43; wohl auch Frotscher in Frotscher/Maas,
KStG/UmwStG, § 21 KStG Rz 10 i.V.m. Rz 40; Schlenker in Blümich, EStG, KStG,
GewStG, § 21 KStG Rz 25; Olbing in Streck, KStG, 7. Aufl., § 21 Rz 7; anders
z.B. J. Lohmar in Lademann, Körperschaftsteuergesetz, § 21 Rz 7, 44;
Hauswirth in Ernst & Young, KStG, § 21 Rz 40; Schick in Erle/Sauter, KStG,
2. Aufl., § 21 Rz 63 ff.).
12
a) Ausdrückliche Vorbehalte dieses
Anwendungsausschlusses enthält das Gesetz nicht. Der systematische
Zusammenhang, in den der Ausschluss in § 21 KStG 1999 gestellt ist, belässt
indes keinen Zweifel daran, dass er sich nur auf jene Regelungsbereiche
beziehen kann, die Gegenstand der Abs. 1 und 2 der Vorschrift sind. In § 21
Abs. 1 KStG 1999 sind das - und zwar ausschließlich - sog. erfolgsabhängige
Beitragsrückerstattungen. Auch Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen
i.S. des § 21 Abs. 2 KStG 1999 sind nur diejenigen Rückstellungen, die
Beitragsrückerstattungen i.S. des § 21 Abs. 1 KStG 1999 betreffen. Letzteres
war zwar zunächst umstritten und wurde erst durch das Senatsurteil vom
9. Juni 1999 I R 17/97 (BFHE 189, 364, BStBl II 1999, 739; zwischenzeitlich
bestätigt durch Senatsbeschluss vom 7. März 2007 I R 61/05, BFHE 217, 425,
BStBl II 2007, 589) höchstrichterlich abschließend geklärt; das Urteil in
BFHE 189, 364, BStBl II 1999, 739 konnte bei der maßgeblichen
Beschlussfassung über die Einfügung von § 21 Abs. 3 KStG 1999 durch das
StEntlG 1999/2000/2002 im März 1999 noch nicht berücksichtigt werden. Das
ändert indessen nichts an dem Befund über den eingeschränkten
Regelungsgegenstand von § 21 Abs. 1 und 2 KStG 1999; (auch) ein
(erstmaliges) höchstrichterliches Urteil begründet kein Recht, es schafft
lediglich Klarheit über die von vornherein bestehende Rechtslage auf der
Basis des positiv-gesetzten Rechts. So gesehen gibt es keine Veranlassung,
in Anbetracht eines möglicherweise abweichenden Vorverständnisses des
Gesetzgebers für § 21 Abs. 3 KStG 1999 den systematischen
Regelungszusammenhang zu den vorhergehenden beiden Absätzen der Vorschrift
aufzulösen und die Ausschlussklausel unabhängig davon auf jegliche
versicherungstechnische Beitragsrückerstattungen zu verallgemeinern.
13
b) Einem derartigen Verständnis
widersprächen nicht zuletzt die Gesetzesmaterialien, wonach es sich bei § 21
KStG 1999 um eine steuerliche Sonderregelung für Rückstellungen für
Beitragsrückerstattungen von Versicherungsunternehmen handelt; diese
Sonderregelung legt, so die einschlägigen Materialien, "unter anderem" den
derzeit steuerlich anzuerkennenden Höchstbetrag dieser Rückstellungen fest.
Vor diesem Hintergrund bedürfe es insoweit der Anwendung der allgemeinen
Vorschriften des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG 1997 n.F. nicht (Dritter Bericht des
Finanzausschusses zum Steuerentlastungsgesetz 1999/2000/ 2002 vom 3. März
1999, BTDrucks 14/443, S. 36). § 21 Abs. 3 KStG 1999 bestimmt also einen
Ausnahmetatbestand zu einer ansonsten allgemein wirkenden Regelung - dem
Abzinsungsgebot des § 6 Abs. 1 Nr. 3a EStG 1997 n.F. -, was es rechtfertigt,
ein besonderes Augenmerk auf den Normzusammenhang zu richten, in welchem
diese Ausnahme steht. Ausschlaggebend ist danach, dass § 21 Abs. 2 KStG 1999
bereits einen Höchstwert für Rückstellungen und zugleich "eine realitätsnahe
Bewertung" vorsieht, der nicht durch die allgemeine Norm des § 6 Abs. 1
Nr. 3a EStG 1997 n.F unterschritten werden soll; § 21 Abs. 3 KStG 1999
stellt das sicher (vgl. BTDrucks 14/443, S. 17 f.).
14
c) Es wird geltend gemacht (z.B. J. Lohmar
in Lademann, a.a.O., § 21 Rz 7, 44; Hauswirth in Ernst & Young, a.a.O., § 21
KStG Rz 40; Schick in Erle/Sauter, a.a.O., § 21, Rz 65; s. auch Roser in
Gosch, a.a.O., § 21 Rz 43), Rückstellungen für Beitragsrückerstattungen
trügen dem Rechtsgedanken der Verzinslichkeit bereits dadurch Rechnung, dass
sowohl in den Fällen der erfolgsabhängigen wie der erfolgsunabhängigen
Beitragsrückerstattung der Zinsvorteil nicht beim steuerpflichtigen
Versicherungsunternehmen verbleiben solle, vielmehr über die Einbeziehung
dieser Zinsen in die Berechnung der Folgejahre den Versicherten wieder
zugute komme. Folglich lasse sich aus versicherungsrechtlicher und
-technischer Sicht eine Unterscheidung zwischen erfolgsabhängigen und
erfolgsunabhängigen Sachverhalten für die hier in Rede stehende
Abzinsungsfrage nicht rechtfertigen. Der Kläger hat in diesem Zusammenhang
zusätzlich auf § 341e Abs. 1 Satz 3 des Handelsgesetzbuchs (HGB) i.d.F. des
Gesetzes zur Modernisierung des Bilanzrechts
(Bilanzrechtsmodernisierungsgesetz) vom 25. Mai 2009 (BGBl I 2009, 1102) und
den danach angeordneten Ausschluss der versicherungstechnischen
Rückstellungen von der Abzinsung nach § 253 Abs. 2 HGB hingewiesen. Solche
Überlegungen mögen, ohne dass dem im Einzelnen weiter nachzugehen wäre, im
wirtschaftlichen Ergebnis ebenso wie in versicherungsaufsichts- und
handelsrechtlicher Hinsicht richtig sein. Sie ändern jedoch nichts daran,
dass sich der Gesetzgeber für eine Ausnahme vom Abzinsungsgebot nur im
konkreten Kontext des § 21 Abs. 1 und 2 KStG 1999 und damit nur für
erfolgsabhängige Erstattungen entschieden hat; für eine
tatbestandlich-zwingende Verknüpfung zwischen Körperschaftsteuerrecht und
Versicherungsaufsichtsrecht oder Handelsrecht ist insofern nichts
ersichtlich. An diese Entscheidung für das Körperschaftsteuerrecht ist der
Senat gebunden. Sie ist hinreichend eindeutig und ermöglicht es nicht, eine
Regelungslücke als Voraussetzung für eine vom Kläger eingeforderte analoge
Anwendung von § 21 Abs. 3 KStG 1999 anzunehmen.
15
3. Die Vorinstanz hat eine abweichende
Rechtsauffassung vertreten. Ihr Urteil war aufzuheben. Die Klage ist
abzuweisen.
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