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BFH-Urteil vom 11.11.2009 (II R 63/08) BStBl. 2010 II S. 305
Keine teleologische Reduktion des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG bei
Überentnahmen zur Schenkungsteuertilgung
§ 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG lässt eine Einschränkung seines
Anwendungsbereiches für den Fall einer Überentnahme zur Tilgung der für den
Erwerb festgesetzten Schenkungsteuer weder mit Blick auf den Sinn und Zweck
der Vorschrift noch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen
Auslegung zu.
ErbStG § 13a Abs. 1, Abs. 2, Abs. 5 Nr. 3,
§ 10 Abs. 8.
Vorinstanz: FG Münster vom 21. August 2008
3 K 4920/06 Erb (EFG 2009, 278)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist die Tochter des A, welcher ihr durch
Schenkungsvertrag vom 18. Dezember 1998 mit Wirkung zum 31. Dezember 1998
einen Anteil in Höhe von 10,5 v.H. seines Kommanditanteils an der B-GmbH &
Co. KG übertrug.
2
Am 31. Januar 2000 verstarb
A, woraufhin der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) wegen
der vorgenannten Schenkung gegen die Klägerin unter Berücksichtigung von
Vorschenkungen zuletzt mit Bescheid vom 16. Mai 2003 Schenkungsteuer in Höhe
von 2.248.191 DM festsetzte. Dabei gewährte das FA der Klägerin die
Steuervergünstigungen gemäß § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 des
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetzes in der für den Streitfall
maßgeblichen Fassung (ErbStG) in Höhe von insgesamt 7.814.815 DM
(Freibetrag: 400.000 DM, Bewertungsabschlag: 7.414.815 DM). Die
Schenkungsteuer in Höhe von 2.248.191 DM wurde unmittelbar vom
Geschäftskonto der B-GmbH gezahlt.
3
Nach Ablauf der fünfjährigen
Behaltensfrist gemäß § 13a Abs. 5 ErbStG forderte das FA die Klägerin auf,
mitzuteilen, ob schädliche Verfügungen im Sinne der vorgenannten Vorschrift
erfolgt seien. Daraufhin teilte die Klägerin mit, dass innerhalb der
genannten Frist Überentnahmen aus dem begünstigt erworbenen Vermögen
getätigt worden seien, welche allerdings alleine aus den
Schenkungsteuerzahlungen resultieren würden. Nach Abzug des unschädlichen
Betrages in Höhe von 100.000 DM ergäben sich Überentnahmen in Höhe von
1.334.295,18 DM. Ohne Berücksichtigung der gezahlten Schenkungsteuer in Höhe
von 2.248.191 DM werde der Tatbestand des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG aber
nicht erfüllt, weshalb eine schädliche Verwendung des begünstigten Vermögens
zu verneinen sei.
4
Das FA ging hingegen von
einem Verstoß gegen § 13a Abs. 5 ErbStG aus und änderte die
Steuerfestsetzung durch Bescheid vom 8. Juli 2005 nach § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 der Abgabenordnung dahingehend, dass es unter Berücksichtigung von
Überentnahmen in Höhe von 1.335.998 DM sowie von Vorschenkungen die
Schenkungsteuer auf 2.515.041 DM festsetzte. Dabei berücksichtigte es
Steuervergünstigungen nach § 13a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 2 ErbStG in
Höhe von insgesamt 7.281.097 DM (Freibetrag: 400.000 DM, Bewertungsabschlag:
6.881.097 DM).
5
Nach erfolglosem
Einspruchsverfahren erhob die Klägerin gegen den Schenkungsteuerbescheid vom
8. Juli 2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2006
Klage vor dem Finanzgericht (FG), welche sie damit begründete, dass § 13a
Abs. 5 Nr. 3 ErbStG im Streitfall einschränkend auszulegen sei. Die Norm sei
ihrem Sinn und Zweck nach in Fällen, in denen die Überentnahmen zur Zahlung
der Schenkungsteuer verwandt worden seien, teleologisch dahingehend zu
reduzieren, dass die zur Zahlung der Steuer verwandten Entnahmen keine
Nachversteuerung auslösen dürften. Dies folge auch aus einer
verfassungskonformen Auslegung der Norm, weil der Tatbestand solche Fälle
nicht erfasse, in denen kein Missbrauch vorliege.
6
Mit seinem in Entscheidungen
der Finanzgerichte 2009, 278 veröffentlichten Urteil wies das FG die Klage
als unbegründet ab. Das Erfordernis einer einschränkenden Auslegung des
§ 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG ergebe sich weder aus den Gesetzesmaterialien noch
aus dem Zweck der Norm oder unter dem Gesichtspunkt einer
verfassungskonformen Auslegung.
7
Mit der Revision rügt die
Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG.
8
Die Klägerin beantragt, die
Vorentscheidung sowie den angefochtenen Schenkungsteuerbescheid vom 8. Juli
2005 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 24. Oktober 2006 aufzuheben.
9
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
10
Die Revision ist unbegründet; sie war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
die von der Klägerin begehrte teleologische Reduktion des § 13a Abs. 5 Nr. 3
ErbStG zu Recht abgelehnt.
11
1. Nach § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG fallen
der Freibetrag oder Freibetragsanteil nach Abs. 1 und der verminderte
Wertansatz nach Abs. 2 mit Wirkung für die Vergangenheit weg, soweit der
Erwerber innerhalb von fünf Jahren nach dem Erwerb als Gesellschafter einer
Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 oder § 18 Abs. 4
des Einkommensteuergesetzes bis zum Ende des letzten in die Fünfjahresfrist
fallenden Wirtschaftsjahrs Entnahmen tätigt, die die Summe seiner Einlagen
und der ihm zuzurechnenden Gewinne oder Gewinnanteile seit dem Erwerb um
mehr als 100.000 DM übersteigen. Die Regelung stellt nicht auf die Gründe
ab, die zu einer Entnahme führen; vielmehr soll jede Entnahme grundsätzlich
befreiungsschädlich sein. Danach stellt die unmittelbar vom Geschäftskonto
der B-GmbH erfolgte Zahlung der gegen die Klägerin festgesetzten
Schenkungsteuer in Höhe von 2.248.191 DM eine innerhalb von fünf Jahren nach
dem Erwerb vorgenommene Entnahme der Klägerin dar. Diese übersteigt die
Summe ihrer Einlagen und der ihr zuzurechnenden Gewinnanteile seit dem
Erwerb um mehr als 100.000 DM.
12
2. Der klare und eindeutige Wortlaut des
§ 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG lässt eine Einschränkung seines
Anwendungsbereiches für den Fall einer Überentnahme zur Tilgung der für den
Erwerb festgesetzten Schenkungsteuer weder mit Blick auf den Sinn und Zweck
der Vorschrift noch unter dem Gesichtspunkt einer verfassungskonformen
Auslegung zu (im Ergebnis ebenso R 65 Abs. 1 Satz 2 der
Erbschaftsteuer-Richtlinien 2003; Meincke, Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetz, Kommentar, 15. Aufl., § 13a Rz 33; Kapp/Ebeling,
Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, Kommentar, § 13a Rz 153; Wachter
in Fischer/Jüptner/ Pahlke, ErbStG, Kommentar, § 13a Rz 219; a.A. Crezelius,
Der Betrieb - DB - 1997, 1584, 1587; Hübner, Die Unternehmensbesteuerung
2009, 1, 10; ders., in Viskorf/Glier/Hübner/Knobel/ Schuck, Erbschaftsteuer-
und Schenkungsteuergesetz, Bewertungsgesetz, Kommentar, 2. Aufl., § 13a
ErbStG Rz 147; Jülicher in Troll/Gebel/Jülicher, ErbStG, § 13a Rz 276;
Söffing in Wilms/Jochum, Erbschaftsteuer- und Schenkungsteuergesetz, § 13a
Rz 169). Einer einschränkenden Auslegung steht deshalb die Gesetzesbindung
der Steuerverwaltung und der Rechtsprechung (Art. 20 Abs. 3 des
Grundgesetzes - GG - und für die Gerichte ergänzend Art. 97 Abs. 1 GG)
entgegen (vgl. zu § 13a Abs. 5 Nr. 4 Satz 2 Alt. 3 ErbStG bereits Urteil des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10. Mai 2006 II R 71/04, BFHE 213, 118, BStBl
II 2006, 602).
13
a) § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG ist erst im
Rahmen eines Vermittlungsverfahrens und folglich ohne in einem
Gesetzesentwurf ausformulierte Begründung in das Gesetz gelangt (zur
entsprechenden Kompetenz des Vermittlungsausschusses vgl. Urteil des
Bundesverfassungsgerichts - BVerfG - vom 7. Dezember 1999 2 BvR 301/98,
BVerfGE 101, 297). Der Norm liegt allerdings erkennbar die Vorstellung
zugrunde, dass einmal in das Betriebsvermögen gelangtes begünstigtes
Vermögen über den Umfang von Einlagen und Gewinnen hinaus nur bis zur
Freigrenze in Höhe von 100.000 DM unschädlich wieder entnommen können werden
soll. Die Norm erfasst damit zwar auch Fälle, in denen zunächst nach § 13a
ErbStG begünstigtes Vermögen durch Verlagerung in das Betriebsvermögen
geschaffen und dieses dann alsbald nach dem Übertragungsvorgang und der
Gewährung der in § 13a Abs. 1 und 2 ErbStG geregelten Vergünstigungen wieder
entnommen wird, allerdings beschränkt sich die Norm nicht auf derartige
Missbrauchsfälle (so aber Crezelius, DB 1997, 1584, 1587; wohl auch
Christoffel in Christoffel/Geckle/ Harnischfeger/Hild/Pahlke/Weinmann,
Erbschaftsteuergesetz, § 13a Rz 110). Vielmehr kommt es nach der
Gesetzesformulierung alleine darauf an, ob das Betriebsvermögen nachträglich
über das vom Gesetz als zulässig angesehene Maß hinaus geschmälert wird und
damit dem Unternehmen nicht mehr zur Verfügung steht.
14
b) Ein Erfordernis zur teleologischen
Reduktion des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG ergibt sich auch nicht mit Blick auf
das generell von § 13a ErbStG verfolgte Entlastungsziel.
15
Der Gesetzgeber hat sich bei der Schaffung
des § 13a ErbStG von den Vorgaben leiten lassen, welche das BVerfG bereits
in seinem Beschluss vom 22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165) zur
Erbschaftsteuer aufgestellt hat. Danach sei - so das BVerfG - der
Gesetzgeber verpflichtet, bei der Erbschaftsteuer für Betriebsvermögen die
durch Gemeinwohlbindungen und -verpflichtungen verminderte finanzielle
Leistungsfähigkeit der Betriebe zu berücksichtigen und die Belastung so zu
bemessen, dass die Fortführung des Betriebes steuerlich nicht gefährdet
werde (vgl. auch BFH-Beschluss vom 22. Mai 2002 II R 61/99, BFHE 198, 342,
BStBl II 2002, 598).
16
Diesen Vorgaben ist der Gesetzgeber durch
§ 13a ErbStG nachgekommen, indem er sich grundsätzlich für die Gewährung von
Steuervergünstigungen entschieden hat, wenn und soweit der Betrieb in seinem
Bestand fortgeführt wird. Der Gleichheitssatz erfordert es indessen nicht,
generell den "Vermögensbestand des Unternehmers" zu schützen. Der Zweck des
§ 13a ErbStG hindert den Gesetzgeber nicht, das begünstigte Betriebsvermögen
schmälernde Entnahmen generell als begünstigungsschädlich zu begreifen,
soweit sie den Freibetrag bzw. die Summe der Gewinne und Einlagen
übersteigen. Insoweit mindert sich zwar durch die Zahlung der
Schenkungsteuer bezogen auf das Betriebsvermögen die steuerliche
Leistungsfähigkeit des Erwerbers, wenn er diesem die erforderlichen Mittel
entnimmt. Dem Erwerber wird aber regelmäßig zugemutet, die Zahlung der gegen
ihn persönlich festgesetzten Steuer aus seinen privaten Mitteln zu
bestreiten bzw. einen Kredit aufzunehmen. Dies ergibt sich mittelbar bereits
aus § 10 Abs. 8 i.V.m. § 1 Abs. 2 ErbStG, wonach die vom Erwerber zu
entrichtende eigene Schenkungsteuer nicht abzugsfähig ist. Darüber hinaus
folgt dies aber auch daraus, dass ansonsten Erwerber von
Unternehmensvermögen unzulässig gegenüber sonstigen Erwerbern begünstigt
würden, was vom verfassungsrechtlich zulässigen Differenzierungsgrund
"Schutz der Betriebe" nicht mehr gedeckt wäre (vgl. dazu bereits
BFH-Beschluss in BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598).
17
c) In der nicht auf die Motive des
Erwerbers abstellenden Ausgestaltung des § 13a Abs. 5 Nr. 3 ErbStG ist auch
keine verfassungsrechtlich unzulässige Typisierung zu erblicken. Der
Gesetzgeber kann nämlich, soweit das steuerliche Massenverfahren
Vereinfachungen benötigt, eine Gleichheit im Typus herstellen, die den
Sachverhalt nur vergröbert erfasst (vgl. BVerfG-Urteil vom 9. April 1992
2 BvE 2/89, BVerfGE 85, 264) oder steuerliche Belastungstatbestände
pauschalierend regeln (BVerfG-Beschluss vom 25. September 1992 2 BvL 5, 8,
14/91, BVerfGE 87, 153, BStBl II 1993, 413). Dies hat erst dort seine
Grenzen, wo im Hinblick auf den Belastungsgrund eine gleiche oder
verhältnismäßige Besteuerung von Falltypen mit rechtserheblicher Ähnlichkeit
nicht mehr erfolgt oder rechtserheblich unterschiedliche Falltypen gleich
behandelt werden (BFH-Beschluss in BFHE 198, 342, BStBl II 2002, 598). Das
ist aus den zuvor genannten Gründen aber hier nicht der Fall.
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