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BFH-Urteil vom 23.9.2009 (XI R 18/08) BStBl. 2010 II S. 313
Kein Abzug von Vorsteuerbeträgen aus Kosten für die Errichtung eines
ausschließlich privat genutzten Anbaus
Errichtet ein Unternehmer ein ausschließlich für private Wohnzwecke zu
nutzendes Einfamilienhaus als Anbau an eine Werkshalle auf seinem
Betriebsgrundstück, darf er den Anbau nicht seinem Unternehmen zuordnen,
wenn beide Bauten räumlich voneinander abgrenzbar sind. In diesem Fall steht
ihm kein Vorsteuerabzug aus den Kosten für die Errichtung des Anbaus zu.
UStG 1999 § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1.
Vorinstanz: FG Köln vom 30. Januar 2008
7 K 3232/05 (EFG 2008, 901)
Sachverhalt
I.
1
Die Beteiligten streiten um
den Vorsteuerabzug aus den Gebäudeerrichtungskosten eines Einfamilienhauses,
das auf dem Betriebsgrundstück des Klägers und Revisionsklägers (Kläger) als
Anbau an eine Werkshalle errichtet wurde.
2
Der Kläger ist Inhaber eines
Buchbinderbetriebs. Im Jahr 1998 errichtete er auf seinem Grundstück eine
Werkshalle. Anschließend stellte er eine Bauvoranfrage zur Errichtung eines
Einfamilienhauses. Der Kläger wollte ständig kurzfristig für Kunden und
Lieferanten erreichbar sein, weil insbesondere Materialanlieferungen
zeitlich nicht genau terminiert werden konnten. Die Bauordnungsbehörde
genehmigte die Errichtung einer sog. Betriebsleiterwohnung, die zum
30. November 2003 in Gestalt eines Einfamilienhauses fertig gestellt wurde
und seither vom Kläger zu privaten Wohnzwecken genutzt wird.
3
Die Errichtung erfolgte
bautechnisch in der Weise, dass die Werkshalle teilweise durch den Anbau des
Einfamilienhauses austragend überdacht wurde. Sämtliche Versorgungs- sowie
Entsorgungsleitungen des Neubaus verlaufen über die Werkshalle. Der Anbau
wurde auf die Eckfundamente der Werkshalle aufgesetzt. Die zwischen der
Betriebsleiterwohnung und der Werkshalle liegende Wand ist hinsichtlich
dieses Teiles dünn und nicht als Außenwand geeignet.
4
In seiner
Umsatzsteuererklärung 2003 machte der Kläger die bei der Herstellung des
Einfamilienhauses entstandenen Vorsteuerbeträge von 149,18 €
(Nettoherstellungskosten 932,42 €) für die Außenanlagen sowie 19.257,79 €
für das Wohngebäude (Nettoherstellungskosten 120.361,21 €) geltend. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) stimmte dem lt.
Mitteilung vom 6. August 2004 zunächst zu.
5
Infolge einer bei dem Kläger
in 2004 durchgeführten Umsatzsteuersonderprüfung gelangte das FA zu der
Auffassung, dass es sich bei dem Investitionsgut "Einfamilienhaus" um ein
ausschließlich nichtunternehmerisch genutztes Investitionsgut handele, für
das ein Wahlrecht zur Zuordnung zum Unternehmensvermögen nicht bestehe. Ein
Vorsteuerabzug aus den Herstellungskosten für die Errichtung des
Einfamilienhauses nach § 15 Abs. 1 des Umsatzsteuergesetzes 1999 (UStG)
komme daher nicht in Betracht. Das FA änderte den Umsatzsteuerbescheid 2003
dahingehend, dass es hinsichtlich der Herstellungskosten für das
Einfamilienhaus den Vorsteuerabzug versagte. Der hiergegen eingelegte
Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
6
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage als unbegründet ab. Das Urteil ist in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2008, 901 veröffentlicht.
7
Das FG führt zur Begründung
seiner Entscheidung im Wesentlichen aus, der Kläger habe das zu privaten
Wohnzwecken genutzte Einfamilienhaus nicht seinem Unternehmensvermögen
zuordnen dürfen. Denn ein entsprechendes Zuordnungswahlrecht setze voraus,
dass das Investitionsgut gemischtgenutzt, d.h. sowohl für unternehmerische
als auch für private Zwecke verwendet werde. Im Streitfall werde das
Einfamilienhaus des Klägers jedoch ausschließlich für private Wohnzwecke
genutzt. Da das Einfamilienhaus mangels Zuordnungswahlrecht des Klägers zu
seinem Privatvermögen und nicht zu seinem Unternehmensvermögen gehöre, stehe
ihm hinsichtlich der Herstellungskosten kein Vorsteuerabzugsrecht nach § 15
Abs. 1 UStG zu.
8
Mit der Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
9
Im Streitfall sei das
fragliche Grundstück mit den aufstehenden Gebäudeteilen insgesamt als ein
einheitlicher Gegenstand im Sinne des UStG und auch nach der der Sechsten
Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern zu beurteilen.
Denn in bautechnischer Hinsicht liege eine Mehrzahl von baulichen
Verbindungen zwischen den Gebäudeteilen vor, was für eine Verschachtelung im
Sinne der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) und damit für das
Entstehen eines einzigen Gebäudes spreche. Ausdrücklich werde insoweit noch
einmal auf die gemeinsamen tragenden Außenwände, die keine Brandmauern
seien, auf gemeinsame Eckfundamente und Versorgungsleitungen hingewiesen.
Eine bautechnische Trennung der Objekte scheine schon angesichts der
statisch bedeutenden gemeinsamen Bauelemente nicht möglich. Aus der
eingehenden Würdigung dieser Umstände sei zu schließen, dass es sich bei dem
Anbau nicht um ein selbständiges Wirtschaftsgut handele, sondern um den Teil
eines einheitlichen Gebäudes als ein Wirtschaftsgut. Ihm stehe daher auch
ein entsprechendes Zuordnungswahlrecht zu.
10
Der Kläger beantragt
sinngemäß, unter Aufhebung der Entscheidung der Vorinstanz den
Umsatzsteuerbescheid 2003 in Gestalt der hierzu ergangenen
Einspruchsentscheidung dahingehend zu ändern, dass weitere
Vorsteuerabzugsbeträge in Höhe von 19.406,97 € berücksichtigt werden.
11
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
12
Die Revision ist unbegründet und war
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
13
Das FG hat zu Recht entschieden, dass dem
Kläger hinsichtlich der Herstellungskosten für das an die Werkshalle
angebaute Einfamilienhaus kein Vorsteuerabzugsrecht zusteht.
14
1. Der Unternehmer kann gemäß § 15 Abs. 1
Satz 1 Nr. 1 UStG die in Rechnungen i.S. des § 14 UStG gesondert
ausgewiesene Steuer für Lieferungen oder sonstige Leistungen, die von
anderen Unternehmern für sein Unternehmen ausgeführt worden sind, abziehen.
15
a) Ein Unternehmer, der ein Gebäude
errichtet, das er teilweise unternehmerisch und teilweise
nichtunternehmerisch (zu eigenen Wohnzwecken) nutzt, darf das Gebäude
insgesamt seinem Unternehmen zuordnen und die auf das gesamte Gebäude -
einschließlich des nichtunternehmerisch genutzten Teils - entfallenden
Vorsteuerbeträge abziehen (vgl. Urteil des Gerichtshofs der Europäischen
Gemeinschaften - EuGH - vom 8. Mai 2003 Rs. C-269/00 - Seeling -, Slg. 2003,
I-4101, BStBl II 2004, 378, Randnr. 40 bis 43; BFH-Urteil vom 24. Juli 2003
V R 39/99, BFHE 203, 206, BStBl II 2004, 371, und vom 17. Dezember 2008
XI R 64/06, BFH/NV 2009, 798, jeweils m.w.N.; vgl. zum Zuordnungswahlrecht
allgemein auch EuGH-Urteil vom 12. Februar 2009 Rs. C-515/07 - Vereniging
Noordelijke Land -, Umsatzsteuer-Rundschau 2009, 199, Randnr. 32).
16
b) Da der Kläger sein Einfamilienhaus
ausschließlich für private Wohnzwecke und damit nichtunternehmerisch nutzt,
stünde ihm ein derartiges Zuordnungswahlrecht nur zu, wenn der Anbau als
Bestandteil gemeinsam mit der schon bisher vorhandenen Werkshalle als ein
einheitliches - nunmehr gemischtgenutztes - Gebäude anzusehen wäre.
17
Dies hat das FG zu Recht verneint. Denn der
Kläger hat mit der Errichtung des Einfamilienhauses ein von der Werkshalle
getrenntes Wirtschaftsgut im umsatzsteuerrechtlichen Sinne neu hergestellt,
sodass im Hinblick auf die ausschließliche private Nutzung des
Einfamilienhauses von vornherein kein Zuordnungswahlrecht bestand.
18
aa) Dem FG ist zunächst darin zu folgen,
dass die zivilrechtliche Beurteilung der Verhältnisse in diesem Zusammenhang
unerheblich ist. Danach gilt das Einfamilienhaus zwar als wesentlicher
Bestandteil des Grundstücks i.S. von § 94 des Bürgerlichen Gesetzbuchs. Nach
der Rechtsprechung des EuGH ist die nationale zivilrechtliche Rechtslage
aber nicht maßgeblich für die Frage, ob ein Teil des Grundstücks ein
selbständiger Gegenstand im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sein kann (vgl.
z.B. EuGH-Urteil vom 4. Oktober 1995 Rs. C-291/92 - Armbrecht -, Slg. 1995,
I-2775, BStBl II 1996, 392; BFH-Urteil vom 8. November 1995 XI R 63/94, BFHE
179, 189, BStBl II 1996, 114, unter II.2.a).
19
bb) Der BFH hatte in einem Urteil vom
5. Juni 2003 V R 32/02 (BFHE 203, 200, BStBl II 2004, 28) darüber zu
entscheiden, ob der Umbau eines Altbaus zur Herstellung eines neuen Gebäudes
und damit zur Herstellung eines Wirtschaftsguts i.S. des § 15a UStG geführt
hat oder ob es sich um nachträgliche Herstellungskosten des bereits
bestehenden Gebäudes handelt. Er hat einen grundlegenden Umbau nur dann als
Errichtung eines Neubaus und damit als Herstellung eines Wirtschaftsguts
angesehen, wenn die neu eingefügten Gebäudeteile dem Gesamtgebäude das
bautechnische Gepräge geben; von einem Neubau könne nicht gesprochen werden,
wenn wesentliche Elemente wie z.B. Fundamente, tragende Außen- und
Innenwände, Geschossdecken und die Dachkonstruktion erhalten blieben (unter
II.5.a der Gründe).
20
Darüber hinaus komme die Errichtung eines
Neubaus durch einen grundlegenden Umbau eines Altbaus auch dann in Betracht,
wenn der Altbau durch den Umbau eine wesentliche Funktions- und
Zweckänderung erfahre, wie z.B. beim Umbau einer Mühle zu einem Wohnhaus
(vgl. unter II.5.b der Gründe).
21
Überträgt man diese Grundsätze sinngemäß
auf die Errichtung eines Anbaus an ein bestehendes Gebäude, dann ist der
Anbau jedenfalls dann ein selbständiges Wirtschaftsgut, wenn er von dem
bereits bestehenden Gebäude hinreichend abgrenzbar ist und zwischen den
Bauten kein einheitlicher Nutzungs- und Funktionszusammenhang besteht (vgl.
zur Qualifizierung eines Anbaus als selbständiges Wirtschaftsgut auch
Heinrichshofen, Der Umsatz-Steuerberater 2008, 252; Lange,
Umsatzsteuer-Rundschau 2008, 23, unter II.1., m.w.N.; Lippross,
Umsatzsteuer, 22. Aufl., S. 398; Verfügung der Oberfinanzdirektion Karlsruhe
vom 29. April 2005 S 7300, Deutsches Steuerrecht 2005, 1140, Nr. 3). Denn in
einem solchen Fall wird das bereits vorhandene Gebäude durch den Anbau nicht
bautechnisch "geprägt". Außerdem erfährt das bereits vorhandene Gebäude
durch einen derartigen Anbau keine wesentliche Funktions- und
Nutzungsänderung.
22
Im Streitfall ist das neu errichtete
Einfamilienhaus von der vorhandenen Werkshalle abgrenzbar.
23
Die bautechnischen Verflechtungen zwischen
der Betriebshalle und dem Anbau sind nach den den Senat bindenden
Feststellungen des FG gemäß § 118 Abs. 2 FGO nicht dergestalt, dass keine
hinreichend klare Trennung zwischen dem Einfamilienhaus und der Werkshalle
mehr erkennbar wäre. So existiert nach den Feststellungen des FG kein
Durchgang zwischen dem Einfamilienhaus und der Betriebshalle. Ein getrennter
Zugang zu den Bauten bedeutet, dass auch nach dem erkennbaren Willen des
Klägers insoweit eine klare Trennung gewünscht war. Gemeinsame
Versorgungsleitungen und teilweise gemeinsame Eckfundamente sowie das Fehlen
einer eigenen Außenwand bei dem Einfamilienhaus reichen nicht aus, um ein
einheitliches Gebäude anzunehmen.
24
Das Einfamilienhaus steht außerdem wegen
der ausschließlich privaten Nutzung in keinem einheitlichen Nutzungs- und
Funktionszusammenhang mit der Werkshalle.
25
Soweit der Kläger sich auf die nunmehr
hergestellte räumliche Nähe zu seinem Unternehmen beruft, genügt dies allein
nicht, um den für die Annahme eines einheitlichen Gebäudes erforderlichen
Nutzungs- und Funktionszusammenhang zwischen dem Anbau und der Werkshalle
herzustellen (vgl. z.B. für den unternehmerisch genutzten Anbau an eine
Produktionshalle BFH-Urteil vom 25. Januar 2007 III R 49/06, BFHE 215, 459,
BStBl II 2007, 586).
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