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BFH-Urteil vom 17.12.2009 (VI R 63/08) BStBl. 2010 II S. 341
Studiengebühren sind keine außergewöhnlichen Belastungen
1.
Studiengebühren für den Besuch einer (privaten) Hochschule sind weder nach
§ 33a Abs. 2 EStG noch nach § 33 EStG als außergewöhnliche Belastung
abziehbar.
2.
Das Abzugsverbot begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Vielmehr
hat der Gesetzgeber dem Ausbildungsbedarf von Kindern in § 32 Abs. 6 Satz 1
2. Halbsatz EStG und § 33a Abs. 2 EStG - jedenfalls im Streitjahr -
ausreichend Rechnung getragen.
3.
§ 33a Abs. 2 EStG ist eine zusätzliche Ausbildungskomponente im
Familienleistungsausgleich. Eine isolierte Betrachtung der
Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift scheidet damit aus.
EStG §§ 33a Abs. 2 und Abs. 5; 33; 32
Abs. 6; GG Art. 6 Abs. 1; 3 Abs. 1; BGB § 1610.
Vorinstanz: FG Bremen vom 16. Juli 2008 4 K
205/06 (4) (EFG 2009, 128)
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob Eltern
Studiengebühren für die Hochschulausbildung ihres Kindes als
außergewöhnliche Belastung abziehen können.
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Die Kläger und
Revisionskläger (Kläger) werden als Eheleute zusammen zur Einkommensteuer
veranlagt. In ihrer Einkommensteuererklärung für das Jahr 2004 machten sie
die für das Studium des am 11. Juni 1982 geborenen Sohnes an die Akademie
..., einer privaten Hochschule, entrichteten Studiengebühren in Höhe von
7.080 € steuermindernd als außergewöhnliche Belastungen geltend. Der
Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) anerkannte die
Aufwendungen nicht, gewährte jedoch den Sonderbedarfsfreibetrag nach § 33a
Abs. 2 Satz 1 des Einkommensteuergesetzes (EStG) in Höhe von 924 €.
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Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage nach erfolglosem Vorverfahren mit den in Entscheidungen der
Finanzgerichte (EFG) 2009, 128 veröffentlichten Gründen ab.
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Mit der Revision rügen die
Kläger die Verletzung materiellen Rechts.
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Die Kläger beantragen, das
Urteil des FG Bremen vom 16. Juli 2008 4 K 205/06 (4) und die
Einspruchsentscheidung vom 26. April 2006 aufzuheben und unter Abänderung
des Einkommensteuerbescheids 2004 vom 22. November 2005 weitere
außergewöhnliche Belastungen in Höhe von 7.080 € für das Jahr 2004 zu
berücksichtigen, hilfsweise das Urteil des FG Bremen vom 16. Juli 2008
4 K 205/06 (4) aufzuheben und die Sache zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
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Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
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Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
zu Recht entschieden, dass die von den Klägern aufgewendeten Gebühren für
das Studium ihres Sohnes nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG
zu berücksichtigen sind.
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1. Zu Recht ist zwischen den Beteiligten
nicht im Streit, dass den Klägern der Sonderbedarfsfreibetrag nach § 33a
Abs. 2 Satz 1 EStG zusteht.
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a) Danach kann ein Steuerpflichtiger zur
Abgeltung des Sonderbedarfs eines sich in Berufsausbildung befindenden,
auswärtig untergebrachten, volljährigen Kindes einen Freibetrag in Höhe von
924 € je Kalenderjahr vom Gesamtbetrag der Einkünfte abziehen. Zusätzliche
Voraussetzung ist, dass für dieses Kind ein Anspruch auf einen Freibetrag
nach § 32 Abs. 6 EStG oder auf Kindergeld besteht. Die gesetzlichen
Voraussetzungen für die Gewährung des Sonderbedarfsfreibetrags liegen im
Streitfall unstreitig vor.
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b) Mit § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG ist der
durch die auswärtige Unterbringung des Kindes entstandene Sonderbedarf
abgegolten (Görke in Frotscher, EStG, 6. Aufl., Freiburg 1998 ff., § 33a
Rz 87; Pust in Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, Kommentar,
§ 33a Rz 282). Wegen der in § 33a Abs. 2 Satz 1 EStG ausdrücklich
angeordneten Abgeltungswirkung und der in § 33a Abs. 5 EStG geregelten
Sperrwirkung können jedenfalls über den Freibetrag hinausgehende
Mehraufwendungen für eine auswärtige Unterbringung des Kindes von den Eltern
weder nach § 33a Abs. 2 EStG noch als außergewöhnliche Belastungen nach § 33
EStG abgezogen werden (Blümich/Heger, § 33a EStG Rz 296; Pust in
Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 33a Rz 282).
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c) Eine weitergehende Abgeltungswirkung
vermag § 33a Abs. 2 EStG i.V.m. § 33a Abs. 5 EStG jedoch nicht zu entfalten.
Durch das Zweite Gesetz zur Familienförderung (BGBl I 2001, 2074, BStBl I
2001, 533) ist § 33a Abs. 2 EStG neu gefasst worden. Seither dient die
Vorschrift, in der bis einschließlich Veranlagungszeitraum 2001 ein
Ausbildungsfreibetrag für den Ausbildungsbedarf von Kindern geregelt war,
nur noch dem Sonderbedarf des auswärtig untergebrachten Kindes in
Berufsausbildung (Pust in Littmann/Bitz/Pust, a.a.O., § 33a Rz 281). Den
allgemeinen Ausbildungsbedarf des volljährigen Kindes gilt die Vorschrift
beginnend mit dem Veranlagungszeitraum 2002 nicht länger ab.
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d) Gleichwohl können Eltern Aufwendungen
für die Berufsausbildung ihrer Kinder nicht nach § 33 EStG in Abzug bringen.
Ausbildungsunterhalt i.S. von § 1610 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) - zu
dem wie im Streitfall auch Studiengebühren gehören können (vgl.
Oberlandesgericht Koblenz, Urteil vom 23. Dezember 2008 11 UF 519/08,
Neue Juristische Wochenschrift - Rechtsprechungs-Report Zivilrecht 2009,
1153) - ist kein atypischer Unterhaltsaufwand. Von § 33 EStG werden jedoch
nur solche Unterhaltskosten erfasst, die einem über den üblichen
Lebensunterhalt hinausgehenden besonderen und damit außergewöhnlichen
Bedarf, beispielsweise einem krankheitsbedingten Ausbildungsmehrbedarf
(Beschluss des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 22. Dezember 2004 III B 169/03,
BFH/NV 2005, 699), dienen (Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG,
§ 33a Rz B 1; Kanzler in Herrmann/Heuer/Raupach, § 33a EStG Rz 189).
Typische (übliche) Unterhaltsaufwendungen sind lediglich nach § 33a Abs. 1
EStG - dessen Voraussetzungen hier unstreitig nicht vorliegen - abziehbar
(vgl. BFH-Urteil vom 19. Juni 2008 III R 57/05, BFHE 222, 338, BStBl II
2009, 365).
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2. Hat der Steuerpflichtige
ausbildungsbedingte Mehraufwendungen, die keine Krankheitskosten sind, wird
er in erster Linie durch den Kinderfreibetrag bzw. das Kindergeld sowie seit
dem Veranlagungszeitraum 2002 den Sonderbedarfsfreibetrag (bis
Veranlagungszeitraum 2001 durch den Ausbildungsfreibetrag) steuerlich
entlastet. Die typisierenden und pauschalierenden besonderen Regelungen im
Rahmen des Familienleistungsausgleichs und des § 33a Abs. 2 EStG gelten alle
durch den Unterhalt und die Ausbildung verursachten Belastungen ab und
schließen damit eine Berücksichtigung von zusätzlichen Kosten für den
Unterhalt und die Ausbildung eines Kindes gemäß § 33 EStG grundsätzlich aus
(vgl. Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, EStG, § 33a Rz C 1;
Blümich/Heger, § 33 EStG Rz 142; Görke in Frotscher, a.a.O., § 33 Rz 48;
Schmidt/ Loschelder, EStG, 28. Aufl., § 33 Rz 3). Dies gilt selbst dann,
wenn die Aufwendungen im Einzelfall außergewöhnlich hoch sind und
zwangsläufig entstehen (BFH-Beschluss in BFH/NV 2005, 699).
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3. Entgegen der Auffassung der Kläger
begegnet dieser Umstand keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Insbesondere
liegt kein Verstoß gegen Art. 6 Abs. 1 i.V.m. Art. 3 Abs. 1 des
Grundgesetzes (GG) und das daraus folgende Gebot horizontaler
Steuergerechtigkeit vor.
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a) Mit dem Zweiten Gesetz zur
Familienförderung hat der Gesetzgeber den Beschluss des
Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 10. November 1998
2 BvR 1057/91, 2 BvR 1226/91, 2 BvR 980/91 (BVerfGE 99, 216) umgesetzt und
den Familienleistungsausgleich zum 1. Januar 2002 neu gestaltet. Seither
wird der Erziehungsbedarf des Kindes unabhängig vom Familienstand bei allen
Eltern, die einen Kinderfreibetrag oder ein Kindergeld erhalten,
berücksichtigt. Hierzu hat der Gesetzgeber in § 32 Abs. 6 EStG neben dem
Kinderfreibetrag in Höhe von 3.648 € einen zusätzlichen (einheitlichen)
Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung in Höhe von 2.160 €
geschaffen (§ 32 Abs. 6 Satz 1 2. Halbsatz EStG). Damit hat er dem
Umstand Rechnung getragen, dass sich die Bedarfsansprüche eines Kindes im
Laufe dessen Berücksichtigungszeitraums verändern und der zunächst
überwiegende Betreuungsbedarf im Laufe der Zeit durch den Erziehungsbedarf
und für ältere Kinder durch den Ausbildungsbedarf überlagert bzw. abgelöst
wird.
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b) Bei Kindern in Ausbildung dient der
Freibetrag für Betreuung und Erziehung oder Ausbildung der Abdeckung des
allgemeinen Ausbildungsbedarfs (Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff,
EStG, § 32 Rz A 91), zu dem der erkennende Senat auch den
Ausbildungsunterhalt i.S. von § 1610 BGB und damit gegebenenfalls auch
Studiengebühren zählt. Da sich der Gesetzgeber bei der Quantifizierung
dieses einheitlichen Freibetrags an der Höhe des bisherigen höchstmöglichen
Ausbildungsfreibetrags (§ 33a Abs. 2 EStG a.F.) orientiert hat (BTDrucks
14/6160, 13), ist dadurch die bei den Eltern entstehende Minderung der
finanziellen Leistungsfähigkeit durch ein Kind in Ausbildung in genügender
Höhe berücksichtigt (Jachmann, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32
Rz A 91). Eine weitergehende steuerliche Berücksichtigung des allgemeinen
Ausbildungsbedarfs außerhalb des Familienleistungsausgleichs ist damit -
jedenfalls im Streitjahr - nicht erforderlich (vgl. Jachmann, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 32 Rz A 91; Kanzler, Finanz-Rundschau
2001, 921 <938>).
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c) Schließlich entscheidet der Gesetzgeber
über die Verschonung der privaten Einkommensverwendung für Ausbildungskosten
in erweiterter Gestaltungsfreiheit (Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff,
EStG, § 33a Rz A 102, m.w.N). Hierbei ist zu berücksichtigen, dass
Unterhaltsleistungen, die einem Kind eine berufliche Ausbildung mit einer
auswärtigen Unterbringung ermöglichen sollen, nicht zum
(Familien-)Existenzminimum gehören, weil sie nicht der Existenzsicherung im
engeren Sinn, d.h. der Gewährleistung eines menschenwürdigen Daseins, dienen
(vgl. BVerfG-Beschluss vom 12. Januar 2006 2 BvR 660/05, Höchstrichterliche
Finanzrechtsprechung 2006, 506, m.w.N.).
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Das bedeutet allerdings nicht, dass die
steuerliche Berücksichtigung solcher Belastungen vollständig in das Ermessen
des Gesetzgebers gestellt wäre. Die Eltern können sich ihnen nicht beliebig
entziehen, wie das bei anderen privaten Aufwendungen in der Regel der Fall
ist. Im Gegenteil sind Eltern schon nach dem Unterhaltsrecht des
Bürgerlichen Gesetzbuchs weitgehend dazu verpflichtet, ihren Kindern
zumindest eine Berufsausbildung zu finanzieren, und außerdem bestehen
insoweit sittliche Verpflichtungen, wie sie gerade auch im
Einkommensteuerrecht als Steuerminderungsgrund anerkannt werden (vgl. etwa
§ 33 EStG). Hinzu kommt, dass der Wert der Investition mindestens ebenso der
Allgemeinheit zugute kommt, in deren Interesse es liegt, dass möglichst
viele ihrer Mitglieder eine qualifizierte Ausbildung erhalten. Aus diesem
Grunde ist der Staat von Verfassungs wegen verpflichtet, einen gewissen
Anteil der Ausbildungskosten entweder unmittelbar zu übernehmen oder ihn
doch wenigstens bei der Besteuerung der Eltern als Minderung ihrer
Leistungsfähigkeit anzuerkennen. Die Entscheidung darüber, in welchem Umfang
das zu geschehen hat, liegt jedoch grundsätzlich beim Gesetzgeber. Es kann
offenbleiben, bis zu welcher Untergrenze er sich dabei bewegen kann, ohne
Verfassungsrecht zu verletzen. Wählt er den Weg der einkommensteuerlichen
Absetzbarkeit von Aufwendungen bei auswärtiger Unterbringung, so
unterschreitet er diese Grenze jedenfalls noch nicht, wenn er die
Absetzbarkeit auf die Hälfte der üblicherweise anfallenden Kosten begrenzt.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Staat die Ausbildung durch die
Bereitstellung des öffentlichen Bildungswesens bereits fördert
(BVerfG-Beschluss vom 26. Januar 1994 1 BvL 12/86, BVerfGE 89, 346).
Die Frage, ob § 33a Abs. 2 EStG den Sonderbedarf - zu dem Studiengebühren
ohnehin nicht zu zählen sind -, der aus einer auswärtigen Unterbringung
erwächst, realitätsgerecht abbildet, stellt sich damit nicht. Eine isolierte
Beurteilung der Verfassungsmäßigkeit des § 33a Abs. 2 EStG scheidet deshalb
aus (Hufeld, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 33a Rz C 2; Urteil des
Sächsischen FG vom 15. November 2007 4 K 17/05, EFG 2009, 836; Urteil
des FG Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 2007 4 K 2094/03, EFG 2008, 955;
Schmidt/Loschelder, a.a.O., § 33a Rz 54; vgl. auch Blümich/Heger, § 33a EStG
Rz 48). Denn § 33a Abs. 2 EStG ist vielmehr als zusätzliche
Ausbildungskomponente im Familienleistungsausgleich zu beurteilen, die
jedenfalls im Streitjahr verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt (vgl.
II. 3. b).
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Nach alldem konnte die Revision weder
erfolgreich sein noch das Verfahren nach Art. 100 Abs. 1 GG ausgesetzt und
eine Entscheidung des BVerfG in dieser Sache eingeholt werden.
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