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BFH-Beschluss vom 27.10.2009
(V R 3/07) BStBl. 2010 II S. 372
Dem EuGH werden folgende
Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:
1. Handelt es sich um eine
Lieferung i.S. von Art. 5 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn zum sofortigen
Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten abgegeben werden?
2. Kommt es für die
Beantwortung der Frage 1 darauf an, ob zusätzliche Dienstleistungselemente
erbracht werden (Nutzungsüberlassung von Tischen, Stühlen, sonstigen
Verzehrvorrichtungen, Präsentation eines Kinoerlebnisses)?
3. Falls die Frage zu 1
bejaht wird: Ist der Begriff "Nahrungsmittel" im Anhang H Kategorie 1 der
Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel
"zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel
verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die -
durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen
Verzehr zubereitet worden sind?
UStG 2005 § 1 Abs. 1, § 12
Abs. 2 Nr. 1; Richtlinie 77/388/EWG Art. 2 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6
Abs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, Anhang H Kategorie 1; Richtlinie
2006/112/EG Art. 129 Abs. 1.
Vorinstanz: FG Hamburg vom
28. November 2006 7 K 27/06 (EFG 2007, 1044)
Sachverhalt
I. Sachverhalt
Die Beteiligten streiten
über die Frage, ob Umsätze aus dem Verkauf von Popcorn und Nachos als
sonstige Leistung zu besteuern sind.
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) betreibt an mehreren Standorten in Deutschland
Kinos.
Neben diversen Süßwaren und
Getränken können Kinobesucher in den Foyers auch Popcorn und Tortilla-Chips
(Nachos) in verschiedenen Größen erwerben. An den Verkaufsständen selbst
sind keine Verzehrtheken angebracht. In den Foyers der Kinos befinden sich
jedoch in unterschiedlicher Anzahl jeweils Stehtische, Barhocker, zum Teil
Sitzbänke, Stühle, Sitztische und teilweise sog. Stehboards bzw. Wandtresen.
Es sind jedoch nicht in allen Kinos sämtliche der genannten
Einrichtungsgegenstände vorhanden. In einzelnen Kinosälen sind
Getränkehalter an den Kinosesseln angebracht. Sonstige Ablageflächen sind in
den Kinosälen nicht vorhanden.
Das Popcorn wird dadurch
hergestellt, dass Zucker, Mais, Popcornsalz und Fett in einem bestimmten
Verhältnis in eine Popcornmaschine gefüllt wird. Durch Erhitzen brechen die
Maiskörner und quellen auf. Ein Teil der Ware gelangt danach umgehend in die
an der Verkaufstheke vorhandenen Tresenwärmer, in denen das Popcorn mittels
warmer Luft lauwarm gehalten wird. Bei einer Bestellung wird aus diesem
Tresenwärmer das Popcorn mittels einer Schaufel in unterschiedlich große
Papiertüten gefüllt und an den Kinobesucher verkauft. Die restliche Ware
wird in großen Tüten oder Wannen gelagert und dann nach Bedarf in die
Tresenwärmer umgefüllt.
Die Nachos werden in der
Regel in Packungen zu je 500 g bei Lieferanten bestellt. Ein Teil der Ware
gelangt dann ebenfalls in einen Tresenwärmer, in dem die Nachos lauwarm
gehalten werden. Zu den Nachos werden verschiedene Dips angeboten. Diese
werden in größeren Behältern servierfertig angeliefert. Die servierfertigen
Saucen werden zum Teil gewärmt und portioniert. Ein Teil der Salsasauce wird
in eine extra hierfür vorgesehene Schale am Tresen umgefüllt, aus der dann
die Portionierung erfolgt. Die Käsesauce wird in einem speziellen Gefäß
"servierfertig" erwärmt und daraus bei Bedarf portioniert. Bei einer
Bestellung wird eine Einwegschale, die ein größeres Fach für die Nachos und
ein kleineres für den Dip enthält, von einem Mitarbeiter mit den lauwarmen
Nachos und der gewünschten Sauce befüllt.
In der
Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2005 erklärte die Klägerin die Umsätze aus
dem Verkauf des Popcorns und der Nachos als dem ermäßigten Steuersatz
unterliegende Umsätze. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -
FA -) stimmte der Voranmeldung nicht zu und erließ am 5. September 2005
einen Bescheid über die Festsetzung der Umsatzsteuer-Vorauszahlung für den
Monat Juni 2005, in dem es diese Umsätze der Regelbesteuerung unterwarf.
Einspruch und Klage blieben
ohne Erfolg. Zur Begründung seines in "Entscheidungen der Finanzgerichte"
2007, 1044 veröffentlichten Urteils führte das Finanzgericht (FG) im
Wesentlichen aus, das FA habe zu Recht die streitigen Umsätze als sonstige
Leistung erfasst und mit dem Regelsteuersatz besteuert; es habe sich nicht
um die Lieferung der in der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 des
Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) bezeichneten Gegenstände gehandelt. Zwar
würden die Waren von der laufenden Nr. 31 der Anlage 2 erfasst, da sie dem
Kapitel 19 des Zolltarifs (ZT) zuzuordnen seien. Bei den Leistungen der
Klägerin habe es sich aber nicht um Lieferungen, sondern um sonstige
Leistungen i.S. von § 3 Abs. 9 UStG gehandelt, weil die Klägerin keine
"Nahrungsmittel zum Mitnehmen", sondern Speisen zum Verzehr an Ort und
Stelle abgegeben habe.
Mit der Revision macht die
Klägerin Verletzung materiellen Rechts (§ 3 Abs. 9 UStG) geltend. Ein dem
Regelsteuersatz unterliegender Restaurationsumsatz liege nur vor, wenn im
Zusammenhang mit der Abgabe von Speisen ein Dienstleistungsanteil mit
überwiegender Bedeutung erbracht werde. Auf das Warmhalten des Popcorns und
der Nachos komme es nicht an, weil es sich dabei lediglich um eine
lebensmittelgerechte Lagerung bzw. die Gewährleistung einer für den Verkauf
optimalen Temperatur gehandelt habe. Auch das Fehlen einer
Mitnahmeverpackung sei unschädlich, weil das bloße Fehlen einer bestimmten
Verpackung weder ein Dienstleistungselement noch einen ansprechenden Rahmen
zum Verzehr ersetzen könne. Auch die Reinigung der Kinosäle dürfe nicht zu
ihren Lasten berücksichtigt werden. Die Stehtische, Barhocker usw. seien
nicht zum Verzehr des Popcorns und der Nachos bestimmt gewesen, weil die
Kinobesucher diese Lebensmittel ganz überwiegend nicht im Foyer, sondern im
Kinosaal verzehrt hätten.
Im Übrigen unterschieden
sich die von ihr, der Klägerin, ausgeführten Leistungen nicht von denen, die
in Supermärkten oder an Kiosken im Zusammenhang mit dem Verkauf von
Lebensmitteln erbracht würden.
Der Verkauf diene aus der
Sicht des durchschnittlichen Kinobesuchers lediglich der Abrundung des
Kinobesuchs. Sie, die Klägerin, erbringe keine Dienstleistungen im
Darreichungsbereich, wie Bedienung am Platz.
Nach Art. 6 Abs. 1 der
Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG
(Richtlinie 77/388/EWG) gelte als Dienstleistung jeder Umsatz, der keine
Lieferung von Gegenständen darstelle. Weitere Abgrenzungskriterien sehe das
Gemeinschaftsrecht nicht vor.
Die Lieferung sei der
Regelfall. Eine Dienstleistung liege nur vor, wenn rein physikalisch keine
Lieferung von körperlichen Gegenständen vorliege oder wenn besondere
Umstände die Leistung ausnahmsweise zu einer sonstigen Leistung
umqualifizierten.
Die Klägerin beantragt, das
Urteil des FG aufzuheben und die im Umsatzsteuerbescheid für 2005 vom
19. April 2007 festgesetzte Umsatzsteuer um 142.912,16 € auf
./. 404.318,55 € herabzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision abzuweisen.
Es verteidigt die
angefochtene Entscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Entscheidungsgründe
Der Senat legt dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Leitsatz
bezeichneten Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das
Verfahren bis zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Zur Rechtslage nach
nationalem Recht
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Satz 1 UStG 2005 bestimmt:
"Der Umsatzsteuer unterliegen
die folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und
sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen
seines Unternehmens ausführt."
Die Höhe des
Regelsteuersatzes ergibt sich aus § 12 Abs. 1 UStG. Dieser beträgt im
Streitjahr 16 % der Bemessungsgrundlage.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die Lieferungen der in der
Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG bezeichneten Gegenstände, darunter
z.B. Zubereitungen von Fleisch, Fischen usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl,
Stärke oder Milch sowie Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse,
Früchten usw. (Nr. 32) oder "verschiedene Lebensmittelzubereitungen"
(Nr. 33). Die Anlage 2 verweist auf die jeweiligen Kapitel, Positionen und
Unterpositionen des ZT.
2. Die Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts
Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie
77/388/EWG lautet:
"Der Mehrwertsteuer
unterliegen:
1. Lieferungen von
Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im
Inland gegen Entgelt ausführt;"
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG regelt:
"Als Lieferung eines
Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über
einen körperlichen Gegenstand zu verfügen."
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG bestimmt:
"Als Dienstleistung gilt jede
Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes im Sinne des Artikels 5
ist."
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG sieht vor:
"Der Normalsatz der
Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der
Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von Gegenständen und
für Dienstleistungen gleich ist. ...
...
Die Mitgliedstaaten können
außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze
werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht
niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen
und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar."
Anhang H ("Verzeichnis der
Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MWSt.-Sätze angewandt
werden können") der Richtlinie 77/388/EWG nennt als Kategorie 1 u.a.
"Nahrungs- und Futtermittel" sowie "üblicherweise für die Zubereitung von
Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten".
Gemäß Art. 129 Abs. 1 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - (Amtsblatt der Europäischen Union -
ABlEU - Nr. L 347, 1) darf Slowenien bis zum 31. Dezember 2007 oder bis zur
Einführung der in Art. 402 MwStSystRL genannten endgültigen Regelung - je
nachdem welcher Zeitpunkt der frühere ist - einen ermäßigten Satz von
mindestens 8,5 % auf die Zubereitung von Mahlzeiten beibehalten.
3. Rechtliche Würdigung
Im Streitfall ist
entscheidungserheblich, ob die Abgabe von Speisen oder Mahlzeiten zum
sofortigen Verzehr als Lieferung i.S. des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG oder als Dienstleistung i.S. des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der
Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen ist und für den Fall der Beurteilung als
Lieferung, ob hierfür nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang H
Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG ein ermäßigter Steuersatz angewendet
werden darf.
a) Bei der Abgrenzung
zwischen Lieferung und Dienstleistung ist auf die Sicht des
Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung
aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser
Gesamtbetrachtung ist das überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu
ermitteln (EuGH-Urteile vom 10. März 2005 Rs. C-491/03, Hermann, Slg. 2005,
I-2025; vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94, Faaborg-Gelting-Linien, Slg. 1996,
I-2395, BStBl II 1998, 282 Rdnrn. 13 und 14). Zur Abgrenzung von Lieferung
und Dienstleistung bei der Abgabe von Speisen und Getränken hat der EuGH im
Urteil "Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282
Rdnrn. 13 und 14, das die Frage des zutreffenden Leistungsortes von
Restaurationsleistungen auf einem Fährschiff betraf, unterschieden zwischen
Restaurationsumsätzen und Umsätzen, die sich auf "Nahrungsmittel zum
Mitnehmen" beziehen.
aa) Restaurationsumsätze sind
danach durch "eine Reihe von Dienstleistungen und Vorgängen vom Zubereiten
bis zum Darreichen der Speisen" gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in
der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei
weitem überwiegen. Sachverhaltsbezogen erwähnt der EuGH im Urteil
"Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 (Rdnr. 13)
als Dienstleistungen die Zurverfügungstellung einer organisatorischen
Gesamtheit, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderoben u.a.)
als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst, und Bedienungsleistungen,
und - ebenfalls sachverhaltsbezogen - im Urteil "Hermann" in Slg. 2005,
I-2025 (Rdnr. 26) eine Infrastruktur, die Beratung und Information der
Kunden hinsichtlich der servierten Getränke, die Darbietung der Speisen in
einem geeigneten Gefäß, die Bedienung bei Tisch, das Abdecken der Tische
sowie die Reinigung nach dem Verzehr.
bb) "Nahrungsmittel zum
Mitnehmen" (Lieferung) liegen dagegen vor, wenn neben der Lieferung der
Nahrungsmittel "keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an
Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen"
(EuGH-Urteil "Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998,
282 Rdnr. 14).
cc) In dem - nicht die
Mehrwertsteuer betreffenden - Urteil in der Rechtssache "Hermann" in Slg.
2005, I-2025 hat der EuGH unter Hinweis auf das Urteil
"Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 Rdnrn. 13
und 14 die Kriterien für die Abgrenzung konkretisiert. "Minimale
Dienstleistungen", die notwendig mit der Vermarktung der Ware verbunden
sind, wie z.B. das Darbieten der Waren in Regalen und das Ausstellen einer
Rechnung, dürfen bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils nicht
berücksichtigt werden (EuGH-Urteil "Hermann" in Slg. 2005, I-2025 Rdnrn. 22,
23).
dd) Im Anschluss daran ist
der Bundesfinanzhof (BFH) bisher davon ausgegangen, dass es nicht auf ein
quantitatives Überwiegen der Dienstleistungselemente der Bewirtung gegenüber
den Elementen der Speisenherstellung und -lieferung, sondern darauf ankommt,
ob bei der gebotenen Gesamtwürdigung die eine Bewirtung kennzeichnenden
Dienstleistungen qualitativ überwiegen (BFH-Urteile vom 18. Februar 2009
V R 90/07, BFHE 225, 210, BFH/NV 2009, 1551; vom 1. April 2009 XI R 3/08,
BFH/NV 2009, 1469; vom 10. August 2006 V R 55/04, BFHE 214, 474, BStBl II
2007, 480; 10. August 2006 V R 38/05, BFHE 214, 480, BStBl II 2007, 482; vom
26. Oktober 2006 V R 59/04, BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487; vom
12. Oktober 2006 V R 36/04, BFHE 215, 356, BStBl II 2007, 485). Eine
quantitative Betrachtung würde nach Auffassung des Senats wegen der
Vielgestaltigkeit der Sachverhalte (sowohl wegen der Verschiedenartigkeit
und Komplexität der Speisen als auch der Darreichungsformen) zu nicht
praktikablen Abgrenzungsproblemen führen.
ee) Den Vorgang der
Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zu einem - vom jeweiligen Kunden -
bestimmten Zeitpunkt hat der BFH als ein wesentliches Dienstleistungselement
berücksichtigt, das jedenfalls zusammen mit einem zusätzlichen
Dienstleistungselement - wie z.B. im Streitfall die Bereitstellung von
Sitzgelegenheiten und/oder Stehtischen oder anderen Vorrichtungen, die den
sofortigen Verzehr erleichtern - die Beurteilung erlaubt, dass die
Dienstleistungen qualitativ überwiegen. Die Parallelwertung aus der Sicht
des Durchschnittsverbrauchers bestätigt das Gewicht der Zubereitung und den
Unterschied zum Verkauf von Nahrungsmitteln zum Mitnehmen im
Lebensmittelhandel, der dort "zum Einkaufen" und im Übrigen "zum Essen"
geht.
ff) Bestätigt wird die
Bedeutung der Zubereitung zum sofortigen Verzehr durch eine - durch die
Erweiterung der Gemeinschaft veranlasste - Übergangsregelung. Art. 129
Abs. 1 MwStSystRL erlaubt Slowenien die Anwendung eines ermäßigten
Steuersatzes für die Zubereitung von Mahlzeiten. Der
Gemeinschaftsgesetzgeber geht folglich offenbar davon aus, dass Letztere dem
Regelsteuersatz unterliegt.
gg) Der Umstand, dass der ZT
auch "Zubereitungen" erwähnt, kann wegen des unterschiedlichen
Regelungsgegenstandes für die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich eine
Lebensmittellieferung vorliegt oder ob es sich um eine
Verpflegungsdienstleistung handelt, keine Bedeutung haben. Zwar sind dort
u.a. auch genannt "Zubereitungen aus Getreide, Mehl, Stärke oder Milch;
Backwaren" (Nr. 31 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG) und
"verschiedene Lebensmittelzubereitungen" (Nr. 33 der Anlage 2 zu § 12 Abs. 2
Nrn. 1 und 2 UStG). Entscheidende Kriterien für die zollrechtliche
Tarifierung sind grundsätzlich die objektiven Merkmale und Eigenschaften der
Waren. Auf die Art und Weise der Herstellung kommt es nur an, wenn die
betreffende Tarifposition dies ausdrücklich vorschreibt (EuGH-Urteil vom
27. September 2007 Rs. C-208/06 und C-209/06, BFH/NV Beilage 2008, 52;
BFH-Urteil vom 10. Juni 2008 VII R 22/07, BFH/NV 2008, 1560).
b) Zu Frage 1: Der Senat hat
aufgrund einer Änderung der Richtlinie Zweifel, ob nicht bereits die
Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr den Umsatz
wesentlich prägt, und es deshalb unerheblich ist, ob noch weitere
Dienstleistungen hinzukommen.
aa) Aufgrund der Richtlinie
2009/47/EG des Rates vom 5. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG
in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze (ABlEU Nr. L 116, 18 bis 20)
können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz für Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen einführen (Erweiterung von Anhang III
MwStSystRL). Auch in Art. 55 und 57 der Richtlinie 2006/112/EG i.d.F. der
Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der
Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung
(ABlEU Nr. L 44, 11 bis 12) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 werden
"Restaurant- und Verpflegungsdienstleistungen" genannt.
bb) Der Begriff
"Verpflegungsdienstleistungen" ist in diesen Richtlinien nicht definiert. Es
können möglicherweise damit Speisen oder Mahlzeiten gemeint sein, die zum
sofortigen Verzehr zubereitet worden sind und außerhalb von Restaurants
überlassen werden, bei deren Abgabe außer der Zubereitung von
Nahrungsmitteln zu Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr keine
weiteren Dienstleistungselemente vorliegen. Träfe diese Auffassung zu, wäre
die Klage im Streitfall in vollem Umfang abzuweisen, unabhängig davon, ob
die Kunden die zubereiteten Speisen "zum Mitnehmen" erworben haben oder von
den bereitgestellten Steh-/Tischen und Sitzgelegenheiten Gebrauch machen.
c) Zu Frage 2: Wäre die
Abgabe von Speisen oder Mahlzeiten nur als Dienstleistung zu beurteilen,
wenn zusätzlich zur Zubereitung zum sofortigen Verzehr noch weitere
Dienstleistungen hinzukommen - wie z.B. die Bereitstellung von
Verzehrmöglichkeiten in Form von (Steh-)Tischen, Sitzgelegenheiten,
Verzehrtheken -, handelte es sich nach Auffassung des Senats im Streitfall
um Dienstleistungen; denn die Klägerin hat Nahrungsmittel zum sofortigen
Verzehr zubereitet, erwärmt und warmgehalten und neben der Abgabe der
zubereiteten Speisen im Foyer der Kinos Verzehrmöglichkeiten in Gestaltung
von Stehtischen, Stühlen, Sitzbänken und Tischen, Stehboards, Wandtresen und
Barhockern bereitgestellt. Dass die Klägerin die Sitzgelegenheiten nicht
ausschließlich zum Verzehr der Speisen "bestimmt" hat, hält der Senat nicht
für entscheidend. Insoweit wäre die Klage abzuweisen.
Im Streitfall ist jedoch
nicht auszuschließen, dass ein Teil der Kunden die im Sachverhalt genannten
zubereiteten Speisen/ Mahlzeiten nur "zum Mitnehmen" erworben und die
bereitgestellten Verzehrmöglichkeiten nicht benutzt hat. Ist die Abgabe von
Speisen und Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr nur dann eine Lieferung, wenn
zusätzliche Dienstleistungen hinzukommen, handelt es sich bei diesen
Umsätzen (Abgabe "zum Mitnehmen") um Lieferungen. Ob die Klage insoweit
Erfolg haben kann, hängt von der Beantwortung der Frage 3 ab. Sind zum
sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten oder Speisen "Nahrungsmittel" i.S.
von Anhang H Kategorie 1 zu Art. 12 der Richtlinie 77/388/EWG, wären diese
Umsätze ermäßigt zu besteuern und hätte die Klage insoweit Erfolg. Sind zum
sofortigen Verzehr zubereitete Speisen keine "Nahrungsmittel" i.S. von
Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG, hat die Klage im vollen
Umfang keinen Erfolg.
Ist die Abgabe von Speisen
oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr eine Lieferung, wenn keine
zusätzlichen Dienstleistungen hinzukommen, und darf diese Lieferung ermäßigt
besteuert werden, kommt möglicherweise ein Teilerfolg der Klage in Betracht,
wenn nicht alle Kunden die bereitgestellten Verzehrmöglichkeiten benutzt
haben.
d) Zu Frage 3: Sind die zum
sofortigen Verzehr zubereiteten Speisen oder Mahlzeiten keine
"Nahrungsmittel" i.S. des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG,
wären die Mitgliedstaaten selbst beim Vorliegen einer Lieferung nicht
ermächtigt, derartige Speisen dem ermäßigten Steuersatz zu unterwerfen. § 12
Abs. 2 Nr. 1 UStG 2005 i.V.m. der Anlage 2 zum Gesetz wäre einschränkend
dahin auszulegen, dass die Leistungen des Betreibers eines Verkaufsstands in
einem Kino auf jeden Fall, also unabhängig davon, ob die Kunden die Speisen
oder Mahlzeiten an den im Foyer bereitgehaltenen Verzehrvorrichtungen
verzehren oder "zum Mitnehmen" erwerben, dem Regelsteuersatz unterlägen. Im
Streitfall wäre die Klage abzuweisen.
aa) Die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes ist eine - grundsätzlich eng auszulegende -
Sonderregelung, so dass es nach dem Zweck der Bestimmung nicht zwingend
erscheint, als Nahrungsmittel i.S. des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie
77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten anzusehen, die - anders als z.B. zum
Verkauf im Lebensmittelhandel zubereitete und zur Mitnahme verpackte Speisen
(z.B. Tiefkühlkost) - zum sofortigen Verzehr zubereitet worden sind.
bb) Auch die Slowenien in
Art. 129 Abs. 1 MwStSystRL erteilte Erlaubnis, für die Zubereitung von
Mahlzeiten einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, kann möglicherweise so
verstanden werden, dass zum sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten nicht
nach Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG begünstigt sind.
Gleiches gilt, soweit in der
Richtlinie 2009/47/EG in ABlEU Nr. L 116, 18 bis 20 und in Art. 55 und 57
der Richtlinie 2006/112/EG i.d.F. der Richtlinie 2008/8/EG in ABlEU Nr. L
44, 11 bis 12 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 die "Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen" genannt werden.
4. Rechtsgrundlage für die
Anrufung des EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft.
5. Die Aussetzung des
Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.
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