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BFH-Beschluss vom 27.10.2009
(V R 35/08) BStBl. 2010 II S. 376
Dem Gerichtshof der
Europäischen Gemeinschaften werden folgende Fragen zur Vorabentscheidung
vorgelegt:
1. Handelt es sich um eine
Lieferung i.S. von Art. 5 der Richtlinie 77/388/EWG, wenn zum sofortigen
Verzehr zubereitete Speisen oder Mahlzeiten abgegeben werden?
2. Kommt es für die
Beantwortung der Frage 1 darauf an, ob zusätzliche Dienstleistungselemente
erbracht werden (Bereitstellung von Verzehrvorrichtungen)?
3. Falls die Frage zu 1
bejaht wird: Ist der Begriff "Nahrungsmittel" im Anhang H Kategorie 1 der
Richtlinie 77/388/EWG dahin auszulegen, dass darunter nur Nahrungsmittel
"zum Mitnehmen" fallen, wie sie typischerweise im Lebensmittelhandel
verkauft werden, oder fallen darunter auch Speisen oder Mahlzeiten, die -
durch Kochen, Braten, Backen oder auf sonstige Weise - zum sofortigen
Verzehr zubereitet worden sind?
UStG 1999 § 1 Abs. 1, § 12
Abs. 2 Nr. 1; Richtlinie 77/388/EWG Art. 2 Nr. 1, Art. 5 Abs. 1, Art. 6
Abs. 1, Art. 12 Abs. 3 Buchst. a, Anhang H Kategorie 1; Richtlinie
2006/112/EG Art. 129 Abs. 1.
Vorinstanz: Niedersächsisches
FG vom 21. August 2008 5 K 428/07 (EFG 2009, 144)
Sachverhalt
I. Sachverhalt
Streitig ist, ob die Umsätze
des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) dem ermäßigten Umsatzsteuersatz
unterliegen.
Der Kläger verkaufte im
Streitjahr (2004) auf Wochenmärkten in drei gleichartigen Imbisswagen
verzehrfertig zubereitete Speisen (insbesondere verschiedene Würste, Pommes
frites) und Getränke. Die Imbisswagen verfügen über eine Verkaufstheke mit
Spritzschutz aus Glas und ein darunter angebrachtes umlaufendes "Brett" aus
Resopal, das zum Verzehr der Speisen an Ort und Stelle genutzt werden kann.
Seitlich befindet sich über der Deichsel eine herausklappbare "Zunge", die
nach Art eines Tisches in gleicher Höhe und aus dem gleichen Material
hergestellt ist wie die umlaufende "Verzehrtheke". Der Bereich, in dem sich
Kunden zum Verzehr aufhalten können, ist durch ein herausklappbares Dach vor
Regen geschützt.
In seiner
Umsatzsteuererklärung für das Streitjahr unterwarf der Kläger die Umsätze
aus dem Verkauf von Getränken dem Regelsteuersatz, die Umsätze aus dem
Verkauf von Speisen dagegen dem ermäßigten Steuersatz. Im Rahmen einer
Umsatzsteuer-Sonderprüfung kam der Prüfer zu dem Ergebnis, dass die Kunden
des Klägers die Waren in der Regel an Ort und Stelle verzehrten. Da der
Kläger keine Angaben zum Umfang des Verzehrs an den Imbisswagen gemacht
habe, seien die Umsätze zum Regelsteuersatz auf 70 % geschätzt worden.
Aufgrund des Ergebnisses der
Außenprüfung erließ der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -)
am 27. Dezember 2006 einen geänderten Umsatzsteuerbescheid für 2004, der auf
§ 164 Abs. 2 der Abgabenordnung beruhte und setzte die Umsatzsteuer auf
3.919,05 € fest. Der Einspruch des Klägers blieb ohne Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage statt. Zur Begründung seines in Entscheidungen der Finanzgerichte
2009, 144 veröffentlichten Urteils führte es im Wesentlichen aus:
Entscheidend sei für die Abgrenzung, ob das Dienstleistungselement
qualitativ überwiege.
Der Kläger habe zwar
Verzehrvorrichtungen bereitgestellt, die dazu geeignet und bestimmt gewesen
seien, Kunden den Verzehr der Speisen an Ort und Stelle zu ermöglichen. Sie
seien auch tatsächlich von einer Vielzahl der Kunden des Klägers zum Verzehr
an Ort und Stelle genutzt worden. Es könne aber nicht darauf ankommen,
inwieweit "Verzehrvorrichtungen" an einem Imbisswagen tatsächlich von der
Kundschaft zum Verzehr an Ort und Stelle genutzt würden, weil dann die Höhe
des Steuersatzes von einem Verhalten des Kunden nach Ausführung des Umsatzes
abhänge.
Im Streitfall handele es
sich um Lieferungen, denn neben der Zubereitung der Speisen habe der Kläger
nur überdachte Ablageflächen an seinem Imbissstand bereitgehalten, auf denen
die Speisen zum Verzehr abgestellt werden könnten und Abfalleimer zur
Verfügung gestellt. Andere Dienstleistungselemente, die bei einem
Restaurantbesuch das Gesamtbild der angebotenen Leistungen des Gastwirts
prägten (Bedienung, Sitzgelegenheit, geschlossene und temperierte Räume bzw.
ansprechende Verzehrgelegenheiten im Freien, Vorhandensein von Garderobe und
Toiletten usw.) fehlten dagegen.
Mit der vom FG zugelassenen
Revision macht das FA geltend, das FG habe § 12 Abs. 2 Nr. 1 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG) verletzt, weil die Lieferungen mit Leistungen
(Zubereitung der Nahrungsmittel zu Speisen und Vorhalten von überdachten
Verzehrvorrichtungen) verbunden gewesen seien, die über die bloße
Vermarktung hinausgegangen seien.
Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Er verteidigt die
Vorentscheidung.
Entscheidungsgründe
II. Entscheidungsgründe
Der Senat legt dem
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) die im Tenor bezeichneten
Fragen zur Auslegung des Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren bis
zur Entscheidung des EuGH aus.
1. Zur Rechtslage nach
nationalem Recht.
§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
Satz 1 UStG 1999 bestimmt:
"Der Umsatzsteuer unterliegen
die folgenden Umsätze:
1. die Lieferungen und
sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen
seines Unternehmens ausführt."
Die Höhe des
Regelsteuersatzes ergibt sich aus § 12 Abs. 1 UStG. Dieser beträgt im
Streitjahr 16 % der Bemessungsgrundlage.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG
ermäßigt sich die Steuer auf 7 % u.a. für die Lieferungen der in der Anlage
zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG bezeichneten Gegenstände, darunter z.B.
Zubereitungen von Fleisch, Fischen usw. (Nr. 28), aus Getreide, Mehl, Stärke
oder Milch sowie Backwaren (Nr. 31), Zubereitungen von Gemüse, Früchten usw.
(Nr. 32) oder "verschiedene Lebensmittelzubereitungen" (Nr. 33). Die Anlage
verweist auf die jeweiligen Kapitel, Positionen und Unterpositionen des
Zolltarifs (ZT).
2. Die Bestimmungen des
Gemeinschaftsrechts
Art. 2 Nr. 1 der Sechsten
Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern 77/388/EWG
(Richtlinie 77/388/EWG) lautet:
"Der Mehrwertsteuer
unterliegen:
1. Lieferungen von
Gegenständen und Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im
Inland gegen Entgelt ausführt;"
Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG regelt:
"Als Lieferung eines
Gegenstands gilt die Übertragung der Befähigung, wie ein Eigentümer über
einen körperlichen Gegenstand zu verfügen."
Art. 6 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG bestimmt:
"Als Dienstleistung gilt jede
Leistung, die keine Lieferung eines Gegenstandes im Sinne des Artikels 5
ist."
Art. 12 Abs. 3 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG sieht vor:
"Der Normalsatz der
Mehrwertsteuer wird von jedem Mitgliedstaat als ein Prozentsatz der
Besteuerungsgrundlage festgelegt, der für Lieferungen von Gegenständen und
für Dienstleistungen gleich ist. ...
...
Die Mitgliedstaaten können
außerdem einen oder zwei ermäßigte Sätze anwenden. Diese ermäßigten Sätze
werden als ein Prozentsatz der Besteuerungsgrundlage festgelegt, der nicht
niedriger als 5 % sein darf, und sind nur auf Lieferungen von Gegenständen
und Dienstleistungen der in Anhang H genannten Kategorien anwendbar."
Anhang H ("Verzeichnis der
Gegenstände und Dienstleistungen, auf die ermäßigte MWSt.-Sätze angewandt
werden können") der Richtlinie 77/388/EWG nennt als Kategorie 1 u.a.
"Nahrungs- und Futtermittel" sowie "üblicherweise für die Zubereitung von
Nahrungs- und Futtermitteln verwendete Zutaten".
Gemäß Art. 129 Abs. 1 der
Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das gemeinsame
Mehrwertsteuersystem - MwStSystRL - (ABlEU Nr. L 347, 1) darf Slowenien bis
zum 31. Dezember 2007 oder bis zur Einführung der in Art. 402 MwStSystRL
genannten endgültigen Regelung - je nachdem welcher Zeitpunkt der frühere
ist - einen ermäßigten Satz von mindestens 8,5 % auf die Zubereitung von
Mahlzeiten beibehalten.
3. Rechtliche Würdigung
Im Streitfall ist
entscheidungserheblich, ob die Abgabe von Speisen oder Mahlzeiten zum
sofortigen Verzehr als Lieferung i.S. des Art. 5 Abs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG oder als Dienstleistung i.S. des Art. 6 Abs. 1 Satz 1 der
Richtlinie 77/388/EWG zu beurteilen ist und für den Fall der Beurteilung als
Lieferung, ob hierfür nach Art. 12 Abs. 3 Buchst. a i.V.m. Anhang H
Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG ein ermäßigter Steuersatz angewendet
werden darf.
a) Bei der Abgrenzung
zwischen Lieferung und Dienstleistung ist auf die Sicht des
Durchschnittsverbrauchers abzustellen. Maßgebend ist eine Gesamtbetrachtung
aller Umstände, unter denen der Umsatz erfolgt. Im Rahmen dieser
Gesamtbetrachtung ist das überwiegende Element des besteuerten Umsatzes zu
ermitteln (EuGH-Urteile vom 10. März 2005 Rs. C-491/03, Hermann, Slg. 2005,
I-2025; vom 2. Mai 1996 Rs. C-231/94, Faaborg-Gelting-Linien, Slg. 1996,
I-2395, BStBl II 1998, 282 Rdnrn. 13 und 14). Zur Abgrenzung von Lieferung
und Dienstleistung bei der Abgabe von Speisen und Getränken hat der EuGH im
Urteil "Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282
Rdnrn. 13 und 14, das die Frage des zutreffenden Leistungsortes von
Restaurationsleistungen auf einem Fährschiff betraf, unterschieden zwischen
Restaurationsumsätzen und Umsätzen, die sich auf "Nahrungsmittel zum
Mitnehmen" beziehen.
aa) Restaurationsumsätze sind
danach durch "eine Reihe von Dienstleistungen und Vorgängen vom Zubereiten
bis zum Darreichen der Speisen" gekennzeichnet, von denen nur ein Teil in
der Lieferung von Nahrungsmitteln besteht, während die Dienstleistungen bei
weitem überwiegen. Sachverhaltsbezogen erwähnt der EuGH im Urteil
"Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 Rdnr. 13
als Dienstleistungen die Zurverfügungstellung einer organisatorischen
Gesamtheit, die sowohl einen Speisesaal mit Nebenräumen (Garderoben u.a.)
als auch das Mobiliar und das Geschirr umfasst, und Bedienungsleistungen,
und - ebenfalls sachverhaltsbezogen - im Urteil "Hermann" in Slg. 2005,
I-2025 Rdnr. 26 eine Infrastruktur, die Beratung und Information der Kunden
hinsichtlich der servierten Getränke, die Darbietung der Speisen in einem
geeigneten Gefäß, die Bedienung bei Tisch, das Abdecken der Tische sowie die
Reinigung nach dem Verzehr.
bb) "Nahrungsmittel zum
Mitnehmen" (Lieferung) liegen dagegen vor, wenn neben der Lieferung der
Nahrungsmittel "keine Dienstleistungen erbracht werden, die den Verzehr an
Ort und Stelle in einem geeigneten Rahmen ansprechend gestalten sollen"
(EuGH-Urteil "Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998,
282 Rdnr. 14).
cc) In dem - nicht die
Mehrwertsteuer betreffenden - Urteil in der Rechtssache "Hermann" in
Slg. 2005, I-2025 hat der EuGH unter Hinweis auf das Urteil
"Faaborg-Gelting-Linien" in Slg. 1996, I-2395, BStBl II 1998, 282 Rdnrn. 13
und 14 die Kriterien für die Abgrenzung konkretisiert. "Minimale
Dienstleistungen", die notwendig mit der Vermarktung der Ware verbunden
sind, wie z.B. das Darbieten der Waren in Regalen und das Ausstellen einer
Rechnung, dürfen bei der Beurteilung des Dienstleistungsanteils nicht
berücksichtigt werden (EuGH-Urteil "Hermann" in Slg. 2005, I-2025 Rdnrn. 22,
23).
dd) Im Anschluss daran ist
der Bundesfinanzhof (BFH) bisher davon ausgegangen, dass es nicht auf ein
quantitatives Überwiegen der Dienstleistungselemente der Bewirtung gegenüber
den Elementen der Speisenherstellung und -lieferung, sondern darauf ankommt,
ob bei der gebotenen Gesamtwürdigung die eine Bewirtung kennzeichnenden
Dienstleistungen qualitativ überwiegen (BFH-Urteile vom 18. Februar 2009
V R 90/07, BFHE 225, 210, BFH/NV 2009, 1551; vom 1. April 2009 XI R 3/08,
BFH/NV 2009, 1469; vom 10. August 2006 V R 55/04, BFHE 214, 474, BStBl II
2007, 480; vom 10. August 2006 V R 38/05, BFHE 214, 480, BStBl II 2007, 482;
vom 26. Oktober 2006 V R 59/04, BFHE 215, 360, BStBl II 2007, 487; vom
12. Oktober 2006 V R 36/04, BFHE 215, 356, BStBl II 2007, 485). Eine
quantitative Betrachtung würde nach Auffassung des Senats wegen der
Vielgestaltigkeit der Sachverhalte (sowohl wegen der Verschiedenartigkeit
und Komplexität der Speisen als auch der Darreichungsformen) zu nicht
praktikablen Abgrenzungsproblemen führen.
ee) Den Vorgang der
Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zu einem - vom jeweiligen Kunden -
bestimmten Zeitpunkt hat der BFH als ein wesentliches Dienstleistungselement
berücksichtigt, das jedenfalls zusammen mit einem zusätzlichen
Dienstleistungselement - wie im Streitfall die Bereitstellung von
Verzehrvorrichtungen wie eine umlaufende Verzehrtheke aus Resopal und ein
Spritzschutz aus Glas, ein herausklappbarer Tisch sowie ein herausklappbares
Dach als Wetterschutz— - die Beurteilung erlaubt, dass die Dienstleistungen
qualitativ überwiegen. Die Parallelwertung aus der Sicht des
Durchschnittsverbrauchers bestätigt das Gewicht der Zubereitung und den
Unterschied zum Verkauf von Nahrungsmitteln zum Mitnehmen im
Lebensmittelhandel, der dort "zum Einkaufen" und im Übrigen "zum Essen"
geht.
ff) Bestätigt wird die
Bedeutung der Zubereitung zum sofortigen Verzehr durch eine - durch die
Erweiterung der Gemeinschaft veranlasste - Übergangsregelung. Art. 129
Abs. 1 MwStSystRL erlaubt Slowenien die Anwendung eines ermäßigten
Steuersatzes für die Zubereitung von Mahlzeiten. Der
Gemeinschaftsgesetzgeber geht folglich offenbar davon aus, dass Letztere dem
Regelsteuersatz unterliegt.
gg) Der Umstand, dass der ZT
auch "Zubereitungen" erwähnt, kann wegen des unterschiedlichen
Regelungsgegenstandes für die Frage, ob umsatzsteuerrechtlich eine
Lebensmittellieferung vorliegt oder ob es sich um eine
Verpflegungsdienstleistung handelt, keine Bedeutung haben. Zwar sind dort
u.a. "Zubereitungen von Fleisch ..." (Nr. 28 der Anlage zu § 12 Abs. 2
Nrn. 1 und 2 UStG) und "verschiedene Lebensmittelzubereitungen" (Nr. 33 der
Anlage zu § 12 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 UStG) genannt. Entscheidende Kriterien
für die zollrechtliche Tarifierung sind grundsätzlich die objektiven
Merkmale und Eigenschaften der Waren. Auf die Art und Weise der Herstellung
kommt es nur an, wenn die betreffende Tarifposition dies ausdrücklich
vorschreibt (EuGH-Urteil vom 27. September 2007 Rs. C-208/06 und C-209/06,
Medion und Canon, BFH/NV Beilage 2008, 52; BFH-Urteil vom 10. Juni 2008
VII R 22/07, BFH/NV 2008, 1560).
b) Zu Frage 1: Der Senat hat
aufgrund einer Änderung der Richtlinie Zweifel, ob nicht bereits die
Zubereitung von Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr den Umsatz
wesentlich prägt, und es deshalb unerheblich ist, ob noch weitere
Dienstleistungen hinzukommen.
aa) Aufgrund der Richtlinie
2009/47/EG des Rates vom 5. Mai 2009 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG
in Bezug auf ermäßigte Mehrwertsteuersätze (ABlEU Nr. L 116, 18 bis 20)
können die Mitgliedstaaten einen ermäßigten Steuersatz für Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen einführen (Erweiterung von Anhang III
MwStSystRL). Auch in Art. 55 und 57 der Richtlinie 2006/112/EG i.d.F. der
Richtlinie 2008/8/EG des Rates vom 12. Februar 2008 zur Änderung der
Richtlinie 2006/112/EG bezüglich des Ortes der Dienstleistung (ABlEU
Nr. L 44, 11 bis 12) mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 werden "Restaurant-
und Verpflegungsdienstleistungen" genannt.
bb) Der Begriff
"Verpflegungsdienstleistungen" ist in diesen Richtlinien nicht definiert. Es
können möglicherweise damit Speisen oder Mahlzeiten gemeint sein, die zum
sofortigen Verzehr zubereitet worden sind und außerhalb von Restaurants
überlassen werden, bei deren Abgabe außer der Zubereitung von
Nahrungsmitteln zu Speisen oder Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr keine
weiteren Dienstleistungselemente vorliegen. Träfe diese Auffassung zu, wäre
die Klage im Streitfall in vollem Umfang abzuweisen, unabhängig davon, ob
die Kunden die zubereiteten Speisen "zum Mitnehmen" erworben haben oder von
den bereitgestellten Verzehrvorrichtungen Gebrauch machen.
c) Zu Frage 2: Wäre die
Abgabe von Speisen oder Mahlzeiten nur als Dienstleistung zu beurteilen,
wenn zusätzlich zur Zubereitung zum sofortigen Verzehr noch weitere
Dienstleistungen hinzukommen - wie z.B. die Bereitstellung von
Verzehrmöglichkeiten -, handelte es sich nach Auffassung des Senats im
Streitfall um Dienstleistungen; denn der Kläger hat Nahrungsmittel zum
sofortigen Verzehr zubereitet und zusätzlich Verzehrvorrichtungen
bereitgestellt, die überdacht und mit einem Spritzschutz versehen sind.
Im Streitfall hat ein Teil
der Kunden die im Sachverhalt genannten zubereiteten Speisen/Mahlzeiten
jedoch nur "zum Mitnehmen" erworben und die bereitgestellten
Verzehrmöglichkeiten nicht benutzt. In welchem Verhältnis die Speisen zum
Mitnehmen abgegeben worden sind, ist zwischen den Beteiligten streitig. Ist
die Abgabe von Speisen und Mahlzeiten zum sofortigen Verzehr nur dann eine
Lieferung, wenn zusätzliche Dienstleistungen hinzukommen, handelt es sich
bei den Umsätzen "zum Mitnehmen" um Lieferungen. Ob die Klage insoweit
Erfolg haben kann, hängt dann von der Beantwortung der Frage 3 ab. Sind zum
sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten oder Speisen "Nahrungsmittel" i.S.
von Anhang H Kategorie 1 zu Art. 12 der Richtlinie 77/388/EWG, wären diese
Umsätze ermäßigt zu besteuern und hätte die Klage insoweit Erfolg. Sind zum
sofortigen Verzehr zubereitete Speisen keine "Nahrungsmittel" i.S. von
Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG, hat die Klage im vollen
Umfang keinen Erfolg.
d) Zu Frage 3: Sind die zum
sofortigen Verzehr zubereiteten Speisen oder Mahlzeiten keine
"Nahrungsmittel" i.S. des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG,
wären die Mitgliedstaaten nicht ermächtigt, derartige Speisen dem ermäßigten
Steuersatz zu unterwerfen. § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1999 i.V.m. der Anlage zum
Gesetz wäre einschränkend dahin auszulegen, dass die Leistungen des
Betreibers eines Imbissstands auf jeden Fall, also unabhängig davon, ob die
Kunden die Speisen oder Mahlzeiten an Ablagebrettern oder Stehtischen
verzehren oder "zum Mitnehmen" erwerben, dem Regelsteuersatz unterlägen. Im
Streitfall wäre die Klage abzuweisen.
aa) Die Anwendung des
ermäßigten Steuersatzes ist eine - grundsätzlich eng auszulegende -
Sonderregelung, so dass es nach dem Zweck der Bestimmung nicht zwingend
erscheint, als Nahrungsmittel i.S. des Anhangs H Kategorie 1 der Richtlinie
77/388/EWG auch Speisen oder Mahlzeiten anzusehen, die - anders als z.B. zum
Verkauf im Lebensmittelhandel zubereitete und zur Mitnahme verpackte Speisen
(z.B. Tiefkühlkost) - zum sofortigen Verzehr zu einem bestimmten Zeitpunkt
zubereitet worden sind.
bb) Auch die Slowenien in
Art. 129 Abs. 1 MwStSystRL erteilte Erlaubnis, für die Zubereitung von
Mahlzeiten einen ermäßigten Steuersatz anzuwenden, kann möglicherweise so
verstanden werden, dass zum sofortigen Verzehr zubereitete Mahlzeiten nicht
nach Anhang H Kategorie 1 der Richtlinie 77/388/EWG begünstigt sind.
cc) Gleiches gilt, soweit in
der Richtlinie 2009/47/EG in ABlEU Nr. L 116, 18 bis 20 und in Art. 55 und
57 der Richtlinie 2006/112/EG i.d.F. der Richtlinie 2008/8/EG in ABlEU
Nr. L 44, 11 bis 12 mit Wirkung ab dem 1. Januar 2010 die "Restaurant- und
Verpflegungsdienstleistungen" genannt werden.
4. Rechtsgrundlage für die
Anrufung des EuGH ist Art. 234 Satz 3 des Vertrags zur Gründung der
Europäischen Gemeinschaft.
5. Die Aussetzung des
Verfahrens beruht auf § 121 Satz 1 i.V.m. § 74 der Finanzgerichtsordnung.
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