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BFH-Urteil vom 10.12.2009 (XI R 62/06) BStBl. 2010 II S. 436
Leistungsort bei Bezug von sog. Katalogleistungen i.S. des § 3a Abs. 4 UStG
1999 durch eine öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt
Eine
öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt, die neben ihren
nichtunternehmerischen Tätigkeiten auch unternehmerische Tätigkeiten ausübt,
bezieht sog. Katalogleistungen i.S. des § 3a Abs. 4 UStG 1999 selbst dann
als Unternehmerin (§ 3a Abs. 3 Satz 1 UStG 1999), wenn sie diese nur für
ihre nichtunternehmerischen Zwecke verwendet.
UStG
1999 § 2 Abs. 3 Satz 1, § 3a Abs. 3 und Abs. 4, § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1
und Abs. 2; Richtlinie 77/388/EWG Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1, Art. 9 Abs. 2
Buchst. e.
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 29. August 2006 6 K 2991/03 (EFG 2006,
1709)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine öffentlich-rechtliche
Rundfunkanstalt, die nur im Rahmen ihres Betriebs gewerblicher Art eine
unternehmerische Tätigkeit ausübt. Sie bezog zur Erfüllung ihres
hoheitlichen Programmauftrags von im Gemeinschaftsgebiet ansässigen
ausländischen Rundfunkanstalten verschiedene Leistungen wie
Telekommunikationsdienstleistungen, die Übertragung urheberrechtlicher
Nutzungsrechte, die Vermietung von Sendeeinrichtungen und die
Personalgestellung nebst technischer Ausrüstung. Die Leistungen wurden der
Klägerin unter gesondertem Ausweis von Umsatzsteuer in Rechnung gestellt.
Auf Aufforderung des Ministeriums der Finanzen des Landes ... meldete die
Klägerin entsprechend dem Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen
(BMF) vom 16. Juli 2001 IV B 7 -S 7106- 47/01 (BStBl I 2001, 489; nunmehr
Abschn. 38 Abs. 6 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005/2008) die Umsätze in
ihrer Umsatzsteuer-Voranmeldung für den Monat August 2002 beim Beklagten und
Revisionskläger (Finanzamt - FA -) an.
2
Der Einspruch gegen die Umsatzsteuer-Voranmeldung, die Eingang in den zum
Gegenstand des Verfahrens gewordenen Umsatzsteuerbescheid 2002 vom 25. Mai
2004 gefunden hat, blieb erfolglos.
3
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage statt (die Entscheidung ist abgedruckt
in Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1709). Die Regelung in dem
BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 489 sei nicht mit der Sechsten Richtlinie
77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der
Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie
77/388/EWG) vereinbar und verstoße gegen § 3a des Umsatzsteuergesetzes 1999
(UStG) in der im Streitjahr geltenden Fassung. Die Voraussetzungen des § 3a
Abs. 3 i.V.m. § 3a Abs. 4 UStG seien nicht gegeben, weil die Klägerin die
streitigen Leistungen als juristische Person des öffentlichen Rechts für
ihre im öffentlich-rechtlichen Bereich liegende Tätigkeit bezogen habe und
damit insoweit nicht Unternehmerin im Sinne der Vorschrift sei. Liege der
Ort der Leistungen nicht gemäß § 3a Abs. 3 UStG im Inland, so fehle es für
eine Steuerschuldnerschaft i.S. des § 13b Abs. 2 Satz 1 UStG an einem
steuerpflichtigen Umsatz im Inland.
4
Mit seiner Revision trägt das FA vor, die Klägerin übe neben ihrer
hoheitlichen Tätigkeit auch eine nachhaltige, wirtschaftlich herausgehobene
Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen aus und sei daher im Rahmen dieses
Betriebs gewerblicher Art - wenn auch nur partiell - Unternehmerin. Aus § 3a
Abs. 3 Satz 1 UStG ergebe sich nicht, dass die Verlagerung des Leistungsorts
nur dann gelte, wenn die Leistung dem unternehmerischen Betätigungsfeld
zuzuordnen sei. Das BMF-Schreiben in BStBl I 2001, 489 stelle nur die
Rechtslage klar, dass es für die Verlagerung, sofern der Empfänger (auch)
unternehmerisch tätig sei, nicht mehr darauf ankomme, ob die Leistungen an
den unternehmerischen Bereich der empfangenden Rundfunkanstalt ausgeführt
würden. Das habe u.a. zur Folge, dass Leistungen i.S. des § 3a Abs. 4 UStG,
die von ausländischen Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts an
inländische Rundfunkanstalten des öffentlichen Rechts erbracht werden, im
Inland der Umsatzbesteuerung unterlägen. Auch eine evtl. Doppelbesteuerung
ändere hieran nichts; diese müsse ggf. anderweitig vermieden werden.
5
Das FA beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.
7
Hilfsweise regt sie an, dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften
(EuGH) die Frage zur Vorabentscheidung vorzulegen, ob eine Einrichtung des
öffentlichen Rechts, die für eine Tätigkeit, die ihr im Rahmen der
öffentlichen Gewalt i.S. von Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG obliegt, eine sonstige Leistung bezieht, mit der Konsequenz als
Nichtsteuerpflichtige i.S. des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG anzusehen ist, dass die Ortsbestimmung nach Art. 9 Abs. 2
Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG nicht anwendbar ist.
8
Es sei eine Zuordnungsentscheidung vorzunehmen hinsichtlich des
Leistungsbezugs und zur Bestimmung des Leistungsorts:
- Die Leistungen habe sie als Nichtunternehmerin bezogen. Aus ihrem Betrieb
gewerblicher Art folge nicht, dass sie insgesamt - also auch hinsichtlich
ihrer hoheitlichen Tätigkeit - Unternehmerin sei.
- Da sie die Leistungen nicht als Unternehmerin empfangen habe, komme es
auch nicht zu einer Verlagerung des Leistungsorts gemäß § 3a Abs. 3 Satz 1
UStG ins Inland.
9
Die umsatzsteuerrechtliche Doppelbelastung verstoße gegen das
Neutralitätsgebot. In den übrigen Mitgliedstaaten werde sie hinsichtlich der
streitgegenständlichen Leistungen - zu Recht - als Nichtunternehmerin
angesehen, eine Vergütung der ausländischen Mehrwertsteuer sei daher nicht
möglich. Es sei auch widersprüchlich, Leistungen für eine erkennbar
nichtunternehmerische Nutzung einerseits bei der Bestimmung des
Leistungsorts den Leistungen für eine unternehmerische Nutzung
gleichzustellen, und andererseits den Vorsteuerabzug wegen der fehlenden
Abzugsberechtigung im hoheitlichen Bereich zu versagen.
10
Nach Ergehen des EuGH-Urteils vom 6. November 2008 in der Rs. C-291/07 -
Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrädet - (Slg. 2008, I-8255,
Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2008, 925) hat die Klägerin ergänzend
vorgetragen, der Sachverhalt im Streitfall unterscheide sich maßgeblich von
dem dort entschiedenen.
11
Die Entscheidung des EuGH könne auch nicht im Wege einer
richtlinienkonformen Auslegung auf den Streitfall übertragen werden, denn
die Rechtslage sei nach nationalem Recht in Bezug auf juristische Personen
des öffentlichen Rechts eindeutig und damit nicht mehr auslegbar. Aber
selbst wenn die nationalen Vorschriften der Auslegung bedürften, so sei
diese allein am Maßstab des nationalen Rechts zulässig. Eine
richtlinienkonforme Auslegung des § 3a Abs. 3 UStG und des dort verwendeten
Begriffs "Unternehmer" sei zudem deshalb nicht möglich, weil § 2 Abs. 3 UStG
die Vorgaben von Art. 4 Abs. 1 und 5 der Richtlinie 77/388/EWG nur
unzutreffend umgesetzt habe. In der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs
(BFH) sei anerkannt, dass eine richtlinienkonforme Auslegung nicht stets,
sondern nur, soweit dies möglich sei, erfolgen könne.
12
Würde sie im Streitfall wie eine Unternehmerin behandelt, so widerspreche
dies zudem dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 27. Juli
1971 2 BvF 1/68, 2 BvR 702/68 (BVerfGE 31, 314).
Entscheidungsgründe
II.
13
Die
Revision des FA ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen
Urteils und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der Auffassung des FG schuldet die
Klägerin die Steuer für die von im übrigen Gemeinschaftsgebiet ansässigen
Rundfunkanstalten bezogenen Leistungen, weil diese im Inland ausgeführt
wurden und damit im Inland der Umsatzsteuer unterliegen.
14
1. Gemäß
§ 13b Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 13b Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG schuldet der
Leistungsempfänger, wenn er ein Unternehmer oder eine juristische Person des
öffentlichen Rechts ist, die Steuer für steuerpflichtige Umsätze aus
Werklieferungen und sonstigen Leistungen eines im Ausland ansässigen
Unternehmers.
15
a) Das
FG ist zu Recht davon ausgegangen, dass es sich bei den Leistungen, die die
Klägerin als juristische Person des öffentlichen Rechts bezogen hat, um
sonstige Leistungen i.S. des § 3 Abs. 9 Satz 1 UStG handelt (streitbefangene
Leistungen). Diese wurden von verschiedenen im übrigen Gemeinschaftsgebiet
ansässigen Rundfunkanstalten erbracht. Ob die Klägerin die Leistungen für
den unternehmerischen Bereich oder im Rahmen ihrer öffentlich-rechtlichen
Aufgabenerfüllung bezogen hat, ist unerheblich. Denn nach § 13b Abs. 2
Satz 2 UStG schuldet der Leistungsempfänger in den in § 13b Abs. 1 Satz 1
UStG genannten Fällen die Steuer auch dann, wenn die Leistung für den
nichtunternehmerischen Bereich bezogen wird.
16
b)
Entgegen der Auffassung des FG stellen die sonstigen Leistungen der
ausländischen Rundfunkanstalten steuerbare und steuerpflichtige Umsätze i.S.
des § 13b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG dar.
17
Nach § 1
Abs. 1 Nr. 1 UStG unterliegen der Umsatzsteuer die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines
Unternehmens ausführt. Gemäß § 3a Abs. 1 UStG werden zwar sonstige
Leistungen grundsätzlich an dem Ort ausgeführt, von dem aus der Unternehmer
sein Unternehmen betreibt; danach wären die streitbefangenen Leistungen im
Inland nicht steuerbar und nicht steuerpflichtig. Davon abweichend werden
aber gemäß § 3a Abs. 3 UStG sonstige Leistungen der in § 3a Abs. 4 UStG
bezeichneten Art dann, wenn der Empfänger ein Unternehmer ist, dort
ausgeführt, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt.
18
aa) Die
Leistungen des Streitfalls stellen sog. Katalogleistungen i.S. des § 3a
Abs. 4 UStG dar. Darüber besteht zwischen den Beteiligten auch kein Streit.
Im Einzelnen waren dies Telekommunikationsdienstleistungen (§ 3a Abs. 4
Nr. 12 UStG), die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte (§ 3a Abs. 4
Nr. 1 UStG), die Vermietung von Sendeeinrichtungen sowie die
Personalgestellung nebst technischer Ausrüstung (§ 3a Abs. 4 Nrn. 7, 11
UStG).
19
bb) Die
Klägerin bezog die Katalogleistungen auch als Unternehmerin i.S. des § 3a
Abs. 3 UStG. Denn sie war - von der Wahrnehmung ihrer hoheitlichen
Aufgabenstellung als Rundfunkanstalt abgesehen - unstreitig daneben auch
unternehmerisch i.S. des § 2 Abs. 1 UStG tätig. Dass sie die empfangenen
Leistungen nicht für ihre unternehmerischen Tätigkeiten, sondern zur
Erfüllung ihrer hoheitlichen Aufgaben und insoweit als Nichtunternehmerin
i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4 Abs. 5 des
Körperschaftsteuergesetzes (KStG) bezogen und genutzt hat, ändert nichts
daran, dass sie im Rahmen ihres daneben geführten wirtschaftlichen
Geschäftsbetriebs auch Unternehmerin war. War sie danach im Streitjahr aber
(auch) Unternehmerin, so begründet allein dies die Anwendung des § 3a Abs. 3
UStG.
20
(1) Im
Gegensatz zu § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 UStG setzt § 3a Abs. 3 UStG nicht
voraus, dass der Empfänger einer Dienstleistung diese "für sein Unternehmen"
bezieht (vgl. ähnlich auch § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG: Leistungen, die ein
Unternehmer "im Rahmen seines Unternehmens" ausführt). Die Vorschrift
verlangt lediglich, dass der Empfänger (überhaupt) Unternehmer ist. § 3a
Abs. 3 UStG macht seinem Wortlaut nach die Verlagerung des Leistungsorts
dorthin, wo der Empfänger sein Unternehmen betreibt, demnach nicht davon
abhängig, dass der Unternehmer die bezogenen Leistungen für sein Unternehmen
bezieht bzw. diese im Rahmen seiner gewerblichen oder beruflichen Tätigkeit
verwertet oder nutzt. Vielmehr deutet das Fehlen einer vergleichbaren
Formulierung wie in § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG oder in § 15 Abs. 1 Satz 1
Nr. 1 UStG darauf hin, dass eine Nutzung der Dienstleistungen durch ihren
Empfänger für nichtunternehmerische Tätigkeiten der Anwendung der Bestimmung
nicht entgegensteht, vorausgesetzt der Empfänger ist überhaupt Unternehmer.
21
Diese
Auslegung entspricht zwar nicht der früher herrschenden Meinung (vgl. Anm.
Klenk, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 2009, 86 f.), trägt aber dem
Umstand Rechnung, dass die Regelungen in § 3a Abs. 3 UStG und § 13b UStG
zweckmäßigerweise aufeinander abgestimmt ausgelegt werden. Die Verlagerung
des Orts der Dienstleistung ins Inland entspricht dem Bestimmungslandprinzip
und ist gerechtfertigt, weil die Besteuerung beim Empfänger gemäß § 13b UStG
sichergestellt ist, wenn dieser Unternehmer ist (vgl. Stadie in
Rau/Dürrwächter, Umsatzsteuergesetz, § 13b Rz 270 ff.).
22
Der
Klägerin kann daher nicht darin gefolgt werden, dass sich allein aus der
Verwendung des Begriffs des Unternehmers in der Vorschrift ergebe, dass § 3a
Abs. 3 UStG nur dann anzuwenden sei, wenn die jeweilige Katalogleistung von
dem steuerpflichtigen Empfänger für Zwecke seiner unternehmerischen
Tätigkeit bezogen und genutzt werde.
23
Deshalb
braucht der Senat auch nicht weiter auf die Einwendungen der Klägerin
einzugehen, § 2 Abs. 3 UStG setze die Vorgaben von Art. 4 Abs. 1 und 5 der
Richtlinie 77/388/EWG nur unzutreffend um und der in § 3a Abs. 3 UStG
verwendete Begriff "Unternehmer" sei daher keiner richtlinienkonformen
Auslegung zugänglich. Denn obwohl sie die streitbefangenen Leistungen für
ihre hoheitlichen Aufgaben bezogen und genutzt hat und sie damit unter
Zugrundelegung der Rechtsprechung des BVerfG keiner Tätigkeit gewerblicher
oder beruflicher Art nachgegangen (Urteil in BVerfGE 31, 314; Beschluss vom
26. Oktober 2005 1 BvR 396/98, BGBl I 2005, 3726, unter C.I.2.b bb) und
insoweit als Nichtunternehmerin i.S. des § 2 Abs. 3 Satz 1 UStG i.V.m. § 4
Abs. 5 KStG anzusehen ist, steht dies der Leistungsortverlagerung nach § 3a
Abs. 3 UStG im Streitfall nicht entgegen.
24
Ebenso
führt der Hinweis der Klägerin auf § 1 Abs. 1 Nr. 1 der
Umsatzsteuer-Durchführungsverordnung 1999 zu keinem anderen Ergebnis. Denn
diese Vorschrift bezieht sich auf Leistungen, die ein Unternehmer von seinem
in einem Drittland liegenden Unternehmen aus erbringt; im Streitfall hat die
Klägerin aber die streitbefangenen Leistungen von im Gemeinschaftsgebiet
ansässigen ausländischen Rundfunkanstalten bezogen.
25
(2) Die
vorstehende Auslegung steht auch im Einklang mit Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der
Richtlinie 77/388/EWG, auf dem § 3a Abs. 3 und Abs. 4 UStG beruhen.
26
Nach
Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG gilt als Ort der dort
aufgeführten Dienstleistungen, die an außerhalb des Landes des
Dienstleistenden ansässige Steuerpflichtige erbracht werden, der Ort, an dem
der Empfänger den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit oder eine feste
Niederlassung hat, für welche die Dienstleistung erbracht worden ist. Die
von der Klägerin bezogenen Dienstleistungen gehören zu den in Art. 9 Abs. 2
Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG aufgeführten.
27
Diese
Bestimmung ist nach dem EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-8255, UR 2008, 925
(Kollektivavtalstiftelsen TRR Trygghetsrädet) dahin auszulegen, "dass
derjenige, der bei einem in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen
Steuerpflichtigen Beratungsdienstleistungen in Anspruch nimmt und selbst
gleichzeitig wirtschaftliche Tätigkeiten und außerhalb des
Anwendungsbereichs dieser Richtlinien liegende Tätigkeiten ausübt, als
Steuerpflichtiger anzusehen ist, selbst wenn die Dienstleistungen nur für
Zwecke der letztgenannten Tätigkeiten genutzt werden". Dieses Urteil ist
zwar nach dem Urteil des FG ergangen und konnte deshalb in der
Vorentscheidung noch nicht berücksichtigt werden. Es klärt aber die
Rechtslage auch für die vor seinem Ergehen liegende Zeit.
28
Der EuGH
hat seine Entscheidung in Slg. 2008, I-8255, UR 2008, 925
(Kollektivavtalstiftelsen TRR Trygghetsrädet) im Wesentlichen damit
begründet, Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG setze im
Gegensatz zu anderen Bestimmungen dieser Richtlinie, wie Art. 2 Nr. 1 und
Art. 17 Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG, nicht voraus, dass der
steuerpflichtige Empfänger einer Dienstleistung diese für Zwecke seiner
wirtschaftlichen Tätigkeit nutze. In Anbetracht des Fehlens einer
ausdrücklichen Klarstellung in Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie
77/388/EWG zu der Frage, ob die ausgeführten Dienstleistungen für Zwecke der
wirtschaftlichen Tätigkeit des Dienstleistungsempfängers genutzt werden
müssten, sei davon auszugehen, dass eine Nutzung der Dienstleistungen durch
ihren Empfänger für außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie
77/388/EWG liegende Tätigkeiten der Anwendung der Bestimmung nicht
entgegenstehe.
29
Eine
solche Auslegung erleichtere zudem die Anwendung der Regelung. Denn um zu
klären, ob der Ort der Erbringung der Dienstleistung in dem Mitgliedstaat
liege, in dem er selbst ansässig sei, oder in dem Mitgliedstaat, in dem der
Leistungsempfänger den Sitz seiner Tätigkeit habe, müsse der Dienstleistende
nur ermitteln, ob der Empfänger Steuerpflichtiger sei (Randnr. 31).
30
2. Eines
Vorabentscheidungsersuchens an den EuGH bedarf es nicht. Die von der
Klägerin erhobenen Einwendungen gegen die Anwendung der im EuGH-Urteil in
Slg. 2008, I-8255, UR 2008, 925 (Kollektivavtalsstiftelsen TRR
Trygghetsrädet) aufgestellten Grundsätze auf den Sachverhalt des Streitfalls
greifen nicht durch.
31
a)
Diesem EuGH-Urteil lagen zwar, wie die Klägerin betont, Beratungsleistungen
eines ausländischen Unternehmers i.S. des Art. 9 Abs. 2 Buchst. e
3. Gedankenstrich der Richtlinie 77/388/EWG (bzw. § 3a Abs. 4 Nr. 3 UStG)
zugrunde.
32
Die
Auslegung des EuGH gründet sich aber nicht auf den rechtlichen oder
wirtschaftlichen Charakter derartiger Beratungsdienstleistungen, sondern auf
den Zweck des Art. 9 Abs. 1 und Abs. 2 der Richtlinie 77/388/EWG und darauf,
dass Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie 77/388/EWG, im Gegensatz zu
anderen Vorschriften dieser Richtlinie, nicht voraussetze, dass der
steuerpflichtige Empfänger die Dienstleistungen für Zwecke seiner
wirtschaftlichen Tätigkeit nutze (so auch Korf, Internationales Steuerrecht
2008, 876, 879, und Lohse, UR 2009, 325, 328). Es ist nach Auffassung des
Senats nichts dafür ersichtlich, dass diese Auslegung nicht auf andere
Leistungen des Leistungskatalogs in § 3a Abs. 4 UStG anzuwenden wäre, wie im
Streitfall bspw. auf die Übertragung urheberrechtlicher Nutzungsrechte (§ 3a
Abs. 4 Nr. 1 UStG), die Gestellung von Personal (§ 3a Abs. 4 Nr. 7 UStG),
die Vermietung von Sendeeinrichtungen nebst technischer Ausrüstung (§ 3a
Abs. 4 Nr. 11 UStG) oder sonstige Telekommunikationsdienstleistungen (§ 3a
Abs. 4 Nr. 12 UStG).
33
b)
Soweit die Klägerin geltend macht, es bestehe ein Unterschied zwischen ihren
außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 77/388/EWG liegenden
Tätigkeiten und jenen der privatrechtlichen Stiftung schwedischen Rechts in
dem EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-8255, UR 2008, 925
(Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrädet), rechtfertigt dies kein
anderes Ergebnis.
34
Die
Klägerin trägt hierzu vor, der Anwendungsbereich des UStG auf juristische
Personen des öffentlichen Rechts werde nach der Rechtsprechung des BFH durch
die Art ihrer Betätigung begründet und begrenzt (BFH-Urteil vom 9. Oktober
2002 V R 64/99, BFHE 200, 119, BStBl II 2003, 375). Im Streitfall gelte sie,
soweit sie im Rahmen der öffentlichen Gewalt tätig werde, gemäß Art. 4
Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG ausdrücklich als
Nichtsteuerpflichtige, während in dem EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-8255, UR
2008, 925 (Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrädet) die dortige
Klägerin eine juristische Person des Privatrechts sei, die nach Art. 4
Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG als Steuerpflichtige gelte. Dort habe es
sich nur um den nichtunternehmerischen Bereich eines einheitlichen
Unternehmens gehandelt, wohingegen sie, die Klägerin, aufgrund des
spezifischen Wortlauts des Art. 4 Abs. 5 Unterabs. 1 der Richtlinie
77/388/EWG nicht als Steuerpflichtige gehandelt habe und somit auch keine
Steuerpflichtige sei.
35
Für die
Auslegung des § 3a Abs. 3 UStG bzw. Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der Richtlinie
77/388/EWG in dem EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-8255, UR 2008, 925
(Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrädet) ist es indes unerheblich,
welcher Art die außerhalb des Anwendungsbereichs der Richtlinie 77/388/EWG
liegende Tätigkeit ist. Maßgeblich ist vielmehr, dass der Betreffende
hinsichtlich anderer von ihm verfolgter Tätigkeiten als Unternehmer bzw.
Steuerpflichtiger anzusehen ist. Insoweit ist die Klägerin in dem hier
interessierenden Zusammenhang mit der Stiftung schwedischen Rechts in dem
EuGH-Urteil in Slg. 2008, I-8255, UR 2008, 925 (Kollektivavtalsstiftelsen
TRR Trygghetsrädet) vergleichbar.
36
c)
Keinen Erfolg hat die Klägerin dementsprechend, soweit sie vorträgt, erst
mit Wirkung ab 1. Januar 2010 gelte "eine nicht steuerpflichtige juristische
Person mit Mehrwertsteuer-Identifikationsnummer als Steuerpflichtiger"
(Art. 43 der Richtlinie 2006/112/EG des Rates vom 28. November 2006 über das
gemeinsame Mehrwertsteuersystem in der Fassung der Richtlinie 2008/8/EG des
Rates vom 22. Februar 2008 zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG bezüglich
des Ortes der Dienstleistung). Die grundlegende Richtlinienänderung belege -
so die Klägerin - den Willen, das geltende Recht substantiell zu ändern, wie
sich auch aus den Erwägungsgründen dieser Richtlinie ergebe. Daraus folge im
Umkehrschluss, dass für den Streitfall noch die frühere Regelung zu Grunde
zu legen sei, nach der bei Leistungen an eine ausdrücklich als
nichtsteuerpflichtig bezeichnete Person es bei der Regelung des § 3a Abs. 1
UStG verbleibe.
37
Dem
vermag der Senat nicht zu folgen. Denn der EuGH hat in dem Urteil in Slg.
2008, I-8255, UR 2008, 925 (Kollektivavtalsstiftelsen TRR Trygghetsrädet)
unter Hinweis auf den Wortlaut und Zweck des Art. 9 Abs. 2 Buchst. e der
Richtlinie 77/388/EWG entscheidend darauf abgestellt, dass außer der
wirtschaftlichen (d.h. unternehmerischen) auch eine außerhalb des
Anwendungsbereichs der Richtlinie 77/388/EWG liegende (d.h.
nichtunternehmerische) Tätigkeit ausgeübt wird. Dies war bei der Klägerin
auch nach den Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts (Art. 4 Abs. 5
Unterabs. 3 i.V.m. Anhang D Nr. 13 der Richtlinie 77/388/EWG) im Streitjahr
2002 der Fall.
38
d) Die
im Streitfall nach dem Vortrag der Klägerin aufgetretene Doppelbesteuerung
rechtfertigt keine anderweitige Auslegung. Die Auslegung des EuGH, der der
Senat folgt, steht vielmehr im Einklang mit dem Zweck der Regelungen in
Art. 9 der Richtlinie 77/388/EWG bzw. § 3a UStG, die Gefahren der
Doppelbesteuerung und der Nichtbesteuerung zu vermeiden (vgl. EuGH-Urteil in
Slg. 2008, I-8255, UR 2008, 925 - Kollektivavtalsstiftelsen TRR
Trygghetsrädet -).
39
Im
Streitfall ist nicht zu entscheiden, ob eine angefallene Doppelbesteuerung
eine abweichende Steuerfestsetzung aus Billigkeitsgründen nach § 163 der
Abgabenordnung rechtfertigen könnte. Über einen - bisher nicht gestellten -
Antrag auf eine derartige Billigkeitsmaßnahme wäre nach ständiger
Rechtsprechung in einem besonderen Verwaltungsverfahren zu entscheiden (vgl.
BFH-Urteil vom 21. September 2000 IV R 54/99, BFHE 193, 301, BStBl II 2001,
178).
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