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BFH-Urteil vom 27.1.2010 (I R 35/09) BStBl. 2010 II S. 478
Abzinsung von Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen
1.
Unverzinsliche Gesellschafterdarlehen sind nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3
Satz 1 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 abzuzinsen, wenn sie zwar
keine feste Laufzeit haben, die Darlehensnehmerin aber am Bilanzstichtag mit
einer Fortdauer der Kapitalüberlassung für mindestens weitere zwölf Monate
rechnen kann (Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 6. Oktober 2009
I R 4/08, BFHE 226, 347).
2.
Die bloße Zweckbindung eines Darlehens begründet keine "Verzinslichkeit"
i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
(ebenfalls Bestätigung des Senatsbeschlusses vom 6. Oktober 2009 I R 4/08,
BFHE 226, 347).
3.
Eine Verbindlichkeitsrückstellung ist nach Maßgabe des § 6 Abs. 1 Nr. 3a
Buchst. e EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002 abzuzinsen, wenn sie
aus der Sicht des Bilanzstichtags voraussichtlich mindestens zwölf Monate
Bestand haben wird. Welche Risiken sich nach den Verhältnissen des
Bilanzstichtags zeitlich über mindestens zwölf Monate erstrecken, ist im
gerichtlichen Verfahren in erster Linie vom FG zu beurteilen, das insoweit
ggf. eine Schätzung vornehmen muss.
EStG 1997 i.d.F. des StEntlG 1999/2000/2002
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 und Nr. 3a Buchst. e.
Vorinstanz: FG Köln vom 15. Januar 2009 13
K 4781/04 (EFG 2009, 1199)
Sachverhalt
I.
1
Zwischen den Beteiligten ist
streitig, ob unverzinsliche Gesellschafterdarlehen und Rückstellungen für
Schallschutzmaßnahmen im Rahmen der Gewinnermittlung für das Streitjahr
(1999) abzuzinsen sind.
2
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine GmbH. Drei ihrer vier Gesellschafter
hatten ihr vor längerer Zeit Darlehen in Höhe von ca. 120 Mio. DM gewährt.
Diese sollten ursprünglich bis zum Eintritt der Klägerin in die Gewinnzone
zinslos sein; im Jahr 1988 waren die Verträge dahin umgestaltet worden, dass
ca. 50 % der Summe verzinslich und die verbleibenden 56.863.049,82 DM zins-
und tilgungsfrei gewährt wurden. Nach den Feststellungen des Finanzgerichts
(FG) weist der Geschäftsbericht der Klägerin für das Wirtschaftsjahr 2005
die Darlehensverpflichtungen als Verbindlichkeiten mit einer Restlaufzeit
von mehr als fünf Jahren aus. Die Abzinsung dieser Darlehen bildet den
ersten Streitkomplex des vorliegenden Rechtsstreits.
3
Den zweiten Streitkomplex
bildet die Abzinsung von Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen. Diese
Maßnahmen musste die Klägerin, von deren Unternehmen störende Geräusche
ausgehen, zu Beginn der 90er Jahre durchführen. Dazu hatte sie den Bewohnern
eines im Einzugsbereich ihres Unternehmens liegenden Gebietes den
kostenlosen Einbau passiver Lärmschutzvorrichtungen (Schallschutzfenster,
Dachisolierungen o.Ä.) angeboten. Die Inanspruchnahme erfolgte durch einen
Antrag des jeweiligen Anwohners; die Antragsmöglichkeit war zunächst auf den
31. Dezember 1998 befristet und wurde später bis zum 30. Juni 1999
verlängert. Im Anschluss an die Antragstellung sowie nach Vorlage und
Prüfung bestimmter Unterlagen schloss die Klägerin mit dem Antragsteller
eine schriftliche Vereinbarung über die Kostenübernahme, an die sie sodann
für zwölf Monate gebunden war. In den Bilanzen der Wirtschaftsjahre 1997 bis
1999 bildete die Klägerin für die Kosten der erwarteten Inanspruchnahme
Rückstellungen in Höhe von 72.282.010 DM (1997), 76.615.440 DM (1998) und
63.799.600 DM (Streitjahr).
4
Im Rahmen einer Außenprüfung
vertrat der Betriebsprüfer die Ansicht, dass die in der Bilanz zum
31. Dezember 1999 ausgewiesenen Gesellschafterdarlehen nach § 6 Abs. 1 Nr. 3
des Einkommensteuergesetzes 1997 i.d.F. des Steuerentlastungsgesetzes
1999/2000/2002 vom 24. März 1999 (BGBl I 1999, 402, BStBl I 1999, 304) -
EStG 1997 - abzuzinsen seien. Da die Laufzeit unbestimmt sei, müsse dies in
Anlehnung an § 13 Abs. 2 des Bewertungsgesetzes mit dem Faktor 9,3 erfolgen.
Daraus errechne sich ein Barwert der Verbindlichkeiten in Höhe von
29.113.881,82 DM. Die Differenz in Höhe von 27.749.168 DM sei ertragswirksam
aufzulösen. Da die Klägerin zur Abmilderung des Abzinsungsgewinns den Ansatz
einer 9/10 Rücklage gemäß § 52 Abs. 16 Satz 7 EStG 1997 beantrage, seien
Gewinn und Gewerbeertrag des Streitjahres um 2.774.916 DM zu erhöhen.
5
Im Hinblick auf die
Schallschutzmaßnahmen wurde während der Prüfung unstreitig, dass die von der
Klägerin gebildete Rückstellung auf 51.065.432 DM zu vermindern war. Der
Prüfer ging davon aus, dass diese Position ebenfalls abzuzinsen sei; das
führe zu einer Gewinnerhöhung um 3.944.681 DM, von denen sich nach § 52
Abs. 16 Satz 7 EStG 1997 im Streitjahr ein Betrag von 394.468 DM auswirke.
6
Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) folgte der Ansicht des Prüfers und
erließ entsprechende Steuer- und Feststellungsbescheide. Zudem erfasste er
auf Antrag der Klägerin zusätzliche Rückstellungen für
Erbbauzinsverpflichtungen erfolgswirksam; dies führte im Streitjahr zu einer
Hinzurechnung von Erbbauzinsen zum Gewerbeertrag in Höhe von 1.925.920 DM.
Die gegen die Änderungsbescheide gerichtete Klage hatte nur teilweise
Erfolg; das FG entschied, dass das FA die Abzinsungsbeträge fehlerhaft
berechnet und die Erbbauzinsen zu Unrecht dem Gewerbeertrag zugerechnet
habe, die angefochtenen Bescheide aber ansonsten rechtmäßig seien (FG Köln,
Urteil vom 15. Januar 2009 13 K 4781/04). Das Urteil des FG ist in
Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2009, 1199 abgedruckt.
7
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung des § 6 EStG 1997. Sie beantragt, das Urteil des FG
aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass die
gewinnerhöhende Abzinsung der Gesellschafterdarlehen und der Rückstellungen
für Schallschutzmaßnahmen rückgängig gemacht wird.
Entscheidungsgründe
II.
8
Die Revision ist unbegründet und deshalb
gemäß § 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zurückzuweisen. Das FG
hat zu Recht entschieden, dass sowohl die Darlehensverbindlichkeiten der
Klägerin als auch die von ihr gebildeten Rückstellungen abzuzinsen sind.
9
1. Die Klägerin ermittelt ihren Gewinn
durch Vermögensvergleich (§ 4 Abs. 1 EStG 1997). Sie muss dabei das
Betriebsvermögen ansetzen, das sich nach den handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung ergibt (§ 5 Abs. 1 Satz 1 EStG 1997). Dabei sind
die steuerrechtlichen Vorschriften über die Bewertung von Wirtschaftsgütern
zu befolgen (§ 5 Abs. 6 EStG 1997); sie gehen insoweit den
handelsrechtlichen Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung vor.
10
2. Nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997
sind Verbindlichkeiten unter sinngemäßer Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 2 EStG
1997 anzusetzen und mit einem Zinssatz von 5,5 v.H. abzuzinsen. Diese
Regelung greift im Streitfall ein.
11
a) Nach der Rechtsprechung des Senats gilt
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 auch für Verbindlichkeiten aus Darlehen,
die eine Kapitalgesellschaft von ihrem Gesellschafter erhalten hat
(Senatsbeschluss vom 6. Oktober 2009 I R 4/08, BFHE 226, 347). Die
Einwendungen der Klägerin geben keine Veranlassung, von dieser
Rechtsprechung abzurücken. Denn zum einen enthält der Gesetzeswortlaut keine
Einschränkung im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen. Zum anderen ist eine
Sonderbehandlung solcher Darlehen auch nicht durch den Blick auf den
Gesetzeszweck veranlasst: Die Abzinsung beruht auf der typisierenden
Vorstellung, dass eine erst in der Zukunft zu erfüllende Verpflichtung den
Schuldner weniger belastet als eine sofortige Leistungspflicht, und diese
Überlegung gilt für Gesellschafterdarlehen nicht anders als für sonstige
Darlehensverhältnisse. Angesichts dessen kann insbesondere nicht angenommen
werden, dass der Gesetzgeber es gleichsam versehentlich unterlassen hätte,
im Hinblick auf Gesellschafterdarlehen eine Ausnahmeregelung zu schaffen.
Das schließt die von der Klägerin angestrebte teleologische Reduktion des
§ 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 aus.
12
b) Die Revision weist zu Recht darauf hin,
dass die Abzinsung der Darlehensverbindlichkeit zu einem Ertrag und damit zu
einer Erhöhung des steuerlich zu erfassenden Gewinns des Darlehensnehmers
führt. Ihrer Annahme, dass diese Gewinnerhöhung im Zusammenhang mit
Gesellschafterdarlehen durch den Ansatz einer verdeckten Einlage zu
neutralisieren sei, ist aber nicht zu folgen. Vielmehr greift insoweit die
Rechtsprechung des Großen Senats des Bundesfinanzhofs (BFH) durch, nach der
die Gewährung eines Nutzungsvorteils nicht Gegenstand einer verdeckten
Einlage sein kann (BFH-Beschluss vom 26. Oktober 1987 GrS 2/86, BFHE 151,
523, BStBl II 1988, 348). Auch insoweit hält der Senat an seiner im
Beschluss in BFHE 226, 347 vertretenen Ansicht fest.
13
Die Rechtsprechung des Großen Senats des
BFH ist nicht, wie die Klägerin meint, durch § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG
1997 überholt. Dazu ist zunächst auf die zutreffenden Ausführungen des FG
dazu zu verweisen, dass die für den Großen Senat tragenden Erwägungen (z.B.
BFH-Beschluss in BFHE 151, 523, BStBl II 1988, 348, unter C.I.3.c) von der
gesetzlichen Neuregelung nicht berührt werden und dass zudem bei Annahme
einer verdeckten Nutzungseinlage die in § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997
angelegte nachfolgende Aufzinsung der Darlehensverbindlichkeit ebenfalls
neutralisiert werden müsste, wofür keine gesetzliche Grundlage erkennbar
ist. Vor allem aber muss insoweit die Überlegung durchgreifen, dass eine
Abkehr von der Rechtsprechung des Großen Senats eine Vielzahl von
Rechtsfragen betreffen und die steuerrechtliche Beurteilung von Vorgängen im
Verhältnis zwischen Kapitalgesellschaft und Gesellschafter grundlegend
verändern würde. Dass der Gesetzgeber mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997
diese Rechtsfolge hat anordnen wollen, ist nicht anzunehmen. Vielmehr ist
die genannte Regelung ersichtlich in die von der Rechtsprechung entwickelte
Systematik eingebettet, was es ausschließt, die von ihr ausgelöste
Gewinnerhöhung durch die Anwendung von Einlagegrundsätzen zu kompensieren.
14
c) Der Anwendung des § 6 Abs. 1 Nr. 3
Satz 1 EStG 1997 steht im Streitfall nicht Satz 2 der Vorschrift entgegen.
Danach sind zwar u.a. Verbindlichkeiten, die entweder verzinslich sind oder
deren Laufzeit am Bilanzstichtag weniger als zwölf Monate beträgt, von der
Abzinsung ausgenommen. Die Darlehensverbindlichkeiten der Klägerin erfüllen
aber keine dieser beiden Voraussetzungen:
15
aa) Nach den Feststellungen des FG, die
nicht mit zulässigen und begründeten Revisionsrügen angegriffen worden und
deshalb für den Senat bindend sind (§ 118 Abs. 2 FGO), waren die
Gesellschafterdarlehen nicht mit einer Zinsvereinbarung verbunden. Einer
solchen steht im Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 nicht
gleich, dass die Unverzinslichkeit eines Gesellschafterdarlehens
wirtschaftlich durch erhöhte Ausschüttungen an den Gesellschafter
ausgeglichen werden kann; auch insoweit verweist der Senat auf seinen
Beschluss in BFHE 226, 347. Die von der Revision angestellten Erwägungen
können ebenfalls nicht dazu führen, dass die in Rede stehenden Darlehen als
"verzinslich" anzusehen sind.
16
Diese Erwägungen gehen im Kern dahin, dass
die Gesellschafterdarlehen nur dazu bestimmt waren, der Klägerin den Ausbau
des von ihr betriebenen Unternehmens zu ermöglichen; eine solche
Zweckbindung stehe einer Verzinsungspflicht gleich. Daran ist zwar richtig,
dass es für die "Verzinslichkeit" eines Darlehens nicht nur auf die
Nominalverzinsung ankommt, sondern insoweit auch andere mit der
Darlehensgewährung verbundene Leistungspflichten des Darlehensnehmers
bedeutsam sein können. Letztere rechtfertigen aber eine Bewertung der
Darlehensverbindlichkeit unter dem Nennwert nur dann, wenn der
Darlehensnehmer den Zinsvorteil zumindest zum Teil an einen anderen
weitergeben muss (BFH-Urteil vom 9. Juli 1982 III R 15/79, BFHE 136, 299,
BStBl II 1982, 639; ähnlich zum Bewertungsrecht BFH-Urteil vom 26. Oktober
1994 II R 2/92, BFH/NV 1995, 638). Daher ist eine bloße Zweckbindung nicht
geeignet, einen die Verzinsung ersetzenden "Nachteil" des Darlehensnehmers
zu begründen; denn sie ändert nichts daran, dass der Zinsvorteil dem
Darlehensnehmer ungeschmälert zugute kommt. Nur darum geht es jedoch im
Streitfall, da weder die Feststellungen des FG noch die Revisionsbegründung
Anhaltspunkte dafür enthalten, dass die Klägerin mit Rücksicht auf die
Zinslosigkeit der Darlehen irgendwelche Leistungen an die Darlehensgeber
oder an Dritte erbringen oder solche Leistungen verbilligt anbieten musste.
Auf die Überlegungen der Klägerin zur Motivation der Darlehensgeber muss in
diesem Zusammenhang ebenso wenig eingegangen werden wie auf die
Verwaltungspraxis im Bereich der Darlehen zur Regionalförderung (vgl. dazu
Oberfinanzdirektion München, Verfügung vom 25. August 2000, Deutsches
Steuerrecht 2000, 1690), die sich von den hier zu beurteilenden Vorgängen
wesentlich unterscheiden.
17
bb) Ob die Laufzeit eines Darlehens
"weniger als zwölf Monate" i.S. des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997
beträgt, ist nicht allein nach zivilrechtlichen Gesichtspunkten zu
beurteilen. Vielmehr kommt es, wie der Senat ebenfalls bereits entschieden
hat, in erster Linie auf die tatsächlichen Verhältnisse an (Beschluss in
BFHE 226, 347, m.w.N. zum Schrifttum; ebenso auch Hoffmann in
Littmann/Bitz/Pust, Das Einkommensteuerrecht, § 6 EStG Rz 683; Werndl in
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, Einkommensteuergesetz, § 6 Rz D 30). Deshalb ist
eine Verbindlichkeit aus einem Darlehen mit unbestimmter Laufzeit gemäß § 6
Abs. 1 Nr. 3 Satz 1 EStG 1997 abzuzinsen, wenn der Darlehensvertrag zwar
nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) mit einer Frist von
drei Monaten gekündigt werden kann (§ 609 BGB in der bis zum 31. Dezember
2001 geltenden Fassung; § 488 BGB in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden
Fassung), mit einer kurzfristigen Kündigung aber am Bilanzstichtag nicht
ernstlich gerechnet werden muss. Auch daran ist festzuhalten.
18
Mit den dazu von der Revision angestellten
Erwägungen hat sich der Senat schon in seiner genannten Entscheidung
auseinandergesetzt. So trifft es zwar zu, dass im Gesetzgebungsverfahren die
Abzinsung u.a. mit der Überlegung begründet wurde, bei einem Erwerb des
gesamten Betriebs werde ein langfristig gewährtes Darlehen nur mit seinem
abgezinsten Erfüllungsbetrag in die Bemessung des Kaufpreises eingehen
(Gesetzentwurf der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN, BTDrucks 14/23,
S. 171; Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 14/265, S. 172). Doch
kann daraus nicht abgeleitet werden, dass sich die Bestimmung des
Anwendungsbereichs des § 6 Abs. 1 Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 nur an dieser
Vorstellung ausrichten muss. Denn im weiteren Verlauf des
Gesetzgebungsverfahrens ist das zunächst nur für Rückstellungen vorgesehene
Abzinsungsgebot nicht nur auf Verbindlichkeiten erweitert, sondern zugleich
mit einer Objektivierung der Gewinnermittlung und einer "realitätsnahen
Bewertung" begründet worden (Bericht des Finanzausschusses - 7. Ausschuss -,
BTDrucks 14/443, S. 17). Diesen Zielen dient es aber, wenn im Hinblick auf
die Frage der Kurzfristigkeit nicht nur auf eine rechtlich bestehende
Kündigungsmöglichkeit, sondern auch auf die wahrscheinliche tatsächliche
Entwicklung abgestellt wird; das macht gerade der Fall des unbefristet
gewährten Gesellschafterdarlehens deutlich. Zudem dient es der Einheit der
Rechtsordnung, wenn die ertragsteuerrechtliche und die bewertungsrechtliche
Behandlung eines Vorgangs denselben Maßstäben folgen. Daher begründet ein
mit gesetzlicher Frist kündbares Darlehen jedenfalls dann, wenn nach den
Erfahrungen der Vergangenheit keine alsbaldige Kündigung droht, aus
ertragsteuerrechtlicher ebenso wie aus bewertungsrechtlicher Sicht (vgl.
dazu die Nachweise im Senatsbeschluss in BFHE 226, 347) keine
Verbindlichkeit mit einer Laufzeit von weniger als zwölf Monaten.
19
Im Streitfall hat das FG festgestellt, dass
die in Rede stehenden Gesellschafterdarlehen zins- und tilgungsfrei gewährt
worden waren, am Bilanzstichtag des Streitjahres schon mehrere Jahre lang
bestanden und auch in den Folgejahren nicht zurückgeführt worden sind. Es
hat ferner festgestellt, dass die Darlehensverträge nur nach vorheriger
Abstimmung unter den Darlehensgebern gekündigt werden konnten. Diese
bindenden (§ 118 Abs. 2 FGO) Feststellungen rechtfertigen die vom FG
vorgenommene Würdigung dahin, dass die Klägerin am maßgeblichen
Bilanzstichtag nicht damit rechnen musste, kurzfristig auf eine Tilgung der
betreffenden Verbindlichkeiten in Anspruch genommen zu werden. Die Klägerin
beurteilt diese Frage zwar abweichend und verweist dazu vor allem auf die im
Jahr 1988 vorgenommene Änderung der Darlehensverträge; sie zeigt aber nicht
auf, dass das FG gegen Denkgesetze oder gegen allgemeine Erfahrungssätze
verstoßen habe, und kann daher dessen tatrichterliche Würdigung nicht
erschüttern.
20
d) Die verfassungsrechtlichen Bedenken der
Klägerin gegen die vom Gesetzgeber getroffene Regelung teilt der Senat
nicht; insoweit wird erneut auf den Beschluss in BFHE 226, 347 verwiesen.
Die vom FG angestellte Berechnung zur Höhe des Abzinsungsbetrags greift die
Revision nicht an; der Senat erkennt insoweit auch keine zum Nachteil der
Klägerin wirkenden Rechtsfehler, die von Amts wegen korrigiert werden
müssten. Im Ergebnis ist das angefochtene Urteil daher, soweit es die
Behandlung der Gesellschafterdarlehen betrifft, nicht zu beanstanden.
21
3. Dasselbe gilt im Hinblick auf die von
der Klägerin gebildeten Rückstellungen für Schallschutzmaßnahmen.
Insbesondere hat das FG zutreffend entschieden, dass diese Rückstellungen
nach § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 abzuzinsen sind.
22
a) Nach der genannten Vorschrift sind
Rückstellungen für Verpflichtungen mit 5,5 v.H. abzuzinsen, wobei § 6 Abs. 1
Nr. 3 Satz 2 EStG 1997 entsprechend anzuwenden ist. Das bedeutet, dass eine
Abzinsung unterbleibt, wenn die Rückstellung aus der Sicht des
Bilanzstichtags voraussichtlich für weniger als zwölf Monate Bestand haben
wird. Das Vorliegen dieser Voraussetzung hat das FG indessen ohne
Rechtsfehler verneint.
23
aa) Nach den Feststellungen des FG betrafen
die streitigen Rückstellungen künftigen Aufwand für Schallschutzmaßnahmen,
deren Finanzierung die Klägerin den Anwohnern eines bestimmten Gebiets
angeboten hatte. Der Ablauf der Finanzierungsmaßnahme vollzog sich in der
Weise, dass zunächst ein Antrag des Anwohners vorliegen musste und die
Klägerin nach Prüfung dieses Antrags die notwendigen Maßnahmen ermittelte.
Sodann durfte der betreffende Anwohner zwei Angebote von Fachfirmen
einholen, woraufhin die Klägerin mit ihm einen Vertrag über die Durchführung
der Maßnahme und die Höhe des Erstattungsbetrags schloss; an diesen Vertrag
war sie anschließend für zwölf Monate gebunden. Weiter ist dem angefochtenen
Urteil zu entnehmen, dass die vom FA vorgenommene Abzinsung sich
ausschließlich auf Maßnahmen bezieht, für die einerseits am Bilanzstichtag
des Streitjahres eine Rückstellung gebildet worden war und die andererseits
bis zum Ende des Folgejahres nicht abgewickelt worden waren. Diese
Feststellungen greift die Revision nicht an; sie sind deshalb
revisionsrechtlich bindend.
24
bb) Das FG hat allerdings nicht
ausdrücklich festgestellt, ob die in Rede stehenden Rückstellungen erst im
Gefolge der Antragstellung durch einen Anwohner oder - im Vorgriff darauf -
allein auf der Grundlage der Erwartung derartiger Anträge gebildet worden
sind. Es ist deshalb denkbar, dass am Bilanzstichtag Unklarheit darüber
bestand, ob die in den Rückstellungen berücksichtigten Maßnahmen tatsächlich
von den Anwohnern in Anspruch genommen werden würden. Ebenso war
möglicherweise am Bilanzstichtag nicht absehbar, inwieweit bereits
beantragte oder noch zu beantragende Maßnahmen im Folgejahr abgeschlossen
werden konnten oder nicht. Beides schließt jedoch entgegen der Ansicht der
Klägerin die Abzinsung der Rückstellungen nicht aus.
25
Denn bei Rückstellungen gilt ebenso wie im
Bereich der Verbindlichkeiten, dass es für die Notwendigkeit einer Abzinsung
auf denjenigen Erfüllungszeitpunkt ankommt, mit dem aus der Sicht des
Bilanzstichtags nach den tatsächlichen Verhältnissen und den in der
Vergangenheit gemachten Erfahrungen gerechnet werden muss. Dazu hat das FG
indessen festgestellt, dass die Klägerin die Rückstellungen für
Schallschutzmaßnahmen jeweils lange vor dem Abschluss einer schriftlichen
Vereinbarung mit dem berechtigten Anwohner gebildet hat. Das rechtfertigt
seine Annahme, dass die Rückstellungen jedenfalls nicht in vollem Umfang
Risiken abbildeten, die aus der Sicht des Bilanzstichtags innerhalb der
nächsten zwölf Monate beseitigt werden konnten.
26
Das Ausmaß derjenigen Risiken, die sich in
zeitlicher Hinsicht auf mindestens zwölf Monate erstreckten, konnte
naturgemäß weder am Bilanzstichtag noch zum Zeitpunkt der Bilanzaufstellung
konkret beziffert werden. Das FA hat den insoweit anzusetzenden Wert deshalb
aus der tatsächlichen späteren Entwicklung abgeleitet; dem ist das FG -
jedenfalls vom systematischen Ansatz her - gefolgt. Diese Handhabung mag
zwar insoweit methodisch angreifbar sein, als sie die Beurteilung aus der
Sicht des Bilanzstichtags durch eine rückblickende Betrachtung ersetzt (vgl.
dazu Korn/Strahl in Korn, Einkommensteuergesetz, § 6 EStG Rz 388). Doch
handelt es sich zum einen letztlich um eine Schätzung seitens des FG, die im
Revisionsverfahren nur eingeschränkt überprüft werden kann. Zum anderen -
und vor allem - macht die Klägerin nicht geltend, dass eine Betrachtung
unter dem zeitlichen Blickwinkel des Bilanzstichtags andere, ihr günstigere
Werte zu Tage fördern könnte. Angesichts dessen ist die Annahme des FG, dass
den gesamten vom FA abgezinsten Rückstellungsbeträgen am Bilanzstichtag
nicht eine Restlaufzeit von weniger als zwölf Monaten beizumessen war, im
Ergebnis nicht zu beanstanden.
27
b) Der Streitfall gibt keinen Anlass zu
einer Auseinandersetzung mit der von der Revision angesprochenen Frage,
welche Rechtsfolge § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 im Zusammenhang mit
Pauschalrückstellungen auslöst (vgl. dazu Bundesministerium der Finanzen,
Schreiben vom 26. Mai 2005, BStBl I 2005, 699, Tz. 27; FG München, Beschluss
vom 21. Januar 2004 7 V 4930/03, EFG 2004, 641; Kiesel/Görner in
Herrmann/Heuer/ Raupach, EStG/KStG, § 6 EStG Rz 1165, m.w.N.). Denn das FG
hat nicht festgestellt, dass die Klägerin eine Pauschalrückstellung gebildet
hat. Ebenso geht der Einwand der Klägerin fehl, dass eine Abzinsung ein
verdecktes Kreditgeschäft voraussetze und dass ein solches nur dann
vorliege, wenn entweder der Schuldner vorzeitig zum Barwert erfüllen oder
eine entsprechende Vereinbarung getroffen werden könne (vgl. dazu
Senatsurteil vom 15. Juli 1998 I R 24/96, BFHE 186, 388, 392, BStBl II 1998,
728, 730; Niedersächsisches FG, Urteil vom 15. Mai 2002 6 K 727/98, EFG
2002, 1370, m.w.N.): Das FG hat zu Recht ausgeführt, dass diese Sicht zwar
nach der für das Streitjahr geltenden Rechtslage den handelsrechtlichen
Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung entspricht (§ 253 Abs. 1 Satz 2 des
Handelsgesetzbuchs i.d.F. vor der Geltung des Gesetzes zur Modernisierung
des Bilanzrechts vom 25. Mai 2009, BGBl I 2009, 1102), denen aber für den
Bereich des Steuerrechts § 6 Abs. 1 Nr. 3a Buchst. e EStG 1997 vorgeht (§ 5
Abs. 6 EStG 1997).
28
c) Schließlich sind die
verfassungsrechtlichen Bedenken der Klägerin gegen die in § 6 Abs. 1 Nr. 3a
Buchst. e EStG 1997 getroffene Regelung unbegründet. Denn wie im
Zusammenhang mit § 6 Abs. 1 Nr. 3 EStG 1997 (dazu Senatsbeschluss in BFHE
226, 347) greift auch hier insoweit der Gedanke durch, dass die gesetzliche
Regelung auf wirtschaftlich nachvollziehbaren Erwägungen beruht, weder
unverhältnismäßig ist noch gegen den Gleichheitssatz verstößt und deshalb
vom Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers abgedeckt ist.
29
d) Die Berechnung des Abzinsungsbetrags
durch das FG greift die Klägerin auch insoweit, als es um die Rückstellungen
geht, nicht an. Der Senat erkennt in diesem Punkt ebenfalls keinen
revisionsrechtlich erheblichen Fehler, weshalb das angefochtene Urteil im
Ergebnis nicht zu beanstanden ist. Die von der Klägerin in der mündlichen
Verhandlung angesprochene Frage, wie die in Rede stehenden Bilanzposten in
den Abschlüssen für die Folgejahre zu bewerten sind, muss im Streitfall
nicht erörtert werden.
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