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BFH-Urteil vom 23.9.2009 (II R 20/08) BStBl. 2010 II S. 495
Im
Kaufpreis enthaltene Kosten für Erschließung und
Naturschutz-Ausgleichsmaßnahmen als Teil der grunderwerbsteuerpflichtigen
Gegenleistung
Kauft ein Erwerber von einer Gemeinde ein Grundstück, das im Zeitpunkt des
Vertragsabschlusses bereits erschlossen ist, und enthält der vereinbarte
Kaufpreis Kosten für die Erschließung sowie für durchgeführte
Ausgleichsmaßnahmen nach § 135a Abs. 2 BauGB für den Naturschutz, gehört
auch der auf die Erschließung und die Ausgleichsmaßnahmen entfallende Teil
des Kaufpreises zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
GrEStG § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1.
Vorinstanz: FG Rheinland-Pfalz vom 6. März
2008 4 K 2637/04 (EFG 2008, 1653)
Sachverhalt
I.
1
Mit notariell beurkundetem
Kaufvertrag vom 16. April 2004 erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte
(Kläger) zusammen mit B von der Ortsgemeinde S ein 888 qm großes Grundstück,
das bereits erschlossen war.
2
Der Kaufpreis betrug - unter
Zugrundelegung von 43,50 € je qm Grundstücksfläche - 38.628 €. In dem
Kaufpreis von 43,50 € je qm waren Erschließungsbeiträge in Höhe von
13,2629475 € je qm Grundstücksfläche, Ausbaubeiträge für die
Abwasserbeseitigung und ein Baukostenzuschuss für den Anschluss an die
Wasserversorgung in Höhe von 12,531904 € je qm Grundstücksfläche sowie
Kostenerstattungsbeträge nach den §§ 135a bis 135c des Baugesetzbuches
(BauGB) für Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz in Höhe von 0,1935352 €
je qm Grundstücksfläche enthalten. Weitere Erschließungsbeiträge sowie der
Kostenersatz für Haus- und Grundstücksanschlüsse gingen im Innenverhältnis
zu Lasten der Käufer.
3
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt –-FA -) setzte mit Bescheid vom 12. Juli 2004
gegenüber dem Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 675 € fest. Dabei wurde
die Bemessungsgrundlage ausgehend von einem hälftigen Anteil des Klägers am
Kaufpreis mit 19.314 € ermittelt.
4
Mit dem Einspruch machte der
Kläger geltend, die vertragliche Übernahme der Erschließungskosten dürfe bei
der Festsetzung der Grunderwerbsteuer nicht berücksichtigt werden. Es fehle
bereits begrifflich an einer grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung,
wenn sich der Erwerber eines Grundstücks gegenüber der veräußernden Gemeinde
zur Übernahme der erst künftig entstehenden Erschließungskosten verpflichte.
Denn der Erwerber übernehme damit eine ihn ohnehin als Folge der
Erschließung treffende zukünftige Beitragsschuld. Bei der Erschließung
gemeindeeigener Grundstücke könne eine Beitragspflicht erst beim späteren
Grundstückserwerber entstehen. Die im Kaufvertrag mit der Gemeinde
geschlossene Vereinbarung zur Übernahme der künftig entstehenden
Erschließungskosten sei als öffentlich-rechtlicher Vertrag zu qualifizieren.
Die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sei daher ohne
Einbeziehung der Erschließungskosten unter Berücksichtigung eines
Grundstückspreises von 17,50 € je qm zu berechnen. Der Einspruch wurde als
unbegründet zurückgewiesen.
5
Die Klage hatte Erfolg. Das
Finanzgericht (FG) führte aus, Erschließungskosten eines von der Gemeinde
erschlossenen eigenen Grundstücks gehörten bei einem Verkauf des Grundstücks
nicht zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer, wenn die auf die
Erschließungsanlagen entfallenden Beträge gegen den Ersterwerber aus
Vereinfachungsgründen nicht in einem besonderen öffentlich-rechtlichen Akt
festgesetzt, sondern betragsmäßig nachvollziehbar neben dem Kaufpreis in die
zivilrechtliche Vereinbarung mit einfließen würden. Das Urteil ist in
Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1653 veröffentlicht.
6
Mit der Revision rügt das FA
Verletzung von § 9 Abs. 1 Nr. 1 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG).
7
Das FA beantragt, das Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Der Kläger beantragt
sinngemäß, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die Revision des FA ist begründet. Sie
führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage (§ 126
Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Entgegen der
Auffassung des FG gehört auch der Teil des Kaufpreises, der auf die
Erschließung und die Ausgleichsmaßnahmen nach § 135a Abs. 2 BauGB für den
Naturschutz entfällt, zur Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer.
10
1. Bei einem nach § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG
grunderwerbsteuerbaren Grundstückskaufvertrag bemisst sich die
Grunderwerbsteuer gemäß § 8 Abs. 1 GrEStG nach dem Wert der Gegenleistung.
Als Gegenleistung gilt nach § 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG u.a. der Kaufpreis
einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen.
11
a) Der Kaufpreis ist in Übereinstimmung mit
dem bürgerlichen Recht (§ 433 Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches) das
Entgelt für den Kaufgegenstand "Grundstück" (Sack in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, 16. Aufl., § 9 Rz 206; Pahlke in Pahlke/ Franz,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005, § 9 Rz 73). Zum Kaufpreis
gehört alles, was der Käufer vereinbarungsgemäß an den Verkäufer leisten
muss, um den Kaufgegenstand zu erhalten (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs -
BFH - vom 3. August 1988 II R 210/85, BFHE 154, 158, BStBl II 1988, 900).
Für den Umfang der Gegenleistung im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinne ist
entscheidend darauf abzustellen, in welchem Zustand die Vertragsbeteiligten
das Grundstück zum Gegenstand des Erwerbs gemacht haben (vgl. BFH-Urteile
vom 15. März 2001 II R 39/99, BFHE 194, 452, BStBl II 2002, 93, m.w.N.; vom
21. März 2007 II R 67/05, BFHE 215, 301, BStBl II 2007, 614).
12
b) Ist ein Grundstück im Zeitpunkt des
Abschlusses des Grundstückskaufvertrags bereits tatsächlich erschlossen,
kann Gegenstand eines solchen Vertrages nur das erschlossene Grundstück
sein. In diesem Fall gehören die im Kaufvertrag ausgewiesenen Kosten für die
Erschließung grundsätzlich zur Gegenleistung. Das gilt auch, wenn der
Erwerber ein erschlossenes Grundstück von einer Gemeinde kauft, der
Kaufpreis Kosten für die Erschließung enthält und insoweit eine
öffentlich-rechtliche Beitragspflicht nach der Rechtsprechung des
Bundesverwaltungsgerichts - BVerwG - (vgl. Urteil vom 21. Oktober 1983
8 C 29/82, Deutsches Verwaltungsblatt 1984, 188) erst dann entsteht, wenn
sich das Grundstück nicht mehr im Eigentum der zur Beitragserhebung
berechtigten Gemeinde befindet.
13
Dementsprechend sind
Kostenerstattungsbeträge, die wegen durchgeführter Ausgleichsmaßnahmen für
den Naturschutz als Berechnungsfaktor bei der Festlegung des Kaufpreises für
ein gemeindeeigenes Grundstück berücksichtigt werden, ebenfalls als Teil des
Kaufpreises in die Bemessungsgrundlage der Grunderwerbsteuer einzubeziehen.
14
2. Danach ist im Streitfall der vereinbarte
Kaufpreis in hälftiger Höhe als Gegenleistung anzusetzen.
15
a) Bei Abschluss des Kaufvertrags war das
Grundstück - wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist - bereits
erschlossen. Gegenstand der Übereignungsverpflichtung der Gemeinde konnte
daher nur das erschlossene Grundstück sein. Bei den im Kaufvertrag als Teil
des Kaufpreises bezeichneten Beträgen für die Erschließung, den Ausbau der
Abwasserbeseitigung, den Baukostenzuschuss für den Anschluss an die
Wasserversorgung und die Kostenerstattung für Ausgleichsmaßnahmen handelte
es sich nicht um anteilige eigennützige Leistungen des Klägers, die für
einen noch herzustellenden künftigen Grundstückszustand zu erbringen waren.
Vielmehr waren diese Kaufpreisteile, soweit sie auf den Kläger entfallen,
kraft kaufvertraglicher Verpflichtung allein für die Übertragung des
Miteigentumsanteils an einem Grundstück zu entrichten, für das die
Erschließungsanlagen hergestellt und Ausgleichsmaßnahmen für den Naturschutz
durchgeführt waren.
16
b) Der Kaufvertrag enthält auch keine
Vereinbarungen über eine Ablösung künftig entstehender Erschließungskosten
und der Kostenerstattungsbeträge für Ausgleichsmaßnahmen (vgl. hierzu
BVerwG-Urteil vom 1. Dezember 1989 8 C 44/88, BVerwGE 84, 183). Denn im
notariell beurkundeten Kaufvertrag wurde lediglich bestimmt, dass die
Erschließungsbeiträge und einmaligen Anliegerbeiträge im Kaufpreis enthalten
sein sollten. Die im Einzelnen genannten Beiträge und Kosten waren danach
Bestandteil des privatrechtlich vereinbarten Kaufpreises. Die spätere
Bescheinigung der Gemeinde S vom 8. Oktober 2004, dass in dem Kaufpreis
Ablösebeträge enthalten seien, kann die im Kaufvertrag fehlende Vereinbarung
zu einer Ablösung nicht ersetzen.
17
Aus dem BFH-Urteil vom 11. Februar 2004
II R 31/02 (BFHE 204, 489, BStBl II 2004, 521) können keine anderen
Schlussfolgerungen gezogen werden. Denn diese Entscheidung ist zu einem
nicht vergleichbaren Sachverhalt ergangen. Sie betrifft den Erwerb eines
noch nicht erschlossenen Grundstücks unter Übernahme des vom Veräußerer
wirksam abgeschlossenen Ablösevertrags.
18
3. Das BFH-Urteil vom 30. Januar 1985
II R 6/83 (BFHE 143, 161, BStBl II 1985, 373), das zu Vorauszahlungen auf
den Erschließungsbeitrag ergangen ist, ist im Streitfall ebenfalls nicht
einschlägig. Denn derartige Vorausleistungen wurden im notariell
beurkundeten Vertrag vom 16. April 2004 nicht vereinbart.
19
4. Der Senat kann offen lassen, ob die
Einbeziehung von Erschließungskosten in die Gegenleistung ausgeschlossen
ist, wenn beim Erwerb eines gemeindeeigenen erschlossenen Grundstücks die
Gemeinde die Erschließungsbeiträge gegenüber dem Erwerber abgabenrechtlich
geltend macht (vgl. z.B. Erlasse des Finanzministeriums Baden-Württemberg
vom 25. Juli 2002 3-S 4521/13, Tz 1, Deutsches Steuerrecht 2002, 1532; der
Oberfinanzdirektion Hannover vom 10. August 2004 S 4521-2-StH 232,
S 4521-4-StO 241, Tz 1; Baumann, Umsatzsteuer- und Verkehrsteuer-Recht 2004,
64, 66).
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5. Da das FG von anderen Grundsätzen
ausgegangen ist, war die Vorentscheidung aufzuheben. Die Sache ist
spruchreif. Die Klage war abzuweisen. Der vom FA erlassene
Grunderwerbsteuerbescheid, in dem als Bemessungsgrundlage der auf den Kläger
entfallende hälftige Anteil am Kaufpreis berücksichtigt wurde, und die
Einspruchsentscheidung verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
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