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BFH-Urteil vom 18.11.2009
(II R 11/08) BStBl. 2010 II S. 498
Rückgängigmachung aufgrund
eines befristet vereinbarten und von nachträglich eintretenden Umständen
abhängigen Rücktrittsrechts
1. Wird in einem
Grundstückskaufvertrag ein vom nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse
abhängiges Rücktrittsrecht vereinbart, unterfällt die Ausübung dieses Rechts
bei vollständiger Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs dem § 16 Abs. 1
Nr. 2 GrEStG und unterliegt daher nicht der Zweijahresfrist der Nr. 1 der
Vorschrift.
2. Ist ein solches
Rücktrittsrecht befristet vereinbart, bleibt es trotz ggf. mehrfach noch
innerhalb der laufenden Frist erfolgter Verlängerung bestehen, wenn jeweils
wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein Anspruch auf Vertragsanpassung in
Gestalt einer Fristverlängerung bestand.
3. Ist die vereinbarte Frist
für die Ausübung eines derartigen Rücktrittsrechts erst einmal verstrichen,
stellt eine dennoch vereinbarte "Fristverlängerung" die Begründung eines
neuen Rücktrittsrechts dar. Ihm kommt nur Bedeutung zu, wenn sowohl die
Neubegründung als auch die Ausübung dieses Rechts noch innerhalb der
Zweijahresfrist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erfolgt.
GrEStG § 16 Abs. 1 Nr. 1 und
2; BGB § 242, § 313 Abs. 2.
Vorinstanz: FG Münster vom
19. November 2007 8 K 2562/05 GrE (EFG 2008, 877)
Sachverhalt
I.
Am 29. September 1999
schloss die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine
Wohnungsbaugesellschaft, mit der Liegenschaftsverwaltung eines größeren
Unternehmens einen notariell beurkundeten Vertrag über den Kauf einer noch
zu vermessenden Teilfläche eines unerschlossenen Grundstücks zum Preis von
466.260 DM, um darauf Wohnhäuser zu errichten. Die Erschließung der
Teilfläche sollte über die Restfläche erfolgen. Die Klägerin sollte mit der
Stadt einen Erschließungsvertrag über die Gesamtfläche schließen, in den die
Verkäuferin oder deren etwaiger Rechtsnachfolger eintreten sollte. Sollten
das Erschließungsvorhaben sowie das Bauvorhaben der Klägerin - letzteres an
einem negativen Vorbescheid der Genehmigungsbehörde - scheitern, stand der
Klägerin ein bis zum 28. Februar 2000 auszuübendes Rücktrittsrecht zu. Bei
Abschluss des Grundstückskaufvertrages war die Verkäuferin vollmachtlos
vertreten. Sie genehmigte die Erklärungen des Vertreters am 27. Oktober
1999.
Mit Bescheid vom 7. Januar
2000 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) die
Grunderwerbsteuer gegenüber der Klägerin - wegen der Vermessungskosten
vorläufig - auf 16.319 DM fest. Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2004
beantragte die Klägerin die Aufhebung des Bescheids. Die Erschließung und
das Bauvorhaben waren gescheitert und deshalb der Kaufvertrag nicht
vollzogen worden. Eine zugunsten der Klägerin bereits eingetragene
Auflassungsvormerkung wurde wieder gelöscht. Die Löschungsbewilligung
datiert vom 1. September 2003. In der Zwischenzeit war die Frist für die
Ausübung des Rücktrittsrechts mehrfach Gegenstand weiterer notarieller
Urkunden, mit denen sie hinausgeschoben wurde. Dazu liegen vor:
a) Urkunde vom 28. Februar
2000 - Fristverlängerung bis 31. Dezember 2000
b) Urkunde vom 20. Dezember
2000 - Fristverlängerung bis 30. September 2001
c) Urkunde vom 27. September
2002 - Fristverlängerung bis 15. September 2003
In der Urkunde vom
28. Februar 2000 wurde darüber hinaus die Fälligkeit des Kaufpreises von der
Erteilung auch der Baugenehmigung abhängig gemacht.
Bei Beurkundung dieser
Fristverlängerungen war die Verkäuferin jeweils vollmachtlos vertreten. Eine
Genehmigung liegt nur bezüglich der zweiten und dritten Urkunde vor. Ob die
Klägerin vom Vertrag zurückgetreten oder der Vertrag aufgehoben worden ist,
ist nicht festgestellt. Der Vortrag der Klägerin ist insoweit schwankend.
Allerdings steht fest, dass die Vertragsparteien das Vertragsverhältnis noch
vor Ablauf der letzten Frist für beendet gehalten haben.
Mit Verfügung vom 30. März
2004 lehnte das FA die Aufhebung der Grunderwerbsteuerfestsetzung ab, da der
Antrag nicht innerhalb der Festsetzungsfrist gestellt worden sei. Dagegen
legte die Klägerin Einspruch ein. Außerdem beantragte sie, die
Grunderwerbsteuer gemäß § 163 der Abgabenordnung (AO) "anderweitig auf 0 DM
herabzusetzen", hilfsweise gemäß § 227 AO "aus sachlichen Gründen zu
erlassen". Beides lehnte das FA ab, und zwar durch Verfügungen vom 22. bzw.
30. Juni 2004. Auch gegen diese Ablehnungsverfügungen legte die Klägerin
Einspruch ein. Das FA wies die drei Einsprüche mit einer gemeinsamen
Entscheidung vom 13. Juni 2005 zurück.
Auch die Klage hatte keinen
Erfolg. Das Finanzgericht (FG) verneinte einen Aufhebungsanspruch sowohl
nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 oder 2 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) als
auch nach § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO. § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG sei nicht
einschlägig, weil die darin vorgeschriebene Zwei-Jahres-Frist nicht
eingehalten sei. § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sei nicht anwendbar, da es an
einem zivilrechtlichen Anspruch auf Rückabwicklung des Kaufvertrages gefehlt
habe. Ein solcher Anspruch hätte sich im Streitfall nur aufgrund Wegfalls
der Geschäftsgrundlage ergeben können. Die Voraussetzungen dieses
Rechtsinstituts lägen jedoch nicht vor. Das von den Vertragsparteien
gesehene Risiko, die Bebaubarkeit des Grundstücks nicht zu erreichen, sei
bereits durch das Rücktrittsrecht und die erste Verlängerung der für dessen
Ausübung gesetzten Frist vom 28. Februar 2000 sachgerecht geregelt gewesen.
§ 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO greife nicht ein, weil der Kaufvertrag nicht
nachträglich - etwa durch Anfechtung - unwirksam geworden sei. Die
Verweigerung der beantragten Billigkeitsmaßnahme nach § 163 und § 227 AO sei
nicht zu beanstanden. Ermessensfehler lägen insoweit nicht vor. Das Urteil
des FG ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 877 veröffentlicht.
Mit der Revision rügt die
Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG sowie der §§ 175
Abs. 1 Satz 1 Nr. 2, 163 und 227 AO. Maßgeblich für die Erhebung von
Grunderwerbsteuer als einer Verkehrsteuer sei ein Rechtsträgerwechsel und zu
solch einem Wechsel sei es im Streitfall nicht gekommen. Wenn dem nicht
mithilfe der §§ 16 GrEStG und 175 AO Rechnung getragen werden könne, müsste
auf der Grundlage der §§ 163 und 227 AO für Abhilfe gesorgt werden.
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung sowie der Ablehnungsverfügung vom
30. März 2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 das FA
zu verpflichten, den Grunderwerbsteuerbescheid vom 7. Januar 2000
aufzuheben, hilfsweise, die Ablehnungsverfügungen vom 22. und 30. Juni 2004
in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 13. Juni 2005 aufzuheben und das
FA zu verpflichten, die Grunderwerbsteuer zu erlassen.
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet;
sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO
-). Das FG hat im Ergebnis zu Recht eine Rückgängigmachung des
Erwerbsvorgangs sowohl gemäß § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG als auch gemäß Abs. 1
Nr. 2 der Vorschrift verneint. Es hat auch zutreffend eine Aufhebung des
Steuerbescheids nach § 175 Abs. 1 Satz 1 AO sowie den Hilfsantrag bezüglich
der Billigkeitsmaßnahmen abgelehnt.
1. Im Gegensatz zu § 16
Abs. 1 Nr. 1 GrEStG, der eine Rückgängigmachung innerhalb von zwei Jahren
seit der Entstehung der Steuer erfordert, sieht die Nr. 2 der Vorschrift
keine zeitliche Begrenzung für die Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs
vor. Dieser Unterschied beider Tatbestände ist nach der Rechtsprechung des
Bundesfinanzhofs - BFH - (Urteil vom 8. Juni 1988 II R 90/86, BFH/NV 1989,
728, 729) - soweit die Rückgängigmachung auf der Ausübung eines
Rücktrittsrechts beruht - darin begründet, dass sich die Nr. 1 auf Fälle
bezieht, in denen das schuldrechtliche Verpflichtungsgeschäft aufgrund eines
vorbehaltenen Rücktrittsrechts aufgehoben wird, während die Nr. 2 einen
Rechtsanspruch auf Rückgängigmachung derart verlangt, dass dieser einseitig
und gegen den Willen des anderen am Grundstücksgeschäft Beteiligten
durchsetzbar ist und die Rückgängigmachung auf der Ausübung dieses Rechts
beruht.
Allerdings erfolgt auch bei
Ausübung eines vorbehaltenen Rücktrittsrechts im Sinne der Nr. 1 die
Rückgängigmachung als solche einseitig und unter Umständen gegen den Willen
des Vertragspartners. Daher wird in der Literatur (Sack in Boruttau,
Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 16. Aufl. 2007, § 16 Rz 36) zu Recht der
eigentliche Unterschied darin gesehen, dass bei § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG an
eine Rückgängigmachung gedacht ist, die jederzeit durch Ausübung eines
vorbehaltenen und an keine weiteren Voraussetzungen gebundenen
Rücktrittsrechts herbeigeführt werden kann, während bei der Nr. 2 der
Vorschrift die Möglichkeit zum Rücktritt erst aufgrund nachträglich
eingetretener Umstände entsteht.
Jedoch lässt sich ein vom
nachträglichen Eintritt bestimmter Ereignisse abhängiges Rücktrittsrecht
auch vertraglich vereinbaren. Geschieht dies, unterfällt die Ausübung des
Rücktrittsrechts bei vollständiger Rückgängigmachung des Erwerbsvorgangs dem
§ 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG, obwohl die Umstände, von deren Eintreten das Recht
zum Rücktritt abhing, vertraglich ausbedungen waren (vgl. Sack in Boruttau,
a.a.O.; Pahlke/Franz, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 3. Aufl. 2005,
§ 16 Rz 13). Als derartige Umstände kommt all das in Betracht, was in § 16
Abs. 1 Nr. 2 GrEStG unter dem Begriff der Vertragsbedingungen
zusammengefasst ist.
2. Hätten die
Vertragsparteien im Streitfall die Befristung des der Klägerin in § 12 des
Kaufvertrages eingeräumten Rücktrittsrechts unterlassen oder von Anfang an
etwa auf fünf Jahre erstreckt, handelte es sich um ein vorbehaltenes Recht
mit der oben beschriebenen Besonderheit, vom nachträglichen Eintritt oder
Nichteintritt bestimmter Ereignisse - nämlich der Ablehnung einer
Erschließung oder Bebauung des Grundstücks durch die Kommune und damit vom
Nichteintritt der Bebaubarkeit - abhängig zu sein, und stünde der Klägerin
ein Aufhebungsanspruch aus § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG zu. Die vertraglich
vorgesehenen Umstände für einen Rücktritt wären nachträglich eingetreten.
Wäre der Kaufvertrag vom September 1999 aus diesem Grunde einvernehmlich
aufgelöst worden, hinderte dies die Anwendung des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG
nicht (BFH-Urteil in BFH/NV 1989, 728).
3. Tatsächlich war aber das
vorbehaltene Rücktrittsrecht ursprünglich lediglich bis zum 28. Februar 2000
befristet. Läge jedoch eine bis zur vollständigen Rückgängigmachung des
Erwerbsvorgangs reichende lückenlose Kette von jeweils noch innerhalb der
laufenden Frist vereinbarten Fristverlängerungen vor, bliebe § 16 Abs. 1
Nr. 2 GrEStG anwendbar, wenn der Klägerin jeweils ein Anspruch auf
Fristverlängerung zugestanden hätte. Solche Ansprüche kommen unter dem
Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage in Betracht. Das
Rechtsinstitut des Wegfalls der Geschäftsgrundlage kann nämlich nicht nur
zur Entstehung eines gesetzlichen Rücktrittsrechts wegen "Nichterfüllens
einer Vertragsbedingung" i.S. des § 16 Abs. 1 Nr. 2 GrEStG führen, sondern
im Zuge einer vorrangigen Vertragsanpassung auch zur bloßen Verlängerung der
vereinbarten Frist für die Ausübung eines vorbehaltenen (und damit bereits
begründeten), aber noch von nicht beeinflussbaren Umständen abhängigen
Rücktrittsrechts.
4. Bei lückenloser
rechtzeitiger Fristverlängerung hätte der Klägerin zwar unter dem
Gesichtspunkt des Wegfalls der Geschäftsgrundlage jeweils ein Anspruch auf
Anpassung des Kaufvertrages vom September 1999 durch (mehrfache)
Verlängerung der Frist für die Ausübung des vereinbarten Rücktrittsrechts
zustehen können; eine derartige lückenlose Kette rechtzeitiger
Fristverlängerungen ist im Streitfall aber nicht vorhanden.
a) Der Kaufvertrag vom
September 1999 unterfällt noch dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in der
Fassung vor Inkrafttreten des Schuldrechtsmodernisierungsgesetzes. Daher
gilt noch nicht § 313 BGB n.F., sondern ausschließlich § 242 BGB, wonach der
Schuldner verpflichtet ist, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und
Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. In der Sache macht
dies keinen Unterschied (vgl. dazu Palandt/Grüneberg, Bürgerliches
Gesetzbuch, Kommentar, 67. Aufl. 2008, § 313 Rz 1). Ein Wegfall der
Geschäftsgrundlage liegt u.a. - wie nunmehr in § 313 Abs. 2 BGB n.F.
ausdrücklich geregelt - vor, wenn wesentliche Vorstellungen, die zur
Grundlage des Vertrages geworden sind, sich als falsch herausstellen.
b) Die Vertragsparteien
hatten nach den Feststellungen des FG im September 1999 die Vorstellung, bis
Ende Februar 2000 werde geklärt sein, dass die erworbene Teilfläche
erschlossen und bebaut werden könne. Die dahingehenden Feststellungen des FG
sind nicht angegriffen worden; sie enthalten auch keine gegen Denkgesetze
oder Erfahrungssätze verstoßende Schlussfolgerung (vgl. dazu Gräber/Ruban,
Finanzgerichtsordnung, 6. Aufl. 2006, § 118 Rz 54). Diese gemeinsame
Erwartung, die für den Geschäftswillen der Vertragsparteien wesentlich war,
hat sich nicht erfüllt. Der damit verbundene Wegfall der Geschäftsgrundlage
führte jedoch nicht zur Auflösung des Kaufvertrages, sondern lediglich zu
einem Anspruch der Klägerin auf Vertragsanpassung im Sinne eines an der
Zumutbarkeit ausgerichteten optimalen Interessenausgleichs. Darin lag unter
Wahrung der Interessen beider Seiten der geringstmögliche Eingriff in das
Vertragsverhältnis. Dem Interesse der Verkäuferin, am Vertrag so lange
festzuhalten, wie der Klägerin zumutbar, war damit ebenso Rechnung getragen
wie dem Interesse der Klägerin, an dem Vertrag zunächst festhalten zu
können, ihn aber bei Scheitern des Erschließungs- und Bauvorhabens nicht auf
jeden Fall erfüllen zu müssen.
c) Von einer derartigen
Vertragsanpassung wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage lässt sich aber nur
dann sprechen, wenn die Fristverlängerung rechtzeitig vor Ablauf der jeweils
zu verlängernden Frist vorgenommen worden ist. Ist die ursprünglich
vereinbarte Frist für die Ausübung des vorbehaltenen Rücktrittsrechts jedoch
einmal verstrichen, ohne vorher einvernehmlich verlängert worden zu sein,
hätte die Klägerin das Recht zum Rücktritt endgültig verloren gehabt und
stellte die Wiedereinräumung eines Rücktrittsrechts ein Entgegenkommen der
Verkäuferin dar, auf das diese sich auch unter dem Gesichtspunkt der
Vertragsanpassung nicht hätte einzulassen brauchen.
d) Ein derartiges (neues)
Rücktrittsrecht könnte nur dann Grundlage einer Rückgängigmachung i.S. des
§ 16 Abs. 1 GrEStG sein, wenn es noch innerhalb von zwei Jahren seit
Entstehung der Steuer vereinbart und ausgeübt worden wäre. Denn ungeachtet
dessen, dass es wiederum erst bei Eintritt eines bestimmten Ereignisses
ausgeübt werden dürfte, käme hierbei dem Umstand der rechtsgeschäftlichen
Begründung des Rücktrittsrechts die entscheidende Bedeutung zu. Als
vereinbartes Rücktrittsrecht wäre es dem § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und nicht
etwa gemäß den Ausführungen oben zu II. 1. dem Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift
zuzuordnen. Wenn nämlich die Aufhebung des steuerpflichtigen
Grundstücksgeschäfts nur innerhalb von zwei Jahren seit Steuerentstehung
beachtlich ist, dann muss für die nachträgliche Vereinbarung eines (neuen)
Rücktrittsrechts, das im Falle seiner Ausübung letztlich ebenfalls zur
Beendigung des Grundstücksgeschäfts führt, dieselbe Befristung gelten (vgl.
Urteil des Bundesgerichtshofs vom 5. Mai 1976 IV ZR 63/75, BGHZ 66, 270,
272). Das Absehen von der Zwei-Jahres-Frist des § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG und
die Zuordnung zum Tatbestand des Abs. 1 Nr. 2 der Vorschrift bei
vereinbarten Rücktrittsrechten, die von Umständen abhängen, die der
Berechtigte nicht selbst beeinflussen kann, ist somit beschränkt auf
Rücktrittsrechte, die bei Abschluss des Grundstücksgeschäfts vorbehalten
worden sind.
5. Im Streitfall liegt keine
lückenlose Kette rechtzeitig vorgenommener Fristverlängerungen für die
Ausübung des im Grundstückskaufvertrag vorbehaltenen Rücktrittsrechts der
Klägerin vor. Die Kette bricht spätestens Ende 2000 ab. Die erste
Fristverlängerung - nämlich diejenige vom 28. Februar 2000 - ist noch am
letzten Tag der ursprünglich vereinbarten Frist beurkundet worden.
Allerdings war die Verkäuferin bei dieser Beurkundung lediglich vollmachtlos
vertreten. Ob und wann sie die Fristverlängerung genehmigt hat, ist nicht
festgestellt. Bei Annahme einer rechtzeitigen - d.h. noch am selben Tag -
erfolgten Genehmigung wäre aber die nächste Fristverlängerung - nämlich
diejenige vom 20. Dezember 2000 - auf jeden Fall verspätet. Bei Beurkundung
dieser Fristverlängerung war die Verkäuferin wiederum vollmachtlos
vertreten. Die erforderliche Genehmigung hat sie erst am 30. Januar 2001,
und damit erst nach Ablauf der zuvor (unterstellt mit steuerrechtlicher
Wirkung) bis zum 31. Dezember 2000 verlängerten Frist, erklärt. Die
Genehmigung wirkte zwar zivilrechtlich gemäß § 184 Abs. 1 BGB auf den
Zeitpunkt der Beurkundung zurück; grunderwerbsteuerrechtlich kann diese
Rückwirkung jedoch nicht nachvollzogen werden, da sich der steuerrechtlich
maßgebliche Sachverhalt nicht rückwirkend gestalten lässt (vgl. BFH-Urteil
vom 24. August 2006 IX R 40/05, BFH/NV 2006, 2236, unter II. 2. a;
Klein/Brockmeyer, Abgabenordnung, Kommentar, 9. Aufl. 2006, § 38 Rz 11;
Drüen in Tipke/Kruse, Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, Stand Juni
2009, § 38 AO Rz 28, 29). Folglich ist zumindest die zweite
Fristverlängerung verspätet.
6. Die Entstehung eines
Rücktrittsrechts kraft Gesetzes infolge Wegfalls der Geschäftsgrundlage hat
das FG mit der Begründung zu Recht verneint, dass die Vertragsparteien der
Ungewissheit, ob das Grundstück bebaubar werden würde, durch eine
ausdrückliche Regelung - nämlich das vereinbarte, aber befristete
Rücktrittsrecht der Klägerin - Rechnung getragen hatten. Die Vorstellung der
Vertragsparteien über die Möglichkeit einer künftigen Bebaubarkeit des
Grundstücks hat sich zwar als falsch erwiesen; die Parteien haben aber
ausdrücklich geregelt, welche Rechtsfolge dies haben sollte, nämlich
lediglich ein Rücktrittsrecht für die Klägerin.
Dass die Rückgängigmachung
eines Erwerbsvorgangs nach § 16 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG befristet ist und es
somit wie im Streitfall zu einer Steuerschuld ohne Rechtsträgerwechsel
kommen kann, stellt entgegen der Ansicht der Klägerin keinen Verstoß gegen
eine folgerichtige Ausgestaltung der in § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG getroffenen
Grundentscheidung dar, den Erwerbsvorgang auf den Abschluss des den
Übereignungsanspruch begründenden Rechtsgeschäfts vorzuverlegen (vgl. zur
Sachgesetzlichkeit Fischer in Boruttau, a.a.O., Vor § 118), sondern liegt
auf der Linie dieser Grundentscheidung. Auch der nicht vollzogene
Grundstückskaufvertrag hat bei seinem Abschluss auf den verlangten
Rechtsträgerwechsel gezielt (vgl. dazu Hofmann, Grunderwerbsteuergesetz,
Kommentar, 8. Aufl. 2004, § 1 Rz 3).
7. Zutreffend hat das FG auch
eine Aufhebung des Steuerbescheids aufgrund des § 175 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 AO
ausgeschlossen und den Hilfsantrag der Klägerin bezüglich der
Billigkeitsmaßnahmen abgelehnt. Für die Anwendung des § 175 Abs. 1 Satz 1
Nr. 2 AO fehlte es an einem rückwirkenden Ereignis. Die Entscheidung des FA,
eine sachliche Unbilligkeit zu verneinen, ist - wie das FG zu Recht
festgestellt hat - ermessensfehlerfrei. Wie der Tatbestand des § 16 Abs. 1
Nr. 1 GrEStG und die dort auf zwei Jahre befristete Möglichkeit, einen
Grundstückskaufvertrag mit steuerlicher Wirkung aufzuheben, zeigen, kann es
zu einer bleibenden Grunderwerbsteuerbelastung kommen, obwohl der
Rechtsträgerwechsel bezüglich des Grundstücks letztlich unterbleibt. Dies
ist vom Gesetzgeber gewollt.
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