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BFH-Urteil vom 3.6.2009 (XI R 57/07) BStBl. 2010 II S. 520
Eine Bank haftet nicht als Abtretungsempfängerin nach § 13c Abs. 1 Satz 1
UStG 2005 i.V.m. § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG 2005 für die in der Forderung
enthaltene Umsatzsteuer, wenn ihr die Forderung vor dem 8. November 2003
abgetreten worden ist (Abweichung von Abschn. 182b Abs. 38 UStR 2005).
UStG 2005 § 13c, § 27 Abs. 7 Satz 1; UStR
2005 Abschn. 182b Abs. 38; BGB § 398 Satz 1.
Vorinstanz: FG München vom 21. Februar 2007
3 K 2219/06 (EFG 2007, 961)
Sachverhalt
I.
Streitig ist, ob die
Klägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin) für Umsatzsteuerschulden einer
GmbH nach § 13c des Umsatzsteuergesetzes 2005 (UStG) haftet.
Die Klägerin, ein
Kreditinstitut, führte für die F-GmbH ein Girokonto, auf dem eine
Kreditlinie in Höhe von 170.000 DM eingeräumt war. Zur Sicherung aller
Ansprüche der Klägerin trat die F-GmbH der Klägerin am 16. Juli 1993 ihre
sämtlichen gegenwärtigen und zukünftigen Forderungen aus Warenlieferungen
und Leistungen sowie aus Mietverträgen im Rahmen einer Globalzession ab.
Am 7. September 2004 machte
die Klägerin von ihrem außerordentlichen Kündigungsrecht Gebrauch und
stellte die ihr aus dem Girokonto zustehenden Forderungen gegenüber der
F-GmbH mit sofortiger Wirkung fällig. Im Oktober 2004 zog sie aufgrund der
Globalzession Forderungen der F-GmbH, die in den Monaten August und
September 2004 entstanden waren, in Höhe von 5.610,76 € (darin enthaltene
Umsatzsteuer: 956,20 €) ein.
Im November 2004 wurde über
das Vermögen der F-GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet. Am 17. März 2005
reichte die Insolvenzverwalterin die Umsatzsteuer-Voranmeldungen der F-GmbH
für August und September 2004 beim Beklagten und Revisionskläger (Finanzamt
- FA -) ein. Sie berücksichtigte darin auch die Umsätze, die den
eingezogenen Forderungen zugrunde lagen.
Mit Haftungsbescheid vom
6. März 2006 nahm das FA die Klägerin gemäß § 13c UStG für Umsatzsteuern der
F-GmbH aus den Voranmeldungszeiträumen August und September 2004 in Höhe von
956,20 € in Haftung.
Den dagegen eingelegten
Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.
Die hiergegen eingelegte
Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) war der Auffassung, § 13c UStG
sei zeitlich nicht anwendbar, da maßgebliches Rechtsgeschäft i.S. des § 27
Abs. 7 Satz 1 UStG der Abtretungsvertrag vom 16. Juli 1993 gemäß § 398
Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sei. Das Urteil ist veröffentlicht
in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007, 961.
Das FA trägt zur Begründung
der Revision im Wesentlichen vor, aus der amtlichen Begründung zu § 27
Abs. 7 UStG ergebe sich eindeutig, dass der Gesetzgeber unter Abtretung alle
Rechtsgeschäfte verstanden wissen wollte, die zu deren Wirksamkeit
erforderlich seien und dazu gehöre auch das Entstehen der abgetretenen
Forderung.
Es beantragt, das
angefochtene Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist unbegründet und war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
zu Recht entschieden, dass die Klägerin nicht nach § 13c Abs. 1 Satz 1 UStG
haftet, da dieser zeitlich nicht anwendbar ist.
1. Nach dem durch das Zweite Gesetz zur
Änderung steuerlicher Vorschriften vom 15. Dezember 2003
(Steueränderungsgesetz 2003, BGBl I 2003, 2645) neu eingefügten § 13c Abs. 1
Satz 1 UStG haftet der Abtretungsempfänger, soweit der leistende Unternehmer
den Anspruch auf die Gegenleistung für einen steuerpflichtigen Umsatz i.S.
des § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG an einen anderen Unternehmer abgetreten und die
festgesetzte Steuer, bei deren Berechnung dieser Umsatz berücksichtigt
worden ist, bei Fälligkeit nicht oder nicht vollständig entrichtet hat, für
die in der Forderung enthaltene Umsatzsteuer, soweit sie im vereinnahmten
Betrag enthalten ist.
§ 13c UStG ist gemäß § 27 Abs. 7 Satz 1
UStG auf Forderungen anzuwenden, die nach dem 7. November 2003 abgetreten,
verpfändet oder gepfändet worden sind.
Abtretung ist nach der Legaldefinition in
§ 398 Satz 1 BGB der Vertrag, durch den eine Forderung von dem Gläubiger auf
einen anderen übertragen wird. Bei einer Vorausabtretung künftiger oder
aufschiebend bedingter Forderungen ist zwischen der Verbindlichkeit des
Verfügungsgeschäfts einerseits und dem Wirksamwerden des mit ihm bezweckten
späteren Rechtsübergangs andererseits zu unterscheiden. Die im
Abtretungsvertrag enthaltene rechtsgeschäftliche Verfügung ist mit
Vertragsabschluss beendet (vgl. z.B. Urteil des Bundesgerichtshofs - BGH -
vom 19. September 1983 II ZR 12/83, BGHZ 88, 205). Der Abtretungsvertrag
über eine zukünftige Forderung enthält alle Merkmale, aus denen der
Übertragungstatbestand besteht; die Entstehung der abgetretenen Forderung
gehört sogar dann nicht dazu, wenn noch nicht einmal der Rechtsgrund für sie
gelegt ist (vgl. BGH-Urteil vom 29. November 2007 IX ZR 30/07, BGHZ 174,
297, m.w.N.). Die Abtretung geht ins Leere, wenn die Forderung nicht
entsteht, weil beispielsweise das Rechtsverhältnis, das sie begründen soll,
vor ihrer Entstehung beendet wird (vgl. BGH-Urteil in BGHZ 88, 205).
Danach ist bei einer wortlautgemäßen
Anwendung des § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG im Streitfall § 13c UStG nicht
anwendbar. Denn die Forderungen sind der Klägerin bereits am 16. Juli 1993
und damit vor dem 8. November 2003 abgetreten worden. Die Abtretung war
entgegen der Auffassung des FA auch bereits vor der Entstehung der
abgetretenen Forderung wirksam. Denn die Entstehung der abgetretenen
Forderung gehört - wie oben dargelegt - nicht zum Tatbestand des § 398 BGB.
2. Der Senat teilt die Auffassung der
Vorinstanz, dass die Voraussetzungen für eine den Wortlaut des § 27 Abs. 7
Satz 1 UStG korrigierende Auslegung nicht vorliegen.
a) Selbst wenn in der Nichterfassung von
Globalzessionen, die vor dem 8. November 2003 vereinbart wurden, ein
Redaktionsversehen vorliegen sollte, stünden das verfassungsrechtliche
Rechtsstaatsgebot und der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der
Rechtssicherheit einer Ausdehnung des zeitlichen Anwendungsbereichs des
§ 13c UStG über den Wortlaut des § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG hinaus entgegen.
Das Rechtsstaatsgebot verlangt nach der
Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), dass die Verwaltung
Steuerpflichtige nur aufgrund solcher Gesetze belasten darf, die nach
Inhalt, Gegenstand, Zweck und Ausmaß hinreichend bestimmt und begrenzt sind,
sodass die Eingriffe messbar und in gewissem Umfang für den Einzelnen
voraussehbar und berechenbar werden (vgl. BVerfG-Beschluss vom 14. August
1996 2 BvR 2088/93, Neue Juristische Wochenschrift 1996, 3146, m.w.N.).
Auch nach der Rechtsprechung des
Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) müssen Rechtsakte der
Gemeinschaft eindeutig sein, und ihre Anwendung muss für die Betroffenen
vorhersehbar sein (vgl. EuGH-Urteil vom 16. September 2008 Rs. C-288/07 -
Isle of Wight Council -, Umsatzsteuer-Rundschau - UR - 2008, 816,
Randnr. 47, m.w.N.). Dieses Gebot der Rechtssicherheit gilt in besonderem
Maße, wenn es sich um eine Regelung handelt, die sich finanziell belastend
auswirken kann, denn die Betroffenen müssen in der Lage sein, den Umfang der
ihnen damit auferlegten Verpflichtungen genau zu erkennen (vgl. EuGH-Urteil
in UR 2008, 816, Randnr. 47, m.w.N.). Der Grundsatz der Rechtssicherheit,
der Teil der Gemeinschaftsrechtsordnung ist, muss sowohl von den
Gemeinschaftsorganen als auch von den Mitgliedstaaten bei der Ausübung der
Befugnisse, die ihnen die Gemeinschaftsrichtlinien einräumen, beachtet
werden (vgl. EuGH-Urteil in UR 2008, 816, Randnr. 48, m.w.N.).
b) Durch § 13c UStG hat der Gesetzgeber
einen Haftungstatbestand, also eine finanziell belastende Regelung, neu
eingeführt. Da sich dem § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG eine Anwendung dieses
Haftungstatbestands auf Globalzessionen vor dem 8. November 2003 nicht
entnehmen lässt, war für die Klägerin nicht vorhersehbar, dass sie als
Haftungsschuldnerin für die Umsatzsteuer in Anspruch genommen werden würde,
die in den ihr vor dem 8. November 2003 abgetretenen Forderungen enthalten
war.
Soweit die Finanzverwaltung in Abschn. 182b
Abs. 38 der Umsatzsteuer-Richtlinien 2005 die Auffassung vertritt, die
Haftung nach § 13c UStG gelte im Falle einer vor dem 8. November 2003
abgeschlossenen Globalzession für Forderungen, die nach dem 31. Dezember
2003 entstanden sind, hat sie den zeitlichen Anwendungsbereich des § 13c
UStG über den Wortlaut des § 27 Abs. 7 Satz 1 UStG hinaus und damit in
unzulässiger Weise ausgedehnt.
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