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BFH-Urteil vom 2.9.2008 (X R 8/06) BStBl. 2010 II S. 548
1.
Wird von einer Provision das Entgelt für Lose unmittelbar einbehalten, ist
der Erwerb der Lose bereits Teil der Einkommensverwendung. Die Vorteile, die
im Rahmen der Einkommensverwendung erworben werden, stehen mit der
Einkommenserzielung in keinem steuerlich relevanten Sachzusammenhang.
2.
Die Möglichkeit, bereits verdientes Geld im Rahmen einer betrieblichen
Losveranstaltung einzusetzen, führt nicht zu Betriebseinnahmen.
EStG § 8 Abs. 1, § 4 Abs. 4; GewStG § 7.
Vorinstanz: Thüringer FG vom 15. Juni 2005
I 914/04
Sachverhalt
I.
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist selbständiger Bezirksleiter einer Bausparkasse
(BSK). Gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ermittelt er
seinen Gewinn als Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben.
Die BSK führte im Jahr 1996
in jedem Quartal eine "Wettbewerbsauslosung für akquirierende
Außendienstmitarbeiter" durch. Nach den Spielregeln wurde für jeden
vermittelten Bausparvertrag (nur) ein Los gewährt und es wurde 1 DM für die
Auslosung einbehalten. Anfang 1997 erhielt der Kläger die Mitteilung der
BSK, dass er bei der Auslosung des vierten Quartals 1996 aus 239.406 Losen
den Hauptgewinn, einen BMW Z3 Roadster mit Sonderausstattung, gewonnen habe.
Er verkaufte das Kfz noch im Jahr 1997 für 51.000 DM an eine dritte Person,
zu der keine privaten Beziehungen bestanden.
Im Anschluss an eine
Betriebsprüfung bei der BSK erfasste der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA -) zunächst einen nicht erklärten Entnahmegewinn von
57.800 DM. Nach erfolglosem Einspruch hat das FA während des
Klageverfahrens, einem Hilfsantrag des Klägers folgend, den betreffenden
Gewinn auf den Verkaufserlös von 51.000 DM abzüglich des Betrages von 150 DM
für 150 Lose angesetzt und entsprechende Änderungsbescheide erlassen.
Hiergegen wandte sich der Kläger mit der Begründung, er habe die Lose für je
1 DM gekauft und damit den betrieblichen Zusammenhang in der Weise
durchbrochen, dass er den PKW nicht als Ergebnis seiner betrieblichen
Tätigkeit, sondern als Ergebnis einer Losveranstaltung auf
außerbetrieblicher Ebene gewonnen habe. Er verwies dazu auf §§ 762, 763 des
Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) und auf das Urteil des Bundesfinanzhofs (BFH)
vom 22. Juli 1988 III R 175/85 (BFHE 154, 218, BStBl II 1988, 995).
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage als unbegründet ab. Das FA habe den Gewinn des Klägers zu Recht um
50.850 DM (Veräußerungspreis von 51.000 DM abzüglich des für die Lose
einbehaltenen Betrages von 150 DM) erhöht. Beruflich bedingte ausgeloste
Gewinne seien steuerpflichtig.
Mit der Revision rügt der
Kläger Verletzung materiellen Rechts; das FG habe den Begriff der
Betriebseinnahme unzutreffend ausgelegt.
Der Erhalt des Fahrzeuges
sei nicht durch seine - des Klägers - betriebliche Tätigkeit veranlasst. Das
von dem FA angeführte BFH-Urteil vom 25. November 1993 VI R 45/93 (BFHE 173,
65, BStBl II 1994, 254) sei zu einem anders zu bewertenden Sachverhalt
ergangen. Nach dem BFH-Urteil vom 15. Dezember 1977 VI R 150/75 (BFHE 124,
190, BStBl II 1978, 239) sei darauf abzustellen, ob der Losgewinn auf das
Arbeitsverhältnis oder auf das der Verlosung innewohnende Zufallsmoment
zurückzuführen sei. Die Einräumung der Gewinnchance sei noch kein
Arbeitslohn. Auch sei das Los den Teilnehmern nicht unentgeltlich zur
Verfügung gestellt worden. Der Lospreis sei nicht lediglich ein symbolischer
Wert gewesen; von den Einnahmen der BSK in Höhe von 239.406 DM sei lediglich
ein Betrag von 160.000 DM ausgeschüttet worden. Dabei habe es sich um einen
Losvertrag i.S. der §§ 762, 763 BGB gehandelt. Dieser Losvertrag, nicht die
Handelsvertretertätigkeit bilde den Rechtsgrund für den Spielgewinn.
Der Kläger beantragt, das
angefochtene Urteil aufzuheben und in den angefochtenen Bescheiden den
Gewinn um 51.000 DM herabzusetzen.
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Bei der Losveranstaltung
habe es sich um keine offene Losveranstaltung gehandelt, sondern um eine
betriebsintern veranstaltete Verlosung. Nur Vertreter hätten teilnehmen
können. Die Gewinnchance habe nicht - aus eigenen Stücken - erhöht werden
können. Die Höhe der Gewinnchance sei für die betriebliche Veranlassung ohne
Bedeutung.
Entscheidungsgründe
II.
Die Revision ist begründet und führt gemäß
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des
angefochtenen Urteils und zur Stattgabe der Klage. Entgegen der Auffassung
des FG ist der Losgewinn nicht betrieblich veranlasst.
1. Gewerbeertrag ist gemäß § 7 des
Gewerbesteuergesetzes (GewStG) der nach den Vorschriften des EStG zu
ermittelnde und um die in §§ 8 und 9 GewStG bezeichneten Beträge korrigierte
Gewinn aus Gewerbebetrieb, der in dem Erhebungszeitraum zu berücksichtigen
ist. Der Gewinn aus Gewerbebetrieb ergibt sich im Fall der
Überschussrechnung nach § 4 Abs. 3 EStG durch eine Gegenüberstellung der
Betriebseinnahmen und der Betriebsausgaben.
Betriebseinnahmen sind in Anlehnung an § 8
Abs. 1 und § 4 Abs. 4 EStG alle Zugänge in Geld oder Geldeswert, die durch
den Betrieb veranlasst sind. Ein Wertzuwachs ist betrieblich veranlasst,
wenn insoweit ein nicht nur äußerlicher, sondern sachlicher,
wirtschaftlicher Zusammenhang gegeben ist. Von den Betriebseinnahmen zu
unterscheiden sind Wertzugänge, deren Zufluss durch private Umstände
veranlasst worden ist. Für die Beurteilung des Veranlassungszusammenhangs
kommt es nicht auf die zivilrechtliche Rechtsgrundlage der Leistung an. Als
betrieblich veranlasst sind nicht nur solche Einnahmen zu werten, die aus
der maßgeblichen Sicht des Unternehmers Entgelt für betriebliche Leistungen
darstellen. Es ist weder erforderlich, dass der Vermögenszuwachs im Betrieb
erwirtschaftet wurde, noch, dass der Steuerpflichtige einen Rechtsanspruch
auf die Einnahme hat. Betriebseinnahmen können auch vorliegen, wenn der
Steuerpflichtige als Betriebsinhaber unentgeltliche Zuwendungen erhält, mit
denen weder ein zuvor begründeter Rechtsanspruch erfüllt, noch eine in der
Vergangenheit erbrachte Leistung vergütet werden soll (BFH-Urteil vom
14. März 2006 VIII R 60/03, BFHE 212, 535, BStBl II 2006, 650).
Führt ein Arbeitgeber im Rahmen des
betrieblichen Vorschlagwesens eine Verlosung durch, an der alle Arbeitnehmer
teilnehmen, die einen Verbesserungsvorschlag eingereicht haben, so sind die
verlosten Sachpreise Arbeitslohn der jeweiligen Gewinner (BFH-Urteil in BFHE
173, 65, BStBl II 1994, 254).
2. Im Streitfall überwiegen die Gründe, die
gegen eine betriebliche Veranlassung sprechen, so dass das Urteil des FG
keinen Bestand haben kann.
a) Für eine betriebliche Veranlassung
spricht, dass der PKW-Gewinn mit dem "Dienstverhältnis" in einem gewissen
Zusammenhang stand: Die Losveranstaltung wurde von der BSK organisiert. Das
Entgelt für die Lose wurde unmittelbar durch Kürzung der Provision
einbehalten. An der Lotterie durften nur Betriebsangehörige teilnehmen. Für
jeden Bausparvertrag gab es nur ein Los.
b) Andererseits ist aber vorrangig zu
berücksichtigen, dass das Entgelt für die Lose von der bereits verdienten
Prämie einbehalten wurde. Der Kläger verwendete damit sein Einkommen für den
Erwerb eines Loses. Ebenso hätte der Kläger auch von einem anderen
Lotteriebetreiber ein Los erwerben können. Der Erwerb des Loses ist bereits
Teil der Verwendung des erzielten Einkommens. Der Gewinn stammte somit nicht
aus finanziellen Mitteln der BSK. Der Vorgang der Einnahmeerzielung war
bereits abgeschlossen; der Loserwerb hing insoweit nicht mehr mit der
betrieblichen Gewinnerzielung zusammen. Insoweit wurde durch den Loserwerb
eine neue Ursachenkette in Gang gesetzt; die Vorteile, die im Rahmen der
Einkommensverwendung erworben werden, stehen mit der eigentlichen Tätigkeit
und der Einkommenserzielung nicht mehr in einem steuerlich relevanten
Sachzusammenhang.
c) Dass der verwendete Gewinn Ausfluss des
Vertragsverhältnisses mit der BSK war, ist letztlich nicht entscheidend. Dem
Arbeitnehmer bzw. dem einzelnen Mitarbeiter steht es grundsätzlich frei, wie
er seinen Lohn bzw. sein Entgelt verwendet; so war auch der Kläger nicht
gezwungen, an der Verlosung teilzunehmen. Damit war der Kläger in der
Verwendung der Mittel für den "Loseinsatz" frei; die BSK hatte die
Verwendung dieser Entgeltanteile bereits aus der Hand gegeben und die
Verfügungsbefugnis insoweit verloren. Im Unterschied dazu wurden in dem
Fall, der der Senatsentscheidung vom 2. September 2008 X R 25/07 (zur
Veröffentlichung bestimmt) zugrunde lag, die Lose für die Erbringung
bestimmter Umsatzleistungen gewährt; sie waren als Gegenleistung für
betriebliche Leistungen einzuordnen.
d) Diese Beurteilung widerspricht nicht der
Rechtsprechung des VI. Senats. Die Entscheidung in BFHE 124, 190, BStBl II
1978, 239 betraf interne Verlosungen, für die der Arbeitnehmer nichts
aufzuwenden hatte und mit denen das Fehlen von Fehlzeiten prämiert wurde.
Die daraus entstehenden Vorteile wendete der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer in
Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis zu. Die Entscheidung in BFHE 173, 65,
BStBl II 1994, 254 betraf eine Verlosung im Rahmen des betrieblichen
Vorschlagwesens.
e) In der Entscheidung vom 19. Juli 1974 VI
R 114/71 (BFHE 114, 28, BStBl II 1975, 181) erhielt ein Tankstellen-Lehrling
für den Verkauf von Öl sog. Glücksmarken, die an einer Verlosung teilnahmen.
Hier hätte ein Zusammenhang mit dem Dienstverhältnis durchaus erwogen werden
können, der VI. Senat stellte indes darauf ab, dass die Arbeitsleistung auf
die Verlosungen keinen Einfluss gehabt habe.
Ähnlich liegen die Verhältnisse im
Streitfall. Die Möglichkeit, bereits verdientes Geld im Rahmen einer
betrieblichen Losveranstaltung einzusetzen, ist Einkommensverwendung; daraus
resultierende Gewinne führen nicht zu Betriebseinnahmen.
3. Einkünfte i.S. des § 22 Nr. 3 EStG
liegen ebenfalls nicht vor. Die (auch erfolgreiche) Teilnahme an einer
Lotterie begründet keinen Leistungsaustausch (vgl. Schmidt/Weber-Grellet,
EStG, 27. Aufl., § 22 Rz 133, 150).
4. Den Umstand, dass der Kläger bei seinem
Antrag nicht berücksichtigt hat, dass das FA die Aufwendungen für den Erwerb
der Lose in Höhe von 150 DM abgezogen und deshalb den Gewinn lediglich um
50.850 DM erhöht hat, wertet der Senat als offensichtliches Versehen.
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