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BFH-Urteil vom 23.2.2010 (II R 42/08) BStBl. 2010 II S. 555
Mitunternehmerinitiative bei Übertragung eines Kommanditanteils auf einen
anderen Kommanditisten unter Vorbehalt eines Nießbrauchs sowie der Stimm-
und Verwaltungsrechte?
1.
Der schenkweise Erwerb eines Kommanditanteils unterfällt nur dann dem § 13a
Abs. 4 Nr. 1 ErbStG vor 2009 i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3
EStG, wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen
Gesellschaftsanteil vermittelt wird.
2.
Es reichte daher nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen
Kommanditanteils nur deshalb Mitunternehmerinitiative zukäme, weil er
bereits Kommanditist der KG war, - d.h. wenn sich seine bisherige
Mitunternehmereigenschaft wegen Unteilbarkeit der Mitgliedschaft auf den
hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte.
ErbStG vor 2009 § 13a Abs. 1, 2 und 4 Nr.
1; EStG § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3.
Vorinstanz: FG Münster vom 19. Juni 2008 3
K 1086/06 Erb (EFG 2008, 1733)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) sowie ihre Mutter (M) waren zwei von sechs
Kommanditisten der X-GmbH & Co. KG (KG), die sich mit der Verwaltung von
Grundbesitz und der Errichtung von Wohngebäuden befasste. Die Beteiligung
der M belief sich auf 11,25 % und die der Klägerin auf 42,40 %. Die KG hatte
zwei nicht am Gesellschaftsvermögen beteiligte persönlich haftende
Gesellschafter, nämlich eine natürliche Person sowie die
Grundstücksgesellschaft Y-mbH (GmbH). Nur die GmbH war zur Vertretung der KG
und zur Führung ihrer Geschäfte berufen. Neben den festen Kapitalkonten und
einem gesamthänderisch gebundenen offenen Rücklagenkonto wurden für die
Kommanditisten Darlehenskonten geführt. Die GmbH war als Geschäftsführerin
berechtigt, bis zu 25 % des Jahresüberschusses dem Rücklagenkonto
zuzuführen. Der restliche Gewinn wurde nach weiteren Abzügen entsprechend
den festen Kapitalanteilen verteilt. Für Geschäfte, die über den
gewöhnlichen Betrieb hinausgehen, benötigte die GmbH einen zustimmenden
Gesellschafterbeschluss. In der Gesellschafterversammlung gewährte jeweils 1
EUR eines festen Kapitalkontos eine Stimme. Gesellschafterbeschlüsse konnten
mit einfacher Mehrheit der abgegebenen Stimmen gefasst werden. In bestimmten
Angelegenheiten war eine Mehrheit von 75 % sämtlicher Stimmen erforderlich.
2
Gesellschafter der GmbH
waren die sechs Kommanditisten der KG mit Geschäftsanteilen in
unterschiedlicher Höhe. Mit einer Ausnahme (Vorzugsstimmrecht) vermittelten
je 100 DM eines Geschäftsanteils in der Gesellschafterversammlung eine
Stimme. Gesellschafterbeschlüsse kamen mit einfacher Mehrheit der
abgegebenen Stimmen zustande. Änderungen des Gesellschaftsvertrages
bedurften einer Mehrheit von 75 % sämtlicher Stimmen.
3
Mit notariell beurkundetem
Schenkungsvertrag vom 4. Dezember 2002 übertrug M ihren Kommanditanteil an
der KG einschließlich ihres Anteils an den offenen Rücklagen und zuzüglich
der Forderung aus ihrem Darlehenskonto sowie ihren Geschäftsanteil an der
GmbH auf die Klägerin. Dabei behielt sie sich einen lebenslänglichen
Nießbrauch an den übertragenen Beteiligungen vor. Der M sollten die
Ergebnisanteile aus der übertragenen Kommanditbeteiligung nebst den Zinsen
auf die Darlehensforderung sowie die anteiligen Gewinnausschüttungen der
GmbH zugerechnet werden. Außerdem sollten der M die mit der übertragenen
Beteiligung an der KG verbundenen "Stimm- und sonstigen Verwaltungsrechte"
zustehen. Im Falle einer Veräußerung der Beteiligungen sollte sich der
Nießbrauch am "Netto-Veräußerungserlös" und ggf. an dessen Wiederanlage
fortsetzen.
4
M erklärte, dass der
Freibetrag gemäß § 13a Abs. 1 des Erbschaftsteuer- und
Schenkungsteuergesetzes in der 2002 geltenden Fassung (ErbStG) in voller
Höhe von 256.000 EUR in Anspruch genommen werde. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) versagte jedoch die
Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG und setzte durch Bescheid vom 25.
März 2004 bei einem Erwerb von 666.612 EUR und einer Vorschenkung aus dem
Jahr 2000 in Höhe von 72.603 EUR unter dem Vorbehalt der Nachprüfung
Schenkungsteuer von 87.900 EUR fest. Davon stundete er wegen der
Nießbrauchsbelastung einen Teilbetrag von 23.220 EUR, so dass zunächst nur
64.680 EUR zu zahlen waren. Einspruch und Klage, mit denen die Klägerin auf
den Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG bestand, blieben erfolglos.
5
Das Finanzgericht (FG) war
mit dem in Entscheidungen der Finanzgerichte 2008, 1733 veröffentlichten
Urteil der Ansicht, die Klägerin sei wegen der Ausgestaltung des
vorbehaltenen Nießbrauchs nicht Mitunternehmerin geworden. Zwar habe sie ein
Mitunternehmerrisiko getragen - ihr stehe ein etwaiger Veräußerungserlös zu;
auch liege das Risiko eines Untergangs der Beteiligung bei ihr -; sie könne
jedoch wegen der M vorbehaltenen Stimm- und Verwaltungsrechte keine
Mitunternehmerinitiative entfalten. Dem stehe die Einheitlichkeit ihrer
durch den Hinzuerwerb vergrößerten Kommanditbeteiligung nicht entgegen. Ein
Gesellschafter könne schuldrechtlich gehindert sein, "über Teile seines
Anteils frei zu verfügen". Im Übrigen sei Erwerbsgegenstand eine
Kommanditbeteiligung ohne die sonst damit verbundene Möglichkeit,
Mitunternehmerinitiative zu entfalten.
6
Mit der Revision rügt die
Klägerin die fehlerhafte Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG. Ihr komme
auch Mitunternehmerinitiative zu. Wegen der Einheitlichkeit des vergrößerten
Kommanditanteils in ihrer, der Klägerin, Hand könne M die dem Nießbraucher
sonst zustehenden Stimmrechte nicht ausüben. Vielmehr könnten die
Mitgliedschaftsrechte aus dem einheitlichen Gesellschaftsanteil nur
einheitlich ausgeübt werden. Daher sei der Vorbehalt der Stimm- und
Verwaltungsrechte bezüglich des hinzuerworbenen Anteils durch M unwirksam
oder zumindest undurchführbar. Sie, die Klägerin, sei allerdings
verpflichtet, bei Wahrnehmung ihrer Gesellschafterrechte die Interessen der
M als Nießbraucherin zu berücksichtigen. Unabhängig davon müsse ohnehin in
allen Fällen eines dinglichen Nießbrauchs an einem Gesellschaftsanteil dem
Gesellschafter ein Kernbereich von Mitwirkungsrechten zur eigenen Ausübung
verbleiben. Deshalb sei ein Vorbehalt der Stimm- und Verwaltungsrechte dahin
auszulegen, dass das Stimmrecht dem Nießbraucher nur in laufenden
Angelegenheiten der Gesellschaft zustehen solle.
7
Die Klägerin beantragt,
unter Aufhebung der Vorentscheidung den Schenkungsteuerbescheid vom 25. März
2004 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 9. Februar 2006 dergestalt zu
ändern, dass die Steuervergünstigungen des § 13a ErbStG gewährt werden.
8
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
9
Die Revision ist unbegründet; sie war daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
es zu Recht abgelehnt, der Klägerin die Steuervergünstigungen des § 13a Abs.
1 und 2 ErbStG zu gewähren.
10
1. Gemäß § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG kommen
die Vergünstigungen der Abs. 1 und 2 der Vorschrift in Betracht für
inländisches Betriebsvermögen beim Erwerb u.a. eines Anteils an einer
Gesellschaft i.S. des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 des
Einkommensteuergesetzes (EStG). Dabei sind die genannten
Steuervergünstigungen nur zu gewähren, wenn das von Todes wegen oder durch
Schenkung unter Lebenden erworbene Vermögen durchgehend sowohl beim
bisherigen als auch beim neuen Rechtsträger den Tatbestand des Abs. 4 Nr. 1
der Vorschrift erfüllt (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 10.
Dezember 2008 II R 34/07, BFHE 224, 144, BStBl II 2009, 312, sowie vom 14.
Februar 2007 II R 69/05, BFHE 215, 533, BStBl II 2007, 443).
11
a) Dass das Vermögen auch beim Erwerber den
Anforderungen des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG genügen muss, ergibt sich nicht
nur aus dem Begünstigungszweck der Norm in Verbindung mit den
Nachversteuerungstatbeständen des Abs. 5 der Vorschrift, sondern auch aus
Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). Die Bevorzugung des Betriebsvermögens
gegenüber anderen Vermögensarten bei der Erbschaft- und Schenkungsteuer
bedarf nämlich im Hinblick auf Art. 3 Abs. 1 GG einer Rechtfertigung, wie
sie der Gesetzgeber dem Beschluss des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom
22. Juni 1995 2 BvR 552/91 (BVerfGE 93, 165, BStBl II 1995, 671, unter
C.I.2.b bb) entnommen hat. Das BVerfG hat aber die Milderung des
Steuerzugriffs bei Betriebsvermögen ausdrücklich auf solche Erwerber
beschränkt, die den Betrieb "weiterführen", "aufrechterhalten" und
"fortführen". Diese Wortwahl zeigt, dass das BVerfG einen Erwerber im Blick
hatte, bei dem das erworbene Vermögen Betriebsvermögen geblieben ist. Beim
Erwerb eines Mitunternehmeranteils bedeutet "fortführen", dass auch der
Erwerber Mitunternehmer geworden sein muss (so BFH-Urteil in BFHE 224, 144,
BStBl II 2009, 312, unter II.2.b).
12
b) Ist der Erwerber eines Anteils an einer
Personengesellschaft bereits vor dem Erwerb Gesellschafter der Gesellschaft
gewesen, geht der erworbene Anteil nach herkömmlicher Meinung in einer
einheitlichen Mitgliedschaft mit der bisherigen Beteiligung des Erwerbers
auf (vgl. dazu Koller in Koller/Roth/ Morck, Handelsgesetzbuch, Kommentar,
6. Aufl. 2007, § 124 Rz 2, m.w.N.). Daraus wird abgeleitet, dass der
Erwerber zwangsläufig Mitunternehmer auch bezüglich des in der einheitlichen
Beteiligung aufgegangenen Hinzuerwerbs wird (so Jülicher in Deutsches
Steuerrecht - DStR - 1998, 1977, 1978).
13
Ob an dem Grundsatz der unteilbaren
Mitgliedschaft eines Personengesellschafters auch dann noch festgehalten
werden kann, wenn sich der Schenker einen Nießbrauch an dem zugewendeten
Gesellschaftsanteil vorbehalten hat, ist jedoch fraglich. Zur Wahrung der
Rechte des Nießbrauchers ist die Meinung im Vordringen, dass beim Erwerb
eines nießbrauchsbelasteten Gesellschaftsanteils eine mehrfache Beteiligung
des erwerbenden Gesellschafters zugelassen werden müsse (so Ulmer in
Zeitschrift für das gesamte Handels- und Wirtschaftsrecht Bd. 167, S. 103,
114; Kanzleiter in Freundesgabe für Willi Weichler, 1997, S. 50; Karsten
Schmidt, Gesellschaftsrecht, 4. Aufl. 2002, § 45 I.2.b bb). Für den
Erbenerwerb eines der Testamentsvollstreckung unterliegenden
Gesellschaftsanteils durch einen zuvor schon an der Personengesellschaft
Beteiligten hat bereits der Bundesgerichtshof ausgesprochen, die
Testamentsvollstreckung verhindere die uneingeschränkte Vereinigung der
bisher schon gehaltenen und der hinzuerworbenen Anteile (Beschluss vom 10.
Januar 1996 IV ZB 21/94, Zeitschrift für Erbrecht und Vermögensnachfolge
1996, 110, unter II.2.b).
14
c) Für die Anwendung des § 13a Abs. 4 Nr. 1
ErbStG kann letztlich offen bleiben, ob auch beim Erwerb eines
Gesellschaftsanteils unter Nießbrauchsvorbehalt von der Unteilbarkeit der
Mitgliedschaft abzurücken ist; der Vorschrift ist nämlich nur Genüge getan,
wenn die Mitunternehmerstellung durch den erworbenen Gesellschaftsanteil
vermittelt worden ist. Nur dann kann angenommen werden, der erworbene
Gesellschaftsanteil habe im Sinne eines "Weiter- oder Fortführen des
Betriebes" durchgehend den Tatbestand des § 13a Abs. 4 Nr. 1 ErbStG erfüllt.
Es reichte daher nicht aus, wenn dem Erwerber hinsichtlich des erworbenen
Gesellschaftsanteils nur deshalb eine Mitunternehmerstellung zukäme, weil er
bereits Gesellschafter der Personengesellschaft war, - d.h. wenn sich seine
bisherige Mitunternehmereigenschaft aufgrund der angenommenen Unteilbarkeit
der Mitgliedschaft auf den hinzuerworbenen Anteil erstrecken sollte. Dem
BVerfG ging es nicht um die Sozialgebundenheit des (Betriebs-)Vermögens, das
sich schon vor dem Erwerb des Betriebs bzw. hier des Gesellschaftsanteils in
der Hand des Erwerbers befand (vgl. dazu BFH-Urteil in BFHE 215, 533, BStBl
II 2007, 443, unter II.2.b), sondern um die Sozialgebundenheit des
übertragenen Vermögens. Hat der Gesellschaftsanteil beim Übergang vom
Schenker auf den Beschenkten seine Fähigkeit verloren, kraft eigener
Beschaffenheit dem neuen Inhaber eine Mitunternehmerstellung zu vermitteln,
fehlt es an einem durchgehend vorhandenen Gesellschaftsanteil i.S. des § 13a
Abs. 4 Nr. 1 ErbStG i.V.m. § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Abs. 3 EStG.
15
2. Im Streitfall ist der für M bestellte
Vorbehaltsnießbrauch so ausgestaltet, dass die Mitunternehmerstellung
bezüglich des übertragenen Kommanditanteils bei M verblieben und insoweit
nicht auf die Klägerin übergegangen ist. Damit fehlt es an einem durchgehend
vorhandenen Gesellschaftsanteil, der als solcher eine
Mitunternehmerinitiative vermittelt.
16 Ein nach den Vorgaben des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) ausgestalteter Nießbrauch lässt die Mitunternehmerinitiative des Nießbrauchsbestellers nicht entfallen (so BFH-Urteil vom 1. März 1994 VIII R 35/92, BFHE 175, 231, BStBl II 1995, 241, 245). Im Streitfall haben aber die Vertragspartner über die Vorgaben des BGB hinaus bestimmt, dass die mit der übertragenen Beteiligung an der KG verbundenen "Stimm- und Verwaltungsrechte" der M als Nießbraucherin zustehen sollen. Damit hat M sich entgegen der Ansicht der Klägerin nicht nur die Ausübung der nach ihrem anteiligen Festkapital zu ermittelnden Stimmrechte in laufenden Angelegenheiten vorbehalten - solche Rechte stehen einem Kommanditisten ohnehin nur begrenzt zu -, sondern auch im Bereich der Grundlagengeschäfte (vgl. zur Stimmrechtsproblematik: Karsten Schmidt in Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch, 2. Aufl., Bd. 3, 2007, vor § 230 Rdnr. 21). Verfahren die Gesellschafter danach, ist dies ungeachtet der Gesellschaftsrechtslage zumindest gemäß § 41 Abs. 1 der Abgabenordnung steuerrechtlich beachtlich, zumal die Klägerin aufgrund ihrer schon zuvor gehaltenen Kommanditbeteiligung an den Grundlagengeschäften mitwirken kann und muss. Sie ist durch den Stimmrechtsvorbehalt zugunsten der M nicht von der Mitwirkung an den Grundlagengeschäften ausgeschlossen. Die anderen vier stimmberechtigten Kommanditisten der KG haben dazu im Rahmen der erforderlichen Zustimmung zur schenkweisen Anteilsübertragung ihr Einverständnis erklärt.
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