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EuGH-Urteil vom 28.6.2007 (C-363/05) BStBl. 2010 II S. 573

1. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage ist dahin auszulegen, dass der Begriff „Sondervermögen“ in dieser Bestimmung auch die geschlossenen Investmentfonds wie die „Investment Trust Companies“ (Investmentfondsgesellschaften) umfassen kann.

2. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 ist dahin auszulegen, dass er den Mitgliedstaaten bei der Definition der in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelten Fonds, die für die Zwecke der nach dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen, ein Ermessen einräumt. Bei der Ausübung dieses Ermessens müssen die Mitgliedstaaten jedoch sowohl das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel beachten, das darin besteht, den Anlegern die Anlage in Wertpapiere über Organismen für Anlagen zu erleichtern, als auch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität aus dem Blickwinkel der Mehrwertsteuererhebung in Bezug auf die Kapitalanlagegesellschaften übertragene Verwaltung von Sondervermögen gewährleisten, das mit anderen Investmentfonds wie den in den Anwendungsbereich der Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) in ihrer durch die Richtlinie 2005/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2005 geänderten Fassung fallenden Fonds in Wettbewerb steht.

3. Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388 entfaltet in dem Sinne unmittelbare Wirkung, dass sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht darauf berufen kann, damit eine mit dieser Bestimmung unvereinbare nationale Regelung unangewandt bleibt.

Richtlinie 77/388/EWG Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 Richtlinie 85/611/EWG Art. 1 Art. 2 Abs. 1.

1

Das Vorabentscheidungsersuchen betrifft die Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern – Gemeinsames Mehrwertsteuersystem: einheitliche steuerpflichtige Bemessungsgrundlage (ABl. L 145, S. 1, im Folgenden: Sechste Richtlinie).

2

Dieses Ersuchen ergeht im Rahmen eines Rechtsstreits zwischen der JP Morgan Fleming Claverhouse Investment Trust plc (im Folgenden: Claverhouse) und The Association of Investment Trust Companies, den Klägerinnen des Ausgangsverfahrens, und den Commissioners of HM Revenue and Customs (im Folgenden: Commissioners) wegen der Weigerung der Letztgenannten, die einer „Investment Trust Company“ (Investmentfondsgesellschaft, im Folgenden: ITC) erbrachten Verwaltungsdienstleistungen von der Mehrwertsteuer zu befreien.

Rechtlicher Rahmen

Gemeinschaftsrecht

3

Nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie befreien die Mitgliedstaaten unter den Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen Anwendung der von dieser Richtlinie vorgesehenen Befreiungen sowie zur Verhütung von Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen festsetzen,

„die Verwaltung von durch die Mitgliedstaaten als solche definierten Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften“

von der Mehrwertsteuer.

4

Die Richtlinie 85/611/EWG des Rates vom 20. Dezember 1985 zur Koordinierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften betreffend bestimmte Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) (ABl. L 375, S. 3) in ihrer mehrfach, u. a. durch die Richtlinie 2001/108/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 21. Januar 2002 (ABl. L 41, S. 35) und zuletzt durch die Richtlinie 2005/1/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2005 (ABl. L 79, S. 9), geänderten Fassung (im Folgenden: OGAW-Richtlinie) bestimmt in ihrem Art. 1:

„(1) Die Mitgliedstaaten unterwerfen die in ihrem Gebiet ansässigen Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (OGAW) dieser Richtlinie.

(2) Vorbehaltlich des Artikels 2 sind im Sinne dieser Richtlinie als OGAW diejenigen Organismen anzusehen,

– deren ausschließlicher Zweck es ist, beim Publikum beschaffte Gelder für gemeinsame Rechnung nach dem Grundsatz der Risikostreuung in Wertpapieren und/oder anderen in Artikel 19 Absatz 1 genannten liquiden Finanzanlagen zu investieren, und

– deren Anteile auf Verlangen der Anteilinhaber unmittelbar oder mittelbar zu Lasten des Vermögens dieser Organismen zurückgenommen oder ausgezahlt werden. Diesen Rücknahmen oder Auszahlungen gleichgestellt sind Handlungen, mit denen ein OGAW sicherstellen will, dass der Kurs seiner Anteile nicht erheblich von deren Nettoinventarwert abweicht.

(3) Diese Organismen können nach einzelstaatlichem Recht die Vertragsform (von einer Verwaltungsgesellschaft verwaltete Investmentfonds), die Form des Trust (‚unit trust‘) oder die Satzungsform (Investmentgesellschaft) haben.“

5

Nach Art. 2 Abs. 1 der OGAW-Richtlinie gelten die Organismen für gemeinsame Anlagen in Wertpapieren (im Folgenden: Organismen für gemeinsame Anlagen) des geschlossenen Typs nicht als Organismen für Anlagen im Sinne dieser Richtlinie.

6

Im sechsten Erwägungsgrund der OGAW-Richtlinie heißt es:

„Die Koordinierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten sollte zunächst auf Organismen für gemeinsame Anlagen des nicht geschlossenen Typs beschränkt werden, die ihre Anteile beim Publikum in der Gemeinschaft vertreiben und deren einziges Ziel die Anlage in Wertpapieren ist (im Wesentlichen Wertpapiere, die an Wertpapierbörsen amtlich notiert oder auf ähnlich geregelten Märkten gehandelt werden); die Regelung der Organismen für gemeinsame Anlagen, die nicht unter diese Richtlinie fallen, wirft verschiedene Probleme auf, die durch unterschiedliche Bestimmungen behandelt werden müssen; daher sollten solche Organismen Gegenstand einer späteren Koordinierung sein; …“

Nationales Recht

7

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie wurde im Vereinigten Königreich durch das Mehrwertsteuergesetz (Value Added Tax Act) 1994 (im Folgenden: VATA 1994) umgesetzt.

8

Nach Schedule 9 Group 5 Items 9 und 10 VATA 1994 sind die Verwaltung eines „Authorised Unit Trust“ (zugelassener Investmentfonds, im Folgenden: AUT) und die Verwaltung des Anlagevermögens einer „Open-ended Investment Company“ (offene Investmentgesellschaft, im Folgenden: OEIC) jeweils von der Mehrwertsteuer befreit.

9

Die Begriffe des AUT und der OEIC im Sinne des VATA 1994 werden im Gesetz über finanzielle Dienstleistungen und Märkte (Financial Services and Markets Act) 2000 definiert, mit dem Teile der OGAW-Richtlinie im Vereinigten Königreich umgesetzt worden sind.

10

Aus den Akten geht hervor, dass die Definition der ITC grundsätzlich auf den in Section 842 Einkommen- und Körperschaftsteuergesetz (Income and Corporation Taxes Act) 1988 enthaltenen Kriterien beruht. In dieser Bestimmung werden die Voraussetzungen festgelegt, die eine Gesellschaft erfüllen muss, damit sie als ITC Anspruch auf Befreiung von der Kapitalgewinnsteuer hat.

Ausgangsrechtsstreit und Vorlagefragen

11

Claverhouse ist eine ITC, die sich zur Verwaltung ihrer Portfolios der Verwaltungsdienste eines Dritten, nämlich der JP Morgan Fleming Asset Management (UK) Limited, bediente.

12

Claverhouse ist für die ihr erbrachten Verwaltungsdienstleistungen mehrwertsteuerpflichtig, da die Commissioners es ablehnen, die Erbringung von Verwaltungsdienstleistungen an eine ITC als eine von der Mehrwertsteuer befreite Leistung zu behandeln. Claverhouse entrichtete so über einen Zeitraum von zehn Jahren bis zum 31. Dezember 2003 nicht erstattungsfähige Mehrwertsteuer in Höhe von 2,7 Millionen GBP.

13

Vor diesem Hintergrund erhoben Claverhouse und The Association of Investment Trust Companies, eine Vereinigung, die mehrere auf dem britischen Markt tätige ITC vertritt, beim vorlegenden Gericht Klage gegen die Commissioners.

14

Aus der Vorlageentscheidung geht hervor, dass die AUT, die Trustform haben, und die OEIC, die Satzungsform haben, Sondervermögen sind, bei denen die Zahl der von den Anlegern gehaltenen Anteile bzw. Aktien nach Maßgabe der Anlagen veränderlich ist. Die AUT und die OEIC sind nämlich Fonds mit veränderlichem Kapital (oder offene Fonds), die die von ihnen ausgegebenen Anteile oder Aktien von den Anlegern, die verkaufen möchten, zurückkaufen müssen. Die ITC, die Satzungsform haben, sind dagegen Fonds mit Festkapital (oder geschlossene Fonds). Die ITC sind eine Art der Sammelanlage in Form börsennotierter Aktiengesellschaften. Der Anleger, der seine Beteiligung an diesem Fondstyp beenden möchte, verkauft seine Aktien im Allgemeinen auf einem Sekundärmarkt wie einer Wertpapierbörse, wo der Preis nach Maßgabe von Angebot und Nachfrage auf dem Markt ausgehandelt wird.

15

Das vorlegende Gericht stellt klar, dass die ITC nach dem Gesetz über finanzielle Dienstleistungen und Märkte 2000 anders als die AUT und die OEIC nicht der Zulassung durch die Financial Services Authority (Aufsichtsbehörde für Finanzdienstleistungen) unterliegen. Als börsennotierte Gesellschaften fallen sie jedoch unter die Zuständigkeit der Financial Services Authority in ihrer Eigenschaft als Listing Authority (Börsenbehörde).

16

Das vorlegende Gericht weist ferner darauf hin, dass mit der Verwaltung der AUT und der OEIC ein externer Verwalter betraut werden muss, während die ITC über einen Vorstand verfügen, der die Anlagen verwalten kann. Dennoch vertrauen nach Aussage des vorlegenden Gerichts 90 % der ITC die Anlageverwaltung externen Fondsverwaltern an.

17

Schließlich geht aus der Vorlageentscheidung hervor, dass im Vereinigten Königreich die OEIC mit veränderlichem Kapital, die Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne der OGAW-Richtlinie sind und für die Verwaltung ihrer Fonds auf einen Dritten zurückgreifen müssen, in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung für die Leistungen kommen, die ihnen von ihrem externen Verwalter erbracht werden, während die Investmentgesellschaften mit Festkapital wie die ITC keinen Anspruch auf eine solche Befreiung haben.

18

Unter diesen Umständen hat das VAT and Duties Tribunal London das Verfahren ausgesetzt und dem Gerichtshof folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Kann der Begriff „Sondervermögen“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie auch geschlossene Investmentfonds wie die ITC umfassen?

2. Erlaubt, falls die erste Frage bejaht wird, die Formulierung „durch die Mitgliedstaaten als solche definierten“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie

a) den Mitgliedstaaten, bestimmte in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelte „Sondervermögen“ auszuwählen, die für eine Befreiung der Verwaltungsdienstleistungen von der Steuer in Betracht kommen, und andere von der Steuerbefreiung auszuschließen, oder

b) bedeutet die Formulierung, dass die Mitgliedstaaten, die in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelten Fonds bestimmen müssen, die unter die Definition von „Sondervermögen“ fallen, und dass die Steuerbefreiung sich auf all diese Fonds erstreckt?

3. Wie wirken sich, falls die zweite Frage dahin beantwortet wird, dass die Mitgliedstaaten die „Sondervermögen“ auswählen können, die für eine Befreiung von der Steuer in Betracht kommen, die Grundsätze der steuerlichen Neutralität, der Gleichbehandlung und der Verhinderung von Wettbewerbsverzerrungen auf die Ausübung dieses Ermessens aus?

4. Entfaltet Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie unmittelbare Wirkung?

Zu den Vorlagefragen

Vorbemerkungen

19

Nach ständiger Rechtsprechung sind die in Art. 13 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Steuerbefreiungen eigenständige gemeinschaftsrechtliche Begriffe, die eine gemeinschaftsrechtliche Definition erfordern, damit eine von Mitgliedstaat zu Mitgliedstaat unterschiedliche Anwendung des Mehrwertsteuersystems verhindert wird (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 3. März 2005, Fonden Marselisborg Lystbådehavn, C‑428/02, Slg. 2005, I‑1527, Randnr. 27, vom 26. Mai 2005, Kingscrest Associates und Montecello, C‑498/03, Slg. 2005, I‑4427, Randnr. 22, vom 1. Dezember 2005, Ygeia, C‑394/04 und C‑395/04, Slg. 2005, I‑10373, Randnr. 15, vom 4. Mai 2006, Abbey National, C‑169/04, Slg. 2006, I‑4027, Randnr. 38, und vom 14. Dezember 2006, VDP Dental Laboratory, C‑401/05, Slg. 2006, I‑0000, Randnr. 26).

20

Der Gemeinschaftsgesetzgeber kann die Mitgliedstaaten jedoch mit der Definition bestimmter Begriffe einer Befreiungsvorschrift betrauen (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 28. März 1996, Gemeente Emmen, C‑468/93, Slg. 1996, I‑1721, Randnr. 25, und Abbey National, Randnr. 39).

21

In diesem Fall ist es Sache der Mitgliedstaaten, die fraglichen Begriffe in ihrem innerstaatlichen Recht unter Beachtung der vom Gemeinschaftsgesetzgeber verwendeten Formulierung der Befreiungsvorschrift zu definieren (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 27. April 2006, Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, C‑443/04 und C‑444/04, Slg. 2006, I‑3617, Randnr. 29).

22

Außerdem folgt aus der Rechtsprechung zur Mehrwertsteuer, dass die Mitgliedstaaten, wenn sie die Begriffe einer Befreiung zu definieren haben, die mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziele oder die ihr zugrunde liegenden allgemeinen Grundsätze, insbesondere den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, nicht beeinträchtigen dürfen (vgl. in diesem Sinne Urteile Gemeente Emmen, Randnr. 25, und vom 12. Januar 2006, Turn- und Sportunion Waldburg, C‑246/04, Slg. 2006, I‑589, Randnr. 31).

Zur ersten Frage

23

Mit seiner ersten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob der Begriff „Sondervermögen“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie auch geschlossene Investmentfonds wie die ITC umfassen kann.

24

Anders als die Regierung des Vereinigten Königreichs vertreten die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die Kommission der Europäischen Gemeinschaften die Auffassung, dass der Begriff „Sondervermögen“ geschlossene Investmentfonds wie die ITC umfassen kann.

25

Dazu ist festzustellen, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie den Begriff des Sondervermögens nicht definiert.

26

In Randnr. 53 des Urteils Abbey National hat der Gerichtshof entschieden, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie auf von Kapitalanlagegesellschaften verwaltete Sondervermögen unabhängig von deren Rechtsform abstellt. Unter diese Bestimmung fallen daher sowohl Organismen für gemeinsame Anlagen in Vertrags‑ oder Trustform als auch solche in Satzungsform.

27

Folglich bleibt, wenn für die Subsumtion unter den Begriff „Sondervermögen“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie die Rechtsform nicht ausschlaggebend ist, zu prüfen, ob es insoweit auf die operative Form ankommt.

28

Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Kontext von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie ergibt sich, dass der Gemeinschaftsgesetzgeber die Mitgliedstaaten ermächtigen wollte, bei der Definition der Begriffe der Befreiungsvorschrift nach der von den Sondervermögen gewählten operativen Form zu unterscheiden.

29

Eine Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie, nach der die Verwaltung von offenen Fonds, nicht aber die Verwaltung von geschlossenen Fonds von der Mehrwertsteuer befreit wäre, liefe dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität zuwider, auf dem das mit der Sechsten Richtlinie aufgestellte gemeinsame Mehrwertsteuersystem u. a. beruht und der es nicht zulässt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteile vom 16. September 2004, Cimber Air, C‑382/02, Slg. 2004, I‑8379, Randnrn. 23 und 24, vom 8. Dezember 2005, Jyske Finans, C‑280/04, Slg. 2005, I‑10683, Randnr. 39, und Abbey National, Randnr. 56).

30

Wie nämlich die Generalanwältin in Nr. 21 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, weisen die geschlossenen Fonds keinen relevanten Unterschied auf, der von vornherein ausschlösse, sie genau wie offene Fonds als Sondervermögen im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie einzuordnen.

31

Entgegen der Auffassung der Regierung des Vereinigten Königreichs können die Bestimmungen der OGAW-Richtlinie nicht für eine einschränkende Auslegung des Begriffs „Sondervermögen“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie herangezogen werden.

32

Zwar geht aus den Erwägungsgründen und aus der Fassung der OGAW-Richtlinie hervor, dass diese eine Koordinierung der nationalen Rechtsvorschriften über die Organismen für gemeinsame Anlagen herbeiführen soll, doch war, wie die Generalanwältin in Nr. 22 ihrer Schlussanträge ausgeführt hat, die Gemeinschaftsterminologie im Bereich der Sondervermögen zum Zeitpunkt des Erlasses der Sechsten Richtlinie noch nicht harmonisiert, da die OGAW-Richtlinie, die in ihrem Art. 1 Abs. 3 eine Gemeinschaftsdefinition der Organismen für gemeinsame Anlagen gibt, erst 1985 erlassen wurde (vgl. Urteil Abbey National, Randnr. 55).

33

Selbst wenn manche Sprachfassungen der OGAW-Richtlinie wie u. a. die spanische, die französische, die italienische und die portugiesische in Art. 1 Abs. 3 der Richtlinie bei der Benennung der Organismen für gemeinsame Anlagen, die Vertragsform haben, denselben Ausdruck wie in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie verwenden, um die Vertragsfonds mit veränderlichem Kapital gegen die Fonds in Trustform oder in Satzungsform abzugrenzen, so ist dies bei anderen Sprachfassungen jener Bestimmung wie der englischen, der dänischen und der deutschen nicht der Fall (vgl. in diesem Sinne Urteil Abbey National, Randnr. 55).

34

Schließlich kann nicht eingewandt werden, dass sich die mit der OGAW-Richtlinie eingeführte Harmonisierung nicht auf die geschlossenen Fonds erstrecke. Insoweit ist mit der Kommission festzustellen, dass die geschlossenen Fonds nicht endgültig von den in dieser Richtlinie aufgestellten Koordinierungsmaßnahmen ausgenommen sind. Aus dem sechsten Erwägungsgrund dieser Richtlinie ergibt sich nämlich, dass diese Fonds nur vorübergehend von der Koordinierung durch die Richtlinie ausgenommen sind. Somit ist nicht ausgeschlossen, dass die geschlossenen Investmentfonds in Zukunft harmonisiert werden.

35

Nach alledem kann eine geschlossene Investmentgesellschaft wie eine ITC, die Verwaltungsdienstleistungen eines Dritten in Anspruch nimmt, unter den Begriff „Sondervermögen“ im Sinne von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie fallen.

36

Gegen diese Auslegung spricht auch nicht der Umstand, dass die geschlossenen Fonds nicht verpflichtet sind, sich eines externen Verwalters zu bedienen, sondern sich auch für die Selbstverwaltung entscheiden können. Denn die Tatsache, dass die geschlossenen Fonds wie die ITC anders als die OEIC sich selbst verwalten können und nicht auf eine externe Verwaltung zurückgreifen müssen, hat keinerlei Auswirkung auf die Lage einer ITC, die sich für eine externe Verwaltung entscheidet. Sofern ein solcher Fonds eine externe Verwaltung wählt, befindet er sich objektiv in der gleichen Lage wie ein offener Fonds des Typs OEIC, der sich zwangsläufig eines externen Verwalters bedienen muss.

37

Somit ist auf die erste Frage zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass der Begriff „Sondervermögen“ in dieser Bestimmung auch die geschlossenen Investmentfonds wie die ITC umfassen kann.

Zur zweiten und zur dritten Frage

38

Mit der zweiten und der dritten Frage möchte das vorlegende Gericht im Wesentlichen wissen, welche Bedeutung der Wendung „durch die Mitgliedstaaten als solche definierten“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie zukommt.

39

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens und die Kommission sind der Auffassung, die Mitgliedstaaten seien lediglich befugt, diejenigen der in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelten Fonds zu bestimmen, die unter die Definition von „Sondervermögen“ fielen. Nach Ansicht der Kommission muss ein Fonds, wenn er erst einmal als Sondervermögen anerkannt worden sei, in den Genuss der Mehrwertsteuerbefreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie kommen können. Das Ermessen der Mitgliedstaaten erstrecke sich deshalb nicht auf die tatsächliche Anwendung oder Nichtanwendung der Mehrwertsteuerregelung. Die Kommission fügt hinzu, dass die Bestimmung der Fonds unter Berücksichtigung der OGAW-Richtlinie erfolgen müsse.

40

Die Regierung des Vereinigten Königreichs macht geltend, dass eine weite Auslegung des Begriffs „Sondervermögen“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie zwangsläufig mit einer Auslegung der Wendung „durch die Mitgliedstaaten als solche definierten“ einhergehen müsse, die den Mitgliedstaaten ein weites Ermessen bei der Auswahl der Fonds zubillige, die in den Genuss der Befreiung kommen müssten.

41

Vorab ist darauf hinzuweisen, dass die Aufgabe der materiellen Definition des Begriffs „Sondervermögen“ die Mitgliedstaaten keineswegs ermächtigt, bestimmte in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelte Fonds zwecks einer Befreiung auszuwählen und andere Fonds von dieser Befreiung auszuschließen. Denn wie sich aus Randnr. 21 des vorliegenden Urteils ergibt, ist bei dem den Mitgliedstaaten eingeräumten Ermessen vom Begriff Sondervermögen auszugehen.

42

Eine Auslegung, nach der es den Mitgliedstaaten zukäme, die Investmentfonds auszuwählen, denen die Befreiung gewährt wird, und andere davon auszuschließen, würde aber die Negierung des Begriffs „Sondervermögen“ in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie bedeuten, der eine unterschiedliche Anwendung der Mehrwertsteuerregelung auf solche Fonds verhindern soll.

43

Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie räumt den Mitgliedstaaten daher nur die Befugnis ein, in ihrem innerstaatlichen Recht die Fonds zu definieren, die unter den Begriff des Sondervermögens fallen. Diese Befugnis muss, wie aus Randnr. 22 des vorliegenden Urteils hervorgeht, unter Beachtung des mit der Sechsten Richtlinie verfolgten Ziels und des dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnenden Grundsatzes der steuerlichen Neutralität ausgeübt werden.

44

Deshalb ist zu prüfen, ob die Grenzen des den Mitgliedstaaten mit Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie eingeräumten Ermessens in den Fällen gewahrt sind, in denen ein Steuerpflichtiger beantragt, dass die ihm erbrachten Verwaltungsdienstleistungen der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften zugerechnet werden, um in den Genuss der in dieser Bestimmung vorgesehenen Mehrwertsteuerbefreiung zu kommen.

45

Insoweit ist zum einen festzustellen, dass mit der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung von Umsätzen im Zusammenhang mit der Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften u. a. bezweckt wird, den Anlegern die Anlage in Wertpapiere über Organismen für Anlagen durch den Wegfall der Mehrwertsteuerkosten zu erleichtern. Diese Bestimmung soll nämlich die steuerliche Neutralität des gemeinsamen Mehrwertsteuersystems in Bezug auf die Wahl zwischen unmittelbarer Anlage in Wertpapiere und derjenigen gewährleisten, die durch Einschaltung von Organismen für gemeinsame Anlagen erfolgt (vgl. Urteil Abbey National, Randnr. 62).

46

Was zum anderen den dem gemeinsamen Mehrwertsteuersystem innewohnenden Grundsatz der steuerlichen Neutralität betrifft, so ist daran zu erinnern, dass dieser Grundsatz es nicht zulässt, dass Wirtschaftsteilnehmer, die gleichartige Umsätze tätigen, bei der Erhebung der Mehrwertsteuer unterschiedlich behandelt werden. Dieser Grundsatz verlangt nicht, dass es sich um identische Umsätze handelt. Nach ständiger Rechtsprechung nämlich verbietet er es, gleichartige und infolgedessen miteinander in Wettbewerb stehende Dienstleistungen hinsichtlich der Mehrwertsteuer unterschiedlich zu behandeln (vgl. u. a. Urteile vom 23. Oktober 2003, Kommission/Deutschland, C‑109/02, Slg. 2003, I‑12691, Randnr. 20, vom 17. Februar 2005, Linneweber und Akritidis, C‑453/02 und C‑462/02, Slg. 2005, I‑1131, Randnr. 24, Kingscrest Associates und Montecello, Randnr. 54, vom 8. Juni 2006, L.u.P., C‑106/05, Slg. 2006, I‑5123, Randnr. 32, Turn- und Sportunion Waldburg, Randnr. 33, sowie Solleveld und van den Hout-van Eijnsbergen, Randnr. 39).

47

Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität schließt den Grundsatz der Beseitigung von Wettbewerbsverzerrungen ein, die sich aus einer unterschiedlichen Behandlung hinsichtlich der Mehrwertsteuer ergeben (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 3. Mai 2001, Kommission/Frankreich, C‑481/98, Slg. 2001, I‑3369, Randnr. 22). Die Verzerrung ist nachgewiesen, wenn feststeht, dass Dienstleistungen miteinander in Wettbewerb stehen und hinsichtlich der Mehrwertsteuer ungleich behandelt werden (vgl. in diesem Sinne Urteil vom 29. März 2001, Kommission/Frankreich, C‑404/99, Slg. 2001, I‑2667, Randnrn. 45 bis 47). Dabei kommt es nicht darauf an, ob es sich um eine bedeutende Verzerrung handelt.

48

Nach alledem verstößt jede Anwendung einer nationalen Regelung, die die Verwaltung von geschlossenen Sondervermögen von der in Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie vorgesehenen Befreiung ausschließt, gegen das Ziel dieser Bestimmung und gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität, soweit solche geschlossenen Fonds Organismen für gemeinsame Anlagen sind, die den Anlegern die Anlage in Wertpapiere ermöglichen, und sich im Wettbewerb mit von der Mehrwertsteuer befreiten Fonds befinden.

49

Es ist Sache des nationalen Gerichts, zu prüfen, ob die Anwendung der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden nationalen Regelung im Licht der im vorliegenden Urteil gegebenen Erläuterungen mit dem Ziel von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie und dem Grundsatz der steuerlichen Neutralität in Einklang steht.

50

Hierzu können dem vorlegenden Gericht angesichts der Informationen, die es dem Gerichtshof mitgeteilt hat, einige zusätzliche Hinweise gegeben werden. So hat das Gericht festgestellt, dass jedenfalls die Verwaltung der AUT und der OEIC, die Organismen für gemeinsame Anlagen gemäß der Definition in der OGAW-Richtlinie sind, im Vereinigten Königreich von der Mehrwertsteuer befreit ist. Wenn auch die ITC derzeit keine Organismen für gemeinsame Anlagen im Sinne der OGAW-Richtlinie sind, so sind doch die AUT, die OEIC und die ITC, wie das vorlegende Gericht ausführt, drei Typen gemeinsamer Anlage mit Risikostreuung. Außerdem geht das vorlegende Gericht davon aus, dass Konzept der ITC genau wie der AUT und der OEIC die Wertpapieranlage über einen Organismus für gemeinsame Anlagen ist, was es privaten Anlegern erlaubt, in breite Anlageportfolios zu investieren und damit das Börsenrisiko zu verringern.

51

Aus den dem Gerichtshof unterbreiteten Ausführungen ergibt sich somit, dass die Verwaltung der ITC von der Zielvorgabe der Sechsten Richtlinie erfasst wird und dass die ITC mit den AUT und den OEIC vergleichbare Investmentfonds sind, die unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen. Unter diesen Umständen erscheint der Ausschluss der ITC von der Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie im Licht des Ziels dieser Bestimmung und des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität nicht gerechtfertigt.

52

Wie die Kommission geltend macht, ist die Frage, ob diese Auslegung bewirkt, dass sich die Befreiung nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie auch auf andere als die im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Fonds erstreckt, nicht Gegenstand der dem Gerichtshof zur Vorabentscheidung vorgelegten Fragen.

53

Hinzuzufügen ist, dass die Qualifizierung als „Sondervermögen“ nach nationalem Recht keine ausreichende Rechtfertigung für die Gewährung einer gemeinschaftsrechtlichen Befreiung wie der im Ausgangsverfahren in Rede stehenden ist. Zusätzlich ist erforderlich, dass es sich um Fonds handelt, die unter den Begriff des „Sondervermögens“ im Sinne des Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie fallen und im Licht des Ziels dieser Richtlinie und des Grundsatzes der steuerlichen Neutralität für eine Befreiung in Frage kommen.

54

Nach alledem ist auf die zweite und die dritte Frage zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie dahin auszulegen ist, dass er den Mitgliedstaaten bei der Definition der in ihrem Hoheitsgebiet angesiedelten Fonds, die für die Zwecke der nach dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung unter den Begriff „Sondervermögen“ fallen, ein Ermessen einräumt. Bei der Ausübung dieses Ermessens müssen die Mitgliedstaaten jedoch sowohl das mit dieser Bestimmung verfolgte Ziel beachten, das darin besteht, den Anlegern die Anlage in Wertpapiere über Organismen für Anlagen zu erleichtern, als auch den Grundsatz der steuerlichen Neutralität aus dem Blickwinkel der Mehrwertsteuererhebung in Bezug auf die Kapitalanlagegesellschaften übertragene Verwaltung von Sondervermögen gewährleisten, das mit anderen Investmentfonds wie den in den Anwendungsbereich der OGAW-Richtlinie fallenden Fonds in Wettbewerb steht.

Zur vierten Frage

55

Mit seiner vierten Frage möchte das vorlegende Gericht wissen, ob Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie unmittelbare Wirkung hat.

56

Die Klägerinnen des Ausgangsverfahrens sind der Auffassung, sie könnten sich auf diese Bestimmung berufen. Der bloße Umstand, dass diese den Mitgliedstaaten bei ihrer Definition der Sondervermögen ein gewisses Ermessen zu belassen scheine, schließe die Möglichkeit nicht aus, sich auf sie zu berufen, wenn die nationalen Maßnahmen zu ihrer Umsetzung die Grenzen dieses Ermessens überschritten hätten, weil sie gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität und/oder das Ziel verstießen, das mit der in dieser Bestimmung vorgesehenen Befreiung verfolgt werde. Die Kommission teilt diese Auffassung und fügt hinzu, Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie könne unmittelbar geltend gemacht werden, da die dem Ermessen der Mitgliedstaaten gesetzten Grenzen klar, genau und hinreichend unbedingt seien.

57

Die Regierung des Vereinigten Königreichs ist dagegen der Ansicht, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie keine unmittelbare Wirkung zukomme, weil er weitere Umsetzungsmaßnahmen durch die Mitgliedstaaten erfordere.

58

Insoweit folgt aus der ständigen Rechtsprechung, dass sich der Einzelne in Ermangelung fristgemäß erlassener Umsetzungsmaßnahmen auf Bestimmungen einer Richtlinie, die inhaltlich unbedingt und hinreichend genau sind, gegenüber allen nicht richtlinienkonformen innerstaatlichen Vorschriften berufen kann; er kann sich auf diese Bestimmungen auch berufen, soweit sie so geartet sind, dass sie Rechte festlegen, die der Einzelne dem Staat gegenüber geltend machen kann (vgl. Urteile vom 19. Januar 1982, Becker, 8/81, Slg. 1982, 53, Randnr. 25, vom 10. September 2002, Kügler, C‑141/00, Slg. 2002, I‑6833, Randnr. 51, vom 20. Mai 2003, Österreichischer Rundfunk u. a., C‑465/00, C‑138/01 und C‑139/01, Slg. 2003, I‑4989, Randnr. 98, sowie Linneweber und Akriditis, Randnr. 33).

59

Zum Inhalt von Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie ist festzustellen, dass darin hinreichend genau und unbedingt geregelt ist, dass die Verwaltung von Sondervermögen durch Kapitalanlagegesellschaften von der Steuer befreit werden muss.

60

Der Umstand, dass in dieser Bestimmung ein Ermessensspielraum der Mitgliedstaaten zum Ausdruck kommt, kann diese Auslegung nicht in Frage stellen, wenn die streitige Leistung nach objektiven Anhaltspunkten den Kriterien entspricht, auf die diese Befreiung abstellt (vgl. entsprechend Urteil vom 6. November 2003, Dornier, C‑45/01, Slg. 2003, I‑12911, Randnr. 81).

61

Folglich hindert der Umstand, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie den Mitgliedstaaten mit der Klarstellung, dass sie für die Definition der Sondervermögen zuständig sind, ein Ermessen einräumt, die Betroffenen nicht daran, sich unmittelbar auf diese Bestimmung zu berufen (vgl. entsprechend Urteil Dornier, Randnr. 81), wenn ein Mitgliedstaat in Ausübung dieses Ermessens nationale Maßnahmen erlassen hat, die mit dieser Richtlinie nicht vereinbar sind (vgl. in diesem Sinne Urteil Linneweber und Akriditis, Randnrn. 36 und 37).

62

Auf die vierte Frage ist deshalb zu antworten, dass Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 6 der Sechsten Richtlinie in dem Sinne unmittelbare Wirkung entfaltet, dass sich ein Steuerpflichtiger vor einem nationalen Gericht darauf berufen kann, damit eine mit dieser Bestimmung unvereinbare nationale Regelung unangewandt bleibt.

Kosten

63

Für die Parteien des Ausgangsverfahrens ist das Verfahren ein Zwischenstreit in dem beim vorlegenden Gericht anhängigen Rechtsstreit; die Kostenentscheidung ist daher Sache dieses Gerichts. Die Auslagen anderer Beteiligter für die Abgabe von Erklärungen vor dem Gerichtshof sind nicht erstattungsfähig.