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BFH-Urteil vom 24.11.2009 (I R 12/09) BStBl. 2010 II S. 590
Voraussetzungen für steuerlich beachtliches Treuhandverhältnis
Sind Aktien Gegenstand eines "Treuhandvertrags", so sind auf sie entfallende
Dividenden nur dann steuerlich dem "Treugeber" zuzurechnen, wenn dieser
sowohl nach den mit dem "Treuhänder" getroffenen Absprachen als auch bei
deren tatsächlichem Vollzug das Treuhandverhältnis in vollem Umfang
beherrscht (Bestätigung der BFH-Rechtsprechung).
AO § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2; EStG 1997 § 20
Abs. 2a, § 36 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 2 und 3; FGO § 40 Abs. 2.
Vorinstanz: FG Berlin-Brandenburg vom 16.
Dezember 2008 6 K 923/06 (EFG 2009, 547)
Sachverhalt
I.
1
Die Beteiligten streiten
darüber, ob Aktien steuerlich der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin)
zuzurechnen sind. Streitjahre sind 2000 und 2001.
2
Die Klägerin ist eine GmbH,
deren Gesellschafter ausschließlich Kommunen sind. Gegenstand ihres
Unternehmens ist die Wahrnehmung der kommunal- und gesellschaftsrechtlich
zulässigen Interessenvertretung, insbesondere die Wahrnehmung der Rechte und
Pflichten der kommunalen Aktionäre in einer AG (E-AG). Die E-AG ist ein
Energieversorgungsunternehmen (EVU); die Klägerin soll ihre Gesellschafter
bei der Sicherung einer wirtschaftlichen und ökologischen Energieversorgung
unterstützen.
3
Nach § 4 Abs. 2 Satz 2 des
Kommunalvermögensgesetzes (KVG) hatte jede mit Strom oder Fernwärme
versorgte Kommune im Gebiet des Art. 3 des Einigungsvertrags vom 31. August
1990 einen Anspruch auf Übertragung von Aktien an dem die Versorgung
betreibenden regionalen EVU. Damaliger Energieversorger der an der Klägerin
beteiligten Kommunen war die S-AG, deren Rechtsnachfolgerin die E-AG ist.
Den Gesellschaftern der Klägerin standen rund 26 % der Aktien der S-AG zu;
nach einer Fusion von vier regionalen EVU zur E-AG beträgt ihr Anteil an der
E-AG nunmehr rund 6 %.
4
Im Jahr 1996 schlossen die
Bundesanstalt für vereinigungsbedingte Sonderaufgaben (BvS) und die Klägerin
einen "Vertrag zur treuhänderischen Übertragung der Rechte an und aus den
Aktien an der S-AG". Nach der Präambel dieses Vertrages sollte die Klägerin
die Aktien an der S-AG treuhänderisch für 428 Städte und Gemeinden halten.
Ferner heißt es dort, dass durch die Übertragung der Aktien an der S-AG auf
die Klägerin die vom Einigungsvertrag und vom KVG geschaffene Rechtsposition
der einzelnen Kommunen nicht berührt werde. Die Klägerin sollte die ihr
abgetretenen Rechte nur treuhänderisch für die gemäß § 4 Abs. 2 Satz 2 KVG
anspruchsberechtigten Kommunen wahrnehmen; anderslautende Vereinbarungen
zwischen der Klägerin und einzelnen Kommunen wurden aber ausdrücklich nicht
ausgeschlossen. Weiter verpflichtete sich die Klägerin, die ihr übertragenen
Aktien auf schriftliches Verlangen der Kommunen auf diese zu übertragen. Die
Gewinnausschüttungen sollten den Kommunen zustehen.
5
Am 16. September 1999
schlossen 141 Kommunen mit der Klägerin jeweils als "Treuhandvertrag"
bezeichnete Verträge. Diese enthielten u.a. folgende Regelungen:
6
a) In der Präambel wird auf
die Restitutions- und Kommunalisierungsansprüche der Kommunen nach § 4 KVG
sowie darauf verwiesen, dass die Gesellschafter der Klägerin einen Anspruch
gegen die BvS auf Übertragung von Anteilen an der S-AG hatten. Weiter wird
darauf verwiesen, dass die BvS diese Anteile inzwischen auf die Klägerin
übertragen habe, "welche seither die vorgenannten Aktien treuhänderisch für
die BvS" halte. Schließlich wird erläutert, dass den Kommunen nach den
Restitutions- und Kommunalisierungsvorschriften ein Anspruch gegen die
Klägerin auf Übertragung der Anteile an der E-AG zustehe.
7
b) Nach § 1 hält die
Klägerin die Aktien treuhänderisch für die Kommunen. Das Treuhandverhältnis
ist auf 10 Jahre befristet und soll sich auf 15 Jahre verlängern, sofern ein
Beteiligter dies spätestens ein Jahr vor Fristablauf fordert.
8
c) Nach § 2 Abs. 1 darf die
Klägerin als Treuhänder alle Gesellschaftsrechte ausüben. Die Kommunen sind
von der Ausübung dieser Rechte ausgeschlossen und nicht berechtigt,
Weisungen in Bezug auf das Stimmrecht zu erteilen. Die Erträge der Aktien
stehen nach § 2 Abs. 2 der Klägerin zu. Diese hat keinen Anspruch auf eine
Vergütung und auf Aufwendungsersatz (§ 2 Abs. 3) und muss sich jeder
Verfügung über die Aktien enthalten (§ 2 Abs. 4). Die Kommunen sind nicht
verpflichtet, die Klägerin von Verpflichtungen freizustellen, die aus der
Führung der Treuhand entstehen (§ 2 Abs. 6).
9
d) Als Gegenleistung für die
Einräumung des Treuhandverhältnisses erhalten die Kommunen ein jährliches
Entgelt in Höhe einer marktüblichen Darlehensverzinsung. Ferner heißt es im
Vertrag, dass zur Begrenzung des wirtschaftlichen Risikos der Klägerin der
jährliche Entgeltanspruch der Kommunen nicht entstehe, soweit das über den
Betrag des Stammkapitals hinaus vorhandene Vermögen der Klägerin zur
Erfüllung aller Entgeltansprüche aus den Treuhandverhältnissen nicht
ausreiche.
10
e) Das Treuhandverhältnis
endet mit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der
Klägerin, mit der Abtretung der treuhänderisch für die Kommunen gehaltenen
Aktien an einen Dritten und wenn Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung in
die treuhänderisch gehaltenen Aktien ausgebracht werden (§ 5 Abs. 1 des
Treuhandvertrags). Für diesen Fall tritt die Klägerin die Aktien bereits im
Treuhandvertrag an die Kommunen ab, und zwar aufschiebend bedingt auf den
Zeitpunkt der Beendigung der Treuhand. Nach § 5 Abs. 2 des Vertrags kann das
Treuhandverhältnis von jedem Beteiligten mit einer Frist von sechs Monaten
gekündigt werden; § 5 Abs. 3 sieht vor, dass das Treuhandverhältnis nach
seiner Beendigung nach den vertraglichen und gesetzlichen Regelungen
abgewickelt wird.
11
f) Nach § 6 Abs. 1 des
Vertrags verzichten die Kommunen für die Dauer des Treuhandverhältnisses auf
die Geltendmachung ihrer in der Präambel genannten Ansprüche. Nach § 6
Abs. 2 verzichten die Kommunen mit der vertragsgerechten Beendigung des
Treuhandverhältnisses (vgl. § 5) endgültig auf die in der Präambel genannten
Ansprüche.
12
Im April 2000 nahm die E-AG
eine Gewinnausschüttung für das Geschäftsjahr 1999 vor. Die E-AG stellte für
die auf die Treuhand-Aktien entfallende Dividende der Klägerin eine
Steuerbescheinigung nach § 44 des Körperschaftsteuergesetzes 1999 (KStG
1999) aus; danach beliefen sich die steuerpflichtige Bruttodividende auf
889.063,24 € (1.738.856,56 DM), die anrechenbare Körperschaftsteuer auf
266.718,97 € (521.656,97 DM) und die Kapitalertragsteuer auf 155.586,07 €
(304.299,90 DM).
13
Im April 2001 schüttete die
E-AG den Gewinn für das Geschäftsjahr 2000 aus. Der Klägerin wurde erneut
für die Treuhand-Aktien eine Steuerbescheinigung gemäß § 44 KStG 1999
ausgestellt. Danach betrugen die Bruttodividende 1.066.875,95 €
(2.086.627,99 DM), die anrechenbare Körperschaftsteuer 320.062,79 €
(625.988,40 DM) und die Kapitalertragsteuer 186.703,29 € (365.159,89 DM).
14
Am 24. Oktober 2000 und
17. Oktober 2001 fassten die Gesellschafter der Klägerin Beschlüsse über die
Festlegung der Höhe der Entschädigungen der Kommunen gemäß § 3 der
Treuhandverträge. Die Kommunen hatten danach Anspruch auf Entschädigungen in
Höhe von 806.109,21 € (1.576.612,58 DM) für 2000 und in Höhe von
1.060.670,41 € (2.074.491 DM) für 2001.
15
Die Klägerin aktivierte in
ihren Jahresabschlüssen für die Streitjahre die Treuhand-Aktien im
Anlagevermögen, und zwar als "Treuhandvermögen". In entsprechender Höhe
wurden Treuhandverpflichtungen gegenüber den Kommunen passiviert. Die auf
die Treuhand-Aktien entfallenden Dividenden behandelte sie als
Betriebseinnahmen und die auf die Treuhand-Aktien entfallenden
Entschädigungen zugunsten der Kommunen als Betriebsausgaben.
16
In ihren Steuererklärungen
für die Streitjahre beantragte die Klägerin die Anrechnung der auf die
Treuhand-Aktien entfallenden Körperschaftsteuer und Kapitalertragsteuer. Dem
folgte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in den
angefochtenen Bescheiden nicht. Er ging davon aus, dass zwischen der
Klägerin und ihren Gesellschaftern hinsichtlich der Treuhand-Aktien
Treuhandverhältnisse i.S. von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 der Abgabenordnung
(AO) bestünden, sodass die Aktien den einzelnen Kommunen als
wirtschaftlichen Eigentümern zuzurechnen seien. Daher behandelte er die
Dividenden nicht als Betriebseinnahmen, sondern als verdeckte Einlagen der
Kommunen in die Klägerin; die gezahlten Entschädigungen erfasste er nicht
als Betriebsausgaben der Klägerin, sondern als verdeckte
Gewinnausschüttungen. Zudem rechnete er die auf die Dividenden entfallende
anrechenbare Körperschaftsteuer und die Kapitalertragsteuer nicht an.
17
Das Finanzgericht (FG) hat
die deshalb erhobene Klage hinsichtlich der nunmehr noch streitbefangenen
Bescheide abgewiesen (FG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 16. Dezember 2008
6 K 923/06). Sein Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG)
2009, 547 abgedruckt.
18
Mit ihrer Revision rügt die
Klägerin eine Verletzung materiellen Rechts. Sie beantragt, das Urteil des
FG aufzuheben und die angefochtenen Bescheide dahin zu ändern, dass die
Dividenden der E-AG als Betriebseinnahmen und die Entschädigungen für die
Aktienüberlassung als Betriebsausgaben berücksichtigt werden.
19
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
20
Die Revision ist begründet, soweit sie den
Rechtsstreit wegen Körperschaftsteuer betrifft. Sie führt insoweit gemäß
§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zur Aufhebung des
erstinstanzlichen Urteils und zur antragsgemäßen Änderung der angefochtenen
Bescheide. Im Hinblick auf die ebenfalls angefochtenen
Gewerbesteuer-Messbescheide ist die Revision unbegründet und deshalb
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 FGO).
21
1. Die Entscheidung über die Revision wegen
der Gewerbesteuer-Messbescheide beruht darauf, dass die Klage insoweit
unzulässig war. Denn die Klägerin begehrt eine Erhöhung der ihr gegenüber
festgesetzten Messbeträge, und eine dahin gehende Klage ist regelmäßig
unzulässig. Eine Anfechtungsklage ist nämlich nur zulässig, wenn der Kläger
geltend macht, durch den angefochtenen Verwaltungsakt in seinen Rechten
verletzt zu sein (§ 40 Abs. 2 FGO); die Festsetzung einer zu niedrigen
Steuer oder eines zu niedrigen Messbetrags löst jedoch gemeinhin keine
Rechtsverletzung aus. So liegen die Dinge hinsichtlich der
Gewerbesteuer-Messbescheide im Streitfall, in dem weder die Klägerin
vorgetragen hat noch anderweit erkennbar ist, inwieweit die Rechtsstellung
der Klägerin durch die von ihr angestrebte Änderung jener Bescheide
verbessert werden könnte. Soweit hiernach die Klage unzulässig war, ist die
sie abweisende Entscheidung des FG im Ergebnis richtig, weshalb die Revision
insoweit zurückzuweisen ist (§ 126 Abs. 4 FGO).
22
2. Soweit sie die angefochtenen
Körperschaftsteuerbescheide betraf, war die Klage hingegen zulässig. Die
Klägerin begehrt zwar auch insoweit eine Erhöhung der bislang festgesetzten
Steuer. Eine auf eine höhere Steuerfestsetzung gerichtete Klage kann aber
nach der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs (BFH) u.a. dann zulässig sein,
wenn die Erhöhung der festgesetzten Steuer Voraussetzung für eine Anrechnung
von Körperschaftsteuer nach Maßgabe von § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 des im
Streitfall maßgeblichen Einkommensteuergesetzes 1997 (EStG 1997) oder für
eine Anrechnung von Kapitalertragsteuer gemäß § 36 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 EStG
1997 ist (vgl. BFH-Urteil vom 19. Juli 1994 VIII R 58/92, BFHE 176, 317,
BStBl II 1995, 362, m.w.N.). Ein solcher Sachverhalt liegt, soweit es um die
Festsetzung der Körperschaftsteuer geht, im Streitfall vor. Das FG hat dies
zutreffend dargestellt, und die Beteiligten sind dem nicht entgegengetreten,
weshalb der Senat von weiteren Ausführungen hierzu absieht.
23
3. Die Revision ist im Hinblick auf die
Körperschaftsteuerbescheide begründet. Die streitigen Einkünfte sind bei der
Festsetzung der Körperschafteuer gegenüber der Klägerin zu berücksichtigen.
Der Ansicht des FG, dass jene Einkünfte nicht der Klägerin, sondern deren
Gesellschaftern zuzurechnen seien, folgt der Senat nicht.
24
a) Der von der Klägerin begehrte Ansatz der
Dividenden der E-AG sowie der darauf entfallenden anrechenbaren Steuern als
Einnahmen setzt voraus, dass die betreffenden Einnahmen steuerrechtlich der
Klägerin zuzurechnen sind. Die persönliche Zurechnung von Dividenden richtet
sich nach der hier maßgeblichen Rechtslage nach § 20 Abs. 2a EStG 1997; das
gilt auch dann, wenn - wie im Streitfall - die Anteile an der ausschüttenden
Gesellschaft in einem Betriebsvermögen gehalten werden. Anteilseigner i.S.
des § 20 Abs. 2a Satz 1 EStG 1997 ist derjenige, dem nach § 39 AO die
Anteile an der Kapitalgesellschaft zuzurechnen sind (§ 20 Abs. 2a Satz 2
EStG 1997).
25
b) Nach § 39 Abs. 1 AO sind
Wirtschaftsgüter dem Eigentümer zuzurechnen. "Eigentümer" i.S. dieser
Regelung ist der zivilrechtliche Eigentümer bzw. Inhaber des
Wirtschaftsguts; dies war in Bezug auf die in Rede stehenden Aktien der E-AG
in den Streitjahren die Klägerin. Abweichend von § 39 Abs. 1 AO bestimmt
zwar § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO, dass bei Treuhandverhältnissen die
Wirtschaftsgüter dem Treugeber zuzurechnen sind. Diese Vorschrift greift
jedoch nur dann ein, wenn im konkreten Einzelfall ein steuerlich
anzuerkennendes Treuhandverhältnis besteht. Daran fehlt es im Streitfall.
26
aa) Die Voraussetzungen für das Vorliegen
eines Treuhandverhältnisses sind weder im Zivilrecht noch für das
Steuerrecht gesetzlich bestimmt. Nach ständiger höchstrichterlicher
Rechtsprechung führt jedoch nicht jede als "Treuhandvertrag" bezeichnete
Vereinbarung zum Vorliegen eines steuerlich anzuerkennenden
Treuhandverhältnisses (Senatsurteil vom 20. Januar 1999 I R 69/97, BFHE 188,
254, BStBl II 1999, 514). Ein solches ist vielmehr nur dann gegeben, wenn
die mit der rechtlichen Eigentümer- bzw. Inhaberstellung verbundene
Verfügungsmacht so zu Gunsten des Treugebers eingeschränkt ist, dass das
rechtliche Eigentum bzw. die rechtliche Inhaberschaft als "leere Hülle"
erscheint (Senatsurteil in BFHE 188, 254, 258, BStBl II 1999, 514, 516). Der
Treugeber muss das Treuhandverhältnis beherrschen, und zwar nicht nur nach
den mit dem Treuhänder getroffenen Absprachen, sondern auch bei deren
tatsächlichem Vollzug (BFH-Urteile vom 15. Juli 1997 VIII R 56/93, BFHE 183,
518, BStBl II 1998, 152). Es muss zweifelsfrei erkennbar sein, dass der
Treuhänder ausschließlich für Rechnung des Treugebers handelt (Senatsurteil
vom 28. Februar 2001 I R 12/00, BFHE 194, 320, 323 f., BStBl II 2001, 468,
470).
27
Wesentliches und im Grundsatz
unverzichtbares Merkmal einer solchen Beherrschung ist eine Weisungsbefugnis
des Treugebers - und damit korrespondierend die Weisungsgebundenheit des
Treuhänders - in Bezug auf die Behandlung des Treuguts (Senatsurteil in BFHE
188, 254, 258, BStBl II 1999, 514, 516). Zudem muss der Treugeber berechtigt
sein, jederzeit die Rückgabe des Treuguts zu verlangen (BFH-Urteil in BFHE
183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156, m.w.N.), wobei die Vereinbarung
einer angemessenen Kündigungsfrist unschädlich ist (BFH-Urteil vom
10. Dezember 1992 XI R 45/88, BFHE 170, 487, 492, BStBl II 1993, 538, 540).
Die Vereinbarung eines Treuhandentgelts ist nicht notwendige Bedingung, kann
aber ein Anzeichen für das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses sein
(BFH-Urteil in BFHE 183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156). Schließlich
kommt bei der Frage nach der Durchführung einer Treuhandvereinbarung der
bilanziellen Behandlung des Treuguts indizielle Bedeutung zu (BFH in BFHE
183, 518, 527, BStBl II 1998, 152, 156; Schmieszek in Beermann/Gosch,
Abgabenordnung, Finanzgerichtsordnung, § 39 AO Rz 36.1).
28
bb) Im Streitfall steht dem Vorliegen eines
Treuhandverhältnisses i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO zum einen
entgegen, dass die Kommunen der Klägerin keine Weisungen dazu erteilen
konnten, wie die mit den E-AG-Aktien verbundenen Rechte auszuüben waren. Ein
solches Weisungsrecht war nach den maßgeblichen Verträgen ausdrücklich
ausgeschlossen. Es wird nicht in ausreichender Weise dadurch ersetzt, dass
die Kommunen in der Gesellschafterversammlung der Klägerin auf ein
bestimmtes Vorgehen hinwirken konnten. Denn entsprechende Anweisungen an die
Organe der Klägerin konnte zwar die Gesellschafterversammlung mit der dafür
notwendigen Mehrheit beschließen; die einzelne Kommune war insoweit aber der
Mehrheitsentscheidung unterworfen und konnte in ihrer Eigenschaft als
Gesellschafterin der Klägerin nicht durchsetzen, dass bestimmte ihr selbst
zuzuordnende Anteile von der Klägerin ggf. anders als nach Maßgabe des
Gesellschafterbeschlusses zur Geltung gebracht wurden. In diesem Punkt hatte
die Klägerin mithin gegenüber einer jeden Kommune eine autonome
Entscheidungsbefugnis, was dagegen spricht, ihre zivilrechtliche Stellung in
Bezug auf die E-AG-Aktien als "leere Hülle" anzusehen. Auf die Frage, ob und
ggf. in welchem Umfang entsprechende Interessenkonflikte in der Praxis
tatsächlich aufgetreten sind, kommt es in diesem Zusammenhang nicht an.
29
Der Streitfall ist in diesem Punkt nicht
mit demjenigen vergleichbar, der Gegenstand des BFH-Urteils in BFHE 170,
487, BStBl II 1993, 538 war. Dort ging es um die Beteiligung an einer KG,
deren Kommanditanteile von einer Treuhänderin gehalten wurden; die Treugeber
waren in einer GbR verbunden und hatten vermittels dieser GbR ihre
Beteiligungen an der KG zum Gegenstand des Treuhandvertrags gemacht. Der BFH
hat im Urteilsfall die Eigenschaft der Kommanditisten als Mitunternehmer der
KG nicht daran scheitern lassen, dass diese ihre Gesellschafterrechte nur im
Rahmen der GbR ausüben konnten. Das ist aber schon deshalb gerechtfertigt,
weil die einzelnen Treugeber innerhalb der KG keine bessere Stellung gehabt
hätten, wenn sie sich unmittelbar in GbR - und ohne Einschaltung eines
Treuhänders - an dieser beteiligt hätten. Dieser Gedanke kann im Streitfall
nicht durchgreifen.
30
Das Fehlen einer Weisungsbefugnis der
Kommunen ist für die Frage nach dem Vorliegen eines steuerrechtlich
anzuerkennenden Treuhandverhältnisses ungeachtet dessen von Bedeutung, dass
die Kommunen berechtigt waren, ihre Verträge mit der Klägerin unter
Einhaltung einer Frist von sechs Monaten zu kündigen. Das FG weist zwar zu
Recht darauf hin, dass auf diese Weise jede einzelne Kommune in die Lage
versetzt wurde, im Fall einer Missachtung ihrer Wünsche das
Vertragsverhältnis kurzfristig zu beenden und die uneingeschränkte
Verfügungsbefugnis über die ihr zustehenden E-AG-Aktien zu erlangen. Es mag
auch richtig sein, dass eine Kommune im Einzelfall hätte versuchen können,
unter Hinweis auf diese Möglichkeit die Klägerin zu einem bestimmten Umgang
mit ihren Gesellschafterrechten zu bewegen. Daraus kann aber entgegen der
Ansicht des FG nicht abgeleitet werden, dass die vertraglich bestimmte
Weisungsfreiheit der Klägerin "ausgehöhlt" gewesen und unter diesem
Gesichtspunkt unbeachtlich sei. Denn eine solche Handhabung würde dazu
führen, dass die für ein Treuhandverhältnis notwendige Weisungsgebundenheit
durch das Vorliegen einer kurzfristigen Kündigungsmöglichkeit ersetzt würde.
Das wäre mit der Rechtsprechung des BFH, die das Vorliegen beider Momente
verlangt, nicht vereinbar.
31
cc) Zudem hat die Klägerin auch vom
wirtschaftlichen Ergebnis her die E-AG-Aktien nicht ausschließlich für
Rechnung der Kommunen gehalten. Zwar mag es zutreffen, dass nach den
vertraglichen Vereinbarungen jede Steigerung und jedes Absinken des Werts
der E-AG-Aktien nur den Kommunen zum Vorteil bzw. zum Nachteil gereichte, da
diese von der Klägerin nur eine Übertragung der ihnen zustehenden Aktien
verlangen konnten. Die Revision weist aber zu Recht darauf hin, dass nach
den Feststellungen des FG der Klägerin die Differenz zwischen den von der
E-AG gezahlten Dividenden und den an die Kommunen zu zahlenden Entgelten in
Höhe einer "marktüblichen Darlehensverzinsung" verblieben ist und dass es
sich dabei um von Jahr zu Jahr schwankende Beträge handelte. Der Klägerin
stand mithin nicht nur ein festes oder ein an Wert oder Ertrag der Aktien
bemessenes Treuhandentgelt zu; vielmehr wirkte sich insbesondere dann, wenn
der Dividendenertrag hoch und das Marktzinsniveau niedrig war, dieses
Verhältnis ausschließlich zu ihren Gunsten aus. Insoweit ähnelte das
Verhältnis zwischen ihr und den Kommunen demjenigen bei einem
fremdfinanzierten Erwerb von Wertpapieren. Dass für den umgekehrten Fall des
nicht ausreichenden Dividendenertrags die Zahlungspflicht der Klägerin
gegenüber den Kommunen auf die tatsächlich erwirtschafteten Mittel begrenzt
war, rechtfertigt für sich genommen nicht die Annahme, dass bei
wirtschaftlicher Betrachtung die Kommunen als die "wahren" Gesellschafter
der E-AG anzusehen sind. Dessen bedürfte es aber für das Vorliegen eines
Treuhandverhältnisses i.S. des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 2 AO.
32
dd) Die Rechtsprechung zum Übergang des
wirtschaftlichen Eigentums beim Erwerb von Anteilen an Kapitalgesellschaften
(BFH-Urteil vom 11. Juli 2006 VIII R 32/04, BFHE 214, 326, BStBl II 2007,
296), auf die das FG vor allem abgestellt hat, ist im Streitfall nicht
einschlägig. Sie betrifft nämlich die Frage, von welchem Zeitpunkt an der
neue rechtliche Inhaber des Anteils eine Rechtsposition innehat, die den
Vorgaben des § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO entspricht. Darum geht es im
Zusammenhang mit der Frage nach dem Vorliegen eines Treuhandverhältnisses
schon deshalb nicht, weil ein Treuhandverhältnis im Allgemeinen nicht dazu
führt, dass der Treuhänder den Treugeber - wie von § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1
AO verlangt - für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das
Treugut ausschließen kann. Ein Treuhandverhältnis kann vielmehr auch dann
bestehen, wenn der Treugeber das Treugut vor dessen Abnutzung zurückerhalten
soll. Das schließt die Annahme aus, dass beide Sachverhalte nach denselben
Maßstäben beurteilt werden müssten. Deshalb kann insbesondere die
Feststellung der einzelnen Merkmale eines Treuhandverhältnisses nicht durch
eine Gesamtbildbetrachtung ersetzt werden, selbst wenn eine solche im
Zusammenhang mit § 39 Abs. 2 Nr. 1 Satz 1 AO angezeigt ist. Diese Merkmale
liegen indessen im Streitfall nicht vollständig vor.
33
ee) Schließlich spricht auch die
bilanzielle Behandlung des Vorgangs durch die Klägerin nicht eindeutig für
das Vorliegen eines Treuhandverhältnisses. Das FG hat dazu zwar einerseits
festgestellt, dass die Klägerin die in Rede stehenden Aktien als
"Treuhandvermögen" ausgewiesen und zudem "Treuhandverpflichtungen" gegenüber
den Kommunen passiviert hat. Andererseits hat die Klägerin aber die von ihr
vereinnahmten Dividenden als Betriebseinnahmen und die an die Kommunen
gezahlten Entgelte als Betriebsausgaben behandelt, was der Verbuchung und
Bilanzierung im Fall eines Handelns nicht nur im eigenen Namen, sondern auch
auf eigene Rechnung entspricht. Demgegenüber hätte es der buchtechnischen
Umsetzung eines Treuhandverhältnisses entsprochen, die Ausschüttungsbeträge
entweder ebenfalls als "Treuhandvermögen" oder als "durchlaufende Posten"
auszuweisen (vgl. Senatsurteil in BFHE 194, 320, 325, BStBl II 2001, 468,
470). Dass dies nicht geschehen ist, steht zusätzlich der Annahme entgegen,
dass die Klägerin eindeutig und zweifelsfrei für Rechnung der Kommunen
gehandelt habe.
34
4. Im Ergebnis sind hiernach die streitigen
Einkünfte der Klägerin zuzurechnen. Über die Höhe dieser Einkünfte besteht
zwischen den Beteiligten kein Streit. Der Senat hat keine Anhaltspunkte
dafür, dass die dazu von der Klägerin gemachten Angaben unzutreffend sein
könnten, und setzt die Körperschaftsteuer deshalb antragsgemäß fest. Die
Berechnung der festgesetzten Beträge wird gemäß § 121 Satz 1 i.V.m. § 100
Abs. 2 Satz 2 FGO dem FA übertragen.
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