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BFH-Urteil vom 27.1.2010 (I R 103/08) BStBl. 2010 II S. 614
Keine Rückstellungen für Sanierungsgelder der Versorgungsanstalt des Bundes
und der Länder (VBL)
Für
die ab dem Jahr 2002 an die VBL abzuführenden sog. Sanierungsgelder waren in
den Bilanzen der an der VBL Beteiligten zum 31. Dezember 2001 keine
Rückstellungen zu bilden.
EStG § 5 Abs. 1 Satz 1; HGB § 249 Abs. 1
Satz 1.
Vorinstanz: FG Münster vom 26. August 2008
9 K 1660/05 K (EFG 2008, 1942)
Sachverhalt
I.
1
Streitpunkt sind
Rückstellungen, die die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und eine
ihrer Organgesellschaften in ihren Bilanzen zum 31. Dezember 2001
(Streitjahr) für sog. Sanierungsgelder, die sie künftig an die
Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder (VBL) zu erbringen haben,
gebildet haben.
2
Die Klägerin ist eine im
Jahr 1998 gegründete GmbH, deren Gesellschafter kommunale
Gebietskörperschaften sind. Ihr Gegenstand ist die Energieerzeugung und der
Energiehandel zur Weiterlieferung an kommunale Stadtwerke. Die Klägerin ist
Organträgerin einer körperschaftsteuerlichen Organschaft mit der O-GmbH.
3
Die Klägerin und die O-GmbH
sind als Mitglieder des Abrechnungsverbands West an der VBL beteiligt. Diese
gewährt Arbeitnehmern ihrer Beteiligten Anwartschaften und Ansprüche auf
zusätzliche Alters-, Erwerbsminderungs- und Hinterbliebenenversorgung. Die
VBL erbrachte ihre Leistungen zunächst im Rahmen einer Gesamtversorgung.
Diese war dadurch gekennzeichnet, dass die Leistungen aus der gesetzlichen
Rentenversicherung durch die hinzutretende VBL-Rente im Ergebnis annähernd
auf das Niveau der nach beamtenversorgungsrechtlichen Grundsätzen zu
erwartenden Versorgung angehoben wurde. Die laufenden Rentenleistungen
wurden im Umlageverfahren aus den laufenden Beiträgen erbracht.
4
Dieses System war aus
verschiedenen Gründen nicht mehr finanzierbar. Durch den Tarifvertrag
"Altersvorsorgeplan 2001" vom 13. November 2001 schlossen die
Tarifvertragsparteien deshalb das Gesamtversorgungssystem zum 1. Januar
2001. Nach diesem Stichtag erwarben die Versicherten ihre Anwartschaften in
einem Betriebsrentensystem nach einem Punktemodell. Die laufenden Leistungen
wurden weiterhin im Umlageverfahren aufgebracht. Auf Seiten der Versicherten
wurden die Leistungsansprüche künftiger Versorgungsberechtigter - unter
Gewährung weitgehenden Vertrauensschutzes für Rentenbezieher und rentennahe
Jahrgänge - um durchschnittlich 20 % abgesenkt. Die durch die Arbeitgeber an
die VBL abzuführende Umlage wurde ab dem 1. Januar 2002 wie folgt bemessen
(jeweils in % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts der
Pflichtversicherten):
– Beitrag des Arbeitgebers:
6,45 % (unverändert),
– Beitrag des Arbeitnehmers:
1,41 % (zuvor 1,25 %),
– vom Arbeitgeber zu
tragendes Sanierungsgeld:
durchschnittlich 2,0 %; für
die Arbeitgebergruppe, der die Klägerin angehört, jedoch 1,85 % (zuvor nicht
erhoben).
5
Insgesamt hatte die Klägerin
nunmehr Beträge in Höhe von 9,71 % des zusatzversorgungspflichtigen Entgelts
ihrer Arbeitnehmer an die VBL abzuführen; bis zum 31. Dezember 2001 belief
sich dieser Satz hingegen auf lediglich 7,7 %.
6
Die Erhebung des
Sanierungsgelds beruht auf § 65 der Satzung der VBL vom 22. November 2002
(VBL-Satzung), die mit Rückwirkung zum 1. Januar 2001 in Kraft getreten ist
(Bundesanzeiger vom 3. Januar 2003). Eine entsprechende Regelung war bereits
im Tarifvertrag "Altersversorgungsplan 2001" festgelegt worden. § 65
VBL-Satzung lautet:
7
"(1) Infolge der Schließung
des Gesamtversorgungssystems und des Wechsels vom Gesamtversorgungssystem
zum Punktemodell erhebt die Anstalt entsprechend dem periodischen Bedarf von
den Beteiligten im Abrechnungsverband West ab 1. Januar 2002 pauschale
Sanierungsgelder zur Deckung eines zusätzlichen Finanzierungsbedarfs, der
über die Einnahmen bei dem Umlagesatz von 7,86 v.H. hinausgeht und der zur
Finanzierung der vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und
Ansprüche (Altbestand) dient. Sanierungsgelder werden erhoben, solange das
Anstaltsvermögen, soweit es dem Abrechnungsverband West zuzurechnen ist, am
Ende des Deckungsabschnitts ohne Berücksichtigung von Sanierungsgeldern den
versicherungsmathematischen Barwert der zu diesem Zeitpunkt bestehenden und
vor dem 1. Januar 2002 begründeten Anwartschaften und Ansprüche
voraussichtlich unterschreitet. Bei der Ermittlung des Barwerts sind ein
Rechnungszins von 3,25 v.H. während der Anwartschaftsphase und 5,25 %
während des Rentenbezugs sowie eine Dynamisierungsrate der Renten ab
Rentenbeginn von 1 v.H. jährlich zu berücksichtigen.
8
(2) Die Gesamthöhe der
Sanierungsgelder wird im Deckungsabschnitt auf der Grundlage eines
versicherungsmathematischen Gutachtens von der Anstalt festgesetzt; die
Feststellung nach § 64 Abs. 2 ist zu beachten. Ab 1. Januar 2002 entspricht
die Gesamthöhe der Sanierungsgelder 2,0 v.H. der
zusatzversorgungspflichtigen Entgelte aller Pflichtversicherten im Jahr
2001. Die Summe dieser Entgelte ist jährlich entsprechend der Anpassung der
Betriebsrenten (§ 39) zu erhöhen. Ändert sich der periodische Bedarf, sind
die Sanierungsgelder in dem Umfang anzupassen, wie dies zur Deckung des
Mehrbedarfs für den Altbestand, der über den Umlagesatz von 7,86 v.H.
hinausgeht, erforderlich ist.
9
(3) Die auf die Beteiligten
entfallenden Sanierungsgelder für das jeweilige Kalenderjahr werden jährlich
bis 30. November des Folgejahres nach dem für das jeweilige Kalenderjahr
ermittelten Verhältnis der neunfachen Rentensumme aller Renten zuzüglich der
Entgeltsumme aller Pflichtversicherten zu der auf den Beteiligten
entfallenden neunfachen Rentensumme zuzüglich der Entgeltsumme seiner
Pflichtversicherten betragsmäßig festgesetzt.
10
(4) Für die Beteiligten, die
einem Arbeitgeberverband angehören, ist ein Betrag nach Maßgabe des Absatzes
3 festzulegen, indem die auf sie entfallenden Rentensummen und die
Entgeltsummen ihrer Pflichtversicherten zusammengerechnet werden. (...)
Folgende Aufgliederung der Beteiligten ist damit im Rahmen der Festlegung
des Sanierungsgeld-Betrags zugrunde zu legen:
a) Bund (...),
b) Mitgliedsländer der
Tarifgemeinschaft deutscher Länder (...),
c) Mitglieder kommunaler
Arbeitgeberverbände (...),
d) sonstige Arbeitgeber
(...).
11
(6) Die Beteiligten
entrichten in entsprechender Anwendung des § 64 Abs. 6 monatliche
Abschlagszahlungen für die auf sie entfallenden Sanierungsgelder in Form
eines vorläufigen Vomhundertsatzes der zusatzversorgungspflichtigen Entgelte
aller Pflichtversicherten des Beteiligten. (...)"
12
Für das Jahr 2001 wurden
gemäß § 65 Abs. 1 der VBL-Satzung noch keine Sanierungsgelder erhoben. In
ihren Steuerbilanzen zum 31. Dezember des Streitjahrs bildeten die Klägerin
und die O-GmbH im Hinblick auf das Sanierungsgeld Rückstellungen für
ungewisse Verbindlichkeiten (Klägerin: 354.000 DM; O-GmbH: 20.904.000 DM).
Diese Beträge ermittelten die Klägerin und die O-GmbH, indem sie das
Sanierungsgeld, das sich für 2001 ergeben hätte, wenn die ab 2002 geltende
Regelung bereits zuvor anwendbar gewesen wäre, kapitalisierten und dabei
eine unbegrenzte Laufzeit annahmen. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA -) berücksichtigte die Rückstellungen in Änderungsbescheiden
zum Körperschaftsteuerbescheid der Klägerin für das Streitjahr nicht.
13
Die deswegen erhobene Klage
blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) Münster hat sie mit Urteil vom
26. August 2008 9 K 1660/05 K, das in Entscheidungen der Finanzgerichte
(EFG) 2008, 1942 abgedruckt ist, als unbegründet abgewiesen. Seiner
Auffassung nach fehlt es an dem für die Rückstellungsbildung erforderlichen
wirtschaftlichen Bezug der Verpflichtungen zum Zeitraum vor dem
Bilanzstichtag.
14
Gegen das FG-Urteil richtet
sich die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der
Klägerin.
15
Mit Bescheid vom 25. Juni
2009 hat das FA während des Revisionsverfahrens den
Körperschaftsteuerbescheid 2001 erneut geändert. Die Beteiligten haben
übereinstimmend erklärt, dass der Streitstoff von der Änderung nicht
betroffen ist.
16
Die Klägerin beantragt, das
FG-Urteil und den Körperschaftsteuerbescheid 2001 in Gestalt des
Änderungsbescheids vom 25. Juni 2009 insoweit abzuändern, als darin eine
Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten für die an die VBL zu
entrichtenden Sanierungsgelder der Klägerin sowie der O-GmbH, in Höhe von
insgesamt 21.258.000 DM unter gegenläufiger Anpassung der
Gewerbesteuerrückstellung zu berücksichtigen ist.
17
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
18
Die Revision bleibt in der Sache ohne
Erfolg.
19
1. Das angefochtene Urteil ist aus
verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. An die Stelle des vor dem FG
angefochtenen Änderungsbescheids vom 3. November 2004 ist während des
Revisionsverfahrens der geänderte Bescheid des FA vom 25. Juni 2009
getreten. Da dem FG-Urteil ein nicht mehr existierender Bescheid zugrunde
liegt, kann es keinen Bestand haben (vgl. Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH
- vom 3. August 2005 I R 94/03, BFHE 210, 398, BStBl II 2006, 20; vom
28. August 2003 IV R 20/02, BFHE 203, 143, BStBl II 2004, 10).
20
Der Änderungsbescheid vom 25. Juni 2009
wurde gemäß § 68 Satz 1 i.V.m. § 121 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO)
zum Gegenstand des Verfahrens. Einer Zurückverweisung der Sache an das FG
zur erneuten Verhandlung und Entscheidung gemäß § 127 FGO bedarf es nicht,
weil die Sache spruchreif ist. Die vom FG getroffenen tatsächlichen
Feststellungen werden von dem Änderungsbescheid nicht berührt und bilden
unverändert die Grundlage für die Entscheidung des erkennenden Senats. Diese
kann in der Sache selbst ergehen (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 FGO).
21
2. Die Klage ist unbegründet und deshalb
abzuweisen. FA und FG haben die von der Klägerin und der O-GmbH gebildeten
Rückstellungen für die an die VBL künftig zu leistenden Sanierungsgelder zu
Recht nicht ergebnismindernd berücksichtigt.
22
a) Gemäß § 8 Abs. 1 des
Körperschaftsteuergesetzes i.V.m. § 4 Abs. 1, § 5 Abs. 1 Satz 1 des
Einkommensteuergesetzes (EStG) hat die Klägerin in ihren Bilanzen das
Betriebsvermögen anzusetzen, das nach den handelsrechtlichen Grundsätzen
ordnungsmäßiger Buchführung (GoB) auszuweisen ist. Die handelsrechtlichen
GoB ergeben sich insbesondere aus den Bestimmungen des Ersten Abschnitts des
Dritten Buchs "Vorschriften für alle Kaufleute" der §§ 238 ff. des
Handelsgesetzbuchs (HGB).
23
b) Gemäß § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB sind
Rückstellungen für ungewisse Verbindlichkeiten zu bilden. Voraussetzung für
die Bildung einer Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist nach
ständiger Rechtsprechung des BFH entweder - erstens - das Bestehen einer dem
Betrage nach ungewissen, dem Grunde nach aber bestehenden Verbindlichkeit
oder - zweitens - die hinreichende Wahrscheinlichkeit des künftigen
Entstehens einer - ggf. zugleich auch ihrer Höhe nach noch ungewissen -
Verbindlichkeit (vgl. Senatsurteil vom 20. August 2008 I R 19/07, BFHE 222,
494, m.w.N.). Diese Voraussetzungen sind im Einzelfall auf der Grundlage
objektiver, am Bilanzstichtag vorliegender Tatsachen aus der Sicht eines
sorgfältigen und gewissenhaften Kaufmanns zu beurteilen (Senatsurteil vom
30. Januar 2002 I R 68/00, BFHE 197, 530, BStBl II 2002, 688). Dieser muss
darüber hinaus ernsthaft mit seiner Inanspruchnahme rechnen müssen (vgl.
BFH-Urteil vom 19. Oktober 1993 VIII R 14/92, BFHE 172, 456, BStBl II 1993,
891, m.w.N.). Für die Passivierung rechtlich noch nicht bestehender
Verbindlichkeiten ist des Weiteren ein wirtschaftlicher Bezug der
möglicherweise entstehenden Verbindlichkeit zum Zeitraum vor dem jeweiligen
Bilanzstichtag erforderlich (vgl. BFH-Urteile vom 27. Juni 2001 I R 45/97,
BFHE 196, 216, BStBl II 2003, 121; vom 30. Januar 2002 I R 71/00, BFHE 198,
420, BStBl II 2003, 279; vom 30. November 2005 I R 110/04, BFHE 212, 83,
BStBl II 2007, 251; vom 13. Dezember 2007 IV R 85/05, BFHE 220, 117, BStBl
II 2008, 516).
24
c) Nach diesen Maßgaben lagen am
Bilanzstichtag 31. Dezember 2001 die Voraussetzungen für die Bildung von
Rückstellungen für die Sanierungsgelder nicht vor.
25
aa) Die Ansprüche der VBL gegen die
Klägerin und die O-GmbH auf Leistung der Sanierungsgelder waren zum
Bilanzstichtag zwar für die Rückstellungsbildung hinreichend wahrscheinlich,
jedoch rechtlich noch nicht entstanden.
26
Die Satzungsänderung, mit der die
Bestimmung des § 65 VBL-Satzung über die Erhebung der Sanierungsgelder
geschaffen worden ist, ist am 22. November 2002 wirksam geworden, mithin
nach dem Bilanzstichtag. Dass die Satzungsänderung mit Rückwirkung zum
1. Januar 2001 beschlossen worden ist, ändert nichts daran, dass es sich bei
der Änderung um ein zeitlich nach dem Bilanzstichtag eingetretenes Ereignis
handelt. Erst durch dieses Ereignis sind Rechtspflichten der Klägerin und
der O-GmbH begründet worden, die in Rede stehenden Zahlungen zu leisten.
27
Ob - wie die Revision meint - bereits durch
den Abschluss des Tarifvertrages "Altersvorsorgeplan 2001" am 13. November
2001, in dem sich auch Bestimmungen über die Erhebung der Sanierungsgelder
zur Deckung der zu erwartenden Finanzierungslücke bei den
Zusatzversorgungskassen finden, diese betreffende Rechtspflichten im
Verhältnis zwischen den Tarifvertragsparteien oder im Verhältnis der an der
VBL beteiligten Arbeitgeber begründet worden sind, kann offenbleiben. Denn
eine Verpflichtung ist erst dann in dem für die Bilanzierung maßgeblichen
Sinne rechtlich entstanden, wenn der Tatbestand verwirklicht ist, an den die
Leistungspflicht geknüpft ist (BFH-Urteile vom 12. Dezember 1991 IV R 28/91,
BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600; vom 19. Mai 1987 VIII R 327/83, BFHE 150,
140, BStBl II 1987, 848; vgl. auch BFH-Urteil in BFHE 220, 117, BStBl II
2008, 516). Im Streitfall erforderte die Begründung einer auf die
Sanierungsgelder bezogenen Leistungspflicht aber jedenfalls noch der
Verankerung der entsprechenden Beitragspflichten in der Satzung der VBL, die
zum Bilanzstichtag noch nicht erfolgt war.
28
bb) Der sonach für die Passivierung
erforderliche wirtschaftliche Bezug der dem Grunde und der Höhe nach
ungewissen Verpflichtungen zur Zahlung der Sanierungsgelder zum Zeitraum vor
dem 31. Dezember 2001 ist nicht gegeben.
29
aaa) Der Vergangenheitsbezug setzt voraus,
dass die wirtschaftlich wesentlichen Tatbestandsmerkmale für das Entstehen
der Verbindlichkeit bereits am Bilanzstichtag erfüllt sind und das
rechtliche Entstehen der Verbindlichkeit nur noch von wirtschaftlich
unwesentlichen Tatbestandsmerkmalen abhängt (ständige Rechtsprechung, vgl.
z.B. BFH-Urteile in BFHE 167, 334, BStBl II 1992, 600; in BFHE 198, 420,
BStBl II 2003, 279; in BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251). Maßgeblich ist
dabei die wirtschaftliche Wertung des Einzelfalles vor dem Hintergrund der
rechtlichen Struktur des Tatbestands, mit dessen Erfüllung die
Verbindlichkeit entsteht (Senatsurteil in BFHE 212, 83, BStBl II 2007, 251).
30
bbb) Die Sanierungsgelder weisen ein
wirtschaftlich wesentliches Merkmal auf, welches an die Zeit nach dem
Bilanzstichtag anknüpft. Ihr wirtschaftlicher Zweck besteht darin,
Finanzierungslücken bei der VBL zu schließen. Diese Finanzierungslücken sind
darauf zurückzuführen, dass die von den Kassenmitgliedern in Form von
Umlagen aufzubringenden Beiträge ab dem 1. Januar 2002 auf der Basis des
nach dem Systemwechsel maßgeblichen Punktesystems bemessen werden, die vor
diesem Zeitpunkt entstandenen Versorgungsansprüche der Bestandsrentner und
Versorgungsanwartschaften der rentennahen Jahrgänge von der VBL jedoch
weiterhin auf der Grundlage des vor dem Systemwechsel geltenden
Gesamtversorgungsprinzips bedient werden müssen. Es soll demnach mit den
Sanierungsgeldern eine für die nach dem 31. Dezember 2001 beginnenden
Deckungsabschnitte erwartete Unterdeckung des versicherungsmäßigen
Deckungskapitals der VBL ausgeglichen werden. Sobald diese Deckungslücke
geschlossen ist, werden gemäß § 65 Abs. 1 Satz 2 VBL-Satzung keine
Sanierungsgelder mehr erhoben.
31
Aus Sicht des Bilanzstichtages 31. Dezember
2001 sollen mit den Sanierungsgeldern folglich zwar
versicherungsmathematisch bereits absehbare, jedoch tatsächlich erst in
späteren Bilanzierungszeiträumen entstehende Finanzierungslücken bei der VBL
abgedeckt werden. Insoweit bezieht sich deshalb die wirtschaftliche Ursache
für die Erhebung der Sanierungsgelder auf Zeiträume nach dem Bilanzstichtag.
Zwar sind die Versorgungsanwartschaften der betreffenden Pensionäre und
Arbeitnehmer - soweit sie zum Bilanzstichtag bereits entstanden waren -
durch die bis dahin bestehenden Beschäftigungsverhältnisse begründet worden.
Der für die Erhebung der Sanierungsgelder wirtschaftlich maßgebliche Umstand
besteht indes in der Gewährung des Bestandsschutzes für die Altfälle, ohne
dass die dafür voraussichtlich erforderlichen Mittel künftig noch aus dem
"regulären" Umlageaufkommen der VBL bestritten werden könnten. Die
entsprechenden Leistungspflichten deckten mithin nicht Vergangenes (z.B. zu
niedrige Zahlungen) ab, sondern hingen vorrangig mit dem künftigen
betrieblichen Geschehen der Klägerin bzw. der O-GmbH zusammen.
32
Etwas anderes folgt nicht aus dem Umstand,
dass der Systemwechsel auf dem im Streitjahr abgeschlossenen Tarifvertrag
"Altersvorsorgeplan 2001" beruht. Denn nicht der Systemwechsel als solcher,
sondern die durch die Gewährung des Bestandsschutzes für die "Altfälle"
hervorgerufenen künftigen Finanzierungslücken bei der VBL sind die
wirtschaftliche Ursache für die Verpflichtung zur Zahlung der
Sanierungsgelder.
33
Dem Zukunftsbezug steht auch nicht
entgegen, dass die Gesamthöhe der Sanierungsgelder gemäß § 65 Abs. 2 Satz 2
VBL-Satzung ab dem 1. Januar 2002 auf 2 % der zusatzversorgungspflichtigen
Entgelte aller Pflichtversicherten im Jahr 2001 festgelegt worden ist. Die
Heranziehung der im Streitjahr bezogenen zusatzversorgungspflichtigen
Entgelte als Ausgangsgröße für die Bemessung der Gesamthöhe der
Sanierungsgelder führt nicht zu einer inhaltlichen, wirtschaftlich
wesentlichen Verknüpfung mit Vorkommnissen des Streitjahrs. Es handelt sich
insoweit lediglich um eine Berechnungsmodalität, die nichts daran ändert,
dass mit den Sanierungsgeldern künftige Deckungslücken geschlossen werden
sollten.
34
d) Da somit die handelsrechtlichen
Voraussetzungen für die Bildung von Rückstellungen zum 31. Dezember des
Streitjahres nicht gegeben waren, bedarf die zwischen den Beteiligten
streitige Frage, ob § 4c EStG der steuerlichen Anerkennung von
Rückstellungen für die Sanierungsgelder entgegenstehen würde, keiner
Entscheidung.
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