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BFH-Urteil vom 4.2.2010 (X R 10/08) BStBl. 2010 II S. 617
Kein Abzug von nicht einkünftebezogenen Steuerberatungskosten
1.
Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung
mindern weder die Einkünfte noch das Einkommen.
2.
Der Gesetzgeber war nicht aus verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet,
den Abzug von Steuerberatungskosten zuzulassen. Die Neuregelung (Streichung
des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F.) verletzt weder das objektive noch das
subjektive Nettoprinzip; auch der Gleichheitssatz wird nicht verletzt. Ein
Abzug ist auch im Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts
verfassungsrechtlich nicht geboten.
EStG
a.F. § 10 Abs. 1 Nr. 6; GG Art. 3.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
17. Januar 2008 10 K 103/07 (EFG 2008, 622)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsklägerin (Klägerin) machte in ihrer Einkommensteuererklärung für
das Jahr 2006 neben Steuerberatungskosten für die Ermittlung von Einkünften
aus nichtselbständiger Arbeit sowie für die Ermittlung von Einkünften aus
Vermietung und Verpachtung Steuerberatungskosten für die Erstellung ihrer
Einkommensteuererklärung 2005 in Höhe von 94,57 € geltend. Die
Einkommensteuererklärung 2005 wurde im Jahr 2006 erstellt, das Honorar wurde
ebenfalls im Jahr 2006 gezahlt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das
Finanzamt - FA -) versagte den Abzug der Steuerberatungskosten für die
Erstellung der Einkommensteuererklärung mit der Begründung, es handele sich
bei diesen Steuerberatungskosten weder um Betriebsausgaben noch um
Werbungskosten. Sie seien aufgrund der Aufhebung der Vorschrift des § 10
Abs. 1 Nr. 6 des Einkommensteuergesetzes (EStG) durch das Gesetz zum
Einstieg in ein steuerliches Sofortprogramm (StSofortPG) vom 22. Dezember
2005 (BGBl I 2005, 3682, BStBl I 2006, 79) ab 2006 nicht mehr abziehbar.
2
Die Sprungklage wies das
Finanzgericht (FG) ab; die Entscheidung ist in Entscheidungen der
Finanzgerichte 2008, 622 veröffentlicht. Zur Begründung führte das FG aus:
3
1. Die geltend gemachten
Steuerberatungskosten für die Erstellung der Einkommensteuererklärung 2005
seien als Kosten der privaten Lebensführung nach § 12 Nr. 1 EStG nicht
abziehbar. Die Vorschrift des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG, nach der
Steuerberatungskosten, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten seien,
als Sonderausgaben abziehbar waren, sei durch das StSofortPG zum 1. Januar
2006 aufgehoben worden. Nach neuer Rechtslage seien Steuerberatungskosten
nur noch zu berücksichtigen, wenn sie Betriebsausgaben oder Werbungskosten
darstellten. Voraussetzung für einen Abzug sei daher, dass die Aufwendungen
bei der Ermittlung der Einkünfte anfielen. Das Ausfüllen der Steuererklärung
oder die Beratung in Tarif- und Veranlagungsfragen gehörten nicht zur
Einkunftsermittlung. Die hierauf entfallenden Kosten sowie Aufwendungen
stellten vielmehr Kosten der privaten Lebensführung dar.
4
2. Die von der Klägerin
geltend gemachten Steuerberatungskosten seien auch nicht deswegen nach § 10
Abs. 1 Nr. 6 EStG als Sonderausgaben abziehbar, weil die von der Klägerin in
2006 aufgewandten Kosten wirtschaftlich noch dem Veranlagungszeitraum 2005
zuzuordnen seien, für den die Einkommensteuererklärung erstellt worden sei.
5
3. Die Klägerin werde durch
die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs der privaten Steuerberatungskosten
nicht in ihren Grundrechten verletzt. Die Abschaffung des
Sonderausgabenabzugs von privaten Steuerberatungskosten verletze sie nicht
in ihrem Recht aus Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG).
6
Private
Steuerberatungskosten zählten nicht zum zwangsläufigen, pflichtbestimmten
Aufwand im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG).
Die Komplexität des Steuerrechts rechtfertige es nicht, private
Steuerberatungskosten als pflichtbestimmte Zwangsaufwendungen oder
unvermeidbare Privatausgaben zu qualifizieren, welche aufgrund des
subjektiven Nettoprinzips vom Gesetzgeber zwingend zum Abzug als
Sonderausgaben zuzulassen seien.
7
Es könne offenbleiben, ob
die Aufhebung des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG, wie die Klägerin meint, insoweit
mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar sei, als Gesellschafter einer
Personengesellschaft möglicherweise hinsichtlich der Übertragung der
Ergebnisse der Gewinnermittlung in die Steuerformulare der Erklärung zur
gesonderten und einheitlichen Feststellung von Besteuerungsgrundlagen
gegenüber der Rechtslage bei Kapitalgesellschaften benachteiligt seien. Der
Klägerin, die im Streitjahr keine Einkünfte als Gesellschafterin einer
Personengesellschaft erzielt habe, fehle es insoweit an der subjektiven
Betroffenheit für eine Berufung auf Art. 3 Abs. 1 GG.
8
Die Klägerin sei auch nicht
in ihren Rechten aus Art. 2 Abs. 1 GG verletzt. Soweit die Aufhebung des
§ 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG in die (wirtschaftliche) Handlungsfreiheit der
Klägerin nach Art. 2 Abs. 1 GG eingreife, sei dieser Eingriff
gerechtfertigt. Der Gesetzgeber habe den Wegfall des Sonderausgabenabzugs
mit der Rechtsvereinfachung, dem Abbau von Ausnahmetatbeständen und der
Verbreiterung der Bemessungsgrundlage begründet (Fraktionsentwurf vom
29. November 2005, BTDrucks 16/105, S. 4).
9
Mit der Revision macht die
Klägerin geltend:
10
Die vom FG gezogene
Schlussfolgerung, dass private Steuerberatungskosten nicht zum
zwangsläufigen, pflichtbestimmten Aufwand gehörten, sei unzutreffend. Die
Abschaffung des Sonderausgabenabzugs für Steuerberatungskosten verstoße
gegen das subjektive Nettoprinzip. Das subjektive Nettoprinzip gebiete die
steuerliche Verschonung des Existenzminimums.
11
Entgegen der Auffassung des
FG stehe es nicht im Belieben des Steuerpflichtigen,
Steuerberatungsleistungen in Anspruch zu nehmen. Auch könne dem FG nicht
beigepflichtet werden, dass das Steuerrecht nicht übermäßig kompliziert sei,
auch nicht unter dem Gesichtspunkt, dass die Finanzbehörde nach § 89 der
Abgabenordnung (AO) zu Auskunft und Beratung verpflichtet sei. Nicht gefolgt
werden könne der Aussage, dass die Unübersichtlichkeit vor allem den Bereich
der Einkunftsermittlung betreffe.
12
Die Regelung über die
steuerliche Berücksichtigung von privat veranlassten Steuerberatungskosten
sei durch Art. 1 Nr. 5 Buchst. b des Steueränderungsgesetzes 1965 (StÄndG
1965) vom 14. Mai 1965 (BGBl I 1965, 377) - zunächst als § 10 Abs. 1 Nr. 8
EStG - in das Gesetz aufgenommen worden. Der Finanzausschuss habe die
angetroffene Situation als unbefriedigend bezeichnet (zu BTDrucks IV/3189,
S. 6).
13
Der Steuerpflichtige müsse
in der Lage sein, steuerliche Verpflichtungen, die ihm staatlicherseits
auferlegt seien, zu erfüllen. Wegen der Kompliziertheit und
Unübersichtlichkeit des Steuerrechts sei die Inanspruchnahme von
Steuerberatung faktisch unvermeidlich.
14
Die Klägerin beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 2006 vom 22. März 2007 in der Weise zu ändern, dass
weitere Steuerberatungskosten in Höhe von 94,57 € als Sonderausgaben
abgezogen werden.
15
Das FA beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
II.
16
Die Revision ist gemäß § 126 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung (FGO) unbegründet. Die Entscheidung des FG ist
revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die (weiteren)
Steuerberatungskosten in Höhe von 94,57 € mindern im Streitjahr weder die
Einkünfte noch das Einkommen der Klägerin.
17
1. Die (noch geltend gemachten)
Steuerberatungskosten können weder als Betriebsausgaben noch als
Werbungskosten abgezogen werden; sie sind nicht gemäß § 4 Abs. 4 bzw. § 9
Abs. 1 EStG durch eine bestimmte Einkunftsart veranlasst. Soweit der
Klägerin Steuerberatungskosten im Zusammenhang mit der Erzielung von
Einkünften entstanden waren, hat das FA diese bereits berücksichtigt.
18
2. Die (verbliebenen) Steuerberatungskosten
können nicht gemäß § 10 EStG als Sonderausgaben abgezogen werden, da der
frühere Sonderausgabentatbestand des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG mit Wirkung ab
dem Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben ist.
19
a) Nach § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG konnten bis
Ende 2005 private Steuerberatungskosten als Sonderausgaben abgezogen werden.
Durch das StSofortPG wurde § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG mit Wirkung ab dem
Veranlagungszeitraum 2006 aufgehoben. Begründet wurde dies mit dem Ziel der
Rechtsvereinfachung, des Abbaus von Ausnahmetatbeständen und der Erweiterung
der Bemessungsgrundlage (Fraktionsentwurf vom 29. November 2005, BTDrucks
16/105, S. 4).
20
b) Auch ein Abzug als dauernde Last kommt
nicht in Betracht. Dauernde Lasten sind (rentenähnliche) wiederkehrende,
allerdings der Höhe nach ungleichmäßige oder abänderbare Leistungen, die
aufgrund eines einheitlichen Entschlusses oder eines einheitlichen
Rechtsgrundes wiederholt mit einer gewissen Regelmäßigkeit erbracht werden
und deren Leistungsinhalt nicht zwingend in Geld oder vertretbaren Sachen
besteht (z.B. eine Altenteilsverpflichtung oder ein Wohnrecht; vgl. Stoll,
Rentenbesteuerung, 4. Aufl., 1997, Rz 32 ff.; Jansen/Myßen/ Risthaus,
Renten, Raten, Dauernde Lasten, 13. Aufl., Rz 568; Urteile des
Bundesfinanzhofs - BFH - vom 18. Oktober 1994 IX R 46/88, BFHE 175, 572,
BStBl II 1995, 169, und vom 25. Oktober 1994 VIII R 79/91, BFHE 175, 439,
BStBl II 1995, 121).
21
Dauernde Lasten i.S. des § 10 Abs. 1 Nr. 1a
EStG sind traditionell vornehmlich auf bestimmte Versorgungsleistungen
beschränkt; Verpflichtungen aus Dauerschuldverhältnissen, wie z.B.
Zinszahlungen, Kaufpreisraten, Mieten, werden nicht erfasst (zu
Schuldzinsen: BFH-Urteil vom 14. November 2001 X R 120/98, BFHE 197, 194,
BStBl II 2002, 413). Aus diesem Grund sah sich der Gesetzgeber 1965
veranlasst, einen besonderen Tatbestand zum Abzug von Steuerberatungskosten
in das Gesetz aufzunehmen. Dementsprechend hat der BFH mit Urteilen vom
30. April 1965 VI 207/62 S (BFHE 82, 449, BStBl III 1965, 410) und vom
18. November 1965 IV 151/64 U (BFHE 84, 519, BStBl III 1966, 190)
entschieden, dass bis zum Inkrafttreten der Neuregelung in § 10 Abs. 1 Nr. 8
EStG i.d.F. des StÄndG 1965, also bis zum Veranlagungszeitraum 1964
einschließlich, (nicht den Einkünftebereich betreffende)
Steuerberatungskosten bei der Einkommensteuer nicht abgezogen werden
konnten; aus der Neufassung des EStG gehe hervor, dass es
Steuerberatungskosten gebe, die nicht als Betriebsausgaben oder als
Werbungskosten anzusehen seien und die deshalb ohne die Aufzählung in dem
Katalog des § 10 EStG nicht abzugsfähig wären.
22
Bestätigt wird diese enge Auslegung des
Begriffs der dauernden Last auch durch die ab dem Veranlagungszeitraum 2008
geltende Neufassung des § 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG, der ausdrücklich nicht mehr
auf Renten und dauernde Lasten abstellt, sondern allein auf bestimmte
Versorgungsleistungen (vgl. Schmidt/Heinicke, EStG, 28. Aufl., § 10 Rz 57).
23
Im Streitfall sind die Voraussetzungen des
§ 10 Abs. 1 Nr. 1a EStG nicht gegeben; regelmäßige Steuerberatungsleistungen
sind keine Versorgungsleistungen. Es genügt nicht, dass die Klägerin
möglicherweise im kommenden Jahr - aufgrund eines neuen Entschlusses -
erneut Steuerberatungsleistungen in Anspruch nehmen wird.
24
c) Sonderausgaben sind bestimmte ihrer Art
nach unvermeidbare (zwangsläufige und indisponible) Privatausgaben (Söhn,
in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 10 Rz B 143, § 10 Rz A 43). Die als
Sonderausgaben zu berücksichtigenden Aufwendungen sind in § 10 EStG
enumerativ aufgezählt. Sonderausgaben sind nur die in §§ 10 bis 10i EStG
abschließend aufgeführten - privaten - Aufwendungen, wenn sie weder
Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind (vgl. § 10 Abs. 1 Satz 1 EStG;
Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rz B 118; Birk,
Steuerrecht, 7. Aufl., § 5 Rz 1036 ff.). Über die normierten Tatbestände
hinaus kommt ein Abzug nicht in Betracht. Im Unterschied zu der in § 10
Abs. 1 EStG getroffenen Regelung ("Sonderausgaben sind ...") heißt es z.B.
in § 9 Abs. 1 Satz 3 EStG: "Werbungskosten sind auch ..." Nicht benannte
Aufwendungen, die weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten sind, gehören
grundsätzlich zum Bereich der Einkommensverwendung (Lebenshaltung) und
mindern nicht die einkommensteuerliche Bemessungsgrundlage.
25
3. Die (verbliebenen) Steuerberatungskosten
sind auch nicht als außergewöhnliche Belastung nach § 33 EStG abziehbar.
26
Ihrer Rechtsnatur nach sind die
außergewöhnlichen Belastungen mit den Sonderausgaben verwandt. Eine
außergewöhnliche Belastung liegt vor, wenn einem Steuerpflichtigen
zwangsläufig größere Aufwendungen als der überwiegenden Mehrzahl der
Steuerpflichtigen gleicher Einkommensverhältnisse, gleicher
Vermögensverhältnisse und gleichen Familienstandes erwachsen (§ 33 Abs. 1
EStG; BFH-Urteil vom 26. Februar 1998 III R 59/97, BFHE 185, 409, BStBl II
1998, 605; Birk, a.a.O., § 5 Rz 1057 ff.). Typische Kosten der normalen
Lebensführung gehören nicht dazu. Die Aufwendungen sind zwangsläufig, wenn
sich der Steuerpflichtige ihnen aus rechtlichen (Gesetz, Vertrag etc.),
tatsächlichen (unabwendbare Ereignisse wie Tod, Krankheit, Unfall) oder
sittlichen (individuelle sittliche Verpflichtung, z.B. Hilfeleistung unter
Geschwistern) Gründen nicht entziehen kann und soweit die Aufwendungen den
Umständen nach notwendig sind sowie einen angemessenen Betrag nicht
übersteigen (§ 33 Abs. 2 Satz 1 EStG).
27
Im Streitfall fehlt eine "außergewöhnliche"
Belastung bereits deshalb, weil der Klägerin in Bezug auf die
Steuerberatungskosten nicht zwangsläufig größere Aufwendungen als der
überwiegenden Mehrzahl der Steuerpflichtigen gleicher
Einkommensverhältnisse, gleicher Vermögensverhältnisse und gleichen
Familienstandes erwachsen sind.
28
4. Der Gesetzgeber war nicht aus
verfassungsrechtlichen Gründen verpflichtet, den Abzug von
Steuerberatungskosten zuzulassen.
29
a) Die Neuregelung verletzt nicht das
objektive Nettoprinzip (Schmidt/Drenseck, a.a.O., § 9 Rz 1). Prinzipiell
sind nach der Struktur der Einkommensteuer als "Nettosteuer" alle
Aufwendungen, die durch die Einnahmeerzielung veranlasst sind, als
Betriebsausgaben bzw. Werbungskosten abziehbar; die Einkommensteuer erfasst
das Nettoeinkommen; dementsprechend definiert § 2 Abs. 2 EStG (nur) den
Gewinn bzw. den Überschuss der Einnahmen über die Ausgaben als zu erfassende
Einkünfte (Beschluss des Großen Senats des BFH vom 21. September 2009
GrS 1/06, Deutsches Steuerrecht - DStR - 2010, 101, unter C.III.1.b;
Senatsurteil vom 18. November 2009 X R 34/07, DStR 2010, 85, unter B.I.2.c
aa; Kirchhof, in: Kirchhof/Söhn/ Mellinghoff, a.a.O., § 2 Rz A 127 ff.;
Tipke/Lang, Steuerrecht, 20. Aufl., § 9 Rz 54 f.; Schmidt/Weber-Grellet,
a.a.O., § 2 Rz 10; Birk, a.a.O., Rz 542 f.). Steuerberatungskosten, die in
Zusammenhang mit der Einkünfteerzielung stehen, sind weiterhin abziehbar
(vgl. Kulosa in Herrmann/Heuer/Raupach - HHR -, § 10 EStG Rz 225).
30
b) Die fehlende Möglichkeit, außerhalb des
Einkunftsbereichs entstandene Steuerberatungskosten abzuziehen, verletzt
nicht das subjektive Nettoprinzip.
31
Es ist ein grundsätzliches Gebot der
Steuergerechtigkeit, dass die Besteuerung nach der wirtschaftlichen
Leistungsfähigkeit ausgerichtet wird (Söhn, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff,
a.a.O., § 10 Rz A 17). Tragende Grundwertung des § 10 EStG ist die
Berücksichtigung einer durch bestimmte zwangsläufige Privatausgaben
beeinträchtigten subjektiven Leistungsfähigkeit (Söhn, in:
Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rz A 19), die Berücksichtigung des
einkommensteuerrechtlich zu verschonenden Existenzminimums. Das Prinzip der
Steuerfreiheit des Existenzminimums schützt nicht nur das sog. sächliche
Existenzminimum. Auch Beiträge zu privaten Versicherungen für den
Krankheits- und Pflegefall können Teil des einkommensteuerrechtlich zu
verschonenden Existenzminimums sein. Für die Bemessung des
existenznotwendigen Aufwands ist auf das sozialhilferechtlich gewährleistete
Leistungsniveau als eine das Existenzminimum quantifizierende
Vergleichsebene abzustellen (BVerfG-Beschluss vom 13. Februar 2008
2 BvL 1/06, BVerfGE 120, 125; Senatsurteil in DStR 2010, 85, unter
B.I.3.e cc).
32
Die Sozialhilfe umfasst nach § 8 Nr. 1 des
Zwölften Buchs Sozialgesetzbuch (SGB XII) vor allem die Hilfe zum
Lebensunterhalt (§§ 27 bis 40 SGB XII). Der notwendige Lebensunterhalt
umfasst nach § 27 Abs. 1 SGB XII insbesondere Ernährung, Unterkunft,
Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Heizung und persönliche Bedürfnisse des
täglichen Lebens (Einzelheiten bei Münder, in SGB XII - Lehr- und
Praxiskommentar, 8. Aufl., 2008, § 27 SGB XII, Rz 9 ff.). Der Ersatz von
Steuerberatungskosten wird sozialhilferechtlich nicht gewährleistet; die
Inanspruchnahme von Steuerberatungsleistungen ist nicht Teil des notwendigen
Existenzminimums. Der Gesetzgeber ist daher nicht verpflichtet, den Abzug
von Steuerberatungskosten unter diesem Aspekt zuzulassen (a.A. Tipke,
Steuerberatung - auf rechtsunsicherem Fundament, Festschrift Schaumburg,
2009, 183, 204: Steuerberatungskosten als Zwangsaufwendungen im weiteren
Sinne).
33
c) Der Nichtabzug verletzt weder den
verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz und noch das Gebot der
Folgerichtigkeit.
34
Der Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG)
gebietet dem Gesetzgeber, wesentlich Gleiches gleich und wesentlich
Ungleiches ungleich zu behandeln (vgl. die Entscheidungen des BVerfG zur
Verfassungsmäßigkeit des § 32c EStG [BVerfG-Beschluss vom 21. Juni 2006
2 BvL 2/99, BVerfGE 116, 164], zur Gewerbesteuer [BVerfG-Beschluss vom
15. Januar 2008 1 BvL 2/04, BVerfGE 120, 1] und zum Abzug von
Versicherungsleistungen gemäß § 10 Abs. 3 EStG [BVerfG-Beschluss in BVerfGE
120, 125]). In der Entscheidung zur Pendlerpauschale (BVerfG-Urteil vom
9. Dezember 2008 2 BvL 1/07, 2 BvL 2/07, 2 BvL 1/08, 2 BvL 2/08, BVerfGE
122, 210) hat das BVerfG in erster Linie auf das Gebot der Folgerichtigkeit
abgestellt.
35
Etwaige Ungleichheiten sind durch das
Verbot, Steuerberatungskosten im Privatbereich einkommensteuerlich geltend
zu machen, nicht entstanden. Wenn bereits die unvermeidbar zu zahlenden
Personensteuern als solche in verfassungsrechtlich zulässiger Weise als
nicht abziehbar behandelt werden dürfen (§ 12 Nr. 3 EStG), dann erst recht
die Aufwendungen zur Erfüllung dieser Steuerzahlungspflichten (ebenso
Wüllenkemper, Rückfluss von Aufwendungen im Einkommensteuerrecht, 1987, 136;
HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 220); dann ist es auch unter dem Aspekt der
Gleichheit und der Folgerichtigkeit nicht notwendig, die Ermittlungskosten
zum Abzug zuzulassen.
36
d) Schließlich ist ein Abzug auch im
Hinblick auf die Kompliziertheit des Steuerrechts verfassungsrechtlich nicht
geboten (HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 220; a.A. Söhn, in: Kirchhof/Söhn/
Mellinghoff, a.a.O., § 10 Rz I 2; Korritter, Der Betrieb - DB - 1986, 560).
37
aa) Es ist unbestritten, dass die
Einschaltung eines Steuerberaters einem ordnungsgemäßen Ablauf des
Besteuerungsverfahrens zugute kommt (vgl. etwa Tipke, Steuerberatung tut Not
- auch verfassungsrechtlich, Betriebs-Berater 2009, 636; Tipke,
Steuerberatung - auf rechtsunsicherem Fundament, Festschrift Schaumburg,
2009, 183). Daraus folgt aber nicht die verfassungsrechtliche Verpflichtung
für den Gesetzgeber, den Abzug von Steuerberatungskosten zwingend als
Sonderausgabe zu normieren.
38
bb) § 80 AO eröffnet die Möglichkeit, sich
durch einen Bevollmächtigten vertreten zu lassen, begründet aber keinen
Vertretungszwang. Die Zuziehung eines Steuerberaters beruht auf einer
"freien Entscheidung" des Steuerpflichtigen.
39
cc) Die Finanzbehörde ist nach § 89 Abs. 1
AO zur Beratung verpflichtet; sie soll die Abgabe von Erklärungen, die
Stellung von Anträgen oder die Berichtigung von Erklärungen oder Anträgen
anregen, wenn diese offensichtlich nur versehentlich oder aus Unkenntnis
unterblieben oder unrichtig abgegeben oder gestellt worden sind; sie
erteilt, soweit erforderlich, Auskunft über die den Beteiligten im
Verwaltungsverfahren zustehenden Rechte und die ihnen obliegenden Pflichten.
40
dd) Auch verlangen die Steuergesetze nichts
Unmögliches; gemäß § 150 Abs. 2 AO sind die Angaben in den Steuererklärungen
nach bestem Wissen und Gewissen zu machen. Maßstab ist das individuelle
subjektive Können und Wissen des einzelnen Steuerpflichtigen.
41
ee) Die Ausfüllung von
Steuererklärungsvordrucken kann sicherlich einen erheblichen Aufwand
verursachen. Diese Last ist aber - wie auch andere Pflichten, etwa die
Wehrpflicht - im demokratischen Gemeinwesen "entschädigungslos" hinzunehmen.
42
Im demokratischen Rechtsstaat sind Steuern
Solidarbeiträge zur Finanzierung der öffentlichen Aufgaben, an denen jeder
nach Maßgabe seiner Leistungsfähigkeit zu beteiligen ist. Es ist daher die
Pflicht eines jeden Staatsbürgers, Steuererklärungen zu erstellen, um den
von ihm geschuldeten Beitrag an den öffentlichen Lasten ermitteln zu können.
Dabei ist es jedem Steuerpflichtigen unbenommen, sich steuerlich beraten zu
lassen; im privaten Bereich kann er aber insoweit keine steuerliche
Entlastung in Anspruch nehmen.
43
ff) Soweit in der Literatur pauschal
bemängelt wird, dass die Abschaffung des Sonderausgabenabzugs für
Steuerberatungskosten in Anbetracht der anhaltenden weiteren
Verkomplizierung des Steuerrechts vollkommen unverständlich sei (so -
wörtlich - Tipke/Lang, a.a.O., § 9 Rz 714), hat diese Einschätzung keine
verfassungsrechtliche Qualität.
44
Ebenso ist der Hinweis auf die "Kooperation
als ein Strukturprinzip des Steuerverfahrens" (Drüen, DStR 2010, 2, 8) nicht
geeignet, einen gesetzgeberischen Zwang zum Abzug von privaten
Steuerberatungskosten auszulösen. Dass eine Kooperation zwischen
Steuerbürger, Steuerberater und Finanzverwaltung wünschenswert ist, ist
unbestritten; dieser Kooperationsgedanke bewirkt aber nicht die
gesetzgeberische Pflicht, denjenigen, der privat Steuerberatungsleistungen
in Anspruch nimmt, steuerlich zu entlasten.
45
e) Dass die These von der Unvermeidbarkeit
der Steuerberatungskosten nicht zu belegen ist, zeigt die Tatsache, dass die
große Mehrheit der Steuerpflichtigen ihre Steuererklärung selbst erstellt
(HHR/Kulosa, § 10 EStG Rz 220). Eine Vielzahl von Steuerpflichtigen macht
von der Möglichkeit, einen Steuerberater einzuschalten, keinen Gebrauch.
Dabei ist zu berücksichtigen, dass die Finanzbehörde ggf. zur Hilfeleistung
verpflichtet ist.
46
f) Der Gesetzgeber hat den Wegfall des
Sonderausgabenabzugs mit der Rechtsvereinfachung, dem Abbau von
Ausnahmetatbeständen und der Verbreiterung der Bemessungsgrundlage begründet
(Fraktionsentwurf vom 29. November 2005, BTDrucks 16/105, S. 4). Im Hinblick
auf die Rechtsvereinfachung dürften Zweifel angebracht sein, da in der
Vergangenheit häufig von der nun notwendigen Aufteilung der Kosten abgesehen
worden war (vgl. nur R 10.8 der Einkommensteuer-Richtlinien - EStR - 2005;
R 102 EStR bis 2003). Ob die weiteren Gründe verfassungsrechtlich tragfähig
sind, kann dahinstehen, da bereits aus den vorstehenden Erwägungen
hervorgeht, dass keine verfassungsrechtliche Verpflichtung besteht, den
Abzug privater Steuerberatungskosten zuzulassen.
47
g) § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG a.F. war als ein
verfassungsrechtlich zulässiger, aber nicht zwingend gebotener
"Subventionstatbestand" bezeichnet worden (Frotscher/Lindberg, § 10 EStG
Rz 5). Dem Steuerpflichtigen sollte die Erfüllung seiner steuerlichen
Pflichten und die Wahrung seiner steuerlichen Rechte dadurch erleichtert
werden, dass Aufwendungen für die Inanspruchnahme fremder Hilfe begünstigt
wurden (BFH-Urteile vom 23. Mai 1989 X R 6/85, BFHE 157, 512, BStBl II 1989,
865; vom 12. Juli 1989 X R 35/86, BFHE 157, 559, BStBl II 1989, 967). Der
Gesetzgeber hatte die seinerzeitige Einführung der Abzugsmöglichkeit denn
auch nicht mit Leistungsfähigkeitsüberlegungen begründet, sondern damit,
dass es "unbefriedigend" sei, Steuerberatungskosten für die private
Einkommensteuer nicht abziehen zu können (zu BTDrucks IV/3189, S. 6).
Zusätzlich wurde mit dem Abzugstatbestand ein Vereinfachungszweck verfolgt,
weil eine Aufteilung in Betriebsausgaben/Werbungskosten einerseits und
nichtabziehbare Aufwendungen andererseits entbehrlich werde (Gutachten der
Steuerreformkommission 1971, Schriftenreihe des Bundesministers der Finanzen
Bd. 17, Tz. II 449).
48
h) Das StSofortPG sieht für die Aufhebung
des § 10 Abs. 1 Nr. 6 EStG keine besondere Anwendungsregelung vor, so dass
die Grundregel des § 52 Abs. 1 EStG (Anwendung ab dem Veranlagungszeitraum
2006) gilt. Entscheidend für die Abziehbarkeit von Steuerberatungskosten als
Sonderausgabe ist daher, dass der Zahlungszeitpunkt vor dem 1. Januar 2006
liegt. Hingegen kommt es nicht darauf an, auf welchen Veranlagungszeitraum
sich die in Anspruch genommenen Steuerberatungsleistungen beziehen. Daher
ist eine im Veranlagungszeitraum 2006 getätigte Zahlung auch dann nicht mehr
abziehbar, wenn die Steuerberatungsleistungen bereits vor 2006 erbracht
wurden (ebenso Drenseck, DB 2006, Beilage 2, 3; HHR/Kulosa, § 10 EStG
Rz 220).
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