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BFH-Urteil vom 24.11.2009 (VIII R 30/06) BStBl. 2010 II S. 647
Ansatz des Zwischengewinns bei der Veräußerung von Fondsanteilen
1.
Die Besteuerung des bei der Veräußerung von Fondsanteilen ermittelten
Zwischengewinns richtet sich für das Jahr 1998 nach der Spezialregelung im
Gesetz über Kapitalanlagegesellschaften. Ein Rückgriff auf die
einkommensteuerrechtlichen Regelungen für Finanzinnovationen kommt insoweit
nicht in Betracht.
2.
Dem Ansatz des Zwischengewinns im Veräußerungsfall steht nicht entgegen,
dass bei Anschaffung der Anteile nach der Mitteilung des Fonds kein
negativer Zwischengewinn vorhanden war.
KAGG a.F. § 1 Abs. 1, § 8, § 39 Abs. 1, 1a,
§ 41 Abs. 2; EStG § 20 Abs. 1 Nr. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 7, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4
und Satz 2.
Vorinstanz: FG des Saarlandes vom 23. Mai
2006 1 K 420/02 (EFG 2006, 1248)
Sachverhalt
I.
1
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) und seine verstorbene Ehefrau wurden für das
Streitjahr (1998) zusammen zur Einkommensteuer veranlagt. Sie erwarben in
der Zeit vom 19. Februar 1998 bis zum 12. März 1998 Anteile am X-Fonds zu
Anschaffungskosten von insgesamt 6.810.724,40 DM. Der Fonds investierte
hauptsächlich in deutsche Genussscheine mit kurz- bis mittelfristigen
Laufzeiten. Am 20. Oktober 1998 verkauften der Kläger und seine Ehefrau die
Anteile zu einem Rückgabepreis von 6.907.563,20 DM. In ihrer
Einkommensteuererklärung setzten sie die Differenz von Anschaffungskosten
und Veräußerungserlös (96.840 DM) als Kapitalerträge aus dem Fonds an. In
der Erträgnisaufstellung über Kapitalerträge für das Streitjahr hatte die
Bank für die Fondsanteile jedoch einen Zwischengewinn von 372.236,90 DM
ausgewiesen, den der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -)
bei der Einkommensteuerveranlagung zugrunde legte.
2
Die dagegen nach erfolglosem
Einspruch erhobene Klage war auf die Rechtsauffassung gestützt, bei dem
betreffenden Fonds handele es sich um eine Finanzinnovation (§ 20 Abs. 1
Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 des Einkommensteuergesetzes - EStG -).
3
Während des Klageverfahrens
hob das FA mit Bescheid vom 19. November 2002 den Vorbehalt der Nachprüfung
für die angefochtene Steuerfestsetzung auf.
4
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage ab (Entscheidungen der Finanzgerichte 2006, 1248). Auf die Frage,
ob der Fonds als Finanzinnovation beurteilt werden könne, komme es nicht an,
da sich die Besteuerung vorrangig nach § 39 Abs. 1, Abs. 1a des Gesetzes
über Kapitalanlagegesellschaften in der für den Streitfall maßgeblichen
Fassung vom 9. September 1998 (BGBl I 1998, 2726, BStBl I 1998, 1230) -
KAGG a.F. -, § 20 Abs. 1 Nr. 1 EStG richte. Aus der Auskunft des Fonds gehe
hervor, dass beim Kauf der Anteile im Kaufpreis keine Stückzinsen oder
negativen Zwischengewinne enthalten gewesen seien, zum Verkaufstermin am
20. Oktober 1998 jedoch ein Zwischengewinn von 4,13 DM pro Anteil realisiert
worden sei.
5
Dagegen wendet sich der
Kläger mit der Revision. Die Auffassung des FG, beim Kauf der Fondsanteile
seien keine Stückzinsen angefallen, sei unzutreffend. Da der Fonds die
Genussscheine, wie aus seiner Auskunft vom 20. Januar 2006 hervorgehe,
"flat" gehandelt und dafür keine Zinsabgrenzungen gebildet habe, habe er bei
Anschaffung der Anteile durch den Kläger und seine Ehefrau die Stückzinsen
nicht offen ausgewiesen. Dagegen würden die an den Fonds zum
Fälligkeitstermin ausgezahlten Zinsen in vollem Umfang dem
Zwischengewinnkonto des Anlegers zugerechnet, ohne den unterjährig
geleisteten, im Kurswert des erworbenen Papiers enthaltenen Preis für den
Erwerb der Zwischengewinne zu berücksichtigen. Das widerspreche dem
Nettoprinzip.
6
Der Kläger beantragt
sinngemäß, das angefochtene Urteil aufzuheben und den
Einkommensteuerbescheid 1998 vom 19. November 2002 dahin abzuändern, dass
die Einkünfte aus Kapitalvermögen aus den Anteilen am X-Fonds nur in Höhe
von 96.841 DM angesetzt werden.
7
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
8
Es hält die Vorentscheidung
für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II.
9
1. Das Rubrum des angefochtenen Urteils ist
dahin zu berichtigen, dass das Urteil gegen den Kläger zugleich als
Rechtsnachfolger seiner verstorbenen Ehefrau ergangen ist (vgl. Beschluss
des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 16. August 2001 V B 51/01, BFHE 196, 16,
BStBl II 2001, 767).
10
2. Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Das FG hat
zu Recht den in der Erträgnisaufstellung der Bank ausgewiesenen
Zwischengewinn als Einnahmen aus Kapitalvermögen beurteilt.
11
a) Zutreffend hat das FG für die
steuerrechtliche Beurteilung des Verkaufs der Fondsanteile nicht die
Vorschriften des § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG zugrunde gelegt. Bei dem X-Fonds handelt es sich um
ein Wertpapier-Sondervermögen i.S. von § 1 Abs. 1 i.V.m. § 8 KAGG a.F. Damit
richtet sich die Besteuerung der Erträge des Anlegers aus den Fondsanteilen
nach der abschließenden Spezialregelung des KAGG a.F. (insbesondere § 39
Abs. 1 und Abs. 1a KAGG a.F.), welche einen unmittelbaren Rückgriff auf die
Normen des EStG - und damit auch auf dessen § 20 - ausschließt (BFH-Urteil
vom 27. März 2001 I R 120/98, BFH/NV 2001, 1539; vgl. ebenso schon zur
Regelung des Auslandinvestmentgesetzes BFH-Urteil vom 11. Oktober 2000
I R 99/96, BFHE 193, 330, BStBl II 2001, 22). Vor diesem Hintergrund bedarf
es keiner Entscheidung, ob die vom Kläger und seiner Ehefrau erworbenen
Fondsanteile als Finanzinnovation gemäß § 20 Abs. 1 Nr. 7 i.V.m. Abs. 2
Satz 1 Nr. 4 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 Satz 2 EStG beurteilt werden könnten.
12
b) Das FG hat die vom Kläger und seiner
Ehefrau erzielten Erträge aus dem Verkauf der Fondsanteile nach den
Vorschriften des KAGG a.F. in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender
Weise ermittelt.
13
aa) Nach § 39 Abs. 1 KAGG a.F. gehören u.a.
die Ausschüttungen auf Anteilscheine an einem Wertpapier-Sondervermögen bei
einem Privatanleger zu den Einnahmen aus Kapitalvermögen i.S. des § 20
Abs. 1 Nr. 1 EStG. Zu diesen Einkünften gehört nach § 39 Abs. 1a Sätze 1 und
2 KAGG a.F. auch der Zwischengewinn, das heißt das Entgelt für die dem
Anteilscheininhaber noch nicht zugeflossenen oder als zugeflossen geltenden
Einnahmen, die in der Vorschrift aufgezählt sind. Werden Anteilscheine an
einem Wertpapier-Sondervermögen - wie im Streitfall - veräußert, so gilt der
Zwischengewinn als in den Einnahmen aus der Veräußerung enthalten (§ 39
Abs. 1a Satz 3 KAGG a.F.).
14
Die Kapitalanlagegesellschaft hat
börsentäglich den Zwischengewinn i.S. des § 39 Abs. 1a KAGG a.F. zu
ermitteln; sie hat ihn mit dem Rücknahmepreis zu veröffentlichen (§ 41
Abs. 4 KAGG a.F.).
15
bb) Für den Streitfall geht aus den vom FG
eingeholten Auskünften der Bank und der Kapitalanlagegesellschaft hervor,
dass der Fonds, an dem sich der Kläger und seine Ehefrau beteiligt hatten,
für die von ihm erworbenen Genussscheine keine Zinsabgrenzungen gebildet
hatte. Da es nur wenige Termine im Jahr gab, zu denen der Fonds Zahlungen
aus den Genussscheinen bezog, stieg der Zwischengewinn nicht kontinuierlich
an, sondern sprunghaft zu den Zahlungsterminen des jeweiligen Genussscheins.
Der Kläger und seine Ehefrau haben ihre Fondsanteile kurz nach dem
Ausschüttungstermin des Fonds (16. Februar 1998) in der Zeit vom 19. Februar
1998 bis zum 12. März 1998 erworben. Während dieses Zeitraums betrug der
Zwischengewinn zunächst Null. Er begann erst im April 1998 wieder allmählich
anzusteigen. Mithin war in dem vom Kläger und seiner Ehefrau geleisteten
Kaufpreis für die Fondsanteile tatsächlich kein negativer Zwischengewinn
enthalten. Die entsprechenden Feststellungen des FG hat der Kläger nicht mit
Verfahrensrügen angegriffen, sie sind widerspruchsfrei zustande gekommen,
verstoßen nicht gegen Erfahrungssätze und sind damit für das
Revisionsgericht bindend (§ 118 Abs. 2 FGO).
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Danach beanstandet der Kläger zu Unrecht,
dass bei Anschaffung der Fondsanteile keine Stückzinsen oder negativen
Zwischengewinne offen ausgewiesen worden seien. FA und FG haben zu Recht den
durch den Fonds nach den gesetzlichen Vorgaben des § 41 Abs. 4 KAGG a.F.
ermittelten Zwischengewinn i.S. von § 39 Abs. 1a KAGG a.F. der Besteuerung
zugrunde gelegt.
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