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BFH-Beschluss vom 10.12.2009 (V R 18/08) BStBl. 2010 II S. 654
Steuerpflichtige Leistung des Forderungskäufers beim Erwerb
zahlungsgestörter Forderungen
1.
Zur Auslegung von Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG:
Liegt beim Verkauf (Kauf) zahlungsgestörter Forderungen aufgrund der
Übernahme von Forderungseinzug und Ausfallrisiko auch dann eine entgeltliche
Leistung und eine wirtschaftliche Tätigkeit des Forderungskäufers vor, wenn
sich der Kaufpreis
-
nicht nach dem Nennwert der Forderungen unter Vereinbarung eines pauschalen
Abschlags für die Übernahme von Forderungseinzug und des Ausfallrisikos
bemisst, sondern
-
nach dem für die jeweilige Forderung geschätzten Ausfallrisiko richtet und
dem Forderungseinzug im Verhältnis zu dem auf das Ausfallrisiko entfallenden
Abschlag nur untergeordnete Bedeutung zukommt?
2.
Falls Frage 1 zu bejahen ist, zur Auslegung von Art. 13 Teil B Buchst. d
Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG:
a)
Ist die Übernahme des Ausfallrisikos durch den Forderungskäufer beim Erwerb
zahlungsgestörter Forderungen zu einem erheblich unter dem Nennwert der
Forderungen liegenden Kaufpreis als Gewährung einer anderen Sicherheit oder
Garantie steuerfrei?
b)
Falls eine steuerfreie Risikoübernahme vorliegt:
Ist
der Forderungseinzug als Teil einer einheitlichen Leistung oder als
Nebenleistung steuerfrei oder als eigenständige Leistung steuerpflichtig?
3.
Falls Frage 1 zu bejahen ist und keine steuerfreie Leistung vorliegt, zur
Auslegung von Art. 11 Teil A Buchst. a der Richtlinie 77/388/EWG:
Bestimmt sich das Entgelt für die steuerpflichtige Leistung nach den von den
Parteien vermuteten oder nach den tatsächlichen Einziehungskosten?
UStG 1999 § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 4 Nr. 8, § 10
Abs. 1; Richtlinie 77/388/EWG Art. 2, 4, 11 und 13 Teil B Buchst. d Nr. 2.
Vorinstanz: FG Düsseldorf vom 15. Februar
2008 1 K 3682/05 U (EFG 2008, 887)
Sachverhalt
1
I. Zum Sachverhalt
2
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin) ist alleinige Gesellschafterin und
Organträgerin einer GmbH, die mit Kaufvertrag vom 26. Oktober 2004 von einer
Bank Grundpfandrechte und Forderungen aus 70 gekündigten und fällig
gestellten Darlehensverträgen erwarb.
3
Kaufgegenstand des
Vertrages, den die GmbH als Forderungskäufer (im Folgenden auch Käufer oder
Forderungserwerber) mit der Bank abgeschlossen hatte, waren
"Grundpfandrechte sowie alle sonstigen Rechte und Ansprüche aus den in [der]
Anlage Portfoliodaten aufgeführten Darlehensverträgen einschließlich der
Darlehensforderungen, aller gegenwärtigen und/oder künftigen, bedingten
und/oder befristeten Nebenforderungen wie Zinsen, Kosten und Gebühren,
sämtlicher Zusatz- und Drittsicherheiten (z.B. Kautionen, Vorbehalts- und
Sicherungseigentum, Anwartschaftsrecht, Pfandgegenstände,
Sicherungsabtretungen, Verpfändungen von Lebensversicherungsansprüchen,
Bürgschaften und sonstigen Mitverpflichtungen, Schuldanerkenntnisse),
insbesondere der dinglichen Sicherheiten, aller Titel und aller sonstigen im
Zusammenhang mit den jeweiligen Darlehensverträgen stehenden Unterlagen wie
Urkunden, Kundenakten, Korrespondenz und evtl. sonstigen Geschäftsunterlagen
(im Folgenden zusammen als die "verkauften Gegenstände" bezeichnet)".
4
Der Vertrag sah eine
Rückbeziehung auf einen Stichtag (29. April 2004) vor, ab dem die
"verkauften Gegenstände" für Rechnung und Risiko des Käufers "geführt bzw.
gehalten" wurden. Zahlungen auf die "verkauften Gegenstände", die nach dem
Stichtag erfolgten, sollten dem Käufer zustehen. Nach dem Vertrag war eine
Haftung des Verkäufers für die Einbringlichkeit der Forderungen
(Delkredererisiko) und den wirtschaftlichen Wert der Sicherheiten
ausdrücklich ausgeschlossen.
5
Zum Stichtag 29. April 2004
belief sich der Nennwert der verkauften Forderungen aus den 70
Darlehensverträgen auf 15.500.915,16 €.
6
Aufgrund eines Schreibens
des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) vom 3. Juni 2004 IV B7 -S 7104-
18/04 (BStBl I 2004, 737), das zur Umsetzung des Urteils des Gerichtshofs
der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 26. Juni 2003 C-305/01, MKG
(Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688) und des Folgeurteils des
Bundesfinanzhofs (BFH) vom 4. September 2003 V R 34/99 (BFHE 203, 209, BStBl
II 2004, 667) ergangen ist, trafen die Parteien des Forderungskaufvertrages
eine Regelung zum sog. wirtschaftlichen Nennwert der verkauften Forderungen.
Die Parteien des Kaufvertrages gingen insoweit davon aus, dass der
"voraussichtlich realisierbare Teil der Forderungen aufgrund der erheblichen
Zahlungsstörungen deutlich unter dem Nennwert liegt und 8.956.101 € beträgt"
(entspricht 57,8 %).
7
Die Vertragsparteien waren
weiter der Auffassung, dass "der realisierbare Teil der abgetretenen
Forderungen wegen der durchzuführenden Zwangsversteigerungs- und
Zwangsverwaltungsmaßnahmen über einen Zeitraum von ca. drei Jahren
realisiert werden muss". Im Hinblick hierauf und aufgrund eines von den
Parteien angenommenen Zinssatzes von 5,97 % ergab sich nach Ansicht der
Vertragsparteien eine Kreditgewährung des Käufers an den Verkäufer mit einem
Zinsanteil von 556.293 €, der zu einem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert
von 8.399.808 € (entspricht 54,2 %) führte.
8
Der Kaufpreis für die
Forderungen betrug 8.034.883 € (entspricht 51,8 %). Die Parteien waren der
Auffassung, dass der Forderungserwerber an den Forderungsverkäufer keine
umsatzsteuerpflichtige Leistung erbringt. Für den Fall einer abweichenden
Beurteilung durch die Finanzverwaltung gingen die Parteien davon aus, dass
die Differenz zwischen dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert und dem
Kaufpreis, damit ein Betrag von 364.925 € als Gegenleistung anzusehen sei
(entspricht 2,35 %).
9
Nach dem Kaufvertrag war
keine nachträgliche Kaufpreisanpassung vorzunehmen, "wenn sich bei
rückblickender Betrachtung herausstellen sollte, dass der realisierbare Teil
der Forderungen höher oder niedriger ausfallen sollte oder die Realisierung
der Forderungen schneller oder langsamer möglich ist", als im Vertrag
angenommen.
10
Dem Kaufvertrag entsprechend
informierte die Bank durch sog. "good bye letters" über Verkauf und
Abtretung der Forderungen.
11
Die Klägerin gab für den
Voranmeldungszeitraum Oktober 2004 eine Umsatzsteuer-Voranmeldung ab, in der
sie - entsprechend dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, aber entgegen
ihrer eigenen Rechtsauffassung - die Differenz zwischen dem Kaufpreis und
dem abgezinsten wirtschaftlichen Nennwert als Vergütung für eine
umsatzsteuerpflichtige Leistung an den Verkäufer der Forderung ansah.
Dementsprechend behandelte sie den Abschlag von 364.925 € als Gegenleistung,
so dass sich ein Entgelt von 314.591 € und eine Umsatzsteuerschuld von
50.334 € ergab.
12
Die Klägerin erhob gegen
ihre Umsatzsteuer-Voranmeldung Einspruch. Der Beklagte und Revisionskläger
(das Finanzamt - FA -) wies den Einspruch als unbegründet zurück. Hiergegen
erhob die Klägerin Klage zum Finanzgericht (FG). Während des FG-Verfahrens
erging der Umsatzsteuer-Jahresbescheid 2004 vom 24. Mai 2006, den das FA
durch Bescheid vom 9. August 2007 änderte. Beide Bescheide wurden gemäß § 68
der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Klageverfahrens.
13
Das FG gab der Klage mit
seinem in "Entscheidungen der Finanzgerichte" 2008, 887 veröffentlichten
Urteil statt. Anders als beim echten Factoring führe die Übertragung
zahlungsgestörter Forderungen nicht zu einer umsatzsteuerpflichtigen
Leistung an den Verkäufer.
14
Hiergegen wendet sich das FA
mit der Revision, die es auf die Verletzung materiellen Rechts stützt.
15
Das FA beantragt, das Urteil
des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
16
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
17
Das FG habe eine
umsatzsteuerpflichtige Leistung der Klägerin zutreffend verneint.
18
Entscheidungsgründe
II. Entscheidungsgründe
19
Der Senat legt dem EuGH die im Leitsatz
bezeichneten Fragen zur Auslegung der Sechsten Richtlinie des Rates vom
17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten
über die Umsatzsteuern 77/388/EWG (Richtlinie 77/388/EWG) des
Gemeinschaftsrechts vor und setzt das Verfahren bis zur Entscheidung des
EuGH aus.
20
1. Zur Rechtslage nach nationalem Recht
21
§ 1 Abs. 1 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes
1999 (UStG) ordnet an:
"Der Umsatzsteuer unterliegen die folgenden
Umsätze:
1. die Lieferungen und sonstigen
Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines
Unternehmens ausführt. ... ."
§ 2 UStG bestimmt:
"(1) Unternehmer ist, wer eine gewerbliche
oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die
gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich
oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen,
auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt oder eine
Personenvereinigung nur gegenüber ihren Mitgliedern tätig wird. ..."
22
§ 4 Nr. 8 Buchst. c und g UStG regeln:
"Von den unter § 1 Abs. 1 Nr. 1 fallenden
Umsätzen sind steuerfrei: ...
8. c) die Umsätze im Geschäft mit
Geldforderungen und die Vermittlung dieser Umsätze, ausgenommen die
Einziehung von Forderungen,
g) die Übernahme von Verbindlichkeiten, von
Bürgschaften und anderen Sicherheiten sowie die Vermittlung dieser Umsätze."
23
§ 10 Abs. 1 Satz 1 und 2 UStG bestimmt:
"Der Umsatz wird bei Lieferungen und
sonstigen Leistungen (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1) und bei dem
innergemeinschaftlichen Erwerb (§ 1 Abs. 1 Nr. 5) nach dem Entgelt bemessen.
Entgelt ist alles, was der Leistungsempfänger aufwendet, um die Leistung zu
erhalten, jedoch abzüglich der Umsatzsteuer."
24
Nach dem BMF-Schreiben in BStBl I 2004,
737, IV Tz. 11. f., einer norminterpretierenden Verwaltungsanweisung, die
für die Gerichte nicht bindend ist, gilt Folgendes:
25
"11. Bemessungsgrundlage für die
Factoringleistung (Rz. 1) ist grundsätzlich die Differenz zwischen dem
Nennwert der dem Factor abgetretenen Forderungen und dem Betrag, den der
Factor seinem Anschlusskunden als Preis für diese Forderungen zahlt,
abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen Umsatzsteuer (§ 10 UStG).
Wird für diese Leistung zusätzlich oder ausschließlich eine Gebühr gesondert
vereinbart, gehört diese zur Bemessungsgrundlage. Bei Portfolioverkäufen ist
es nicht zu beanstanden, wenn eine nach Durchschnittswerten bemessene Gebühr
in Ansatz gebracht wird. Der Umsatz unterliegt dem allgemeinen Steuersatz,
§ 12 Abs. 1 UStG.
26
12. Bei zahlungsgestörten Forderungen gilt
Folgendes: Berücksichtigt die vertragliche Vereinbarung einen für die
Wirtschaftsbeteiligten erkennbaren und offen ausgewiesenen kalkulatorischen
Teilbetrag für tatsächlich eintretende oder von den Parteien zum Zeitpunkt
des Vertragsabschlusses erwartete Forderungsausfälle, kann dieser bei der
Ermittlung der Bemessungsgrundlage entsprechend in Abzug gebracht werden, da
der Wesensgehalt dieser Leistung insoweit nicht im Factoring besteht.
Bemessungsgrundlage für die Leistung des Factors beim Kauf solcher
zahlungsgestörten Forderungen ist die Differenz zwischen dem im
Abtretungszeitpunkt nach Ansicht der Parteien voraussichtlich realisierbaren
Teil der dem Factor abzutretenden Forderungen (wirtschaftlicher Nennwert)
und dem Betrag, den der Factor seinem Anschlusskunden als Preis für diese
Forderungen zahlt, abzüglich der in dem Differenzbetrag enthaltenen
Umsatzsteuer (§ 10 UStG). Der wirtschaftliche Nennwert entspricht regelmäßig
dem Wert, den die Beteiligten der Forderung tatsächlich beimessen,
einschließlich der Vergütung für den Einzug der Forderung und der
Delkrederegebühr oder vergleichbarer Zahlungen, die der Factor für das
Risiko des Forderungsausfalls erhält und die als Gegenleistung für eine
Leistung des Factors anzusehen sind."
27
2. Bestimmungen des Gemeinschaftsrechts
28
Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
bestimmt:
"Der Mehrwertsteuer unterliegen:
1. Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen, die ein Steuerpflichtiger als solcher im Inland gegen
Entgelt ausführt; ..."
29
Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie 77/388/EWG
regelt:
"(1) Als Steuerpflichtiger gilt, wer eine
der in Absatz 2 genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und
unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit
welchem Ergebnis.
(2) Die in Absatz 1 genannten
wirtschaftlichen Tätigkeiten sind alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers
oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der
Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe.
Als wirtschaftliche Tätigkeit gilt auch eine Leistung, die die Nutzung von
körperlichen oder nicht körperlichen Gegenständen zur nachhaltigen Erzielung
von Einnahmen umfasst."
30
Art. 11 Teil A Abs. 1 Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG bestimmt:
"(1) Die Besteuerungsgrundlage ist:
a) bei Lieferungen von Gegenständen und
Dienstleistungen ... alles, was den Wert der Gegenleistung bildet, die der
Lieferer oder Dienstleistende für diese Umsätze vom Abnehmer oder
Dienstleistungsempfänger oder von einem Dritten erhält oder erhalten soll
..."
31
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 und 3 der
Richtlinie 77/388/EWG ordnen an:
"Unbeschadet sonstiger
Gemeinschaftsvorschriften befreien die Mitgliedstaaten unter den
Bedingungen, die sie zur Gewährleistung einer korrekten und einfachen
Anwendung der nachstehenden Befreiungen sowie zur Verhütung von
Steuerhinterziehungen, Steuerumgehungen und etwaigen Missbräuchen
festsetzen, von der Steuer: ...
d) die folgenden Umsätze: ...
2. die Vermittlung und die Übernahme von
Verbindlichkeiten, Bürgschaften und anderen Sicherheiten und Garantien sowie
die Verwaltung von Kreditsicherheiten durch die Kreditgeber,
3. die Umsätze – einschließlich der
Vermittlung – im Einlagengeschäft und Kontokorrentverkehr, im Zahlungs- und
Überweisungsverkehr, im Geschäft mit Forderungen, Schecks und anderen
Handelspapieren, mit Ausnahme der Einziehung von Forderungen, ..."
32
3. Zur ersten Vorlagefrage
33
In dem vom Senat zu entscheidenden
Rechtsstreit kommt es darauf an, ob die Klägerin als Forderungserwerber
gegenüber dem Forderungsverkäufer eine oder mehrere Leistungen gegen Entgelt
erbrachte, die nach Art. 2 Nr. 1 und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG in den
Anwendungsbereich der Richtlinie fallen. Insoweit ist neben den Bestimmungen
der Richtlinie 77/388/EWG insbesondere das EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 bei der Auslegung des Gemeinschaftsrechts zu
berücksichtigen.
34
a) Der EuGH hat im Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 entschieden, dass ein Wirtschaftsteilnehmer, der
Forderungen unter Übernahme des Ausfallrisikos aufkauft und seinen Kunden
dafür Gebühren berechnet, eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S. der Art. 2 und
Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG ausübt, und daher gemäß Art. 17 dieser
Richtlinie zum Vorsteuerabzug berechtigt ist (erster Leitsatz). Nach dem
Wortlaut des EuGH-Urteils MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688
(Rn. 49 Satz 1) reicht es für das Vorliegen einer vom Forderungskäufer
erbrachten Leistung aus, dass er den Forderungsverkäufer "von der Einziehung
der Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet".
35
b) Der Senat hat Zweifel, ob Art. 2 Nr. 1
und Art. 4 der Richtlinie 77/388/EWG unter Berücksichtigung des EuGH-Urteils
MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 dahingehend auszulegen sind,
dass der Forderungserwerber beim Verkauf zahlungsgestörter Forderungen eine
Leistung gegen Entgelt an den Forderungsverkäufer erbringt.
36
aa) Dem EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 lag ein Vorabentscheidungsersuchen des Senats
zugrunde, bei dem der Forderungserwerb zu einem Kaufpreis erfolgte, der dem
Nennwert der Forderungen nach Abzug einer Factoringgebühr von 2 % und einer
Delkrederegebühr von 1 %, jeweils bezogen auf den Nennwert der Forderungen,
entsprach. Die gemäß Art. 2 Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG erforderliche
Entgeltlichkeit der Forderungseinziehung ergab sich in der Rechtssache MKG
in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 somit daraus, dass der Erwerber der
Forderung berechtigt war, eine Factoring- und eine Delkrederegebühr in Höhe
von insgesamt 3 % des Nennwerts der übertragenen Forderungen einzubehalten.
37
bb) Demgegenüber fehlt es nach den
Verhältnissen des Streitfalls an einer von den Vertragsparteien getroffenen
Vereinbarung eines Entgelts für eine steuerpflichtige Leistung des
Forderungserwerbers. Ein Entgelt für die nach dem EuGH-Urteil MKG in
Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 (Rdnr. 49 Satz 1) dem
Anwendungsbereich der Steuer unterliegende und nach diesem Urteil auch
steuerpflichtige Entlastung von der Einziehung der Forderungen und dem
Risiko ihrer Nichterfüllung könnte sich aber aus der Differenz zwischen dem
Kaufpreis und dem Nennwert der Forderungen oder aus der Differenz zum
"wirtschaftlichen Wert" der Forderungen, wie ihn die Parteien aus
steuerrechtlichen Gründen im Kaufvertrag geregelt haben, ergeben.
38
(1) Zweifelhaft ist, ob stets eine
entgeltliche Leistung anzunehmen ist, wenn eine Forderung mit einem Abschlag
auf den Nennwert der Forderung verkauft wird, so dass jeder (endgültige)
Forderungsverkauf, bei dem der Forderungserwerber die (nunmehr ihm
gehörende) Forderung einzieht und bei dem der Kaufpreis für die Forderungen
niedriger ist als der Nennwert, zu einer entgeltlichen Leistung des
Forderungserwerbers an den Forderungsverkäufer führt. Wäre dies zutreffend,
läge auch beim Verkauf von Forderungen mit einem sehr hohen Ausfallrisiko
eine entgeltliche Leistung des Erwerbers vor. Wäre dabei als Entgelt die
volle Differenz zwischen Kaufpreis und Nennwert der Forderungen anzusehen,
könnte dies dazu führen, dass die für die Leistung des Forderungserwerbers
geschuldete Steuer den Kaufpreis für die Forderung übersteigt. Wird z.B.
eine Forderung mit einem Nennwert von 100 € aufgrund ihres Ausfallrisikos
für 10 % ihres Wertes verkauft, beträgt der Kaufpreis 10 €, während sich aus
der Anwendung des im Streitjahr in Deutschland geltenden Steuersatzes von
16 % eine Steuerschuld von 14,40 € ergäbe (= Differenz zwischen Nennwert und
Kaufpreis 90 € x 16 %).
39
(2) Zweifel, ob im Streitfall die Differenz
zwischen dem Kaufpreis (8.034.883 €) und dem Nennwert der Forderungen
(15.500.915,16 €) in vollem Umfang als Entgelt für eine Leistung des
Forderungserwerbers an den Forderungsverkäufer anzusehen ist, ergeben sich
auch aus der Rechtsprechung des EuGH. Danach unterliegt eine Dienstleistung
nur dem Anwendungsbereich der Steuer, wenn zwischen ihr und einem erhaltenen
Gegenwert ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, der sich aus einem
Rechtsverhältnis ergibt, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen
ausgetauscht werden, wobei die von dem Leistenden empfangene Vergütung den
tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte
Dienstleistung bildet (ständige Rechtsprechung, vgl. z.B. EuGH-Urteil vom
3. März 1994 C-16/93, Tolsma, Slg. 1994, I-743 Rdnr. 13 f.).
40
In der Rechtssache MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 rechtfertigte sich die Annahme eines Gegenwerts
für die durch den Forderungserwerber erbrachte Leistung daraus, dass die
Parteien Gebühren als Gegenwert für die durch den Forderungserwerber
erbrachte Leistung ausdrücklich vereinbart hatten. Der Senat bezweifelt
nicht, dass von einem Gegenwert auch dann auszugehen ist, wenn anstelle
vereinbarter "Gebühren" ein "Abschlag" auf den Nennwert der Forderungen
vereinbart wird, der aber wie in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729,
BStBl II 2004, 688 ganz oder überwiegend auf der vom Forderungserwerber zu
erbringenden Leistung beruht.
41
Demgegenüber ergibt sich der im Streitfall
vereinbarte Abschlag aus einer Vielzahl von Umständen, die bei der Bemessung
des Kaufpreises für die Übertragung der Forderungen von Bedeutung waren.
Hierzu gehörte z.B. die u.U. unterschiedliche Einschätzung hinsichtlich der
Bonität der Schuldner und der Werthaltigkeit der für die Forderungen
gestellten Sicherheiten, denen gerade bei dem im Streitfall vorliegenden
Verkauf zahlungsgestörter Forderungen große Bedeutung zukommt, des Weiteren
der Zeitpunkt der faktischen Durchsetzbarkeit der Forderungen sowie die
hierfür anfallenden Kosten. Die Differenz zwischen Nennwert und Kaufpreis
der Forderungen beruht vorrangig auf der Beurteilung der Werthaltigkeit der
Forderungen und damit auf einem Umstand, dem in der Rechtssache MKG in Slg.
2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 keine Bedeutung zukam. Umstände, die mit
der Einziehung der Forderungen durch den Erwerber zusammenhängen, sind im
Streitfall für die Bemessung des Abschlags auf den Kaufpreis der Forderungen
von nur untergeordneter Bedeutung.
42
(3) Zweifelhaft ist weiter, ob die
Differenz zwischen dem von den Parteien vereinbarten wirtschaftlichen Wert
der Forderungen (8.956.101 €) und dem Kaufpreis (8.034.883 €) - mit oder
ohne Berücksichtigung des von den Parteien angenommenen Zinsanteils
(556.293 €) - ein Entgelt für den Forderungseinzug ist.
43
Fraglich ist bereits, ob der im
BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, IV Tz. 11. f. vorausgesetzte
wirtschaftliche Nennwert auf einer für die Besteuerung unbeachtlichen
Fiktion beruht. Damit die Parteien eines Vertrages, bei dem der Käufer an
einem Kauf zu einem möglichst niedrigen Kaufpreis und bei dem der Verkäufer
an einem Verkauf zu einem möglichst hohen Kaufpreis interessiert ist, einen
übereinstimmenden und auch zutreffenden wirtschaftlichen Wert für die zu
verkaufenden Forderungen festlegen, müssten sie der jeweiligen Gegenseite
ihre eigene wirtschaftliche Kalkulation offenlegen und würden damit ihre
kaufmännische Verhandlungsposition schwächen. Dies erscheint
wirklichkeitsfremd und führt allenfalls zu einer Schätzung von
Einziehungskosten durch die Vertragsparteien, wobei der Finanzverwaltung
eine Überprüfung dieser Schätzung kaum möglich sein dürfte.
44
Darüber hinaus muss es sich bei dem Entgelt
i.S. von Art. 2 Nr. 1 und Art. 11 der Richtlinie 77/388/EWG um einen
subjektiven, den im konkreten Fall tatsächlich erhaltenen Wert, nicht aber
um einen nach objektiven Maßstäben geschätzten Wert handeln (EuGH-Urteil vom
15. Mai 2001 C-34/99, Primback, Slg. 2001, I-3833, Rdnr. 24). Die nach
Auffassung der deutschen Finanzverwaltung erforderliche Vereinbarung eines
"voraussichtlich realisierbaren Teils der abgetretenen Forderungen"
(BMF-Schreiben in BStBl I 2004, 737, IV Tz. 11. f.) führt zu einer
Bestimmung des Entgelts nach den vermuteten Einziehungskosten und damit zu
einer nach "objektiven" Maßstäben vorzunehmenden Schätzung. Im Übrigen ist
fraglich, ob bei einer Regelung, die die Parteien eines Vertrages aus rein
steuerrechtlichen Gründen wie denen des BMF-Schreibens in BStBl I 2004, 737,
IV Tz. 11. f. treffen, von einer subjektiven, d.h. vertraglichen
Vereinbarung eines Entgelts auszugehen ist.
45
(4) Bei der Beantwortung der
Auslegungsfrage ist auch der allgemeine Auslegungsgrundsatz von Bedeutung,
nach dem Steuerbefreiungen als Ausnahme eng und Ausnahmen von der
Steuerfreiheit wie z.B. der Einziehung von Forderungen wiederum weit
auszulegen sind (EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688
Rdnrn. 62 f. und 72). Eine derartige Auslegung würde aber dazu führen, dass
Forderungsübertragungen bei einem Forderungsverkauf zu einem Kaufpreis unter
dem Nennwert nur dann steuerfrei wären, wenn der Forderungseinzug beim
Verkäufer der Forderung verbleibt, wie es z.B. auf eine sog. stille Zession,
die gegenüber dem Schuldner der Forderungen nicht offengelegt wird,
zutrifft. Fraglich ist, ob - selbst unter Beachtung des Grundsatzes enger
Auslegung der Steuerbefreiungen - eine derartige Auslegung einem Art. 13
Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG möglicherweise zu
entnehmenden Regel-Ausnahmeverhältnis entspricht. Dem würde entsprechen,
dass Forderungsübertragungen im Regelfall steuerfrei sein sollen und nur
ausnahmsweise aufgrund besonderer Umstände, wie sie z.B. beim Factoring
gegen ein von den Parteien vereinbartes Entgelt vorliegen, zu einer
steuerpflichtigen Einziehungsleistung führen.
46
(5) Schließlich ist auch zu
berücksichtigen, dass die Auffassung der Klägerin und des FG, unter den
Verhältnissen des Streitfalles fehle es an einer (entgeltlichen) Leistung
des Forderungserwerbs an den Verkäufer, dazu führen würde dass selbst bei
Ankauf und Einziehung zahlungsgestörter Forderungen über einen längeren
Zeitraum die Tätigkeit (wegen Fehlens einer entgeltlichen
Leistungstätigkeit) nicht in den Anwendungsbereich der Mehrwertsteuer fiele.
47
4. Zur zweiten Vorlagefrage
48
Liegt eine dem Anwendungsbereich der Steuer
unterfallende Leistung gegen Entgelt vor, ist im Streitfall weiter
klärungsbedürftig, ob die Leistung des Forderungskäufers beim Erwerb
zahlungsgestörter Forderungen steuerfrei ist.
49
a) Der EuGH hat im Urteil MKG in Slg. 2003,
I-6729, BStBl II 2004, 688 die durch den Forderungskäufer erbrachten
Leistungen als steuerpflichtige Einziehung von Forderungen i.S. von Art. 13
Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG angesehen (EuGH-Urteil MKG
in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688, zweiter Leitsatz). Nach den
Verhältnissen der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688
kam es dabei nicht auf eine Abgrenzung des nach dieser Bestimmung
steuerpflichtigen Forderungseinzugs zu den nach Art. 13 Teil B Buchst. d der
Richtlinie 77/388/EWG steuerfreien Bank- und Finanzdienstleistungen an. Denn
Deutschland gestattet es den Steuerpflichtigen aufgrund der Ermächtigung in
Art. 13 Teil C Buchst. b der Richtlinie 77/388/EWG, anstelle der
Steuerfreiheit nach Art. 13 Teil B Buchst. d der Richtlinie 77/388/EWG zur
Steuerpflicht zu optieren. Diese Option hatte die Klägerin des
Ausgangsverfahrens MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 ausgeübt, um
den Vorsteuerabzug im größtmöglichen Umfang in Anspruch nehmen zu können, so
dass sich in dieser Rechtssache die Frage nach der Abgrenzung einer nach
Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 3 der Richtlinie 77/388/EWG steuerpflichtigen
Leistung zu einer nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie
77/388/EWG steuerfreien Leistung nicht stellte.
50
Eine Option zur Steuerpflicht liegt im
Streitfall nicht vor, so dass im Streitfall anders als in der Rechtssache
MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 die Frage zu beantworten ist,
ob ein steuerpflichtiger Forderungseinzug oder eine steuerfreie Leistung
vorliegen kann.
51
b) Nach der Rechtsprechung des EuGH, der
sich der Senat angeschlossen hat, gelten für die im Streitfall entscheidende
Frage, unter welchen Bedingungen mehrere zusammenhängende Leistungen als
eine Gesamtleistung zu behandeln sind, folgende Grundsätze (vgl. z.B.
EuGH-Urteil vom 11. Juni 2009 C-572/07, RLRE Tellmer Property, BFH/NV 2009,
1368 Rdnrn. 17 ff., BFH-Urteile vom 25. Juni 2009 V R 25/07, BFH/NV 2009,
1746, unter II.2.b, und vom 17. April 2008 V R 39/05, BFH/NV 2008, 1712,
unter II.2.b, m.w.N.):
52
Jeder Umsatz ist in der Regel als
eigenständige, selbständige Leistung zu betrachten; allerdings darf eine
wirtschaftlich einheitliche Dienstleistung im Interesse eines
funktionierenden Mehrwertsteuersystems nicht künstlich aufgespalten werden.
Deshalb sind die charakteristischen Merkmale des fraglichen Umsatzes zu
ermitteln, um festzustellen, ob der Unternehmer dem Leistungsempfänger
mehrere selbständige Leistungen oder eine einheitliche Leistung erbringt,
wobei auf die Sicht des Durchschnittsverbrauchers abzustellen ist.
53
Eine einheitliche Leistung liegt danach
insbesondere dann vor, wenn ein oder mehrere Teile die Hauptleistung, ein
oder mehrere andere Teile dagegen Nebenleistungen sind, die das
steuerrechtliche Schicksal der Hauptleistung teilen. Eine Leistung ist als
Nebenleistung zu einer Hauptleistung anzusehen, wenn sie für den
Leistungsempfänger keinen eigenen Zweck erfüllt, sondern das Mittel
darstellt, um die Hauptleistung des Leistenden unter optimalen Bedingungen
in Anspruch zu nehmen.
54
Das Gleiche gilt, wenn der Unternehmer für
den Leistungsempfänger zwei oder mehr Handlungen vornimmt oder Elemente
liefert, die so eng miteinander verbunden sind, dass sie objektiv eine
einzige untrennbare wirtschaftliche Leistung bilden, deren Aufspaltung
wirklichkeitsfremd wäre.
55
c) Im Streitfall liegen hinsichtlich der
Leistung des Forderungskäufers drei mögliche Leistungselemente vor, von
denen nach Auffassung des Senats aber nur zwei steuerrechtlich von Bedeutung
sind.
56
aa) Wie der EuGH bereits im Urteil MKG in
Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 entschieden hat, besteht die Leistung
beim Forderungserwerb darin, dass der Käufer der Forderung den Verkäufer von
der Einziehung der Forderungen und dem Risiko ihrer Nichterfüllung entlastet
(EuGH-Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 Rdnr. 49).
57
bb) Die Parteien des im Streitfall zu
beurteilenden Kaufvertrages sind darüber hinaus davon ausgegangen, dass im
Hinblick auf den voraussichtlich mehrere Jahre dauernden Forderungseinzug
und der bereits beim Forderungserwerb erfolgten Zahlung des Kaufpreises eine
nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 1 der Richtlinie 77/388/EWG steuerfreie
Kreditgewährung vorliege.
58
Dies hält der Senat aufgrund des
EuGH-Urteils vom 27. Oktober 1993 C-281/91, Muys'en De Winter's Bouw (Slg.
1993, I-5405 Rdnrn. 15 und 18) für unzutreffend. Danach ist ein
verzinslicher Zahlungsaufschub bis zur Lieferung eines Gegenstandes keine
nach dieser Bestimmung steuerfreie Kreditgewährung, sondern Teil des
steuerpflichtigen Entgelts für die Lieferung.
59
Liegt bei einem vom Leistenden dem
Leistungsempfänger eingeräumten Zahlungsaufschub hinsichtlich der
Entgeltentrichtung keine Kreditgewährung vor, wenn sich der Zahlungsaufschub
nur auf den Zeitraum bis zur Leistungserbringung erstreckt, so dass die
Zinsen für diesen Zahlungsaufschub als zusätzliches Entgelt für die
steuerpflichtige Lieferung anzusehen sind, fehlt es auch im Streitfall an
einer Kreditgewährung. Denn zum einen war der Forderungserwerber zur
sofortigen Kaufpreiszahlung verpflichtet. Es liegt keine Vereinbarung vor,
nach der der Forderungserwerber den Kaufpreis erst nach Abschluss seiner
Einziehungstätigkeit zu entrichten hatte und zuvor erfolgten Zahlungen
bloßer Darlehenscharakter zukommen sollte. Zum anderen hätte der
Forderungserwerber bei einem erst nach Abschluss der Einziehungstätigkeit
geschuldeten Kaufpreis auch seine Leistung erst zu diesem Zeitpunkt
erbracht, so dass wie im EuGH-Urteil Muys'en De Winter's Bouw in Slg. 1993,
I-5405 ein unbeachtlicher Zahlungsaufschub für einen Zeitraum bis zur
Leistungserbringung vorläge.
60
d) Ist im Streitfall somit von nur zwei
Leistungsbestandteilen (Entlastung vom Forderungseinzug und vom
Nichterfüllungsrisiko) auszugehen, muss geklärt werden, wie sich diese
beiden Leistungsbestandteile zueinander verhalten.
61
aa) Bei der Auslegung von Art. 13 Teil B
Buchst. d Nr. 2 und 3 der Richtlinie 77/388/EWG ist zu berücksichtigen, dass
der EuGH im Urteil MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 das
Vorliegen einer Leistung des Forderungskäufers auf das EuGH-Urteil vom
25. Mai 1993 C-18/92, Bally (Slg. 1993, I-2871) gestützt hat (EuGH-Urteil
MKG in Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 Rdnrn. 53 und 56). Demgegenüber
hat der EuGH, da es hierauf in der Rechtssache MKG in Slg. 2003, I-6729,
BStBl II 2004, 688 nicht ankam (s. oben II.4.a), bei der Beantwortung der
zweiten Frage nicht auf das Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 Bezug
genommen.
62
bb) In der Rechtssache Bally in Slg. 1993,
I-2871 ging es um ein Kreditkarteninstitut, das mit einem Warenlieferanten
vereinbart hatte, dass dessen Kunden die Warenlieferung mit einer vom
Kreditkarteninstitut ausgegebenen Kreditkarte bezahlen konnten. Das
Kreditkarteninstitut vergütete dem Lieferanten den Preis der Ware abzüglich
einer Provision von 5 % (EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 Rdnr. 3).
Nach dem EuGH-Urteil Bally in Slg. 1993, I-2871 erbringt das
Kreditkarteninstitut eine Leistung an den Lieferanten, die insbesondere die
Garantie für die Bezahlung der Ware umfasst und nach "Art. 13 Teil B
Buchst. d" der Richtlinie 77/388/EWG steuerfrei ist (EuGH-Urteil Bally in
Slg. 1993, I-2871 Rdnrn. 9 f.).
63
cc) Können nach dem EuGH-Urteil Bally in
Slg. 1993, I-2871 im Kreditkartengeschäft steuerfreie Garantieleistungen
vorliegen, stellt sich im Streitfall die Frage, ob bei einem Forderungskauf,
bei dem der Forderungskäufer - anders als in der Rechtssache MKG in
Slg. 2003, I-6729, BStBl II 2004, 688 - nicht zur Steuerpflicht optiert,
gleichfalls eine steuerfreie Leistung vorliegt. Denn auch im
Kreditkartengeschäft erfolgt die Zahlung des die Kreditkarte ausgebenden
Instituts gegen Abtretung oder sonstige Übertragung der Forderung, die dem
Lieferanten gegenüber seinem Kunden zusteht, damit das Kreditkarteninstitut
diese Forderung gegenüber dem Kunden geltend machen kann (vgl. z.B. Peter,
in Umsatzsteuer-Rundschau 1999, 238 ff., 239; Wäger, in Sölch/Ringleb, UStG,
§ 4 Nr. 8 Rz 164).
64
Bei Beantwortung der zweiten
Auslegungsfrage könnte weiter zu berücksichtigen sein, dass Art. 13 Teil B
Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie 77/388/EWG auch dazu dient, Schwierigkeiten
bei der Bestimmung der Bemessungsgrundlage von Leistungen, die ohne diese
Steuerbefreiung steuerpflichtig wären, zu vermeiden (EuGH-Urteil vom
19. April 2007 C-455/05, Velvet & Steel, Slg. 2007, I-3225 Rdnr. 24).
Derartige Schwierigkeiten bestehen für den Fall der Steuerpflicht nach
Auffassung des Senats auch bei der Übertragung zahlungsgestörter
Forderungen.
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dd) Liegt beim Erwerb zahlungsgestörter
Forderungen eine nach Art. 13 Teil B Buchst. d Nr. 2 der Richtlinie
77/388/EWG steuerfreie Garantieleistung vor, ist weiter klärungsbedürftig,
ob der Forderungseinzug als Teil einer einheitlichen Leistung oder als
Nebenleistung zu einer derartigen Garantie oder Übernahme einer anderen
Sicherheit anzusehen ist. Für Letzteres könnte unter Berücksichtigung des
EuGH-Urteils RLRE Tellmer Property in BFH/NV 2009, 1368 Rdnr. 23 sprechen,
dass für den Forderungseinzug keine gesonderte Entgeltvereinbarung vorliegt.
Weiter ist zu berücksichtigen, dass dem Forderungseinzug ausschließlich
dienende Funktion für das Garantieelement zukommt und es dem
Forderungsverkäufer, dem Empfänger der Leistung, letztlich nur auf die Höhe
des Forderungskaufpreises ankommt. Ob und inwieweit der Forderungskäufer die
ihm übertragenen Forderungen einzieht, ist für den Forderungsverkäufer
unerheblich, wenn eine Kaufpreisanpassung nach Maßgabe des tatsächlichen
Beitreibungserfolgs - wie im Streitfall - ausgeschlossen ist.
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5. Zur dritten Vorlagefrage
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Liegt eine in den Anwendungsbereich der
Steuer fallende und steuerpflichtige Leistung vor, ist zu klären, welcher
Betrag als Entgelt anzusehen ist. Nach Art. 11 Teil A Buchst. a der
Richtlinie 77/388/EWG gehört zur Besteuerungsgrundlage alles, was den Wert
der Gegenleistung bildet, die der Dienstleistende für diese Umsätze vom
Dienstleistungsempfänger erhält oder erhalten soll. Insoweit ist
auslegungsbedürftig, ob sich dieser Wert nach den von den Parteien des
Vertrages bei Vertragsschluss vermuteten Kosten für die Einziehung oder nach
den hiervon ggf. abweichenden Kosten bestimmt, die für die Einziehung später
tatsächlich anfallen.
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6. Rechtsgrundlage der Vorlage
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Rechtsgrundlage für die Anrufung des EuGH
ist Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union.
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7. Verfahrensaussetzung
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Die Aussetzung des Verfahrens beruht auf
§ 121 Satz 1 FGO i.V.m. § 74 FGO.
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