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BFH-Urteil vom 3.2.2010 (IV R 45/07) BStBl. 2010 II S. 689
Nach der 1 %-Regelung ermittelte Entnahme für die private PKW-Nutzung bei
Landwirt mit Durchschnittssatz-Besteuerung gemäß § 24 UStG nicht um fiktive
Umsatzsteuer zu erhöhen
Die
Entnahme eines Landwirts, der die private PKW-Nutzung nach der 1 %-Regelung
ermittelt und die Umsatzsteuer pauschaliert, ist nicht um eine fiktive
Umsatzsteuer zu erhöhen.
EStG § 4 Abs. 1 Satz 2, § 6 Abs. 1 Nr. 4
Sätze 1, 2 und 3, § 12 Nr. 3, § 13; FGO § 48 Abs. 1; UStG § 1 Abs. 1 Nr. 1,
§ 3 Abs. 9a, § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Sätze 3 und 4.
Vorinstanz: Niedersächsisches FG vom
10. Juli 2007 13 K 509/06 (EFG 2007, 1752)
Sachverhalt
I.
1
Die Klägerin und
Revisionsbeklagte (Klägerin) ist eine GbR, die Einkünfte aus Land- und
Forstwirtschaft erzielt. Gesellschafter sind H (Vater) und J (Sohn). Die
Klägerin ermittelt den Gewinn durch Bestandsvergleich für das
landwirtschaftliche Normalwirtschaftsjahr (1. Juli bis 30. Juni). Die
Entnahme für die private Nutzung eines im Jahr 1989 angeschafften PKW setzte
sie nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) mit 1 %
des Bruttolistenpreises für jeden Kalendermonat an. Ihre Umsätze unterwirft
die Klägerin der Durchschnittssatz-Besteuerung gemäß § 24 des
Umsatzsteuergesetzes (UStG).
2
Im Rahmen einer Außenprüfung
vertrat der Prüfer die Ansicht, der Privatanteil für den PKW sei um darauf
entfallende Umsatzsteuer i.S. des § 24 UStG zu erhöhen, die er
folgendermaßen berechnete:
3
4
Der Beklagte und
Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) erließ entsprechend geänderte
Feststellungsbescheide für die Streitjahre (2002 und 2003). Der Einspruch
hatte im vorliegenden Streitpunkt keinen Erfolg.
5
Das Finanzgericht (FG) gab
der Klage statt. Das Urteil ist in Entscheidungen der Finanzgerichte 2007,
1752 veröffentlicht.
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Mit der Revision macht das
FA geltend, das FG gehe zu Unrecht davon aus, das Abzugsverbot des § 12
Nr. 3 EStG greife bei einem nach § 24 UStG durchschnittsbesteuerten Landwirt
nicht ein. Nach dieser Vorschrift glichen sich zwar Umsatzsteuer und
Vorsteuer aus. Da der pauschalierende Landwirt im Gegensatz zum
Regelversteuerer die Ausgaben für die dem Unternehmen zugeordneten
Gegenstände, die er auch außerhalb des Unternehmens nutze, in voller Höhe,
einschließlich der ihm in Rechnung gestellten Umsatzsteuer als
Betriebsausgaben buchen könne, wirkten sich beim pauschalierenden Landwirt
jedoch auch die Kosten (hier: in Rechnung gestellte Vorsteuern) aus, die
wirtschaftlich nicht den Betrieb beträfen. Dabei handele es sich um die
nicht durch das Unternehmen veranlassten Vorsteuerbeträge, die auf die
private Nutzung des dem Unternehmen zugeordneten Wirtschaftsguts (hier: PKW)
entfielen. Um diese Kosten, die dem Grunde nach nicht abzugsfähig seien, da
sie wirtschaftlich nicht durch den Betrieb veranlasst seien, zu
kompensieren, habe es die Finanzverwaltung aus Vereinfachungsgründen
zugelassen, die Nutzungsentnahme um den sich aus § 24 Abs. 1 UStG ergebenden
Durchschnittssteuersatz zu erhöhen. Eine Aufteilung der einzelnen Kosten in
abzugsfähige und nicht abzugsfähige Betriebsausgaben bleibe dem Landwirt
dadurch erspart.
7
Das FA beantragt sinngemäß,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
8
Die Klägerin beantragt, die
Revision zurückzuweisen.
9
Das FA verkenne, dass dem
Regelversteuerer die Vorsteuer erstattet werde. Der pauschalierende Landwirt
habe deshalb zwar höhere Betriebsausgaben, stehe sich im Ergebnis jedoch
schlechter, weil er die Vorsteuern lediglich als Betriebsausgaben abziehen
könne.
Entscheidungsgründe
II.
10
Die Revision des FA ist nicht begründet.
Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO
-).
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1. Die von Vater und Sohn als
Gesellschafter der GbR erhobene Klage ist dahingehend auszulegen, dass die
GbR als Klägerin anzusehen ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom
29. November 2007 IV R 81/05, BFHE 220, 94, BStBl II 2008, 561, unter II.1.
der Gründe).
12
a) Feststellungsbescheide, in denen der
Gewinn der Gesellschafter aus ihrer Beteiligung als Grundlage für die
Veranlagung zur Einkommensteuer festgestellt wird, richten sich zwar ihrem
Inhalt und ihren beabsichtigten Wirkungen nach gegen die Gesellschafter.
Deren Klagebefugnis wird jedoch durch § 48 Abs. 1 FGO eingeschränkt (vgl.
BFH-Urteil vom 26. Oktober 1989 IV R 23/89, BFHE 159, 15, BStBl II 1990,
333, unter 1.a der Gründe, zu § 48 Abs. 1 FGO a.F.). Diese Regelung ist
dahin zu verstehen, dass die Personengesellschaft, ihrerseits vertreten
durch ihre(n) Geschäftsführer, als Prozessstandschafterin für ihre
Gesellschafter Klage gegen den Gewinnfeststellungsbescheid erheben kann, der
sich inhaltlich nicht an die Gesellschaft, sondern an die einzelnen
Gesellschafter als Subjekte der Einkommensteuer richtet (vgl. BFH-Urteil vom
27. November 2008 IV R 16/06, BFH/NV 2009, 783, unter II.1. der Gründe,
m.w.N.). Den Gesellschaftern steht daneben eine eigene Klagebefugnis nur zu,
soweit in ihrer Person die Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Nrn. 3 bis 5 FGO
erfüllt sind.
13
b) Nach dem Grundsatz der
rechtsschutzgewährenden Auslegung ist im Zweifelsfall anzunehmen, dass das
Rechtsmittel eingelegt werden sollte, das zulässig ist (BFH-Urteil in BFHE
220, 94, BStBl II 2008, 561, unter II.1. der Gründe, m.w.N.). Im Streitfall
waren Vater und Sohn persönlich nicht klagebefugt (BFH-Urteil vom
17. Oktober 1985 IV R 34/84, BFH/NV 1987, 374, unter 2. der Gründe). Sie
konnten nur als vertretungsberechtigte Geschäftsführer der GbR eine
zulässige Klage erheben (vgl. BFH-Urteil vom 19. April 2007 IV R 28/05, BFHE
218, 75, BStBl II 2007, 704, unter II.1.c der Gründe). Diese ist daher
Klägerin.
14
2. Die Entnahme eines Landwirts, der die
private PKW-Nutzung nach der 1 %-Regelung ermittelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
EStG) und die Umsätze gemäß § 24 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert,
ist nicht um eine fiktive entnahmebedingte Umsatzsteuer zu erhöhen. Das
Abzugsverbot nach § 12 Nr. 3 EStG greift nicht ein.
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a) Die Nutzung eines zum Betriebsvermögen
gehörenden Wirtschaftsguts für betriebsfremde Zwecke stellt eine
Nutzungsentnahme dar. Der Gewinn des Betriebs ist deshalb nach § 4 Abs. 1
Satz 2 EStG um den auf die betriebsfremde Nutzung entfallenden Aufwand zu
erhöhen (u.a. BFH-Urteil vom 19. März 2009 IV R 59/06, BFH/NV 2009, 1617,
unter II.1. der Gründe, m.w.N.).
16
b) Zwar sind Nutzungsentnahmen nach
ständiger Rechtsprechung grundsätzlich mit dem durch die Nutzung
verursachten Aufwand, d.h. mit den tatsächlichen Selbstkosten zu bewerten;
die Bewertung mit dem Teilwert nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 1 EStG betrifft
Sachentnahmen (BFH-Urteil in BFH/NV 2009, 1617, unter II.4.c aa der Gründe,
m.w.N.). Die Bewertung der privaten Kfz-Nutzung richtet sich jedoch nach § 6
Abs. 1 Nr. 4 Sätze 2 und 3 EStG.
17
aa) Nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG in
der für die Streitjahre geltenden Fassung ist die private Nutzung eines Kfz
für jeden Kalendermonat mit 1 % des inländischen Listenpreises im Zeitpunkt
der Erstzulassung zuzüglich der Kosten für Sonderausstattungen
einschließlich der Umsatzsteuer anzusetzen. Abweichend davon kann nach § 6
Abs. 1 Nr. 4 Satz 3 EStG die private Nutzung mit den auf die Privatfahrten
entfallenden Aufwendungen angesetzt werden, wenn die für das Kfz insgesamt
entstehenden Aufwendungen durch Belege und das Verhältnis der privaten zu
den übrigen Fahrten durch ein ordnungsgemäßes Fahrtenbuch nachgewiesen
werden.
18
bb) § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG ist eine
spezialgesetzliche Bewertungsregel. Nur wenn sie nicht eingreift (§ 6 Abs. 1
Nr. 4 Satz 3 EStG), ist die Nutzungsentnahme nach allgemeinen Regeln mit dem
darauf entfallenden Aufwand zu bewerten (vgl. BFH-Urteile vom 26. April 2006
X R 35/05, BFHE 214, 61, BStBl II 2007, 445, unter II.3. der Gründe; in
BFH/NV 2009, 1617, unter II.1.).
19
c) Die Bewertung der Nutzungsentnahme für
die private Kfz-Nutzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bietet danach bei
einem nach § 24 UStG pauschalierenden Landwirt keinen Raum für den
gewinnerhöhenden Ansatz einer fiktiven Umsatzsteuer, wie das FG zutreffend
entschieden hat (gl.A. Urteile des FG Düsseldorf vom 28. März 2007
7 K 3373/06 E, Recht der Landwirtschaft 2007, 277, und vom 7. Dezember 2005
7 K 2342/04 E, juris; Oberfinanzdirektion - OFD - Rheinland, Kurzinformation
Einkommensteuer Nr. 38/2007 vom 11. Mai 2007, Der Betrieb - DB - 2007, 1382;
Leingärtner/Zaisch, Besteuerung der Landwirte, Kap. 45, Rz 49; a.A.
Felsmann, Einkommensbesteuerung der Land- und Forstwirte, B Rz 479a; OFD
Magdeburg, Verfügung vom 21. Januar 2008, S 2230 - 154 - St 212,
S 2177 - 1 - St 212, juris; Finanzministerium Schleswig-Holstein,
Einkommensteuer-Kurzinformation Nr. 2008/50 vom 4. September 2008
VI 306 -S 2227- 115/12, juris).
20
aa) Bemessungsgrundlage der 1 %-Regelung
ist der inländische Listenpreis des PKW einschließlich der Umsatzsteuer.
Diese Regelung verhindert, dass ein Betriebsinhaber hinsichtlich der
privaten Nutzung eines Kfz besser gestellt wird als eine Privatperson, die
auf die Anschaffung und Nutzung ihres privat genutzten Kfz Umsatzsteuer zu
zahlen hat; sie entspricht auch der Wertung des § 12 Nr. 3 EStG, wonach die
Umsatzsteuer für Umsätze, die Entnahmen sind, nicht abgezogen werden darf
(BFH-Urteil vom 6. März 2003 XI R 12/02, BFHE 202, 134, BStBl II 2003, 704,
unter II.1. der Gründe).
21
bb) Davon abgesehen ist jedoch die Frage,
ob und in welcher Höhe auf den Entnahmevorgang Umsatzsteuer entfällt, für
die einkommensteuerrechtliche Gewinnermittlung unerheblich (BFH-Urteil vom
30. Juli 2003 X R 70/01, BFH/NV 2003, 1580, unter II.1. der Gründe, zur
Ermittlung der privaten Kfz-Nutzung nach § 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2 EStG bei
einem Regelversteuerer). Die 1 %-Regelung führt zu einem typisierenden
Ansatz, der einzelfallbezogenen Korrekturen nicht zugänglich ist (vgl. u.a.
BFH-Urteile in BFH/NV 2009, 1617, unter II.4.a bb der Gründe; vom
24. Februar 2000 III R 59/98, BFHE 191, 286, BStBl II 2000, 273, unter II.4.
der Gründe). Auf die Höhe und die Zusammensetzung der tatsächlich
entstandenen (Selbst-)Kosten kommt es bei dieser Sachlage ebenso wenig an,
wie auf die Frage, ob die Umsatzsteuer Bestandteil dieser Kosten ist (a.A.
Felsmann, a.a.O., B Rz 479a).
22
d) Das Abzugsverbot des § 12 Nr. 3 EStG
greift bei einem nach § 24 UStG pauschalierenden Landwirt nicht ein, wie das
FG ebenfalls zutreffend entschieden hat (gl.A. OFD Rheinland in DB 2007,
1382). Zwar ist nach § 12 Nr. 3 EStG u.a. die Umsatzsteuer für Umsätze, die
Entnahmen sind, nicht abziehbar. Ein nach § 24 UStG pauschalierender
Landwirt hat jedoch auf die Entnahme keine Umsatzsteuer zu entrichten.
23
e) Soweit das FA meint, eine andere
Auslegung des § 12 Nr. 3 EStG sei zur Vermeidung einer ungerechtfertigten
Bevorzugung pauschalierender Landwirte (§ 24 UStG) gegenüber
Regelversteuerern geboten, folgt ihm der Senat nicht (ebenso zur Frage der
Benachteiligung eines Regelversteuerers gegenüber einem nicht
umsatzsteuerpflichtigen Unternehmer BFH-Urteile in BFHE 202, 134, BStBl II
2003, 704; in BFH/NV 2003, 1580; Verfassungsbeschwerde nicht zur
Entscheidung angenommen mit Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom
30. Juni 2004 2 BvR 1931/03). Denn anders als ein Regelversteuerer, der bei
betrieblichen Ausgaben wegen des Vorsteuerabzugs mit der gezahlten
Umsatzsteuer nicht belastet ist, kann ein pauschalierender Landwirt den
Vorsteuerabzug nicht in Anspruch nehmen.
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Er ist daher im Unterschied zum
Regelversteuerer bei betrieblichen Ausgaben (auch) mit der darin enthaltenen
Umsatzsteuer belastet; dem trägt der Betriebsausgabenabzug der gezahlten
Umsatzsteuer Rechnung. Soweit der Regelversteuerer auf Nutzungsentnahmen
Umsatzsteuer zu entrichten hat (§ 3 Abs. 9a und § 1 Abs. 1 Nr. 1 UStG) wird
damit im Ergebnis lediglich der darauf entfallende Vorsteuerabzug rückgängig
gemacht, während dem pauschalierenden Landwirt der Vorsteuerabzug von
vornherein insgesamt nicht zusteht. Die Unterschiede in der Anwendung des
§ 12 Nr. 3 EStG sind daher Folge der Unterschiede zwischen Regel- und
Pauschalversteuerung bei der Umsatzsteuer und rechtfertigen eine andere
Auslegung dieser Vorschrift nicht (ähnlich BFH-Urteil in BFHE 202, 134,
BStBl II 2003, 704, unter II.2. der Gründe).
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f) Die angefochtene Entscheidung entspricht
diesen Grundsätzen. Die Klägerin hat die private PKW-Nutzung ihrer
Gesellschafter nach der 1 %-Regelung ermittelt (§ 6 Abs. 1 Nr. 4 Satz 2
EStG) und die Umsätze gemäß § 24 UStG nach Durchschnittssätzen versteuert.
Das FG hat zutreffend entschieden, dass das FA die Entnahmen für die private
PKW-Nutzung zu Unrecht um 9 % wegen nicht abzugsfähiger Umsatzsteuer erhöht
hat. Die dagegen gerichtete Revision des FA konnte keinen Erfolg haben.
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