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BFH-Urteil vom 3.2.2010 (I R 21/06) BStBl. 2010 II S. 692
Schlussurteil "Glaxo Wellcome": § 50c EStG a.F. verstößt nicht gegen das
Gemeinschaftsrecht
1.
Kommt es im Rahmen einer konzerninternen Umstrukturierung zum Erwerb einer
Beteiligung an einer inländischen GmbH I von der ausländischen
Muttergesellschaft durch die inländische Tochterkapitalgesellschaft II (GmbH
II), wird durch diesen Erwerb ein sog. Sperrbetrag nach § 50c Abs. 1 EStG
1990 ausgelöst; wird die GmbH I alsdann auf die GmbH II verschmolzen (sog.
Aufwärtsverschmelzung), geht der Sperrbetrag nicht unter, er setzt sich
vielmehr - als mittelbarer Sperrbetrag - an den Anteilen der GmbH II gemäß §
50c Abs. 7 EStG 1990 (i.d.F. des StandOG) fort (Bestätigung des
Senatsurteils vom 7. November 2007I R 41/05, BFHE 219, 549, BStBl II 2008,
604). Kommt es schließlich zu einer formwechselnden Umwandlung der GmbH II
in eine GmbH & Co. KG, sind bei der Ermittlung des
Übernahmegewinns/Übernahmeverlusts (§ 4 Abs. 4 und 5 UmwStG 1995) sowohl der
mittelbare Sperrbetrag an den Anteilen der GmbH II als auch ein etwaiger
unmittelbarer Sperrbetrag an den Anteilen der GmbH II zu berücksichtigen,
der aus einem Anteilserwerb an der GmbH II durch eine weitere inländische
Tochtergesellschaft von der ausländischen Muttergesellschaft herrührte
(Bestätigung des Senatsurteils vom 12. November 2008 I R 77/07, BFHE 224,
32, BStBl II 2009, 831).
2.
Dass danach eine Wertminderung von Anteilen durch Gewinnausschüttungen bei
der Gewinnermittlung nicht zu berücksichtigen ist (§ 50c EStG 1990),
verstößt im Grundsatz nicht gegen Gemeinschaftsrecht. Dem Steuerpflichtigen
ist jedoch im Wege einer sog. geltungserhaltenden Reduktion des Wortlauts
des § 50c Abs. 4 Satz 1 EStG 1990 die Möglichkeit einzuräumen, den Nachweis
zu erbringen, dass die Anschaffungskosten der Anteile eine Abgeltung eines
Körperschaftsteuerguthabens an den nicht anrechnungsberechtigten Veräußerer
der Anteile nicht einschließen (Anschluss an das Urteil des EuGH vom 17.
September 2009 C-182/08 "Glaxo Wellcome", IStR 2009, 691).
EStG 1990 i.d.F. des StandOG § 50c Abs. 1,
Abs. 4, Abs. 7; KStG 1991 § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 2, § 51; UmwStG 1995 § 4
Abs. 4, Abs. 5, Abs. 6 Satz 1, § 5 Abs. 3 Satz 1, § 13 Abs. 4; GewStG 1991 §
6 Satz 1, § 7; HGB § 249, § 252, § 252 Abs. 1 Nr. 4, § 253 Abs. 1; EGV Art.
52 (= EG Art. 43 = AEUV Art. 49), Art. 73b (= EG Art. 56 = AEUV Art. 63).
Vorinstanz: FG München vom 10. Februar 2006
8 K 5285/02 (EFG 2006, 820)
Sachverhalt
I.
1
Es handelt sich um jenes
Klageverfahren, das dem Vorabentscheidungsersuchen des Senats an den
Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (ab 1. Dezember 2009 Gerichtshof
der Europäischen Union) - EuGH - vom 23. Januar 2008 I R 21/06 (BFHE 220,
280) sowie dem anschließenden Urteil des EuGH vom 17. September 2009
C-182/08 "Glaxo Wellcome" (Internationales Steuerrecht - IStR - 2009, 691)
zugrunde lag:
2
Die Klägerin,
Revisionsklägerin und Revisionsbeklagte (Klägerin), eine GmbH & Co. KG, ist
zum 1. Juli 1995 durch eine formwechselnde Umwandlung (§§ 190 ff. des
Umwandlungsgesetzes 1995 - UmwG 1995 -) einer GmbH, der GW GmbH, entstanden.
Im Zeitpunkt der Umwandlung waren an der GW GmbH zu 99 % die GV GmbH und zu
1 % die S GmbH, eine 100 %ige Tochtergesellschaft der GV GmbH, beteiligt. Da
zwischen der GV GmbH und der S GmbH ein Ergebnisabführungsvertrag bestand,
gingen die Beteiligten für das vorliegende Verfahren davon aus, dass der GV
GmbH (wirtschaftlich gesehen) im Umwandlungszeitpunkt alle Anteile an der GW
GmbH zuzurechnen waren.
3
Der Umwandlung waren
folgende Vorgänge vorausgegangen: Am 26. Juni 1995 erwarb die GV GmbH, die
bereits 95 % der Anteile an einer G GmbH besaß, von ihrer in Großbritannien
ansässigen Muttergesellschaft, der GG Ltd., die restlichen 5 % der Anteile
an der G GmbH und wurde damit deren alleinige Muttergesellschaft. Am 27.
Juni 1995 und am 7. Juli 1995 erwarb die G GmbH - im Zuge eines
Unternehmenserwerbs eines weiteren britischen Konzerns durch die GG Ltd. und
einer länderübergreifenden Unternehmensumstrukturierung - sämtliche Anteile
an der W GmbH, und zwar von der GG Ltd. 99,98 % (Kaufpreis: 327,5 Mio. DM)
und von einer ebenfalls in Großbritannien ansässigen B Ltd. - die im
EuGH-Urteil in IStR 2009, 691 als Muttergesellschaft der GG Ltd. bezeichnet
wurde - 0,02 % der Anteile (Kaufpreis: 65.500 DM). Durch
Verschmelzungsvertrag vom 25. August 1995 wurde die W GmbH gemäß § 54 Abs. 1
Nr. 1 UmwG 1995 rückwirkend zum 29. Juni 1995 und ohne Ausgabe neuer Anteile
auf ihre alleinige Gesellschafterin, die G GmbH, verschmolzen (unter
Umbenennung des Namens: nunmehr GW GmbH). Dadurch ergab sich für die GW GmbH
aus der Differenz zwischen dem Bilanzansatz ihrer Anteile an der W GmbH und
dem steuerlichen Eigenkapital der W GmbH zum 29. Juni 1995 ein
Verschmelzungsverlust von 306.028.396 DM, der sich aber steuerlich nicht
auswirkte (§ 12 Abs. 2 Satz 1 des Umwandlungssteuergesetzes 1995 - UmwStG
1995 -). Am 30. Juni 1995 verkaufte die GV GmbH 1 % ihrer Anteile an der GW
GmbH an die S GmbH.
4
Die am 20. Dezember 1995 in
das Handelsregister eingetragene Umwandlung der GW GmbH in die Klägerin, an
der zu 1 % die S GmbH als Komplementärin und zu 99 % die GV GmbH als
Kommanditistin beteiligt ist, erfolgte steuerlich zu Buchwerten. Zum
Umwandlungsstichtag (1. Juli 1995) waren die Anteile an der GW GmbH bei der
GV GmbH (einschließlich der S GmbH) mit 500 Mio. DM bilanziert. Die Klägerin
berechnete einen Übernahmeverlust (§ 4 Abs. 4 und 5 UmwStG 1995) unter
Berücksichtigung der Rechtsfolge des § 5 Abs. 3 Satz 1 UmwStG 1995 und unter
Ansatz eines sog. Sperrbetrages nach § 50c des Einkommensteuergesetzes 1990
i.d.F. des Gesetzes zur Verbesserung der steuerlichen Bedingungen zur
Sicherung des Wirtschaftsstandorts Deutschland im Europäischen Binnenmarkt
(Standortsicherungsgesetz) vom 13. September 1993 (BGBl I 1993, 1569, BStBl
I 1993, 774) - EStG 1990 - von 22.887.706 DM wie folgt:
5
6
Mit diesem Übernahmeverlust
von 328.096.563 DM stockte die Klägerin den Bilanzansatz eines auf sie
übergegangenen Grundstücks um 6 Mio. DM auf (§ 4 Abs. 6 Satz 1 UmwStG 1995)
und aktivierte einen Marktwert "W" (322.096.563 DM), der unter Ansatz einer
Absetzung für Abnutzung (AfA) in den Folgejahren fortgeschrieben wurde.
7
Der Beklagte,
Revisionskläger und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) vertrat die
Auffassung, dass nicht nur der Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH durch die
GV GmbH von der Muttergesellschaft GG Ltd. einen die erworbenen Anteile
belastenden Sperrbetrag nach § 50c Abs. 1 EStG 1990 in Höhe von 22.887.706
DM ausgelöst habe. Auch die Anteile an der W GmbH, die die Rechtsvorgängerin
der Klägerin von der GG Ltd. und der W Ltd. erworben hatte, seien mit einem
Sperrbetrag in Höhe von 322.565.500 DM belastet gewesen. Jener (aus zwei
Einzelbeträgen zusammengesetzte) Sperrbetrag sei im Zuge der Verschmelzung
der W GmbH mit der GW GmbH in Anwendung von § 13 Abs. 4 UmwStG 1995 auf die
von der GV GmbH gehaltenen Anteile an der G/GW GmbH "übergesprungen". Der
sich aus dem Formwechsel der GW GmbH ergebende Übernahmeverlust reduziere
sich daher unter Berücksichtigung der - zusammen drei - Sperrbeträge auf
5.531.063 DM. Dieser Verlust sei ausschließlich als Aufstockungsbetrag für
das Grundstück zu verwenden. Die Aktivierung eines Marktwerts und die
jährlichen AfA hierauf entfielen somit. Insoweit stellte das FA in
Änderungsbescheiden erhöhte Gewinne aus Gewerbebetrieb fest; bei der
Einkünfteermittlung war - gegenläufig zu den Erhöhungen - ein erhöhter
Gewerbesteueraufwand einkünftemindernd berücksichtigt worden.
8
Das Begehren der Klägerin im
finanzgerichtlichen Verfahren ging dahin, einen Marktwert von 344.984.269 DM
anzusetzen und auf dieser Grundlage AfA - nach der zwischen den Beteiligten
getroffenen Verständigung über einen Abschreibungszeitraum von 11 Jahren -
zu berücksichtigen, und die Wertaufstockung des Grundstücks auf 6 Mio. DM
anzuheben, was sich (Verkauf des Grundstücks in 1996) durch einen
Buchverlust 1996 in Höhe von 468.937 DM auswirken sollte. Darüber hinaus
sollte die Gewerbesteuer-Rückstellung in der nach handelsrechtlichen
Maßgaben vom Wirtschaftsprüfer gebildeten Höhe aufrecht erhalten bleiben,
die ausweislich des Prüfungsberichts zum Jahresabschluss für das
Rumpfgeschäftsjahr 1. Juli 1995 bis 31. Dezember 1995 "Aufwendungen aus
Abschreibungen auf den Marktwert W" nicht berücksichtigt hat. In ihrer
steuerlichen Deklaration (Feststellungserklärung 1995) hatte die Klägerin
eine "Abweichung HB/StB Gewerbeertragsteuer" einkünfteerhöhend (eine
Minderung des Steueraufwands unter Berücksichtigung der AfA auf den
Marktwert) angesetzt. Ob diese Abweichung auch Gegenstand der Deklarationen
in den anderen Streitjahren war (ggf. in welcher Höhe), hat das
Finanzgericht (FG) nicht festgestellt.
9
Das FG folgte dem Begehren
der Klägerin teilweise. Die gegen die geänderten Feststellungsbescheide
erhobene Klage hatte Erfolg, soweit es um den Ansatz der Sperrbeträge (und
gegenläufig um den Ansatz der vom FA gebildeten höheren
Gewerbesteuerrückstellungen) ging; die Gewinne der Klägerin sollten -
entsprechend dem Klageantrag - niedriger festgestellt werden, allerdings
sollte es bei der Berechnung zu einer (gegenläufigen) erfolgswirksamen
Auflösung der von der Klägerin "dafür" gebildeten
Gewerbesteuerrückstellungen kommen (Urteil des FG München vom 10. Februar
20068 K 5285/02, Entscheidungen der Finanzgerichte - EFG - 2006, 820).
10
Sowohl die Klägerin als auch
das FA rügen mit ihren Revisionen die Verletzung materiellen Rechts.
11
Der erkennende Senat hat dem
EuGH durch Beschluss in BFHE 220, 280 unter Hinweis darauf, dass der Ansatz
von Sperrbeträgen gemäß § 50c EStG 1990 gegen die in Art. 52 bzw. Art. 73b
des Vertrages zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EGV) bzw. in Art.
43 bzw. Art. 56 des Vertrages von Amsterdam zur Änderung des Vertrages über
die Europäische Union, der Verträge zur Gründung der Europäischen
Gemeinschaften (EG) sowie einiger damit zusammenhängender Rechtsakte
(Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften 1997 Nr. C 340, 1) verbürgten
Freiheiten der Niederlassung bzw. des Kapitalverkehrs verstoßen könnte, die
folgende Rechtsfrage zur Vorabentscheidung vorgelegt:
12
"Stehen Art. 52 EGV (jetzt
Art. 43 EG) bzw. Art. 73b EGV (jetzt Art. 56 EG) der Regelung eines
Mitgliedstaates entgegen, nach welcher im Rahmen eines nationalen Systems
der Körperschaftsteueranrechnung die Wertminderung von Anteilen durch
Gewinnausschüttungen von einem Einfluss auf die Bemessungsgrundlage der
Steuer ausgeschlossen wird, wenn ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer
berechtigter Steuerpflichtiger einen Anteil an einer unbeschränkt
steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von einem nichtanrechnungsberechtigten
Anteilseigner erworben hat, während im Anschluss an den Erwerb von einem
anrechnungsberechtigten Anteilseigner eine solche Wertminderung die
Bemessungsgrundlage der Steuer des Erwerbers mindert?"
13
Durch Urteil in IStR 2009,
691 entschied der EuGH auf dieses Ersuchen:
14
"Art. 73b EG-Vertrag (jetzt
Art. 56 EG) ist dahin auszulegen, dass er einer Regelung eines
Mitgliedstaats nicht entgegensteht, wonach die Wertminderung von Anteilen
durch Gewinnausschüttungen von einem Einfluss auf die Bemessungsgrundlage
der Steuer eines gebietsansässigen Steuerpflichtigen ausgeschlossen wird,
wenn dieser Anteile an einer gebietsansässigen Kapitalgesellschaft von einem
gebietsfremden Anteilseigner erworben hat, während im Anschluss an den
Erwerb von einem gebietsansässigen Anteilseigner eine solche Wertminderung
die Bemessungsgrundlage der Steuer des Erwerbers mindert. Dies gilt in den
Fällen, in denen eine solche Regelung nicht über das hinausgeht, was
erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der Aufteilung der
Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und um rein
künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu verhindern,
die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss
eines Steuervorteils zu kommen. Es ist Sache des vorlegenden Gerichts, zu
prüfen, ob sich die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung auf das
beschränkt, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist."
15
In dem daraufhin
fortgeführten Revisionsverfahren beantragt die Klägerin, das angefochtene
Urteil dahin abzuändern, dass die mit dem Urteil bestimmten Änderungen der
Gewinnfeststellungen ohne erfolgswirksame Auflösung von
Gewerbesteuerrückstellungen erfolgen, hilfsweise, die Sache an das FG
zurückzuverweisen; im Übrigen beantragt sie, die Revision des FA
zurückzuweisen.
16
Das (zur mündlichen
Verhandlung ordnungsgemäß geladene, jedoch nicht erschienene) FA hat
schriftsätzlich beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben, die Klage
abzuweisen und die Revision der Klägerin zurückzuweisen.
17
Dem Revisionsverfahren ist
das Bundesministerium der Finanzen (BMF) beigetreten (§ 122 Abs. 2 der
Finanzgerichtsordnung - FGO -); es hat keinen Antrag gestellt.
Entscheidungsgründe
II.
18
Die Revisionen der Beteiligten sind
begründet. Sie führen zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur
Zurückverweisung der Sache an das FG zur anderweitigen Verhandlung und
Entscheidung (§ 126 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 FGO). Die bisherigen Feststellungen
des FG reichen nicht aus, eine abschließende Entscheidung über die Höhe der
- in ihrem Anwendungsbereich aus gemeinschaftsrechtlicher Sicht auf einen
verhältnismäßigen Kern beschränkten und bei der Ermittlung des
Übernahmeverlusts anzusetzenden - Sperrbeträge und die Höhe der
Gewerbesteuer-Rückstellungen zu treffen.
19
1. Geht das Vermögen einer Körperschaft
durch Umwandlung auf eine Personengesellschaft über, ist auf der Ebene der
Personengesellschaft durch Gegenüberstellung des Wertes, mit dem die
übergehenden Wirtschaftsgüter zu übernehmen sind, und des Buchwerts der
Anteile an der übertragenden Körperschaft der Übernahmegewinn/-verlust zu
ermitteln (§ 4 Abs. 4 UmwStG 1995). Dies gilt für den Fall, dass eine
Körperschaft formwechselnd in eine Personengesellschaft umgewandelt wird (§§
190 ff. UmwG 1995), entsprechend (§ 14 UmwStG 1995). Der so ermittelte
Übernahmegewinn/-verlust "1. Stufe" ist gemäß § 4 Abs. 5 UmwStG 1995 um die
nach § 10 Abs. 1 UmwStG 1995 anzurechnende Körperschaftsteuer und um einen
Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 zu erhöhen bzw. zu mindern, soweit die
Anteile an der übertragenden Körperschaft am steuerlichen
Übertragungsstichtag zum Betriebsvermögen der übernehmenden
Personengesellschaft gehörten. Ergibt sich danach weiterhin ein
Übernahmeverlust ("2. Stufe"), sind die Wertansätze der übergegangenen
materiellen und immateriellen Wirtschaftsgüter bis zu ihren Teilwerten
aufzustocken; ein dann immer noch verbleibender Betrag mindert den Gewinn
der übernehmenden Personengesellschaft (§ 4 Abs. 6 UmwStG 1995).
20
2. Vor diesem rechtlichen Hintergrund
streiten die Beteiligten darum, ob der von der Klägerin erzielte
Übernahmeverlust um einen Sperrbetrag i.S. des § 50c EStG 1990 gemindert
wird, der auf dem Erwerb der Anteile an der W GmbH durch die GW GmbH bzw.
dem Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH durch die GV GmbH beruht. Diese
Frage ist - entgegen der Annahme der Vorinstanz - nach deutschem Recht zu
bejahen.
21
a) Nach § 50c Abs. 1 Satz 1 EStG 1990 kann
ein zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigter Steuerpflichtiger,
der einen Anteil an einer in dem Zeitpunkt des Erwerbs oder in dem Zeitpunkt
der Gewinnminderung unbeschränkt steuerpflichtigen Kapitalgesellschaft von
einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner erwirbt, Gewinnminderungen,
die (u.a.) durch den Ansatz des niedrigeren Teilwerts im Jahr des Erwerbs
oder in einem der folgenden neun Jahre entstehen, bei der Gewinnermittlung
nicht berücksichtigen, soweit der Ansatz des niedrigeren Teilwerts nur auf
Gewinnausschüttungen (u.a.) zurückgeführt werden kann und die
Gewinnminderungen insgesamt den Unterschiedsbetrag zwischen den
Anschaffungskosten und dem Nennbetrag des Anteils (sog. Sperrbetrag, vgl. §
50c Abs. 4 EStG 1990) nicht übersteigen; wirtschaftlich entspricht dieser
Sperrbetrag den vom Erwerber als Teil des Kaufpreises bezahlten offenen
Rücklagen bzw. stillen Reserven der Kapitalgesellschaft. Dieser (begrenzten)
Nichtberücksichtigung einer Gewinnminderung liegt in erster Linie die
Zielsetzung zugrunde, in Fällen der Veräußerung einer Beteiligung durch
einen nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner (vgl. § 51 des
Körperschaftsteuergesetzes - KStG - 1991 i.V.m. § 20 Abs. 1 Nrn. 1 bis 3, §
36 Abs. 2 Nr. 3 EStG 1990) die "Abgeltung" des Körperschaftsteuerguthabens
über den Kaufpreis zu neutralisieren und dadurch aus Sicht des
Anrechnungsverfahrens missbräuchlichen Gestaltungen entgegenzuwirken (vgl.
BTDrucks 8/3648, S. 22 ff.; BTDrucks 8/4157, S. 5 f.). Da der
Veräußerungsgewinn der inländischen Besteuerung regelmäßig entzogen ist,
wird, um dieses Regelungsziel durchzusetzen, in gewisser Weise systemwidrig
verfahren und nicht an die Besteuerung des nichtanrechnungsberechtigten
Anteilsveräußerers, sondern an die Gewinnermittlung des
anrechnungsberechtigten Steuerpflichtigen angeknüpft, indem der
ausschüttungs- oder abführungsbedingte Ansatz des niedrigeren Teilwerts bei
diesem unberücksichtigt bleibt. Die Belastung der Erträge mit
Körperschaftsteuer während der Besitzzeit des Nichtanrechnungsberechtigten
wird dadurch bei dem (anrechnungsberechtigten) Anteilserwerber definitiv;
eine "Einmalbesteuerung" im Inland wird sichergestellt (Senatsurteile vom 7.
November 2007 I R 41/05, BFHE 219, 549, BStBl II 2008, 604; vom 12. November
2008 I R 77/07, BFHE 224, 32, BStBl II 2009, 831, je m.w.N.).
22
b) Die Voraussetzungen für die Bildung
eines Sperrbetrages gemäß § 50c Abs. 1 EStG 1990 waren im Augenblick des
Erwerbs der 5 %igen Beteiligung an der GW GmbH durch die GV GmbH und der
insgesamt 100 %igen Beteiligung an der W GmbH durch die GW GmbH erfüllt.
Dies gilt auch für das zwischen den Beteiligten allein streitige
Tatbestandsmerkmal des Erwerbs von einem nichtanrechnungsberechtigten
Anteilseigner.
23
Die Vorinstanz hat die jeweiligen
Anteilsveräußerer - in Großbritannien ansässige Kapitalgesellschaften -
nicht als nichtanrechnungsberechtigte Anteilseigner i.S. des § 50c Abs. 1
EStG 1990 angesehen. Dazu hat das FG darauf verwiesen, dass ein in
Großbritannien ansässiger Anteilseigner ähnlich dem in Deutschland geltenden
Körperschaftsteuer-Anrechnungsverfahren eine Steuergutschrift in Höhe der
von seiner Kapitalgesellschaft für die ausgeschütteten Gewinne bezahlten
"advance corporation tax" erhalte und dass dabei gemäß Art. XVIII Abs. 1
Buchst. b des Abkommens zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem
Vereinigten Königreich Großbritannien und Nordirland zur Vermeidung der
Doppelbesteuerung und zur Verhinderung der Steuerverkürzung vom 26. November
1964 (BGBl II 1966, 359, BStBl I 1966, 730) i.d.F. des Revisionsprotokolls
vom 23. März 1970 (BGBl II 1971, 46, BStBl I 1971, 140) jedenfalls auch die
Körperschaftsteuer einzubeziehen sei, die eine deutsche ausschüttende
Gesellschaft in Deutschland zu entrichten hatte. Auf dieser Grundlage
("Anrechnungsberechtigung") greife § 50c Abs. 1 EStG 1990 schon seinem
Wortlaut nach nicht ein. Dieser Ansicht folgt der Senat nicht.
24
Der Tatbestand des § 50c Abs. 1 EStG 1990,
der einen Erwerb eines Anteils an einer unbeschränkt steuerpflichtigen
Körperschaft durch einen zur Anrechnung von Körperschaftsteuer berechtigten
Steuerpflichtigen von einem nichtanrechnungsberechtigten Anteilseigner
erfasst, nimmt auf den Ausschluss von der Anrechnung der Körperschaftsteuer
durch § 50 Abs. 5 Satz 2 EStG 1990 und § 51 i.V.m. § 50 Abs. 1 Nrn. 1 und 2
KStG 1991 Bezug. Dass eine Steueranrechnung im ausländischen Wohnsitz- bzw.
Sitzstaat des Anteilseigners auf der Grundlage eines
Doppelbesteuerungsabkommens nicht tatbestandserheblich ist, folgt
insbesondere aus dem Zweck der Vorschrift, die Einmalbesteuerung in
Deutschland erzielter Gewinne mit inländischer Ertragsteuer zu
gewährleisten. Dieser Zweck würde verfehlt, wenn eine - nach welchen
Maßgaben auch immer ausgestaltete - Anrechnung deutscher Körperschaftsteuer
auf eine ausländische Steuer den Tatbestand des § 50c EStG 1990 ausschließen
könnte. Auch zeigt § 50c Abs. 6 EStG 1990, der den Wechsel eines bisher
nicht anrechnungsberechtigten Anteilseigners in die Anrechnungsberechtigung
regelt, was insbesondere dem Wechsel von der beschränkten in die
unbeschränkte Steuerpflicht entspricht (z.B. BTDrucks 8/3648, S. 24), den
tatbestandlichen Bezug zu dem auf unbeschränkt Steuerpflichtige abzielenden
Anrechnungsverfahren des nationalen Rechts auf. Auf dieser Grundlage geht
die ganz herrschende Ansicht davon aus, dass der Tatbestand des § 50c Abs. 1
EStG 1990 bei beschränkter Steuerpflicht des Veräußerers stets anzuwenden
ist, ohne dass es auf eine kraft Doppelbesteuerungsabkommens im
ausländischen Staat eingeräumte Anrechnungsmöglichkeit ankommt (z.B. Dötsch
in Dötsch/Jost/ Pung/Witt, Die Körperschaftsteuer, § 50c EStG Rz 40;
Blümich/ Hofmeister, EStG/KStG/GewStG, § 50c EStG Rz 10; Krebs/ Bödefeld,
Betriebs-Berater 2004, 407, 408; wohl auch Kempermann in
Herrmann/Heuer/Raupach, EStG/KStG, § 50c EStG Rz 8). Dem schließt sich der
Senat an.
25
Ein abweichendes Ergebnis lässt sich für
den Fall, dass der nichtanrechnungsberechtigte beschränkt Steuerpflichtige
innerhalb der Europäischen Union ansässig ist, vor dem Hintergrund der
einschlägigen Spruchpraxis des EuGH (vgl. etwa Urteile vom 6. Juni 2000
C-35/98 "Verkooijen", Slg. 2000, I-4071; vom 12. Dezember 2002 C-324/00
"Lankhorst-Hohorst", Slg. 2002, I-11779; vom 7. September 2004 C-319/02
"Manninen", Slg. 2004, I-7477) auch nicht im Wege einer
gemeinschaftsrechtskonformen Regelungsauslegung erreichen. Wortlaut und
Zweck der Vorschrift belassen insoweit keine Auslegungsspielräume.
26
c) Der den Anteilen an der W GmbH
anhaftende Sperrbetrag ist im Zuge der Verschmelzung der W GmbH auf die G/GW
GmbH nicht untergegangen. Zwar ist er, da die Verschmelzung ohne Ausgabe
neuer Anteile vollzogen wurde, entgegen der Revision des FA nicht gemäß § 13
Abs. 4 UmwStG 1995 (i.d.F. vor dem Inkrafttreten des
Steuerentlastungsgesetzes 1999/2000/2002 vom 24. März 1999, BGBl I 1999,
402, BStBl I 1999, 304) auf die Anteile an der GW GmbH "verlagert" worden.
Eine Berücksichtigung des Sperrbetrages bei der Ermittlung des
Übernahmeergebnisses der Klägerin folgt jedoch aus § 50c Abs. 7 EStG 1990.
27
§ 50c Abs. 7 EStG 1990 unterwirft
ausschüttungsbedingte Gewinnminderungen aus Anteilen an einer
Tochtergesellschaft, die ihrerseits Erwerberin i.S. des § 50c EStG 1990 ist,
den Rechtsfolgen dieser Vorschrift. Damit sollte insbesondere eine
Fallgestaltung getroffen werden, bei der zwischen dem
nichtanrechnungsberechtigten Anteilsveräußerer und dem
anrechnungsberechtigten Erwerber eine anrechnungsberechtigte Person
zwischengeschaltet wurde, die - vom Erwerber durch Einlagen ausgestattet -
die Beteiligung erwarb und dann die von ihr im Erwerbspreis der Anteile
mitbezahlten Dividenden an den Erwerber weiter ausschüttete (BTDrucks
12/5016, S. 89 f.). Neben den Gewinnminderungen durch den
(ausschüttungsbedingten) Ansatz des niedrigeren Teilwerts ist vom sachlichen
Anwendungsbereich der Vorschrift eine Gewinnminderung bei der
Muttergesellschaft erfasst, die bei Auflösung oder Herabsetzung des
Nennkapitals der Tochtergesellschaft entsteht, soweit sie darauf
zurückzuführen ist, dass "Gewinnausschüttungen im Sinne des Absatzes 1
weitergeleitet worden sind".
28
Zu dieser zuletzt angeführten Variante der
Regelung wird die Auffassung vertreten, dass die Verschmelzung der
Tochtergesellschaft auf die Muttergesellschaft der Auflösung der
Tochtergesellschaft gleichgestellt werden kann. Dieser Auffassung hat sich
der Senat in seinen Urteilen in BFHE 219, 549, BStBl II 2008, 604 und in
BFHE 224, 32, BStBl II 2009, 831 angeschlossen. Daran hält er fest. Dass die
Berechnung des die Anteile an der W GmbH betreffenden Sperrbetrages
(322.565.500 DM) den Maßgaben des § 50c Abs. 4 EStG 1990 entspricht, ist
unter den Beteiligten nicht in Streit.
29
d) Bei der Berechnung des Übernahmeverlusts
gemäß § 4 Abs. 4 und 5 UmwStG 1995 war die Rechtsfolge des § 5 Abs. 3 Satz 1
UmwStG 1995 zu beachten. Daher war der Übernahmegewinn/-verlust im
Streitfall so zu ermitteln, als seien Anteile an der übertragenden
Körperschaft - hier: der GW GmbH -, die zum inländischen Betriebsvermögen
eines Gesellschafters der übernehmenden Personengesellschaft - hier: der GV
GmbH - gehören, zum Buchwert in das Betriebsvermögen der
Personengesellschaft überführt worden. Dass die Berechnung des diese Anteile
betreffenden Sperrbetrages (22.887.706 DM) den Maßgaben des § 50c Abs. 4
EStG 1990 entspricht, ist unter den Beteiligten nicht in Streit.
30
3. Der Ansatz der Sperrbeträge in der vom
deutschen Recht vorgegebenen Höhe steht jedoch mit gemeinschaftsrechtlichen
Anforderungen nicht uneingeschränkt in Einklang. Für eine Entscheidung über
den Ansatz der Sperrbeträge im Streitfall bedarf es weiterer Sachaufklärung
durch das FG.
31
a) Wie der EuGH in seinem Urteil in IStR
2009, 691 entschieden hat, ist Art. 73b EGV (später Art. 56 EG, jetzt Art.
63 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union - AEUV -)
dahin auszulegen, dass er § 50c EStG 1990 nicht entgegensteht, soweit sich
diese Regelung auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die
Ausgewogenheit der Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den
Mitgliedstaaten zu wahren und um rein künstliche, jeder wirtschaftlichen
Realität bare Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen
wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu kommen. Diese
Prüfung sei dem nationalen Gericht vorbehalten. Dieser Prüfungsauftrag lässt
Raum für die der ständigen Spruchpraxis des erkennenden Senats entsprechende
"geltungserhaltende Reduktion" einer nationalen Norm, um dem
Anwendungsvorrang gemeinschaftsrechtlichen Primärrechts (und damit hier der
Kapitalverkehrsfreiheit gemäß Art. 56 EG, jetzt Art. 63 AEUV) vor nationalem
Recht durch das "Hineinlesen" der vom EuGH verbindlich formulierten
gemeinschaftsrechtlichen Erfordernisse in die betroffene nationale Norm
Rechnung zu tragen (vgl. z.B. Senatsurteile vom 10. Januar 2007 I R 87/03,
BFHE 216, 312, BStBl II 2008, 22; vom 9. August 2006 I R 31/01, BFHE 214,
496, BStBl II 2007, 838; s. auch Gosch, Deutsches Steuerrecht 2007, 1553,
1555; derselbe, Die Unternehmensbesteuerung 2009, 73, 77 f., jeweils
m.w.N.).
32
b) Die Prüfung, ob sich § 50c EStG 1990 auf
das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der Aufteilung
der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren und um rein
künstliche, jeder wirtschaftlichen Realität bare Gestaltungen zu verhindern,
die allein zu dem Zweck geschaffen wurden, ungerechtfertigt in den Genuss
eines Steuervorteils zu kommen, bezieht sich nach den Vorgaben des
EuGH-Urteils in IStR 2009, 691 zunächst auf die Bemessung des Sperrbetrages.
Indem der Sperrbetrag anhand der Anschaffungskosten der betreffenden Anteile
errechnet wird und sich allein darauf bezieht, dass der Kaufpreis den
Nennbetrag der Anteile übersteigt, beruht er auf der (gesetzlichen)
Vermutung, "dass jede Erhöhung des Verkaufspreises unweigerlich die
Berücksichtigung der Steuergutschrift umfasst", obgleich "die nicht
ausgeschütteten Gewinne und die Möglichkeit, in den Genuss einer mit den
Anteilen zusammenhängenden Steuergutschrift zu kommen, nur ein Bestandteil
des Verkaufspreises der Anteile" sein kann (EuGH-Urteil in IStR 2009, 691,
dort Rz 94 bis 96).
33
Die gesetzliche Regelung zur Ermittlung des
Sperrbetrages in § 50c Abs. 4 Satz 1 EStG 1990 lässt mit dem Hinweis auf den
Unterschiedsbetrag zwischen den Anschaffungskosten und dem Nennbetrag der
Anteile nach seinem Wortlaut keine Möglichkeit erkennen, einen solchen
Unterschiedsbetrag auf seine Veranlassung hin zu untersuchen und
gegebenenfalls aufzuspalten. Eine solche Differenzierung ist aber nach den
gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben erforderlich, um die Verhältnismäßigkeit
der Beschränkung zu wahren. Dem Erwerber der Anteile muss die Möglichkeit
eingeräumt werden, nachzuweisen, dass der konkret gezahlte Kaufpreis eine
besondere Vergütung des bereits bestehenden Körperschaftsteuerguthabens
(bezogen auf bereits versteuerte Rücklagen, die bei einer Ausschüttung eine
Körperschaftsteuerminderung bei der Körperschaft und eine
Körperschaftsteueranrechnung beim Ausschüttungsempfänger zur Folge haben, s.
dazu Dötsch in Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz 6, 11) nicht
beinhaltet, sondern dieser Kaufpreis auch einem anrechnungsberechtigten
Anteilsverkäufer gezahlt worden wäre (s. insoweit auch Lieber,
jurisPR-SteuerR 51/2009 Anm. 5, zu C.).
34
Dass der Sperrbetrag neben den im Kaufpreis
mitbezahlten offenen Rücklagen auch die stillen Reserven der
Kapitalgesellschaft, die im Augenblick der Anteilsübertragung vorhanden
sind, erfasst, wird zwar von der Klägerin gerügt. § 50c EStG 1990 schieße
insoweit über seinen Zweck - die Verhinderung der
Körperschaftsteuer-Anrechnung "über die Grenze" - hinaus (s. auch Dötsch in
Dötsch/Jost/Pung/Witt, a.a.O., § 50c EStG Rz 81). Denn über die Einbeziehung
der stillen Reserven, die bisher im Inland nicht zu besteuern waren und
daher auch keinen Körperschaftsteuer-Anrechnungsanspruch ausgelöst haben,
wird im Sperrbetrag letztlich eine Besteuerung dieser stillen Reserven im
Inland erreicht (bzw. eine Besteuerung einer Ausschüttung dieser stillen
Reserven, im Streitfall in Gestalt der Verringerung des Übernahmeverlusts).
35
Der Senat schließt sich dieser Kritik aber
nicht an. Denn mit der Erfassung der stillen Reserven im Sperrbetrag wird
nicht auf die Wertsteigerung der Anteile zugegriffen, die der
Besteuerungsbefugnis des Sitzstaates des Anteilsveräußerers unterliegen.
Vielmehr geht es um die (Einmal-)Besteuerung der im Inland erwirtschafteten
stillen Reserven der juristischen Person, die ansonsten unter
Berücksichtigung der Wirkungen der einkommensmindernden
ausschüttungsbedingten Teilwertabschreibung beim Anteilserwerber - der
zugleich Empfänger der Ausschüttung ist, die wiederum als aus der
Realisierung dieser stillen Reserven finanziert angesehen werden kann -
gefährdet wäre. Damit wird dem Gesichtspunkt der angemessenen Abgrenzung der
Besteuerungsbefugnisse der Mitgliedstaaten, die der EuGH als
Rechtfertigungsgrund einer Beschränkung anerkannt hat, entsprochen, soweit
die im Sperrbetrag erfassten stillen Reserven als der deutschen Besteuerung
unterliegend angesehen werden können.
36
c) In eine Prüfung, ob sich § 50c EStG 1990
auf das beschränkt, was erforderlich ist, um die Ausgewogenheit der
Aufteilung der Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten zu wahren,
kann nach den Vorgaben des EuGH-Urteils in IStR 2009, 691 (dort Rz 97 f.)
gegebenenfalls auch die Wirkung weiterer Steuerarten einzubeziehen sein.
Dazu wird von der Klägerin darauf verwiesen, dass die Berücksichtigung des
Sperrbetrags und die Erhöhung der Bemessungsgrundlage der Steuer des
gebietsansässigen Anteilseigners auch für andere Steuern, denen der
Anteilseigner unterliegen könne, insbesondere für die Berechnung der von ihm
geschuldeten Gewerbesteuer, Folgen habe (s. auch Lieber, a.a.O.). Dem ist
vom BMF entgegengehalten worden, dass jedenfalls in der Situation des § 4
Abs. 5 UmwStG 1995 eine Ausschüttung zu Buchwerten erfolgt, so dass der
Gesichtspunkt der Sicherstellung der (inländischen) Einmalbesteuerung nicht
berührt ist. Letzterem folgt der Senat. Darüber hinaus ist darauf zu
verweisen, dass die Gewerbesteuer nicht durch den Tatbestand, der die
Rechtsfolge des § 50c EStG 1990 nach sich zieht, ausgelöst wird, sondern sie
vielmehr nur an die Erhöhung der inländischen Bemessungsgrundlage anknüpft
(§ 6 Satz 1 i.V.m. § 7 des Gewerbesteuergesetzes 1991). Ihr kommt daher kein
eigenständiger Regelungszweck im hier streitigen Zusammenhang zu (so im
Ergebnis auch Gosch, Entscheidungen des Bundesfinanzhofs für die Praxis der
Steuerberatung 2009, 418, 419), was allerdings die Erfassung als
Gewerbeertrag nicht hindert (s. dazu auch Senatsurteil vom 22. Februar 2006
I R 120/04, BFHE 213, 25, BStBl II 2007, 321).
37
d) Nach den Vorgaben des EuGH-Urteils in
IStR 2009, 691 (dort Rz 99 f.) kann dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im
Hinblick auf das Regelungsziel, rein künstliche, jeder wirtschaftlichen
Realität bare Gestaltungen zu verhindern, die allein zu dem Zweck geschaffen
wurden, ungerechtfertigt in den Genuss eines Steuervorteils zu kommen, nur
dadurch entsprochen werden, dass es einem nationalen Gericht möglich ist,
eine Einzelfallprüfung durchzuführen und sich dabei für die Berücksichtigung
von missbräuchlichem oder betrügerischem Verhalten der betroffenen Personen
auf objektive Elemente zu stützen. Wenn man diese Möglichkeit zur
gemeinschaftsrechtskonformen Ausgestaltung des § 50c EStG 1990 einbezieht,
muss das Gemeinschaftsrecht der Anwendung der Sperrbeträge im Streitfall
nicht entgegenstehen.
38
Unter den Beteiligten ist streitig, ob
diesem Rechtfertigungserfordernis eine eigenständige Bedeutung zukommt. So
ist das BMF der Auffassung, dass eine solche missbrauchsabwehrbezogene
Rechtfertigung dann entbehrlich ist, wenn die Regelung (wie im Streitfall §
4 Abs. 5 UmwStG 1995 i.V.m. § 50c EStG 1990) nicht speziell einem
Missbrauchsverhinderungszweck dient und in einem angemessenen Verhältnis zum
Zweck der Sicherstellung der Einmalbesteuerung im Inland erzielter Gewinne
steht. Jedoch lässt sich dem EuGH-Urteil in IStR 2009, 691 eine als
Alternativangebot ausgestaltete Rechtfertigung nicht entnehmen. Vielmehr
heißt es dort ausdrücklich, dass es "Sache des vorlegenden Gerichts (sei),
zu prüfen, ob sich die im Ausgangsverfahren fragliche Regelung auf das
beschränkt, was zur Erreichung dieser Ziele erforderlich ist". Dies schließt
es wiederum aber nicht aus, beide rechtfertigenden Gesichtspunkte - die
Notwendigkeit der Wahrung einer ausgewogenen Aufteilung der
Besteuerungsbefugnis zwischen den Mitgliedstaaten und die Notwendigkeit der
Verhinderung einer Steuerumgehung - in eine "Gesamtbetrachtung" der
Rechtfertigung einzufügen (EuGH-Urteile vom 18. Juli 2007 C-231/05 "Oy AA",
Slg. 2007, I-6373Rz 63; vom 21. Januar 2010 C-311/08 "SGI", IStR 2010, 144Rz
69).
39
Im Streitfall liegt ein in einer äußerst
engen zeitlichen Abfolge gestalteter konzerninterner Sachverhalt
(Anteilserwerb mit zeitnaher Aufwärtsverschmelzung und daran anknüpfender
ausschüttungsgleicher Umwandlung) vor, der - wenn der Kaufpreis der Anteile
höher war als der Kaufpreis, der an einen anrechnungsberechtigten
Anteilsverkäufer gezahlt worden wäre (s. insoweit Lieber, a.a.O.) -
zumindestens auch zum Zweck hatte, die Einmalbesteuerung der im Inland
erwirtschafteten Vermögenszuwächse zu vermeiden. Dass der Anteilserwerb, wie
die Klägerin vorgetragen hat, Teil einer übernationalen
Unternehmensumstrukturierung war, tritt bei einer solchen Ausgestaltung des
Geschäfts zurück. Der Ansatz der Sperrbeträge im Streitfall wäre dann als
gerechtfertigt anzusehen.
40
e) Die Feststellungen des FG zu den
Übertragungsvorgängen reichen nicht aus, die Ermittlung der jeweiligen
Sperrbeträge - bezogen auf den Erwerb der Anteile an der W GmbH in zwei
Teilakten durch die G GmbH bzw. den Erwerb der Anteile an der G/GW GmbH
durch die GV GmbH - nach den oben dargelegten Maßgaben durchzuführen bzw. zu
der Rechtfertigung i.S. der Ausführungen zu d) zu entscheiden. Insoweit sind
weitere Feststellungen, die sich auf die Kaufpreise und die Zusammensetzung
des Betriebsvermögens der W GmbH bzw. der G/GW GmbH beziehen, erforderlich.
Dies nachzuholen, ist Aufgabe des FG. Die Klägerin trägt die
Feststellungslast für die sperrbetragsmindernde Differenzierung des
Anteilskaufpreises ("Gegenbeweis" des Steuerpflichtigen, so im Ergebnis auch
Lieber, a.a.O.).
41
4. Bei der Ermittlung der festzustellenden
Einkünfte aus Gewerbebetrieb sind Gewerbesteuer-Rückstellungen in einer Höhe
anzusetzen, die einer Ermittlung des Gewerbeertrages unter Berücksichtigung
des Ansatzes der sog. Sperrbeträge (und der entsprechenden Folgewirkungen
auf die Höhe des Übernahmeverlusts) entsprechen.
42
a) Konkrete Feststellungen zur Höhe der bei
der Ermittlung der festzustellenden Einkünfte aus Gewerbebetrieb
berücksichtigten Gewerbesteuer-Rückstellungen sind dem angefochtenen Urteil
nicht zu entnehmen. Aus dem Urteil folgt nur, dass das FG davon ausgegangen
ist, dass die Klägerin "in ihren Bilanzen für die Streitjahre wegen der
ungeklärten Rechtsfrage" (hinsichtlich der geltend gemachten
Gewinnminderungen durch eine AfA auf den Marktwert) "rein vorsorglich
entsprechend höhere Gewerbesteuerrückstellungen gebildet" habe. Eine
"(Vorsorge-)Rückstellung" könne jedoch frühestens mit der Beanstandung einer
bestimmten Sachbehandlung durch den Betriebsprüfer gebildet werden; da die
Betriebsprüfung aber erst nach der Aufstellung der Bilanz des letzten
Streitjahrs begonnen habe, seien die Gewerbesteuer-Rückstellungen "im Wege
der Bilanzberichtigung für die einzelnen Streitjahre im Ergebnis insoweit
erfolgswirksam aufzulösen".
43
b) Dem FG ist zwar insoweit zu folgen, dass
nach der BFH-Rechtsprechung zur Rückstellungsbildung bei
öffentlich-rechtlichen Verpflichtungen grundsätzlich die
verpflichtungsbegründenden Tatsachen den Fachbehörden bekannt sein müssen
bzw. deren Aufdeckung unmittelbar bevorstehen muss (z.B. BFH-Urteil vom 27.
November 2001 VIII R 36/00, BFHE 197, 394, BStBl II 2002, 731; Senatsurteil
vom 16. Februar 1996 I R 73/95, BFHE 180, 110, BStBl II 1996, 592). Auf der
anderen Seite hat der Senat bereits im Urteil vom 18. Juli 1973 I R 11/73
(BFHE 110, 226, BStBl II 1973, 860) den allgemeinen Grundsatz hervorgehoben,
dass für die Frage der Aktivierungspflicht und der Passivierungspflicht und
damit für die Frage, ob die Bilanz richtig oder unrichtig ist, der
Erkenntnisstand des sorgfältigen Kaufmanns bei Aufstellung der Bilanz zu
berücksichtigen ist. Das führt dazu, dass der Steuerpflichtige Mehrsteuern
zu passivieren hat, wenn er bei Aufstellung der Bilanz unter Anwendung der
Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns konkret mit der Entstehung der
Mehrsteuern rechnen muss (§ 249 i.V.m. § 252 Abs. 1 Nr. 4 und § 253 Abs. 1
des Handelsgesetzbuchs).
44
c) Für den Streitfall folgt daraus, dass
die von der Klägerin gebildeten Gewerbesteuer-Rückstellungen dem Grunde und
der Höhe nach bei der steuerlichen Einkünfteermittlung beizubehalten ist,
soweit sie tatsächlich die einkünfteerhöhenden Umstände der
Änderungsbescheide (Ansatz der Sperrbeträge) vorweggenommen haben sollten.
Denn jene Rückstellungen waren einerseits unter Berücksichtigung der
Verwaltungsauffassung zum Ansatz der Sperrbeträge ermittelt worden und
andererseits in den Handelsbilanzen der Klägerin ausgewiesen sowie eine
Folge der von der Klägerin deklarierten Umstrukturierung. Der Grad der
Wahrscheinlichkeit, dass die Finanzbehörde den Steuerbetrag auf dieser
Grundlage festsetzt, beeinflusst ebenso wie die Frage, ob die durch
Änderungsbescheide umgesetzte Einkünfteerhöhung bis zum Eintritt der
Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung in dem anhängigen gerichtlichen
Verfahren Bestand haben wird, die Höhe der ungewissen Verbindlichkeit am
jeweiligen Bilanzstichtag der Streitjahre nicht.
45
d) Die Höhe dieser Rückstellung war aber
nicht - ebenso wenig wie der Umstand oder die Höhe einer Gegenkorrektur bei
der Einkünfteermittlung durch die Klägerin - Gegenstand der tatrichterlichen
Feststellungen des FG. Es obliegt dem FG, entsprechende Feststellungen als
Voraussetzungen für eine Ermittlung des festzustellenden Gewinns zu treffen.
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