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BFH-Urteil vom 9.3.2010 (VIII R 50/07) BStBl. 2010 II S. 709
StraBEG: Sperrwirkung wegen Erscheinens eines Amtsträgers
Auch bei Prüfungen an Amtsstelle ist der Ausschluss der Strafbefreiung oder
Bußgeldbefreiung nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Der
Amtsträger (hier: Prüfer) "erscheint" beim Steuerpflichtigen oder seinem
Vertreter auch dann, wenn im FA ein persönlicher Kontakt stattfindet, der
nach außen erkennbar macht, dass der Amtsträger mit der Außenprüfung
beginnt.
StraBEG § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a; AO §
371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a.
Vorinstanz: FG Münster vom 9. August 2007 6
K 5364/04 AO (EFG 2008, 79)
Sachverhalt
I.
1
Die Beteiligten streiten um
die Frage, ob ein Ausschlussgrund für eine Straf- oder Bußgeldbefreiung nach
§ 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a des Strafbefreiungserklärungsgesetzes (StraBEG)
vorliegt.
2
Der Kläger und
Revisionskläger (Kläger) ist niedergelassener Facharzt. Der Beklagte und
Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) ordnete bei ihm eine Außenprüfung
betreffend Einkommensteuer, Umsatzsteuer und Gewerbesteuer für die
Veranlagungszeiträume 1998 bis 2000 an. Die Prüfung fand in den Räumen des
FA statt und begann am 4. Februar 2003. Zu diesem Zweck überreichte der
Bevollmächtigte des Klägers dem Betriebsprüfer am 4. Februar 2003 im FA
zahlreiche Unterlagen; außerdem wurden im weiteren Verlauf der Prüfung
mehrfach Unterlagen angefordert und Gespräche zwischen dem Prüfer und dem
Bevollmächtigten des Klägers geführt. An zwei Zwischenbesprechungen im FA
und im Büro des Bevollmächtigten nahm jeweils auch der Kläger teil. Am 31.
März 2004 ging beim FA eine strafbefreiende Erklärung des Klägers ein, in
der der Kläger einen Betrag in Höhe von 500,75 EUR als zu Unrecht nicht
besteuerte Einnahmen i.S. des § 1 Abs. 1 Nr. 1 StraBEG erklärte. Dabei
handelte es sich um den Ansatz von Reparaturkosten für ein Privatfahrzeug
als Betriebsausgaben bei den Einkünften des Klägers gemäß § 18 des
Einkommensteuergesetzes. Von dem nacherklärten Betrag entfielen 223,83 EUR
auf 1999, der Rest auf den Veranlagungszeitraum 2000. Binnen 10 Tagen nach
Abgabe der Erklärung entrichtete der Kläger an das FA einen Betrag in Höhe
von 25 % der erklärten Einnahmen.
3
Daraufhin leitete das
Finanzamt für Steuerstrafsachen und Steuerfahndung X gegen den Kläger ein
Strafverfahren ein, welches indes im Jahre 2005 gemäß § 153 der
Strafprozessordnung eingestellt wurde. Am 28. April 2004 erließ das FA einen
Aufhebungsbescheid gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG, mit dem es die mit der Abgabe
der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung in Höhe von 25 %
der erklärten Einnahmen (125,19 EUR) aufhob. Zur Begründung führte das FA
an, nach § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG sei keine Straf- oder
Bußgeldbefreiung eingetreten, da bereits vor Eingang der strafbefreienden
Erklärung bei dem Erklärenden ein Amtsträger der Finanzbehörde zur
steuerlichen Prüfung erschienen sei.
4
Den dagegen eingelegten
Einspruch wies das FA als unbegründet zurück.
5
Dagegen richtet sich die
Klage, mit der der Kläger geltend macht, "Erscheinen" i.S. des § 7 StraBEG
sei ein Realakt. Darunter sei die körperliche Anwesenheit des Prüfers am
Prüfungsort zu verstehen. Erschienen sei der Amtsträger, sobald er in
Prüfungsabsicht das Grundstück mit den Betriebs- oder Wohnräumen des
Steuerpflichtigen betrete. Daran fehle es im Streitfall. Der Steuerberater
sei zwar als Bevollmächtigter des Klägers an Amtsstelle erschienen, um dort
alle Belege und Sachkonten für den Prüfungszeitraum zu übergeben. Das
Erscheinen des Steuerpflichtigen oder seines Bevollmächtigten in den
Diensträumen des Amtsträgers reichten aber nicht aus; die Ausschlussgründe
des StraBEG seien restriktiv auszulegen.
6
Das Finanzgericht (FG) wies
die Klage mit seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2008, 79
veröffentlichten Urteil als unbegründet ab. Es entschied, den
Voraussetzungen des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG werde auch dann
Genüge getan, wenn nicht der Prüfer in den Wohn- und Geschäftsräumen des
Steuerpflichtigen erscheine, sondern im FA ein persönlicher Kontakt
stattfinde, der nach außen hin erkennbar mache, dass der Prüfer mit der
Außenprüfung beginne. Das sei z.B. der Fall, wenn der Prüfer die im Rahmen
der Betriebsprüfung angeforderten Unterlagen in den Räumlichkeiten des FA
vom Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter persönlich in Empfang nehme. Es
könne keinen Unterschied machen, ob die Prüfung in den Räumen des
Steuerpflichtigen, des Beraters oder des FA stattfinde.
7
Mit der Revision rügt der
Kläger die Verletzung materiellen Rechts. Das FG beschränke sich bei
Auslegung des § 7 StraBEG auf die Auslegung des Wortes "erscheinen" und
setze sich dabei mit den entsprechenden Kommentierungen zu § 371 Abs. 2 der
Abgabenordnung (AO) auseinander. Dabei übersehe es aber, dass § 7 Satz 1 Nr.
1 Buchst. a StraBEG mit § 371 Abs. 2 AO nicht übereinstimme. Die Auslegung
des § 7 StraBEG durch das FG sei vom Gesetzestext nicht mehr gedeckt.
8
Der Kläger beantragt, das
Urteil des FG Münster vom 9. August 20076 K 5364/04 AO sowie den
Aufhebungsbescheid des FA vom 28. April 2004 in Gestalt der
Einspruchsentscheidung vom 10. September 2004 aufzuheben.
9
Das FA beantragt, die
Revision als unbegründet zurückzuweisen.
10
Die Beteiligten haben sich
mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Entscheidungsgründe
II.
11
Die Revision ist unbegründet und daher
zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Rechtsfehlerfrei ist das FG davon ausgegangen, dass der Aufhebungsbescheid
des FA gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG rechtmäßig ist, weil die Voraussetzungen
für einen Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung gemäß § 7 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a StraBEG vorgelegen haben.
12
1. Gemäß § 10 Abs. 3 StraBEG ist die mit
Abgabe der strafbefreienden Erklärung bewirkte Steuerfestsetzung aufzuheben
oder zu ändern, soweit nach diesem Gesetz keine Straf- oder Bußgeldfreiheit
eintritt. Das ist im Streitfall zu bejahen. Zwar hat der Kläger am 31. März
2004 eine strafbefreiende Erklärung eingereicht. Nach § 7 StraBEG tritt die
Straf- oder Bußgeldfreiheit jedoch nicht ein, soweit vor Eingang der
strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat i.S. des § 1 Abs. 1 Satz 1 der
Norm oder einer Handlung i.S. des § 6 des Gesetzes bei dem Erklärenden oder
seinem Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung
oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit
erschienen ist. Diese Regelung entspricht trotz des nicht vollständig
übereinstimmenden Wortlauts derjenigen in § 371 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. a AO
zum Befreiungsausschluss bei Selbstanzeige (FG München, Urteil vom 31. Mai
20061 K 3948/05, EFG 2006, 1401; Jesse/Geuenich, Finanz-Rundschau 2004, 497,
504, m.w.N.), weshalb Rechtsprechungserkenntnisse und Literaturmeinungen zu
jener Vorschrift bei der Auslegung des § 7 Satz 1 Nr. 1 StraBEG herangezogen
werden können (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 19. Juni 2007 VIII R
99/04, BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, m.w.N.).
13
a) Zutreffend ist das FG davon ausgegangen,
dass ein Erscheinen des Prüfers "zur steuerlichen Prüfung" eine
entsprechende Prüfungsanordnung voraussetzt. Nur soweit die
Prüfungsanordnung reicht, kann das Erscheinen eines Amtsträgers der
Finanzbehörde die Strafbefreiung ausschließen (vgl. Senatsurteil in BFHE
218, 1, BStBl II 2008, 7). Die Sperrwirkung nach § 7 StraBEG kann außerdem
nur durch ein Erscheinen eines Betriebsprüfers herbeigeführt werden, wobei
das Gesetz aus Gründen der Beweisklarheit als entscheidendes Kriterium auf
das leicht feststellbare physische Erscheinen des Prüfers abstellt (vgl.
Senatsurteil in BFHE 218, 1, BStBl II 2008, 7, m.w.N.; Rottpeter/Webel in
Schwarz, AO, Anhang zu § 371 - § 7 StraBEG - Rz 4; Dumke in Schwarz, a.a.O.,
§ 371 Rz 70; Hoyer in Beermann/Gosch, AO, § 371 Rz 31; Klein/Gast-de Haan,
AO, 9. Aufl., § 371 Rz 26 und 27; Kohlmann, Steuerstrafrecht, § 371 AO 1977,
Rz 132).
14
b) Im Streitfall ist der Prüfer indes nicht
in den Wohn- oder Geschäftsräumen des Klägers erschienen. Vielmehr hat die
Prüfung in den Räumlichkeiten des FA stattgefunden. Bei Prüfungen an
Amtsstelle ist umstritten, ob das Erscheinen des Steuerpflichtigen mit
Geschäftsunterlagen beim Finanzamt die Sperrwirkung auslösen kann. Im
Schrifttum wird diese höchstrichterlich bislang nicht entschiedene Frage
unterschiedlich beantwortet. Teilweise wird dazu die Auffassung vertreten,
nach dem Gesetzeswortlaut sei bei einer Prüfung an Amtsstelle ein Erscheinen
des Prüfers beim Steuerpflichtigen oder dessen Vertreter nicht möglich, bei
Prüfungen an Amtsstelle könne daher keine Sperrwirkung ausgelöst werden
(vgl. dazu Lüttger, Die Selbstanzeige im Steuerstrafrecht, Der Steuerberater
- StB - 1993, 372, 376; Hoffmann, Die Ausschlußtatbestände der Selbstanzeige
bei Steuerhinterziehung, 1998, S. 107; Merkt, Deutsches Steuerrecht 1987,
710, 712; differenzierend Theil, Selbstanzeige nach § 371 AO: Berichtigung
und Erscheinen eines Amtsträgers, StB 1999, 108, 112; Burkhard, Die
Sperrwirkung des § 371 Abs. 2 Nr. 1a AO, Zeitschrift für Wirtschafts- und
Steuerstrafrecht 1998, 216; Streck/Spatscheck, Steuerfahndung, 4. Aufl., Rz
257, die eine Sperrwirkung aber dann nicht ausschließen, wenn der
Steuerpflichtige dem Prüfer keine geeigneten Räumlichkeiten zur Verfügung
stellen kann; Stahl, Selbstanzeige und strafbefreiende Erklärung, 2. Aufl.,
Rz 217). Demgegenüber ist die wohl herrschende Meinung im Schrifttum der
Ansicht, bei Prüfungen an Amtsstelle sei der Prüfer jedenfalls dann
erschienen, wenn der Steuerpflichtige oder sein Bevollmächtigter die
Räumlichkeiten des Finanzamts mit den prüfungsrelevanten Unterlagen betritt,
wobei teilweise noch differenziert wird, ob die Übergabe der Unterlagen
erfolgen soll, um die Prüfung zu ermöglichen, oder ob das Betreten aus
anderen Gründen erfolgt, z.B. zur Übergabe einer berichtigten
Steuererklärung (vgl. dazu Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht,
7. Aufl., § 371 Rz 145, m.w.N.; Rolletschke, Steuerstrafrecht, 3. Aufl., Rz
584; Klein/Gast-deHaan, a.a.O., § 371 Rz 26; Simon/Vogelberg,
Steuerstrafrecht, 2. Aufl., S. 190; Kohlmann, a.a.O., § 371 AO 1977, Rz 126;
ebenso das angefochtene FG-Urteil).
15
c) Nach Auffassung des Senats ist auch bei
Prüfungen an Amtsstelle der Ausschluss der Straf- oder Bußgeldbefreiung nach
§ 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG möglich. Zwar tritt nach dem Wortlaut der
Norm Straf- oder Bußgeldfreiheit nur dann nicht ein, "soweit vor Eingang der
strafbefreienden Erklärung wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1
oder einer Handlung im Sinne des § 6 bei dem Erklärenden oder seinem
Vertreter ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ...
erschienen ist ...". Daraus kann indes nicht gefolgert werden, die
Sperrwirkung des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG komme nur in Betracht,
wenn ein Betriebsprüfer die Wohn- oder Geschäftsräume des Steuerpflichtigen
oder seines Vertreters aufsucht, nicht aber bei einer Prüfung an Amtsstelle.
Eine solche Auslegung widerspräche dem Gesetzeszweck. Mit dem Gesetz zur
Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23. Dezember 2003 (BGBl I 2003, 2928)
wollte der Gesetzgeber denjenigen, die in der Vergangenheit Steuern verkürzt
haben, Gelegenheit geben, durch Abgabe einer strafbefreienden Erklärung und
Entrichtung einer pauschalen, als Einkommensteuer geltenden Abgabe
Strafbefreiung oder Befreiung von Geldbußen erlangen zu können (sog. "Brücke
in die Steuerehrlichkeit", vgl. BRDrucks 542/03 vom 15. August 2003;
BTDrucks 15/1521, S. 1 f., 9, 12; vgl. auch Merkblatt des Bundesministeriums
der Finanzen - BMF - zur Anwendung des StraBEG vom 3. Februar 2004 IV A 4 -S
1928- 18/04, BStBl I 2004, 225, Rz 1). Gerade mit Blick auf das Institut der
Selbstanzeige nach § 371 AO wurde die ursprünglich in § 7 des Gesetzentwurfs
vorgesehene Sperrwirkungsregelung aber deutlich enger gefasst (vgl. BRDrucks
542/1/03 vom 15. September 2003 sowie BRDrucks 542/03 vom 26. September
2003) und hat letztlich die nunmehr gültige Fassung erhalten, die - ähnlich
wie § 371 AO - eine Sperrwirkung bei Erscheinen eines Amtsträgers der
Finanzbehörde vor Eingang der strafbefreienden Erklärung vorsieht.
16
Mit der Formulierung "soweit vor Eingang
der strafbefreienden Erklärung ... bei dem Erklärenden oder seinem Vertreter
ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung ... erschienen ist
..." macht der Gesetzgeber deutlich, dass Steuerpflichtige, die ihren
steuerlichen Pflichten zuvor nicht im erforderlichen Umfang nachgekommen
sind, nicht unbegrenzt Zeit haben sollen, die sog. "Brücke in die
Steuerehrlichkeit" zu beschreiten. Vielmehr wird diese Möglichkeit genommen,
wenn ein Prüfer sich anlässlich einer Außenprüfung im Einzelnen mit den
steuerlichen Verhältnissen des Steuerpflichtigen befasst. Insoweit bestehen
Parallelen zu § 371 AO, der Straffreiheit bei Selbstanzeige wegen
Steuerhinterziehung u.a. versagt, wenn vor Abgabe der Selbstanzeige ein
Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung erschienen ist. Zur
steuerlichen Prüfung erscheint ein Amtsträger in der Regel beim
Steuerpflichtigen, d.h. in dessen Wohn- oder Geschäftsräumen. Da der Prüfer
die tatsächlichen und rechtlichen Verhältnisse, die für die Steuerpflicht
und die Bemessung der Steuer maßgebend sind, umfassend prüfen muss (vgl. §
199 Abs. 1 AO) und der Steuerpflichtige insoweit mitwirkungspflichtig ist
und demgemäß die Pflicht hat, Bücher, Aufzeichnungen etc. zur Einsicht und
Prüfung vorzulegen (vgl. § 200 Abs. 1 AO), hat der Gesetzgeber in § 200 Abs.
2 AO verfügt, dass diese Unterlagen grundsätzlich in den Geschäftsräumen des
Steuerpflichtigen vorzulegen sind, wobei dem Prüfer sogar ein geeigneter
Raum und Arbeitsplatz unentgeltlich zur Verfügung zu stellen ist. Der
Vorrang der Geschäftsräume folgt aus dem Wortlaut des § 200 Abs. 2 AO und
aus dem Zweck der Außenprüfung; daher kommt eine Prüfung in den Wohnräumen
oder an Amtsstelle nur in Betracht, wenn die Prüfung in den Geschäftsräumen
des Steuerpflichtigen nicht möglich ist (vgl. § 200 Abs. 2 AO; BMF-Schreiben
vom 2. Januar 2008 IV A 4 - S 0062/07/0001, 2007/0605275, BStBl I 2008, 26,
Anwendungserlass zur Abgabenordnung, zu § 200 AO Nr. 2;
Betriebsprüfungsordnung (Steuer) vom 15. März 2000, BStBl I 2000, 368, § 6).
17
Dieser Entscheidung des Gesetzgebers trägt
auch § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG Rechnung, wenn dort angeordnet wird,
die Straf- oder Bußgeldbefreiung komme nicht in Betracht, wenn beim
Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter bereits vor Eingang der
strafbefreienden Erklärung ein Amtsträger der Finanzbehörde zwecks
steuerlicher Prüfung erschienen ist. Das bedeutet aber nicht, dass in den
Fällen, in denen ausnahmsweise die Prüfung an Amtsstelle stattfindet, die
Ausschlussregelung in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG keine Wirkung
entfalten soll. Das würde eine Besserstellung derjenigen Steuerpflichtigen
bedeuten, bei denen - entgegen der Grundregel in § 200 Abs. 2 AO - keine
Prüfung in ihren Räumlichkeiten vorgenommen wird oder werden kann. Der
Gesetzgeber kann nicht die Absicht gehabt haben, diejenigen besser zu
stellen, die ihrer in § 200 Abs. 2 AO geregelten Mitwirkungspflicht bewusst
nicht nachkommen oder dies aus objektiven Gründen nicht können. Andernfalls
hätten Steuerpflichtige es nämlich in der Hand, die Ausschlussregelung in §
7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG gezielt dadurch zu umgehen, dass sie
vorgeben, eine Prüfung in ihren Räumlichkeiten sei nicht möglich, die
Prüfung möge daher an Amtsstelle stattfinden. Mit dem Zweck des Gesetzes
wäre das nicht vereinbar, weil § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ähnlich
wie § 371 AO darauf zielt, den Vorteil einer strafbefreienden Erklärung (bei
§ 371 AO: Selbstanzeige) zu versagen, wenn im Rahmen einer Außenprüfung mit
der Aufdeckung unrichtiger Angaben, die zu einer Steuerverkürzung und einem
steuerlichen Vorteil geführt haben, gerechnet werden muss.
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d) Die Auffassung des FG, die Formulierung
"Erscheinen" in § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG sei nicht lokal zu
verstehen, sondern personenbezogen, und der Prüfer erscheine beim
Steuerpflichtigen oder seinem Vertreter auch dann, wenn im Finanzamt ein
persönlicher Kontakt stattfinde, der nach außen erkennbar mache, dass der
Prüfer mit der Außenprüfung beginne, hält der revisionsrechtlichen
Überprüfung demnach stand. Der Prüfer hat die im Rahmen der Außenprüfung
zunächst angeforderten Geschäftsunterlagen in den Räumlichkeiten des FA vom
Kläger bzw. seinem Vertreter am 4. Februar 2003 persönlich empfangen. Damit
war erkennbar, dass die Außenprüfung begonnen hat. Da vor dem 31. März 2004,
dem Datum des Eingangs der strafbefreienden Erklärung beim FA, weitere
Unterlagen vom Prüfer angefordert worden sind und Gespräche zwischen dem
Prüfer, dem Kläger und seinem Bevollmächtigten stattgefunden haben, war aus
der Sicht des Klägers deutlich, dass die Prüfung jedenfalls am 31. März 2004
bereits seit längerem im Gange war. Der Tatbestand des § 7 Satz 1 Nr. 1
Buchst. a StraBEG ist damit erfüllt. Die Frage, ob bereits das bloße
erstmalige Erscheinen des Klägers auf Vorladung des FA mit den vom Prüfer
angeforderten Unterlagen geeignet ist, die Sperrwirkung des § 7 StraBEG
herbeizuführen, kann daher offen bleiben.
19
2. § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG ist -
entgegen der Auffassung des Klägers - nicht so zu verstehen, dass das
Erscheinen eines Betriebsprüfers im Rahmen einer regulären Außenprüfung nach
§ 193 ff. AO keine Sperrwirkung zeitigen kann, weil der Prüfer nicht wegen
einer Steuerhinterziehung oder Steuerordnungswidrigkeit beim
Steuerpflichtigen erschienen ist. Dieser Argumentation vermag der Senat
nicht zu folgen. Die strafbefreiende Erklärung bezweckt die Korrektur
vormaliger unrichtiger oder unvollständiger Angaben, die zu
Steuerverkürzungen oder steuerlichen Vorteilen geführt haben (vgl. §§ 1, 6
StraBEG). Bei einer "normalen" Außenprüfung erscheint der Prüfer beim
Steuerpflichtigen indes nicht wegen einer Steuerhinterziehung oder
Steuerordnungswidrigkeit. Vielmehr geht es um die umfassende Ermittlung der
Besteuerungsgrundlagen im Rahmen der Prüfungsanordnung, nicht aber konkret
um ein Verhalten des Steuerpflichtigen, das eine Steuerhinterziehung oder
Steuerordnungswidrigkeit beinhaltet, zumal dem Prüfer ein solches bei seinem
erstmaligen Erscheinen gar nicht bekannt sein kann. Daher ist die
Gesetzesformulierung "wegen einer Tat im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 1 oder
einer Handlung im Sinne des § 6" auf die strafbefreiende Erklärung zu
beziehen (a.A. Stahl, a.a.O., Rz 681). Wegen des klar erkennbaren
Gesetzeszwecks und des Wortlauts des § 7 Satz 1 Nr. 1 Buchst. a StraBEG
("zur steuerlichen Prüfung oder zur Ermittlung einer Steuerstraftat ...")
wird durch diese Auslegung das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot
nicht verletzt.
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